Kleine Anfrage der Abg. Frankenberger, Eckert und Weiß (SPD) vom 19.12.2014 betreffend Radverkehr in Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Das Bundesverkehrsministerium hat vor kurzem den Bericht "Radverkehr in Deutschland, Zahlen, Daten, Fakten" herausgegeben. Auf diesen Bericht beziehen sich die nachfolgenden Fragen. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Der Modal Split in Hessen weist für das Jahr 2008 folgende Verteilung auf: 44,1 % motorisierter Individualverkehr (Fahrer), 15 % motorisierter Individualverkehr (Mitfahrer), 26 % zu Fuß, 8,7 % öffentlicher Nahverkehr und nur 6,1 % Fahrrad. Liegen der Landesregierung aktuelle Zahlen zum Modal Split in Hessen vor? Die Informationen zum Modal Split entstammen der Untersuchung Mobilität in Deutschland (MID) 2008. Diese Erhebung wurde deutschlandweit durch den Bund beauftragt. Die nächste MID-Befragung soll im Jahr 2016 stattfinden. Neueste Erkenntnisse zum Modal Split-Vergleich der Länder werden nach Einschätzung der Landesregierung erst nach der Auswertung 2017/2018 vorliegen. Frage 2. Wie erklärt sich die Landesregierung die geringe Nutzung des Fahrrads und wie plant sie die Er- höhung der Fahrradnutzung? Die Studie "Fahrradmobilität in Hessen", die im Auftrag der Hessischen Landesregierung im Jahre 2011 durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Hessen insgesamt eine sehr heterogene Struktur in der Fahrradnutzung aufweist. Aus diesem Grunde gibt es für die - jedenfalls 2008 festgestellte - geringere Nutzung des Fahrrades in Hessen, im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt , keine auf das Land bezogenen typischen Ursachen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Fahrradnutzung gegenüber 2008 bereits erhöht hat. Seit 2008 hat die Hessische Landesregierung jährlich etwa 10 Mio. € in die Radverkehrsinfrastruktur investiert. Hinzu kommen die Unterstützung kommunikativer Maßnahmen wie die Projekte Stadtradeln, Bike+Business und mit dem Rad-zur-Arbeit sowie Serviceleistungen im Zusammenhang mit dem Radroutenplaner Hessen. Zudem bereitet die Landesregierung derzeit die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) zur besseren Vernetzung der Kommunen vor. Davon sind weitere positive Effekte zu erwarten. Frage 3. Der Bericht analysiert auch den Wirtschaftsfaktor Fahrrad und ermittelt unterschiedliche Werte für Gesamtdeutschland. Wie bewertet die Landesregierung den Wirtschaftsfaktor Fahrrad für den Einzelhandel und für den Tourismus in Hessen auch im Vergleich zu anderen Bundesländern? a) Einzelhandel? b) Tourismus? Im Einzelhandel wurden mit Fahrrädern, -teilen und -zubehör 2012 rund 160 Millionen € umgesetzt . Im Fahrradeinzelhandel waren im gleichen Zeitraum in Hessen rund 1.500 Personen beschäftigt . Der Anteil des Umsatzes am gesamten Einzelhandel (ohne Einzelhandel mit Kfz) beträgt 0,76 %. Der Anteil der Beschäftigten an allen beschäftigten Personen im Einzelhandel (ohne Einzelhandel mit Kfz) beträgt 0,9 %. Im Jahr 2013 gingen rund 8.000 Fahrräder im Wert Eingegangen am 5. Februar 2015 · Ausgegeben am 12. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1276 05. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1276 von insgesamt fast 4,0 Mio. € in den Export. Legt man den Warenwert von Fahrrädern und Fahrradteilen, die noch nicht montiert wurden, zugrunde, so belaufen sich der Importwert auf 65,4 Mio. € und der Exportwert auf 42,5 Mio. €. Für den Bericht des BMVI wurden in vielen Fällen Daten des Zweirad-Industrie-Verband e. V. oder der Befragung Mobilität in Deutschland verwendet. Die Zahlen des Zweirad-IndustrieVerband e. V. können aufgrund von unterschiedlicher Methodik von denen der Amtlichen Statistik abweichen, die der Antwort zugrunde gelegt wurde. Daher ist ein Vergleich mit den Angaben des BMVI für die anderen Länder nicht möglich. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fahrradtourismus und seine Wachstumspotenziale sind ebenso wie die Wichtigkeit des Faktors Fahrrad für den Einzelhandel als beachtlich einzustufen. Der Wunsch nach Aktiv- und Wellnessurlaub macht Radurlaub zu einer zunehmend attraktiven Reise - und Urlaubsform. Dem Radtourismus in Hessen werden mehr als 1 Million Übernachtungen zugeordnet. Übernachtungsgäste mit Fahrrad geben durchschnittlich 64 € pro Kopf und Tag aus, Fahrradausflügler rund 16 € pro Kopf und Tag. Mit schätzungsweise 10 Millionen Ausflüglern wird in Hessen gerechnet. Der Umsatz durch den hessischen Radtourismus beträgt somit schätzungsweise 220 Millionen €. Zum Vergleich mit anderen Ländern liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Frage 4. Laut des Berichts war 2008 der Anteil fahrradtouristischer Tagesreisen an Tagesreisen insgesamt in Hessen sehr gering. Wie erklärt sich die Landesregierung diesen geringen Anteil und wie plant sie hier gegenzusteuern und den Anteil zu erhöhen? Es