Kleine Anfrage der Abg. Decker, Frankenberger, Franz, Gremmels, Hofmann, Hofmeyer, Löber, Rudolph, Dr. Sommer, Dr. Spies, Warnecke und Waschke (SPD) vom 20.01.2015 betreffend Gerichtsverfahren gegen Mehmet Göker und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragesteller: Der Presse war zu entnehmen, dass es aller Voraussicht nach kein Gerichtsverfahren gegen den früheren Chef des Versicherungsvermittlungsunternehmens MEG, Mehmet Göker, geben wird. Ursächlich hierfür sind offenbar auch Personalprobleme: Die Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Kassel hat keinen Vorsitzenden und ist überlastet. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Soweit in der Vorbemerkung der Fragesteller unter Bezugnahme auf die Presseberichterstattung in der HNA davon ausgegangen wird, dass es kein Gerichtsverfahren gegen den früheren Chef des Versicherungsvermittlungsunternehmens MEG, Mehmet Göker, geben werde, ist dazu festzuhalten , dass es drei bisher nicht verhandelte Anklagen gibt. Eine Entscheidung über den weiteren Verfahrensgang obliegt allein der zuständigen Strafkammer. Insoweit handelt es sich um eine Entscheidung, die die Strafkammer in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen hat. Aus Respekt vor der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit kommentiert das Justizministerium weder den Zeitpunkt noch den Inhalt einer solchen Entscheidung. Unabhängig davon sind die in der Vorbemerkung der Fragsteller genannten Personalprobleme wie das Fehlen eines Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer sowie eine Überlastung derselben nicht gegeben. Richtig ist, dass seit August 2012 der Vizepräsident des Landgerichts zugleich Vorsitzender der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer - der 3. Strafkammer des Landgerichts Kassel - war und er infolge der am 31. Dezember 2014 erfolgten Ernennung zum Präsidenten des Amtsgerichts Kassel zugleich als Vorsitzender der 3. Strafkammer des Landgerichts Kassel ausschied. Das Präsidium des Landgerichts Kassel hat jedoch in seiner Sitzung am 29. Januar 2015 der 3. Strafkammer einen Richter am Landgericht zugewiesen und diesen zum stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer bestimmt. Seit dem 1. Februar 2015 ist die 3. Strafkammer insoweit wieder mit 3 Berufsrichtern vollständig besetzt. Im Übrigen ist die 3. Strafkammer nicht überlastet. Es liegt keine Überlastungsanzeige vor. Zudem ist die 3. Strafkammer nach dem Bericht des Präsidenten der Landgerichts Kassel in der Lage, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen und jedes ihrer Verfahren angemessen zu fördern. Dies betrifft auch den angesprochenen Verfahrenskomplex. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Laufen Ermittlungsverfahren gegen Mehmet Göker? Wenn ja, wann ist mit deren Abschluss zu rechnen? Wenn nein, warum nicht? Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt weiter gegen den Beschuldigten Mehmet Göker. Im Hinblick auf die noch laufenden Ermittlungen können keine näheren Einzelheiten mitgeteilt Eingegangen am 24. Februar 2015 · Ausgegeben am 26. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1504 24. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1504 werden. Die Staatsanwaltschaft hat berichtet, dass sie einen Abschluss der Ermittlungen im Laufe des ersten Halbjahres 2015 anstrebt. Diese Zielsetzung steht jedoch unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der noch laufenden Ermittlungen. Frage 2. Wie viele Anklagen wurden gegen Mehmet Göker erhoben und wie hat das Gericht darüber ent- schieden? Die Staatsanwaltschaft Kassel hat in insgesamt fünf Verfahren gegen den Beschuldigten Anklage erhoben und in einem weiteren Verfahren den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Das