Kleine Anfrage der Abg. Degen und Faeser (SPD) vom 09.12.2014 betreffend Konsequenzen für Schulen bei Nichtversetzungen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: In der Vorbemerkung der Antwort auf die Kleine Anfrage 19/842 weist die Landesregierung darauf hin, dass Klassenbildung, Zuordnung von Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften zu den einzelnen Klassen originäre Aufgaben von Schulleiterinnen und Schulleitern seien. Durch die bis zu 105-prozentige Lehrerzuweisung hätten die Schulen mehr Spielraum als je zuvor inhaltlich und organisatorisch Schwerpunktsetzungen vorzunehmen . Vorbemerkung des Kultusministers: Die im Landesschnitt 105-prozentige Lehrerversorgung ist und bleibt von herausragender Bedeutung . An dieser Garantie wird deutlich, welch außerordentlich hohe Priorität die Landesregierung der Bildung einräumt. Die zusätzlichen Mittel stehen den Schulen weitestgehend frei zur Verfügung. Dadurch sind sie in der Lage, auf konkrete Bedürfnisse vor Ort reagieren zu können. Bei insgesamt nach wie vor sinkenden Schülerzahlen bleibt die Zahl der Lehrerstellen auf gleichbleibend hohem Niveau. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele zusätzliche Stellen ergeben sich aus einer Lehrerversorgung von 104 % für eine durch- schnittliche Grundschule, eine durchschnittliche Hauptschule, eine durchschnittliche Realschule? Die Werte variieren je nach Größe der Schule erheblich, so dass in der nachfolgenden Übersicht eine Bandbreite dargestellt wird: Schulform Zuschlag in Stellen Grundschule 0,4 bis 0,9 Hauptschule 0,4 bis 0,7 Realschule 0,8 bis 1,5 Gymnasium ohne Oberstufe 0,8 bis 2,0 Frage 2. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass aus diesen zusätzlichen Stellen tatsächlich das Zusam- menlegen zweier Klassen verhindert werden kann, wenn sich aufgrund der Verringerung der Gesamtstärke eines Jahrgangs ein neuer Teiler für die Lehrerzuweisung ergibt und die Schule dennoch aus pädagogischen Gründen an der bisherigen Anzahl an Klassen festhalten möchte? Klassen werden zum Teil mit einer Anzahl von Schülerinnen und Schüler knapp über der Mindestzahl gebildet. Wird die Anzahl der Schülerinnen und Schüler dann unterschritten, ist oft eine Zusammenlegung die Folge. Die Entscheidung hierüber trifft die einzelne Schule. Frage 3. Wenn in der Regel alle zusätzlichen Lehrerstellen, die über eine 100-Prozent-Versorgung hinaus- gehen, langfristig im Sinne des Schulprofils gebunden sein werden, etwa für Angebote des bilingualen Unterrichts, für inklusive Beschulung, für Schulsozialarbeit sowie weitere Angebote, für Eingegangen am 11. März 2015 · Ausgegeben am 12. März 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1225 11. 03. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1225 welche die 104-prozentige Lehrerversorgung verwendet wird, teilt die Landesregierung dann unsere Ansicht, dass es aufgrund des verbindlichen Charakters der genannten Angebote unrealistisch ist, dass in einem wie in der Vorbemerkung beschriebenen Fall, kurzfristig eine Zusammenlegung von Klassen verhindert werden kann, wenn das Land hierfür keine zusätzlichen Mittel bereitstellt ? Die Schule muss mit ihren Gremien das langfristige Angebot auf der Basis der Stellenzuweisung beschließen. Dies schließt nicht aus, dass aktuelle Veränderungen Anpassungen notwendig machen . Frage 4. Ist die Antwort der