ist darauf zu schließen, dass die Konkurrenz anderer Aktivitäten im Land sehr hoch ist, sodass für die Aktivität Radfahren im Rahmen von Tagesreisen ein entsprechend niedriger Anteil ausgewiesen wird. Tagesausflüge in Hessen sind zu einem großen Teil Städtetrips, knapp die Hälfte aller Tagesausflüge führt in Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Das zeigt die Studie "Tagesreisen der Deutschen" des dwif aus 2013. Grundsätzlich lässt sich dieser Studie entnehmen, dass der Charakter eines Zielgebietes eine signifikante Auswirkung auf die Tagesausflüge hat. So finden im ländlicher geprägten Rheinland-Pfalz über die Hälfte der Tagesausflüge in ländlichen Räumen (unter 20.000 Einwohner) statt und nur 25 % der Tagesausflüge führen in Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern, während in Nordrhein-Westfalen über 63 % der Tagesausflüge in Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern führt und lediglich 8,3 % der Tagesausflüge in ländlichen Räumen stattfinden. Dass in NRW der Anteil fahrradtouristischer Tagesreisen an allen Tagesreisen mit 4 % dennoch höher als in Hessen ist, liegt insbesondere in der Anzahl aller Tagesreisen in NRW begründet (NRW ist mit 635 Mio. Tagesausflügen pro Jahr der mit Abstand größte "Produzent" von innerdeutschen Tagesreisen– im Vergleich dazu Hessen: 246 Mio. Tagesausflüge pro Jahr). Für Hessen lässt sich vermuten, dass die Anzahl der Tagesgeschäftsreisen , die auch zu den Tagesreisen insgesamt zählen, sicherlich einen hohen Anteil an den Tagesausflügen in und nach Hessen haben wird und demzufolge ebenfalls mit der Aktivität Radfahren im Rahmen eines Tagesausfluges konkurriert. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil fahrradtouristischer Tagesreisen an Tagesreisen insgesamt im Vergleich zu den genannten Werten von 2008 wegen der Unterstützung des Landes heute höher liegen dürfte. Die Landesregierung fördert den Fahrradtourismus neben dem Ausbau und der Beschilderung der Radwege unter anderem durch den Radroutenplaner (radroutenplaner .hessen.de) und durch intensive Vermarktungsaktivitäten über die Hessen Agentur GmbH. Auch die touristischen Zielorte haben in die Qualität der Radwegeinfrastruktur und in Marketingaktivitäten investiert. Frage 5. Der Anteil der mit Radwegen ausgestatteten Bundes-, Landes- und Kreisstraßen ist im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gering. Wie erklärt sich die Landesregierung diese Tatsache und wie plant sie hier gegenzusteuern? Es ist zwar richtig, dass der Anteil der Bundesstraßen mit Radwegen mit 25 % in Hessen niedriger liegt als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen mit 57 %. Andererseits beträgt der prozentuale Anteil in Rheinland-Pfalz ebenfalls 25 %. In Baden-Württemberg macht der Anteil der Bundesstraßen mit Radweg sogar nur 16 % aus, in Thüringen 20 %. Die Statistik ist allerdings nur begrenzt belastbar. Beispielsweise werden teilweise nicht direkt an Bundesstraßen geführt Radwege wie Bahntrassenradwege, die als Radwege an Bundesstraßen gelten, nicht erfasst. Zudem stellt der Bund für den Bau von Radwegen an Bundesstraßen seit Jahren immer weniger Mittel zur Verfügung. Im Jahre 2015 stehen nur Mittel in Höhe von rund 6,5 Mio. € zu Verfügung . Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1276 3 Der geringe Ausstattungsgrad der Landesstraßen mit Radwegen liegt insbesondere daran, dass in der Vergangenheit in diesem Bereich wenig investiert wurde. Zwischen 2003 und 2013 wurden durchschnittlich im Ergebnis 2,4 Mio. € für den Bau von Radwegen an Landesstraßen ausgegeben , obwohl der Haushaltsansatz deutlich höher lag. Demgegenüber setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die zur Verfügung stehenden Mittel voll ausgeschöpft werden. Für das Haushaltsjahr 2015 ist geplant, 4 Mio. € für Radwege an Landesstraßen zur Verfügung zu stellen ; darüber hinaus ist es der Wille der Landesregierung, dieselbe Summe auch in den Jahren 2016 bis 2018 im Haushalt auszubringen. Damit soll im Ergebnis voraussichtlich ein deutlich höherer Betrag für Radwege an Landesstraßen ausgegeben werden als in der Vergangenheit. Ähnlich wie bei den Bundessstraßen liegt in Hessen auch bei Kreisstraßen der Anteil mit Radwegen zwar mit 8 % niedriger als in Nordrhein-Westfalen (19 %). Gleichzeitig aber beträgt der Prozentsatz der Kreisstraßen, die Radwege aufweisen, in Baden-Württemberg 9 %, in Thüringen 6 % und in Rheinland-Pfalz nur 4 %. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass der Bau von Kreisstraßen und damit auch von begleitenden Radwegen in der Zuständigkeit der Landkreise liegt. Die Einflussmöglichkeiten des Landes beschränken sich daher auf die Förderung der kommunalen Radverkehrsinfrastruktur, zu der auch Kreismaßnahmen gehören. Dafür stellt das Land rund 7 Mio. € pro Jahr zur Verfügung. Wiesbaden, 28. Januar 2015 Tarek Al-Wazir