Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 23.12.2014 betreffend Kontrolle des Baugewerbes und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Aus einem Artikel des Spiegels (Schwarzarbeitsfahndern fehlt Personal, Spiegel online, 20. Oktober 2014) und zwei Bundestagsdrucksachen (Drucks. Nr. 18/1219 und 18/1518) geht hervor, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) personell nicht ausreichend ausgestattet ist, um ihre Aufgaben, die im Laufe der Zeit zugenommen haben, hinreichend zu erfüllen. Mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ab 2015 kommt ein weiterer Aufgabenbereich hinzu. Eine personelle Aufstockung um 1.600 Stellen ist jedoch erst bis zum Jahr 2019 vorgesehen. Darüber hinaus sollen derzeit 600 Stellen bei der FKS unbesetzt bleiben. Es ist bekannt, dass insbesondere im Baugewerbe Arbeitszeiten und -löhne sowie Steuern und Sozialbeiträge oft nicht eingehalten bzw. abgeführt werden. Dies führt zu einer Wettbewerbsverzerrung im Baugewerbe. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Bereits durch das Gesetz zur Intensivierung der Schwarzarbeitsbekämpfung und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung vom 23.07.2004 (BGBl. I, S. 1842) wurde die Zuständigkeit für amtliche Außenprüfungen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung bei den Behörden der Bundeszollverwaltung/Hauptzollämter (Arbeitsbereich "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" - FKS) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen gebündelt. In Anbetracht der Zuständigkeit des Bundes für die Personalausstattung der FKS wird sich die Landesregierung zu diesbezüglichen Fragen nicht äußern - sie verfügt insoweit auch nicht über die für die Beantwortung erforderlichen Informationen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister der Finanzen sowie dem Hessischen Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie viele Stellen stehen der FKS in Hessen zur Verfügung und wie viele davon sind unbesetzt? Frage 2. Ist der Landesregierung bekannt, ob die FKS ihre Personalausstattung als ausreichend betrachtet? Frage3. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die FKS in Hessen Ihre Aufgaben in Hessen in vollem Umfang wahrnehmen kann? Frage 4. Wie viele zusätzliche Stellen wird die FKS mit der Einführung des Mindestlohns erhalten? Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Zuständigkeit für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit liegt beim Bund. Daher kann die Hessische Landesregierung auf die gestellten Fragen keine Angaben machen. Frage 5. Gibt es Bemühungen seitens der Landesregierung, sich auf Bundesebene für eine Aufstockung des Personals der FKS in Hessen einzusetzen? Die Hessische Landesregierung setzt sich intensiv für die verbesserte Bekämpfung der Schwarzarbeit ein, sowohl im Land selbst als auch in Verhandlungen und Gesprächen mit dem Bund. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Eingegangen am 25. Februar 2015 · Ausgegeben am 27. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1282 25. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1282 Frage 6. Wie viele Verstöße hat die FKS in Hessen mit welcher Schadenssumme aufgedeckt? Bitte auf- schlüsseln nach Jahren für den Zeitraum 2004 bis 2014 und differenzieren nach a) Verstöße gegen Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und nochmals diffe- renziert nach I) Höhe der Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen II) Höhe der Bußgelder III) Geld- und Freiheitsstrafen b) Schwarzarbeit I) Höhe der Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen II) Höhe der Bußgelder III) Geld- und Freiheitsstrafen Da der Bund für die FKS zuständig ist, verfügt die Hessische Landesregierung hierzu über keine Informationen. Frage 7. Welche weiteren Maßnahmen gibt es in Hessen, jenseits der Kontrolle durch die FKS, um illegale Zustände im Baugewerbe, wie illegale Beschäftigung und Lohndumping, zu bekämpfen? Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG) sieht vor, dass die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden als Zusammenarbeitsbehörden der FKS mit dieser kooperieren und sie wechselseitig Informationen austauschen. In Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages haben das Bundesministerium der Finanzen und die in den Ländern jeweils für den Arbeitsschutz zuständigen Ministerien und Behörden eine Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der FKS und den Arbeitsschutzbehörden geschlossen. Im Hinblick auf die Zusammenarbeitsvereinbarung und ihren gesetzlichen Auftrag zur Überwachung des Arbeitsschutzes bei Bauvorhaben tauschen die Arbeitsschutzbehörden mit der FKS gezielt entsprechende Informationen aus. Das für Baumaßnahmen des Landes zuständige Hessische Baumanagement (hbm) berichtet, dass es im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten regelmäßig (halbjährig je Standort) stichprobenartige Baustellenkontrollen durchführe. Dabei werden verschiedene Daten geprüft wie u.a. die auf der Baustelle angetroffenen Unternehmen, die auf der Baustelle Beschäftigten, die Sozialversicherungsausweise bzw. Gewerbeanmeldung sowie eine Angabe, ob es sich um Nachunternehmerleistung handele und ob diese genehmigt sei. Bereits mit der Abgabe des Angebots habe sich der Bieter verpflichtet,  seine im Unternehmen beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht unter den für sein Gewerk geltenden Lohntarifen zu entlohnen,  die in seinem Unternehmen beschäftigten nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht unter den Mindestentgelt-Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu entlohnen,  die Verpflichtung aus den Sozialkassentarifverträgen zu erfüllen,  die Beiträge zu den Zweigen der sozialen Sicherheit zu zahlen und  die Löhne und Gehälter mindestens monatlich über Gehaltskonten zu überweisen. Das hbm teilt mit, es kontrolliere im Rahmen des Vergabeverfahrens bei jedem Bieter das Vorliegen der geforderten Erklärungen und die Einhaltung der im Vergabeverfahren gemachten Vorgaben. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen und tariflichen Vorschriften können in Abhängigkeit von deren Schwere straf- oder ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Das hbm selbst hat vertragsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten. In einem nachgewiesenen schuldhaften Verstoß der entsprechenden Vorschriften kann eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 % der Auftragssumme, maximal 25.000 € festgesetzt werden. Bei mehreren Verstößen können bis zu 10 % der Auftragssumme, maximal 250.000 € festgesetzt werden. Darüber hinaus kann in besonderen Fällen, z.B. bei einem nicht genehmigten Nachunternehmereinsatz, der Auftrag gekündigt werden (§ 4 Abs. 8 Ziff. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 VOB/B). Darüber hinaus müssen die öffentlichen Auftraggeber bei allen Bauvergaben mit einem geschätzten Auftragswert über 30.000 € einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister einholen, um festzustellen, ob ein Unternehmen bereits wegen Schwarzarbeit oder Verstößen gegen den Mindestlohn aufgefallen ist (§ 21 Arbeitnehmerentsendegesetz). Firmen, die nachweislich schwere Verfehlungen begangen haben, werden bisher nach dem gemeinsamen Runderlass über Vergabesperren zur Korruptionsbekämpfung von der Teilnahme an den öffentlichen Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen (StAnz. Nr. 52 vom 27.12.2010, S. 2831 f). Künftig wird dies eine Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 18 Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz regeln. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1282 3 Bei Verstößen von präqualifizierten Firmen erfolgt eine Meldung an den Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen bzw. an das Hessische Präqualifikationsregister, was unter Umständen zum Verlust der Präqualifikation führen kann. Frage 8. Nach welchen Kriterien erfolgt die öffentliche Auftragsvergabe für das Baugewerbe in Hessen? Bei Baumaßnahmen des Landes erfolgt die öffentliche Auftragsvergabe unter Beachtung des Vergaberechts. Dieses sieht sowohl oberhalb als auch unterhalb der EU-Schwellenwerte die Aufteilung der Beschaffungen in Lose vor, so dass sich auch kleinere und mittlere Unternehmen um die Aufträge bewerben können. Eine Zusammenfassung mehrerer Lose (wie z.B. bei einem