Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 04.02.2015 betreffend multiprofessionelle Teams an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Zur Realisierung von Bildungsgerechtigkeit in Hessen sieht der Fragesteller neben dem Ausbau echter Ganztagsschulen und der Verankerung der Schulsozialarbeit in der Fläche den Ausbau der individuellen Förderung in besonderem Maße als notwendig an. Eine der Voraussetzungen für das Gelingen individueller Förderung ist die Bereitstellung multiprofessioneller Kompetenz in der Schule. Vorbemerkung des Kultusministers: Auf der Grundlage und im Geiste des Hessischen Schulgesetzes fördern die hessischen Schulen alle Kinder und Jugendlichen in ihren individuellen Stärken. Ziel ist die Erreichung des jeweils bestmöglichen Bildungsabschlusses, damit jedes Kind als Erwachsener ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben als mündiger Bürger in der Gemeinschaft führen kann. Dazu arbeiten Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Erzieher und andere Professionen zusammen. Sie sind den Kindern und Jugendlichen in Ergänzung zum Elternhaus Vorbilder, Ausbilder und Begleiter auf ihrem Bildungsweg. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Konzepte für multiprofessionelle Teams gibt es an hessischen Schulen bzw. den einzelnen Schulformen? In allen hessischen Bildungsregionen werden von den Grundschulen und den allgemeinbildenden Schulen in Abstimmung mit den Schulträgern und den Elternvertretungen individuell und bedarfsgerecht Konzepte für die Arbeit von multiprofessionellen Teams entwickelt. Gerade im Bereich der Ganztagsbetreuung öffnen viele Schulen ihre Türen für die Arbeit mit multiprofessionellen Teams, die Lehrkräfte bei der Betreuung und individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler unterstützen. Im Zuge der zunehmenden Selbstständigkeit nutzen die hessischen Schulen die ihnen zugewiesenen Ressourcen (Lehrerzuweisung, Sozialindex, Ressourcen für Ganztagsbetreuung je nach Profil), um den Schülerinnen und Schülern in Abstimmung mit den regionalen Schulträgern vielfältige Bildungs- und Betreuungsangebote anzubieten. Viele Schulen pflegen Kooperationen mit regionalen Firmen, Universitäten und anderen Institutionen , die Angehörige unterschiedlicher Professionen z.B. zur Unterstützung von Berufsfindungsprojekten an die Schulen entsenden. In vielen hessischen Schulen werden die Lehrkräfte auch von jungen Menschen unterstützt, die ein freiwilliges soziales Jahr ableisten. Das besondere Engagement dieser Gruppe ist gerade für Lehrkräfte und Lernende an Schulen mit schwierigem sozialem Einzugsgebiet eine Bereicherung. Alle hessischen Schulen haben seit August 2014 überdies die Möglichkeit, sozialpädagogische Unterstützung für ihre Schülerinnen und Schüler anzubieten, wobei öffentliche und private Träger sowie andere Bildungsinstitutionen wichtige Partner der Schulen sind. So unterstützen auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Psychologinnen und Psychologen die multiprofessionellen Teams vieler Schulen. Eingegangen am 13. April 2015 · Ausgegeben am 14. April 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1557 13. 04. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1557 Frage 2. Welche Professionen werden für pädagogische und für nicht pädagogische Aufgaben eingesetzt? Der Schulträger in seiner Zuständigkeit für die äußere Schulverwaltung stellt das Personal in den Schulsekretariaten, den Schulbibliotheken, der Essensausgabe und beschäftigt die Schulhausverwalter . Das Land ist zuständig für das Personal zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags an den Schulen. An den hessischen Schulen sind deshalb Menschen mit unterschiedlichen Berufsbildern und Professionen zur fachkundigen Unterstützung der Lehrkräfte in unterschiedlichen Bereichen und Schulformen vor allem im Bereich der Ganztagsbetreuung tätig. Dazu heißt es in der Richtlinie für ganztägig arbeitende Schulen in Abschnitt 5.2: "Ein besonderes Merkmal von ganztägig arbeitenden Schulen ist das Arbeiten in multiprofessionellen Teams. Dazu gehören Lehrerinnen und Lehrer sowie alles weitere pädagogisch tätige Personal der Schule oder der Kooperationspartner (z.B. Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Diplompädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Lehrkräfte an Hochschulen)." Zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler gibt es im Rahmen der regionalen Möglichkeiten vielfältige Kooperationen mit Sportvereinen, Kirchen, Künstlerinnen/Künstlern, der Polizei, Inklusionsexperten etc. Im Rahmen der Ganztagsbetreuung werden den Schülerinnen und Schülern Sport- und Musikangebote sowie weitere Lernangebote, wie z.B. zur Leseund Rechtschreibförderung oder zur Förderung im MINT-Bereich (MINT = Mathematik, Informatik , Naturwissenschaft, Technik), bereitgestellt. Hierbei werden die vorhandenen Mittel genutzt, um qualifizierte Personen zu gewinnen, die die pädagogische Arbeit der Lehrkräfte im Sinne einer intensiveren individuellen Förderung unterstützen. Insbesondere an den beruflichen Schulen sind neben den Lehrerinnen und Lehrern Fachleute aus allen Ausbildungsberufen und Professionen (Ärzte, Juristen, Architekten, Handwerker etc.) unterrichtlich eingebunden und vermitteln den Schülerinnen und Schülern wertvolles anwendungsbezogenes Fachwissen aus der Praxis. Frage 3. Für welche Professionen werden Qualifizierungszertifikate (z.B. Abschlusszeugnisse) verlangt und um welche Abschlüsse handelt es sich dabei? Alle Schulen unterstehen der schulfachlichen Aufsicht der Dezernentinnen und Dezernenten an den Staatlichen Schulämtern. Alle Personen, die an den Schulen im Unterricht oder zur Betreuung eingesetzt werden, haben ihre Qualifizierungszertifikate vorzulegen und werden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auf ihre persönliche und professionelle Eignung hin überprüft. Über die Schulämter werden unter juristischer und personalrechtlicher Begleitung Arbeitsverträge ausgefertigt, die das Arbeitsverhältnis im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften regeln und insbesondere die Vorgaben des Kinder- und Jugendschutzgesetzes umsetzen. Frage 4. Wie werden angehende Lehrkräfte in ihrer Ausbildung auf die Arbeit in multiprofessionellen Teams (z.B. Teamleitung und Personalführung) vorbereitet und welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für bereits tätige Lehrerinnen und Lehrer? Die Thematik der Kooperation in multiprofessionellen Teams gehört in der Lehrerausbildung seit Jahren zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Module und Ausbildungsveranstaltungen (Kooperation mit (außer-)schulischen Partnern, Co-Teaching, kollegiale Fallberatung etc.) sowie der Unterrichtsberatung durch die Ausbilderinnen und Ausbilder. Die Veränderung des hessischen Schulsystems in Hinblick auf Ganztagsschule, Inklusion und individuelle Förderung macht die Bedeutung und Aktualität der Thematik nochmals deutlich. In den Ausbildungsschulen ist das Arbeiten in multiprofessionellen Teams, z.B. in Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung, körperlich motorische Entwicklung, sozial emotionale Entwicklung, im ehemals gemeinsamen Unterricht und in Kooperation mit der Schulsozialarbeit (Schulsozialarbeit in Schulen - SiS), Alltagsrealität, die den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (LiV) begegnet. Im eigenverantworteten Unterricht lernen die LiV im Rahmen ihrer Ausbildung, im Team als Verantwortliche die Leitung der Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht zu übernehmen und Aufgaben an die jeweiligen Teammitglieder (Integrationskräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte in Doppelsetzung, Förderschullehrkräfte etc.) zu delegieren. Für bereits tätige Lehrkräfte sind 20 Fortbildungen seit dem 01.01.2010 durchgeführt worden, die u.a. auch den Schwerpunkt "multiprofessionelle Teams" hatten: Diese Fortbildungen wurden von externen Anbietern, etwa von Vereinen oder der GEW, angeboten (8 Veranstaltungen), von Dienststellen des Landes, also von Schulen (5 Veranstaltungen), von Staatlichen Schulämtern (4 Veranstaltungen), vom Landesschulamt (2 Veranstaltungen) oder von der Universität Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1557 3 Kassel (1 Veranstaltung) angeboten. Insgesamt wurden für diese Veranstaltungen 1.512 Teilnahmen von den Anbietern an die