Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 04.02.2015 betreffend Förderung und Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Biogasanlagen werden im Rahmen der Förderung Erneuerbarer Energie unterstützt und sind wichtiger Bestandteil der Energiewende-Agenda. Die Wirtschaftlichkeit zahlreicher Biogasanlagen ist allerdings massiv in Frage gestellt. Betreiber wie die in Insolvenz gegangene AG Biogas Gruppe aus Münster haben zahlreiche Anlagen, beispielsweise in Volkmarsen, stillgelegt. Aktuell wurde von den kommunalen Betreibern der Biogasanlagen in Heskem-Mölln Insolvenz beantragt. Andere große Biogasanlagen, beispielsweise Biothan in Großenlüder (Tochtergesellschaft des kommunalen Energieversorgers "Rhönenergie Fulda") erwirtschaften seit Jahren Verluste. Landwirtschaftliche Betriebe die als Zulieferer von Biogasanlagen arbeiten und für diese entsprechende Mengen an biogenen Stoffen erzeugen oder Düngemittel aus Biogasanlagen beziehen stehen vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Auch in der ressourcenschonenden Abfall- und Kreislaufwirtschaft sind Biogasanlagen ein fester Bestandteil. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Biogasanlagen gibt es in Hessen? Verbindliche Zahlen liegen über Biogasprojekte (BGA) vor, die über das Förderprogramm und den Richtlinien zur Förderung der Nutzung von Bio-Rohstoffen aus der Land- und Forstwirtschaft gefördert wurden. Danach wurden bis Ende 2014 156 Anlagen gefördert. Derzeit befinden sich ca. sechs Biogaskleinanlagen in der konkreten Planungsphase (laufende Bau- bzw. BImSchG-Anträge und laufende Förderanträge) bzw. kurz vor Beginn der Baumaßnahmen. Insgesamt beläuft sich die elektrische Leistung dieser Projekte auf etwa 38.025 kWel. Darüber hinaus ist bekannt, dass weitere 30 Biogasprojekte realisiert wurden bzw. sich in unterschiedlichen Umsetzungsphasen befinden, für die jedoch keine Förderanträge gestellt wurden. Frage 2. Wie viele Mitarbeiter sind in hessischen Biogasanlagen beschäftigt? Eine belastbare Aussage hierzu kann nur eingeschränkt - wiederum nur für geförderte Projekte - getätigt werden. Bei nahezu allen (geförderten) BGA handelt es sich in der Regel um Anlagen, die mindestens einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet werden können ("Hofanlage"). Hier bringen die Landwirtin oder der Landwirt oder die Angestellten einen Teil ihrer täglichen Arbeitszeit ein. Ob hierfür tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen wurden oder ob durch die betriebliche Diversifizierung vorhandene Arbeitsplätze gesichert wurden, lässt sich daher nicht beantworten. Bei den zehn in Hessen kommerziell betriebenen Gaseinspeise-Anlagen kann davon ausgegangen werden, dass pro Anlage mindestens zwei festangestellte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter die Anlage betreuen. Frage 3. In welcher Weise wurde der Bau von Biogasanlagen in Hessen gefördert? Die Landesregierung hat im Umsetzungskonzept zum hessischen Energiegipfel festgelegt, dass im Jahr 2050 der Bedarf von Strom und Wärme möglichst zu 100 % aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Erneuerbaren Energien auch in Hessen stark ausgebaut werden. Für den Bereich Biomasse wird durch das seit 2003 eigenständige Förderprogramm zur Förderung der Nutzung von Bio-Rohstoffen aus der Land- und Eingegangen am 16. März 2015 · Ausgegeben am 19. März 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1568 16. 03. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1568 Forstwirtschaft der Ausbau unterstützt. So wurden durch das Land bis zum 31. Dezember 2014 156 landwirtschaftliche Biogasanlagen und 5 Gasaufbereitungsanlagen als Pilot- und Demonstrationsprojekte mit einem einmaligen Investitionszuschuss von bis zu 75.000 € bzw. 100.000 € bei P&D Projekten unterstützt. Des Weiteren bieten die hessenEnergie GmbH und der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen im Auftrag des Landes eine kostenlose Vorfeldberatung für potenzielle Anlagenbauer an. Hier wird hinsichtlich technischer und ökonomischer Fragen beraten. Eine belastbare Datenbasis liegt der Landesregierung wiederum nur für die Projekte vor, die einen Förderantrag gestellt haben. Bei diesen Anlagen handelt es sich um Anlagen, die durch einzelne landwirtschaftliche Betriebe errichtet und betrieben werden sollen oder um sogenannte Gemeinschaftsanlagen, bei denen mehrere Gesellschafter - in der Regel Landwirtinnen oder Landwirte - eine geeignete Gesellschaft gründen, um gemeinsam eine Anlage zu errichten und zu betreiben. Bei den Anlagen, für die kein Förderantrag gestellt wurde, gibt es dagegen nach vorliegendem Kenntnisstand auch Projekte, an denen finanzstarke Investoren (Energieversorger, FondsGesellschaften , Abfallentsorger) beteiligt sind. Frage 4. In welchem Umfang (in Euro) wurden öffentliche Mittel für den Bau und Betrieb von Biogasanla- gen zur Verfügung gestellt? Gefördert wurden landwirtschaftliche