Generalunternehmer) ist nur möglich, wenn es technisch und wirtschaftlich begründbar ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. So werden die Baumaßnahmen des Landes nahezu vollständig "fachlosweise" ausgeschrieben. Hilfreich für das Baugewerbe ist im Übrigen auch, dass die Landesregierung gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer sowie den Handwerkskammern mit der Hessischen Ausschreibungsdatenbank (HAD) eine Plattform geschaffen hat, auf der die baugewerblichen Unternehmer alle öffentlichen Ausschreibungen einsehen und über entsprechend hinterlegte Profile selektieren können. Frage 9. Welche eigenen Erkenntnisse hat die Landesregierung darüber, wie sich die Situation des Bauge- werbes in Hessen darstellt? Die derzeit gute Wirtschaftslage in Hessen zeigt sich auch bei der Vergabe von Aufträgen im Rahmen von Baumaßnahmen des Landes. Das hbm berichtet, dass die Bewerberlage zurzeit eher dünn sei. Während noch hinreichend Unternehmen die Angebotsunterlagen anfordern würden , geben nur wenige tatsächlich Angebote ab. Dies wird überwiegend den vollen Auftragsbüchern zugeschrieben. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist die Baubranche (Bauindustrie und Baugewerbe) bundesweit insgesamt eine risikobelastete Branche, beispielsweise passieren rund doppelt so viel schwere Arbeitsunfälle auf Baustellen wie in der übrigen gewerblichen Bauwirtschaft. Deshalb werden in Hessen sowohl in der Überwachung des Arbeitsschutzes als auch in der unterstützenden Kooperation der Kammern, Verbände, Gewerkschaften und Präventionsdienstleister (z.B. Aufsichtsinstitutionen und Krankenkassen) erhebliche Anstrengungen unternommen (siehe auch Frage 10). Frage 10. Was wird die Landesregierung künftig tun, um den kleinen und mittleren Betrieben des Bauge- werbes in Hessen einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen und welche Maßnahmen werden ergriffen? Das neu vom Hessischen Landtag beschlossene Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz vom 19.12.2014 (HVTG, Inkrafttreten am 01.03.2015) verpflichtet die Bewerber und die Bieter zur Abgabe verschiedener Erklärungen. Insbesondere müssen die Bieter erklären, dass sie die für sie geltenden gesetzlichen, aufgrund eines Gesetzes festgesetzten und unmittelbar geltenden tarifvertraglichen Leistungen gewähren (§ 4 Abs. 1). So sind beispielsweise die Tarife des Arbeitnehmerentsendegesetz und der Mindestlohn als Mindeststandards immer einzuhalten, darüber hinaus die vereinbarten Tarife bei tarifgebundenen Unternehmen. Falsche Erklärungen werden mit einer Vergabesperre gem. § 18 Abs. 3 des HVTG belegt, die wenigstens 6 Monate bis zu 3 Jahren dauert. Bei erstmaligen Verstößen kann eine Verwarnung für das Unternehmen ausgesprochen werden. Darüber hinaus sieht das HVTG weitere Maßnahmen vor, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten . So darf bei der Wertung von Angeboten der niedrigste Preis nicht allein entscheidend sein. Bei auffällig niedrigen Angeboten fordern die öffentlichen Auftraggeber die Urkalkulation an. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration betreibt seit rund 10 Jahren das Netzwerk "Gutes Bauen in Hessen", in dem die zentralen Institutionen (u.a. Sozialpartner, Kammern , Präventions- und Aufsichtsinstitutionen, Hochschulen) regelmäßig im Austausch stehen und gemeinsam getragene Unterstützungsstrukturen erarbeiten. Gegenwärtig wird unter Beteiligung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) eine gemeinsame Plattform des Netzwerks "Gutes Bauen - gute Bildung" erarbeitet . Sie zeigt praxisbewährte Konzepte der jeweiligen Netzwerkpartner für eine hochwertige Ausbildung mit guten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen auf, die insbesondere Kleine und 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1282 Mittlere Unternehmen (KMU) und deren Institutionen unterstützen soll. Da die Einhaltung von gesetzlichen Mindeststandards einen wesentlichen Aspekt fairer Wettbewerbsbedingungen darstellt , kann die Unterstützung guter Arbeitsprozesse über diese Standards hinaus wichtige Beiträge für die Wettbewerbsfähigkeit guter KMU darstellen. Wiesbaden, 18. Februar 2015 Tarek Al-Wazir