Kleine Anfrage des Abg. Hahn (FDP) vom 26.01.2015 betreffend Verweigerung der Haushaltssatzung der Stadt Bad Vilbel durch die Kommunalaufsicht und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 hat Landrat Joachim Arnold als Kommunalaufsicht die Haushaltssatzung der Stadt Bad Vilbel nicht genehmigt. Hierin hat er sich auch auf das Schreiben des Hessischen Innenministers vom 5. Januar 2015 bezogen. In der Frankfurter Neuen Presse vom 24. Januar 2015 auf Seite 21 wird sein persönlicher Referent Flor wie folgt zitiert: "Es ist nicht unsere Aufgabe, informelle Beihilfe zur Behebung eines Mangels zu leisten." Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist es neuer Stil der hessischen Kommunalaufsicht, nicht mehr den Kontakt mit der jeweiligen Kommune zu suchen, um möglicherweise erkannte Mängel beheben zu können? Frage 2. Mit welchen Maßnahmen leitet die Landesregierung die jeweilige Kommunalaufsicht an, ein ko- operatives - und nicht ein spätfeudalistisches - Verhalten gegenüber jeder einzelnen Kommune einzuhalten? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam wie folgt beantwortet: Nach § 136 Abs. 3 der Hessischen Gemeindeordnung ist Aufsichtsbehörde der kreisangehörigen Gemeinden - mit Ausnahme derjenigen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern - der Landrat als Behörde der Landesverwaltung. Die Landräte nehmen diese Aufgabe eigenverantwortlich im Rahmen der geltenden Gesetze und hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften wahr. Insoweit liegt es im Rahmen der individuellen Verantwortlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung , mit welcher Intensität ein Landrat den Kontakt zu einzelnen Kommunen sucht, um mit ihnen einzelne Umstände und rechtliche Fragestellungen eines aufsichtlichen Verfahrens zu erörtern. Seine Auffassung von der Wahrnehmung der Aufgabe hat der Landrat des Wetteraukreises in einer Pressemitteilung vom 14. Januar 2015 im Zusammenhang mit der politischen Diskussion um die Verlagerung der Kommunalaufsicht von den Landräten auf die Regierungspräsidien verdeutlicht . Danach seien die Landräte "vor Ort und damit wesentlicher näher an den tatsächlichen Problemen". Weiter betonte er die Notwendigkeit für "das nötige Einfühlungsvermögen für die Situation der Kommunen vor Ort, die bei den Regierungspräsidien gar nicht so intensiv sein könne". Die hessische Landesregierung hat nicht die Absicht, den direkt gewählten Landräten einen im Sinne der gestellten Frage bestimmten "Stil" vorzugeben. Sie sieht sich auch nicht veranlasst, einzelne Vorgänge bei unteren Kommunalaufsichtsbehörden dahin gehend zu bewerten, ob im Einzelfall nicht auch eine andere Vorgehensweise angebracht oder vorzugswürdig gewesen wäre . Sie geht im Übrigen davon aus, dass die unteren Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Leitidee des § 136 Satz 2 HGO ("Die Aufsicht soll so gehandhabt werden, dass die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreudigkeit der Gemeinden nicht beeinträchtigt werden") gerecht werden . Eingegangen am 16. März 2015 · Ausgegeben am 19. März 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1530 16. 03. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1530 Frage 3. Ist es bei der hessischen Kommunalaufsicht üblich, nach Vorlage der schriftlichen Unterlagen kein rechtliches Gehör mehr zu geben, wenn eine ablehnende Entscheidung getroffen werden soll? Bei der Versagung der Genehmigung einer kommunalen Haushaltssatzung findet § 28 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung, wonach Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zum konkreten Fall teilt der Landrat des Wetteraukreises mit: "Der Magistrat der Stadt Bad Vilbel wurde bereits mit aufsichtsbehördlichen Schreiben vom 26. März 2014 und 22. April 2014 auf die Genehmigungshindernisse für die Haushaltssatzung 2014 hingewiesen. Dabei wurde insbesondere verdeutlicht, dass der Haushalt gemäß der Weisung des Hessischen Innenministers mit der Aufforderung zurückgegeben werden muss, eine Straßenbeitragssatzung zu erlassen und zu vollziehen." Frage 4. Ist es üblich, kein rechtliches Gehör zu gewähren, wenn wie vorliegend die Stadt dies mit Schrei- ben vom 10. November 2014 anregt? Hierzu teilt der Landrat des Wetteraukreises mit: "Der Stadt (wurde) rechtzeitig die Möglichkeit eingeräumt, sich zu den Genehmigungshindernissen für die Haushaltsgenehmigung 2014 zu äußern. Ebenso wurde die Stadt bereits vor der Beschlussfassung über die Straßenbeitragssatzung darüber in Kenntnis gesetzt, dass die vorgesehene Erhöhung des städtischen Kostenanteils rechtswidrig ist." Frage 5. In dem Schreiben des Innenministers vom 5. Januar 2015 "ersucht" dieser den Landrat um eine positive Entscheidung. Stellt dies eine verbindliche Aussage in der derzeit geltenden Verwaltungspraxis dar? Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG "sollen" die Gemeinden Straßenbeiträge erheben. In Verbindung mit dem Gemeindehaushaltsrecht (§ 93 Abs. 2 HGO) sind defizitäre Kommunen verpflichtet, zum Ausgleich eines Haushaltsdefizits entsprechende Straßenbeiträge zu erheben. Mit Erlassregelung vom 3. März 2014 ("Ergänzende Hinweise zur Anwendung der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte") wurde diese Rechtslage aufgenommen und verfügt : "Die Haushalte defizitärer Städte und Gemeinden, die keine Straßenbeiträge erheben sind grundsätzlich nicht genehmigungsfähig. Sie werden deshalb unverzüglich mit der Aufforderung zurückgegeben, Straßenbeitragssatzungen zu erlassen und zu vollziehen." Zur Frage der Genehmigungsfähigkeit des Haushaltes 2014 für die Stadt Bad Vilbel hatte sich der dortige Bürgermeister an den Hessischen Minister des Innern und für Sport gewandt. Nach der Verabschiedung einer Straßenbeitragssatzung im Herbst 2014 hielt der Bürgermeister die rechtliche Vorgabe, wonach defizitäre Kommunen grundsätzlich derartige Straßenbeiträge zu erheben haben, für erfüllt. Er stellte die Anfrage auch deswegen, weil die zuständige Aufsichtsbehörde signalisiert habe, der Erlass vom 3. März 2014 lasse ihr keinen Spielraum, eine Haushaltsgenehmigung zu erteilen. Nach Prüfung der zuständigen Fachabteilung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport und in Absprache mit den Fachbeamten der unteren Aufsichtsbehörde wurde dem Landrat des Wetteraukreises mit Schreiben des Hessischen Ministers des Innern und für Sport vom 5. Januar 2015 mitgeteilt, die Stadt komme nunmehr ihrer Pflicht zur Einnahmebeschaffung nach, so dass er im Interesse der finanziellen Handlungsfähigkeit der Stadt ersuche, die beantragte Haushaltsgenehmigung zu erteilen. Für evtl. Rückfragen stünden die Mitarbeiter der Fachabteilung zur Verfügung. Der Landrat des Wetteraukreises hat sich - trotz dieses fachlichen Hinweises - nicht in der Lage gesehen, diese kommunalfreundliche Auslegung mitzutragen und hat mit Verfügung vom 22. Januar 2015 ohne nochmalige Rücksprache mit dem Ministerium oder dem Regierungspräsidium als obere Aufsichtsbehörde die Genehmigung der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2014 versagt. Die insoweit von der unteren Aufsichtsbehörde getroffene Entscheidung war angesichts der Rechtsprechung zur Notwendigkeit zur Erhebung von Straßenbeiträgen (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 28. November 2013, Az.: 8 A 617/12: "Hessische Gemeinden sind im Falle eines defizitären Haushalts nach § 11 Abs. 1 und 3 KAG i.V.m. §§ 10, 92, 93 HGO verpflichtet, Straßenbaubeiträge in dem vom Gesetz zugelassenen Umfang zu erheben .") rechtlich vertretbar, aber nach Ansicht der Landesregierung nicht zwingend. Die hessische Landesregierung sieht jedoch keine Notwendigkeit, die im Rahmen der eigenverantwortli- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1530 3 chen Aufgabenwahrnehmung beim Landrat des Wetteraukreises getroffene Entscheidung etwa im Wege der Fachaufsicht zu ersetzen. Zwischenzeitlich hat die Stadt Bad Vilbel gegen die Versagung der Haushaltsgenehmigung Widerspruch erhoben. Über den Widerspruch entscheidet der Landrat des Wetteraukreises (§ 16 a Abs. 4 Hessisches Ausführungsgesetz zur VwGO). Im Rahmen dieses Widerspruchsverfahrens besteht nunmehr die Gelegenheit, erneut Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der bisher getroffenen Entscheidung zu überprüfen. Die hessische Landesregierung hält hierbei eine den Interessen der Kommune sowie den aufsichtlichen Notwendigkeiten gerecht werdende Lösung der Haushaltssituation für möglich. Sowohl die obere Aufsichtsbehörde beim Regierungspräsidium als auch die oberste Aufsichtsbehörde des Innenministeriums sind bereit an einer derartigen Lösung mitzuarbeiten, wenn die betroffene Kommune und die zuständige Aufsichtsbehörde dies für sinnvoll halten. Frage 6. Kann die o.a. ablehnende Entscheidung auf die erst ab 1. Januar 2015 geltende und damit nicht 2014 schon einschlägige Straßenbeitragssatzung bezogen werden, wenn in 2014 keine Kosten der Stadt in diesem Bereich entstanden sind, die so oder so hätten umgelegt werden können? Der Landrat des Wetteraukreises teilt hierzu mit, dass laut Investitionsprogramm der Stadt Bad Vilbel für das Haushaltsjahr 2014 beitragsfähige Maßnahmen vorgesehen waren. Damit bestand für das Haushaltsjahr 2014 grundsätzlich die Verpflichtung zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung und der Umlage des Aufwandes für Straßenbaumaßnahmen. Wiesbaden, 6. März 2015 Peter Beuth