Landesregierung auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 19/842 so zu verstehen, dass es in den letzten fünf Jahren zu keinen Klassenzusammenlegungen an Gymnasien, Gesamtschulen und Grundschulen gekommen ist? Bei der Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 19/842 war der Fokus wegen des Bezugs auf die Sophie-Scholl-Schule in Flörsheim nur auf die Bildungsgänge der Haupt- und Realschule gesetzt worden. Um den Fragestellungen gerecht zu werden, sind in der Anlage 1 die Zusammenlegungen einschließlich Gymnasien, Gesamtschulen, Mittelstufenschulen und Grundschulen dargestellt . Ferner sind diese Angaben nun auch um die Klassenneubildungen ergänzt, sodass die Dynamik in diesem Bereich deutlich wird. Frage 5. Wie erklärt sich die Landesregierung die insgesamt steigende Zahl der Klassenzusammenlegungen an Realschulen zwischen dem Schuljahr 2008/2009 (16 Zusammenlegungen) und dem Schuljahr 2012/2013 (38 Zusammenlegungen)? Auslöser für die Zusammenlegung von Klassen können Nichtversetzungen, freiwillige Wiederholungen der Jahrgangsstufe, schulinterne und -externe Schulformwechsel, Schulwechsel und Wegzug von Schülerinnen und Schülern oder eine Kombination mehrerer Merkmale sein. Frage 6. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung gegen Nichtversetzungen und Querverset- zungen, um ein möglichst hohes Maß an Kontinuität von Jahrgangsbreiten sicherzustellen? Die rechtlichen Regelungen priorisieren präventive Maßnahmen, d.h. individuelle Förderung, Beratung, Begleitung und Förderpläne für die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler. Im Einzelnen wird verwiesen auf die Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses (VOGSV): § 17 Grundsätze "(3) Eine Versetzungsentscheidung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen Schulgesetzes ist unter Berücksichtigung der näheren Kriterien für die einzelnen Schulformen in der Anlage 1 zu dieser Verordnung in pädagogischer Verantwortung unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu treffen. Grundlagen sind die Leistungen und Entwicklungen der Schülerin oder des Schülers während des gesamten Schuljahres. Eine Versetzung kann in besonders begründeten Ausnahmefällen auch ohne Ausgleich nicht ausreichender Leistungen erfolgen, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Schülerin oder der Schüler nicht zu vertreten hat." § 19 Einzelfragen und Querversetzungen "…(6) ….Eine Querversetzung ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine erfolgreiche Mitarbeit im Unterricht des gewählten Bildungsganges nicht zu erwarten ist und die Wiederholung der Jahrgangsstufe im selben Bildungsgang die Schülerin oder den Schüler in der Entwicklung erheblich beeinträchtigen würde." Ferner wird auf die Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschlussprüfungen in der Mittelstufe (VOBGM) verwiesen: § 2 Fördermaßnahmen und Lernförderung "(1) Die Förderung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers ist Prinzip des gesamten Unterrichts und Aufgabe der gesamten schulischen Arbeit. Jedes Kind soll mit anderen Kindern zusammen und auch durch sie gefördert werden. Die individuelle Förderung ist in den Gesamtzusammenhang schulischer Lernförderung zu stellen. Die Erstellung von individuellen Förderplänen richtet sich nach den Regelungen der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19. August 2011 (ABl. S. 