Akkreditierungsstelle zurückgemeldet. Die meisten Teilnahmen entfallen dabei auf zwei große Tagungen. Zum einen ist dies die Tagung "Praxis Ganztagsschule - Schulkultur als eine multiprofessionelle Aufgabe" (363 Teilnahmen beim Ganztagsschulverband GGT e.V.) sowie zum anderen die Tagung "Störung inklusive - halten und gehalten werden - Fachtagung zur Erziehungshilfe in der allgemeinen Schule" (325 Teilnahmen in der Berthold-Simonsohn-Schule). Zwei Veranstaltungen zu dem Thema werden im Laufe dieses Jahres stattfinden. Frage 5. Welche Vorteile für die Schülerinnen und Schüler sieht die Landesregierung durch den Einsatz von multiprofessionellen Teams? Ein Vorteil für die Schülerinnen und Schüler ist der stärkere Praxisbezug, der durch multiprofessionelle Teams, die ein Zusammenwirken von pädagogischer und fachlicher Arbeit der Lehrkräfte und der Mitarbeit von qualifizierten Personen unterschiedlicher Berufsgruppen ermöglichen , erreicht wird. Durch die stärkere Öffnung von Schule für unterschiedliche Kooperationspartner und Angehörige anderer Berufsgruppen werden die Schülerinnen und Schüler gezielter auf die späteren Anforderungen in Beruf und Studium vorbereitet. Darüber hinaus können Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien gezielter individuell gefördert werden, was durch den Zuzug von Flüchtlingsfamilien oder unbegleiteten jungen Menschen in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird. Zudem hat z.B. ein Schulversuch gezeigt, dass multiprofessionelle Teams mit Grundschullehrkräften , Förderschullehrkräften und Sozialarbeitern den Blick auf das einzelne Kind verändern und damit sehr frühzeitig bei auftretenden Lernschwierigkeiten interveniert werden kann. Die qualitativ hochwertige Arbeit ermöglicht an der Grundschule die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf von der Hochbegabung bis zur Lernbeeinträchtigung. Frage 6. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) oder anderer Freiwilligendienste waren im Schuljahr 2013/2014 und wie viele im laufenden Schuljahr an hessischen Schulen in welchen Schulformen tätig? Das Hessische Kultusministerium stellt seit dem Schuljahr 2008/2009 Mittel für den Einsatz von Freiwilligen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres an allgemeinbildenden Schulen zur Verfügung. Sowohl im Schuljahr 2013/2014 als auch im Schuljahr 2014/2015 konnten 204 Plätze an allgemeinbildenden Schulen finanziert werden. Die Freiwilligen werden an Grundschulen sowie an allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I einschließlich der Förderschulen eingesetzt . Zusätzlich sind in den beiden genannten Schuljahren an den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung und körperlich-motorische Entwicklung weitere 265 Freiwillige über den Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr beschäftigt. Frage 7. Für welche Aufgaben werden sie eingesetzt? In der Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Hessen und den Trägern des Programms "FSJ an allgemeinbildenden Schulen" sind vier Tätigkeitsbereiche festgelegt, innerhalb deren eine FSJ-Kraft zum Einsatz kommen kann: - Betreuung/Begleitung/Aufsicht von Schülern (z.B. auf Wandertagen/Klassenfahrten, bei Hausaufgaben, vor und nach dem Unterricht, in Pausen, in den Ferien), - Mitarbeit im Förderunterricht (Gruppen- oder Einzelbetreuung), - Mitarbeit bei Angeboten/Kursen bzw. selbstständige Durchführung von Angeboten/Kursen (z.B. im musischen, sportlichen, handwerklichen Bereich), - Mitarbeit in Bereichen der äußeren Schulverwaltung (z.B. Mittagessen, Kiosk, Bibliothek). Der Einsatz in Angelegenheiten der äußeren Schulverwaltung erfolgt nur in Absprache mit dem Schulträger. An den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung und körperlichmotorische Entwicklung helfen die Freiwilligen bei der Vorbereitung der Lernarrangements und unterstützen die Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung von Aufgaben. Frage 8. Ist eine Auswertung des Einsatzes von Freiwilligendiensten auf weitere Schulformen geplant? Derzeit ist keine Ausweitung des Einsatzes von Freiwilligendiensten auf weitere Schulformen geplant. Wiesbaden, 2. April 2015 In Vertretung Dr. Manuel Lösel