Amtsgericht Kassel hat den Beschuldigten in zwei Verfahren in den Jahren 2008 und 2010 rechtskräftig zu jeweils einer Geldstrafe verurteilt; eine jener Verurteilungen erfolgte im Strafbefehlsweg . Ein weiteres Verfahren wurde durch das Amtsgericht Kassel im Hinblick auf die Anklageerhebung in einem der übrigen Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt . In den verbleibenden drei Verfahren steht eine Entscheidung des Landgerichts Kassel über die Eröffnung des Hauptverfahrens bzw. die Übernahme eines Verfahrens vom Amtsgericht noch aus. Frage 3. Sind Presseberichte zutreffend, wonach die Anklagen gegen Mehmet Göker zum Teil schon zwei Jahre alt sind? Wenn ja, warum? Die drei in der Antwort zu Frage 2. erwähnten, noch nicht verhandelten Anklagen datieren vom 17. Januar 2012, vom 4. April 2013 und vom 26. September 2013. Daraus ergibt sich, dass die Anklageerhebung lediglich in einem Verfahren länger als zwei Jahre zurückliegt. In jenem Verfahren wurde zunächst Anklage beim Amtsgericht Kassel erhoben. Nach der Abtrennung der zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilten Mittäter legte das Amtsgericht Kassel das Verfahren am 2. September 2013 der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kassel zwecks Prüfung der Übernahme vor. Eine Entscheidung über die Übernahme des Verfahrens und Verbindung mit den bereits anhängigen Verfahren steht noch aus. Insoweit handelt es sich um eine Entscheidung, die die zuständige Strafkammer in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen hat. Aus Respekt vor der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit kommentiert das Justizministerium weder den Zeitpunkt noch den Inhalt einer solchen Entscheidung. Frage 4. Wie ist die personelle Situation am Landgericht Kassel im richterlichen und nicht-richterlichen Bereich und wie viele Stellen sind nicht besetzt? Bei dem Landgericht Kassel sind 37 Richterinnen/Richter mit 35 Arbeitskraftanteilen tätig. Die Stelle des Vizepräsidenten ist seit dem 31. Dezember 2014 unbesetzt und wurde zum 1. Februar 2015 zur Nachbesetzung ausgeschrieben. Weitere unbesetzte Stellen sind im richterlichen Dienst nicht vorhanden. Der Rechtspflegerdienst (einschließlich eines Beamten des höheren Dienstes) ist mit 8,62 Arbeitskraftanteilen besetzt. Im allgemeinen Justizdienst stehen 11,59 Arbeitskraftanteile zur Verfügung. Unbesetzte Stellen sind in den beiden Dienstzweigen nicht vorhanden. Für den mittleren Dienst vergleichbare Tarifbeschäftigte stehen dem Landgericht Kassel derzeit 34,5 Stellenanteile zur Verfügung. Hiervon fällt ein halber Stellenanteil im Zuge der Konsolidierung im Personalbereich zum 1. Juli 2015 weg und kann daher nicht mehr besetzt werden. Von den verbleibenden 34 Stellenanteilen sind momentan zwei Stellenanteile nicht besetzt; in beiden Fällen ist eine zeitnahe Wiederbesetzung beabsichtigt bzw. bereits in die Wege geleitet. Frage 5. Trifft es zu, dass die Stelle des Vorsitzenden der in diesem Fall zuständigen Wirtschaftsstraf- kammer unbesetzt ist? Frage 6. Wenn ja, a) Seit wann und warum? b) Wann wird ein/e neue/r Vorsitzende/r für die Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Kassel bestellt? Die Fragen 5. und 6. werden zusammen beantwortet, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Geschäftsverteilung in der Verantwortung des Präsidiums des Landgerichts Kassel liegt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1504 3 Seit August 2012 ist der Vizepräsident des Landgerichts zugleich Vorsitzender der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer (3. Strafkammer des Landgerichts Kassel) gewesen. Der Vizepräsident des Landgerichts ist am 31. Dezember 2014 zum Präsidenten des Amtsgerichts Kassel ernannt und an dieses