546) in der jeweils geltenden Fassung." Die Zahl der Klassenwiederholungen an hessischen Schulen wurde gesenkt. Dies ist auf differenzierte und passgenaue Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der individuellen Förderung zurückzuführen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1225 3 Es gibt zahlreiche Projekte und Maßnahmen, die die individuelle Förderung der Schülerin oder des Schülers zum Ziel haben. Als Schwerpunkte im Primar- und den Sekundarbereichen sind zu nennen:  Lese-Schreibförderung/Lese-Rechtschreib-Schwäche,  Mathematik/Rechenschwäche,  Sprachförderung (Vorlaufkurse, Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Seiteneinsteigerklassen und -kurse), Schullaufbahnberatung und individueller Förderplan,  im akuten Fall der Versetzungsgefährdung in Klasse 8 die regionalen Osterferiencamps und überregionalen O-camps,  abschluss- und berufsvorbereitende Maßnahmen  Fortbildungen für Lehrkräfte durch die Projektbüros 'Individuelle Förderung' und das Projektbüro 'Inklusion'. Frage 7. Liegen inzwischen Daten zu Frage 3 der Kleinen Anfrage 19/842 vor? (Zusammenlegung von Abschlussklassen des laufenden Schuljahres durch Rückgang im vorausgegangen Schuljahr 2013/14, unter Nennung des Grundes für Nichtversetzung, falls bekannt) Die Darstellung des Übergangs von 2013/14 nach 2014/15 ist nicht möglich, da die Daten für das Schuljahr 2014/15 vom Statistischen Landesamt noch nicht vorliegen. Frage 8. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass es sich bei dem in Frage 4 der Kleinen Anfrage 19/842 beschriebenen Fall der Sophie-Scholl-Schule in Flörsheim um einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern handelt, welche das Klassenziel nicht erreicht hatten? Wie bereits zur Frage 5 angeführt, gibt es unterschiedliche Gründe, die dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler die Jahrgangsstufe 9 ohne Abschluss verlassen. Die Nichterreichung des Klassenziels kann auf mangelnde Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft der einzelnen Jugendlichen zurückzuführen sein. Es kann aber auch außerschulische Gründe geben wie z.B. Wegzug der Familie, Antritt einer Arbeitsstelle oder eines Ausbildungsplatzes, schulaversives Verhalten usw. Frage 9. Erkundigt sich die Landesregierung nach den Ursachen, wenn sie von solch überdurchschnittlich hohen Werten Kenntnis erhält und falls ja, welche Maßnahmen leitet sie ein? Wie bereits bei den Antworten zu den Fragen 5 und 8 ausgeführt, können die Ursachen vielfältiger Natur sein. Sie sind immer vor dem Hintergrund des Leistungsvermögens und des Leistungsverhaltens der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers zu sehen. So kann beispielsweise die gewählte Schulform das Leistungsvermögen übersteigen oder der von der Schule bei drohendem Leistungsversagen oder bei drohender Nichtversetzung mit der Schülerin oder dem Schüler und den Eltern vereinbarte Förderplan nicht eingehalten werden. Sollten an einer Schule kontinuierlich hohe Abbruchzahlen auftreten, so sind eine konkrete Analyse und die Beratung durch die Schulaufsicht gefragt. Signifikante Auffälligkeiten konnten bislang nicht festgestellt werden. Auf die vor Jahren eingeführten Maßnahmen zur Verminderung der Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss wie z.B. die Einrichtung von SchuB-Klassen und die Aufstellung von Förderplänen wird