Gericht versetzt worden. Auf die Antwort zur Frage 4. wird insoweit Bezug genommen. Er ist damit als Vorsitzender der 3. Strafkammer des Landgerichts Kassel zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden. Das Präsidium des Landgerichts Kassel hat in seiner Sitzung am 29. Januar 2015 der 3. Strafkammer einen Richter am Landgericht zugewiesen und diesen zum stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer bestimmt. Seit dem 1. Februar 2015 ist die 3. Strafkammer wieder mit 3 Berufsrichtern vollständig besetzt. Frage 7. Wie bewertet die Hessische Landesregierung die Aussage des Sprechers des Landgerichts Kassel in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen vom 15. Januar 2015, dass "die Kammer überlastet sei, auch jenseits von Göker eine Menge zu tun habe und darum keine Arbeitskraft in den Fall Göker stecke". Da durch die Landesregierung auf Verfahrensentscheidungen und -aussagen des Landgerichts Kassel aufgrund der Gewaltenteilung und der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit kein Einfluss genommen werden darf, verweise ich hinsichtlich des angesprochenen Verfahrens auf die Ausführungen des Präsidenten des Landgerichts Kassel, der um Stellungnahme gebeten wurde. Der Präsident des Landgerichts teilt in seiner Stellungnahme mit, dass eine Überlastung der 3. Strafkammer tatsächlich nicht vorliege oder vorgelegen habe. Hätte die 3. Strafkammer eine Überlastung gesehen, wäre eine Überlastungsanzeige an das Präsidium zu richten gewesen, damit dieses gemäß § 21e Absatz 3 Satz 1 GVG darüber entscheiden kann, ob die Geschäftsverteilung zu ändern ist. Der frühere Vorsitzende der Kammer, der um Stellungnahme gebeten wurde, habe bestätigt, dass die 3. Strafkammer zwar hoch, jedoch nicht überlastet gewesen sei. Ansonsten hätte er eine Überlastungsanzeige abgegeben. Da eine Überlastung weder der 3. Strafkammer noch des Landgerichts Kassel vorliege, habe der Präsident des Landgerichts Kassel im Hinblick auf den Bericht der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA)" vom 15. Januar 2015 noch am gleichen Tag den Redakteur der HNA angerufen und darauf hingewiesen, dass eine Überlastung nicht vorliege. Die HNA habe dies entsprechend in der Ausgabe vom 16. Januar 2015 berichtet. Dass die 3. Strafkammer "jenseits von Göker eine Menge zu tun habe", sei zutreffend und der Normalfall. Dass die 3. Strafkammer "darum keine Arbeitskraft in den Fall Göker stecke", sei demgegenüber unzutreffend. Da die 3. Strafkammer nicht überlastet sei, sei sie in der Lage, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen und jedes ihrer Verfahren angemessen zu fördern. Dies betreffe auch den Verfahrenskomplex Göker. Insoweit sei darauf zu verweisen, dass im Hauptverfahren des genannten Komplexes die Anklage am 10. April 2013 und nicht, wie in der HNA am 28. Januar 2015 fehlerhaft berichtet, am 10. April 2012 eingegangen sei. Nach Anklageeingang sei der Verteidigung auf deren Antrag insgesamt eine Frist zur Stellungnahme auf die Anklage von knapp sieben Monaten gesetzt worden. Es seien zudem vielfältige Entscheidungen getroffen worden, teilte der Präsident des Landgerichts ergänzend mit. Frage 8. Ist es zutreffend, dass es kein Auslieferungsverfahren bzw. -abkommen mit der Türkei gibt und wenn ja, warum nicht? Es gibt ein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei. Der Auslieferungsverkehr mit der Türkei findet nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (BGBl. 1964 II S. 1369, 1371; 1976 II S. 1778) in Verbindung mit dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen (BGBl. 1990 II S. 118, 119, 1992 II S. 1092) statt. Allerdings ist darin keine Auslieferung eigener Staatsangehöriger vorgesehen. Wiesbaden, 18. Februar 2015 Eva Kühne-Hörmann