hingewiesen. Wiesbaden, 27. Februar 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlagen Anlage 1 Zur Frage 4 Veränderung von Klassenzahlen zur Klassenzahl der nächsthöheren Stufe des Folgejahrs an öffentlichen Schulen a) Schulform Grundschule (einschließlich 2. Jahr der Eingangsstufe und flexibler Schulanfang) Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon --------------------------- Zusammenlegungen --------------------- Neugründungen 2008/2009 1 2 +83 45 128 2 3 0 55 55 3 4 +28 12 40 2009/2010 1 2 +107 51 158 2 3 -22 67 45 3 4 +22 16 38 2010/2011 1 2 +79 89 168 2 3 -38 83 45 3 4 +22 13 35 2011/2012 1 2 +169 53 222 2 3 -25 101 76 3 4 +14 21 35 2012/2013 1 2 +193 29 222 2 3 -58 107 49 3 4 +17 28 45 b) Schulform Hauptschule Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon -------------------------- Zusammenlegungen --------------------- Neugründungen 2008/2009 5 6 +17 2 19 6 7 +21 2 23 7 8 +54 15 69 8 9 -11 18 29 2009/2010 5 6 +15 3 18 6 7 +27 3 30 7 8 +50 6 56 8 9 +20 13 33 2010/2011 5 6 +16 4 20 6 7 +38 4 42 7 8 +60 11 71 8 9 +18 12 30 2011/2012 5 6 +18 2 20 6 7 +33 2 35 7 8 +58 9 67 8 9 +35 10 45 2012/2013 5 6 +6 7 13 6 7 +30 0 30 7 8 +58 12 70 8 9 +51 11 62 c) Schulform Realschule Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon Zusammenlegungen Neugründungen 2008/2009 5 6 +1 4 5 6 7 +13 1 14 7 8 +24 3 27 8 9 +29 1 30 9 10 +3 7 10 2009/2010 5 6 -2 4 2 6 7 +5 3 8 7 8 +12 8 20 8 9 +14 10 24 9 10 +1 6 7 2010/2011 5 6 +4 4 8 6 7 -2 6 4 7 8 +13 10 23 8 9 +12 9 21 9 10 +6 7 13 2011/2012 5 6 -3 9 6 6 7 +3 8 11 7 8 +4 13 17 8 9 +18 7 25 9 10 -6 11 5 2012/2013 5 6 +3 3 6 6 7 +4 5 9 7 8 +2 17 19 8 9 +25 7 32 9 10 +9 6 15 d) Schulform Mittelstufenschule Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon Zusammenlegungen Neugründungen 2011/2012 5 6 2 0 2 6 7 0 0 0 2012/2013 5 6 2 0 2 6 7 5 0 5 7 8 -4 4 0 8 9 2 1 3 e) Schulform Schulformübergreifende Gesamtschule an öffentlichen Schulen Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon Zusammenlegungen Neugründungen 2008/2009 5 6 -2 4 2 6 7 +1 5 6 7 8 0 3 3 8 9 +30 0 30 9 10 -77 82 5 2009/2010 5 6 +2 3 5 6 7 +2 3 5 7 8 +5 2 7 8 9 +23 3 26 9 10 -96 97 1 2010/2011 5 6 -1 6 5 6 7 +4 8 12 7 8 -6 9 3 8 9 +20 4 24 9 10 -96 96 0 2011/2012 5 6 -1 5 4 6 7 +2 4 6 7 8 -2 6 4 8 9 +32 0 32 9 10 -89 92 3 2012/2013 5 6 +5 4 9 6 7 0 8 8 7 8 +6 2 8 8 9 +40 2 42 9 10 -100 102 2 Anmerkung: Die Jahrgangsstufe 9 ist die Abgangsklasse für Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss. f) Schulform Gymnasium - verkürzter Gymnasialer Bildungsgang Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon Zusammenlegungen Neugründungen 2008/2009 5 6 +2 4 6 6 7 +10 20 30 7 8 +19 23 42 8 9 +17 17 34 2009/2010 5 6 +2 2 4 6 7 +12 20 32 7 8 +17 18 35 8 9 +16 19 35 2010/2011 5 6 +2 2 4 6 7 +10 15 25 7 8 +21 21 42 8 9 +14 15 29 2011/2012 5 6 +3 4 7 6 7 +9 9 18 7 8 +16 17 33 8 9 +14 15 29 2012/2013 5 6 +4 5 9 6 7 +42 19 61 7 8 +14 15 29 8 9 +18 18 36 g) Schulform Gymnasium Schuljahr von Jahrgang nach Jahrgang Veränderung Klassenzahl davon Zusammenlegungen Neugründungen 2008/2009 5 6 0 0 0 6 7 0 0 0 7 8 0 0 0 8 9 -3 5 2 9 10 -12 15 3 2009/2010 5 6 -1 1 0 6 7 0 1 1 7 8 1 0 1 8 9 -1 1 0 9 10 -5 6 1 2010/2011 5 6 0 0 0 6 7 2 0 2 7 8 0 1 1 8 9 -1 1 0 9 10 0 0 0 2011/2012 5 6 0 0 0 6 7 0 1 1 7 8 1 0 1 8 9 -2 2 0 9 10 -3 3 0 2012/2013 5 6 -1 1 0 6 7 0 1 1 7 8 -2 3 1 8 9 -1 2 1 9 10 -3 3 0