Anlagen mit einem einmaligen Zuschuss für die Errichtung der Anlagen von maximal 30 % der förderfähigen Kosten bzw. maximal 75.000 €. Der Betrieb dieser Anlagen wurde vom Land nicht gesondert gefördert (hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen). Mit Landesmitteln wurden im Zeitraum 1999 bis Dezember 2014 unter anderem insgesamt 156 Biogasanlagen, teilweise mit angeschlossenen Nahwärmenetzen, gefördert. Diese Anlagen wurden mit insgesamt rund 13,93 Mio. € Fördermitteln unterstützt und haben damit ein Investitionsvolumen von über 108,68 Mio. € - vorwiegend im ländlichen Raum Hessens - ausgelöst. Betrachtet man dann noch die durch diese Anlagen eingesparten Heizöläquivalente von rund 34 Millionen Litern jährlich, wird deutlich, dass auch durch die Einbringung regionaler Biomasserohstoffe für Biogas oder Biomassefeuerungen, eine erhebliche Wertschöpfung generiert wird, die überwiegend hier in Hessen verbleibt. Frage 5. Welche Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung betreiben Biogasanlagen? Eine exakte Beantwortung dieser Frage ist nicht möglich. Bei dem überwiegenden Teil der geförderten Anlagen (>95 %) handelt es sich jedoch um Hofbiogasanlagen bzw. um Gemeinschaftsbiogasanlagen mehrerer Landwirtinnen oder Landwirte. Nach den hier vorliegenden Informationen bestehen nur bei den Anlagen mit einem sehr hohen Investitionsvolumen (Gasaufbereitungsanlagen) oder bei abfallvergärenden Anlagen (Biotonne, Kompost) Beteiligungen öffentlicher Unternehmen. Frage 6. Welche hessischen Biogasanlagen sind in den letzten drei Jahren außer Betrieb gegangen? Diese Frage kann nicht abschließend beantwortet werden. Informationen liegen hierzu von zehn Anlagen vor, die jedoch größtenteils das Ende der technischen Nutzungsdauer erreicht hatten (Altanlagen vor EEG 2000) und deren Betreiber unter Berücksichtigung aller Randbedingungen (Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes, EEG, Genehmigungsrecht etc.) entscheiden musste, ob eine kostenintensive Ertüchtigung/Modernisierung der Anlage als ökonomisch sinnvoll zu beurteilen ist. Wenige Betreiber haben sich hier für die Stilllegung entschieden. Andere Projekte wurden hingegen ertüchtigt/modernisiert und in Verbindung mit einer Umstellung von Abfallvergärung auf den Betrieb mit nachwachsenden Rohstoffen als Substrat erfolgreich weiter betrieben. Frage 7. Welche Biogasbetreiber haben Insolvenz angemeldet? Informationen liegen von fünf Anlagen vor. Allerdings können diese Informationen nicht als gesichert bzw. abschließend gelten. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1568 3 Von den geförderten Anlagen sind keine Insolvenzen bekannt. Die meisten geförderten Anlagen werden von landwirtschaftlichen Kooperationen betrieben. Die durchschnittliche hessische Anlagengröße beträgt 428 kW. Es handelt sich somit um mittlere Anlagen mit einem überschaubaren Investitionsvolumen. Frage 8. Welche Auswirkungen hat die wirtschaftliche Schieflage zahlreicher Biogasanlagen für landwirt- schaftliche Betriebe? In Hessen wurden in der Regel von Landwirtinnen oder Landwirte betriebene Anlagen errichtet, die gut in betriebliche Strukturen eingebunden werden konnten. Daher lässt sich die Aussage "wirtschaftliche Schieflage zahlreicher Biogasanlagen" aus fachlicher Sicht nicht bestätigen. Dies kommt eher bei größeren Anlagen (z.B. ausgewählte Biomethanprojekte) zum Tragen. Dort kommt es vor, dass anvisierte Überschüsse aus der Beteiligung der Landwirtinnen oder Landwirte an den Anlagen nicht oder nicht in vollem Umfang ausgezahlt werden oder dass auslaufende Substratlieferverträge nur noch zu geringeren Substratpreisen mit den Landwirtinnen oder Landwirten abgeschlossen werden. Landwirtinnen oder Landwirte, die an Gemeinschaftsanlagen (mit Vor-Ort-Verstromung und Wärmenutzung) beteiligt sind, machen in der Regel positive Erfahrungen und würden sowohl die finanzielle Beteiligung an den Projekten als auch die Substratlieferung jeder Zeit wieder vereinbaren. Sicherlich trägt dazu auch das vom Land unterstützte Angebot der Vorfeldberatung bei, bei dem wirtschaftlich tragfähige Projektkonzepte entwickelt werden, die unter anderem neben der Verstromung auch gute Wärmekonzepte beinhalten. Darüber hinaus sollte die Ursachenforschung möglichst differenziert betrieben werden. Unter Umständen war auch der ursprüngliche landwirtschaftliche Betrieb in bereits wirtschaftlichen Problemen oder die teilweise deutlich überzogenen wirtschaftlichen Erwartungen der Investoren konnten nicht erfüllt werden, wodurch entsprechende Investitionsprojekte im Nachgang als wirtschaftlicher Problemfall beurteilt wurden. Frage 9. Mit welchen Auswirkungen für die Abfall- und Kreislaufwirtschaft ist zu rechnen? Da ausschließlich landwirtschaftliche Anlagen gefördert wurden, sind hier keine Auswirkungen auf die Abfall- und Kreislaufwirtschaft zu erwarten. Frage 10. Welcher Art sind die Beteiligungen bei den Biogas-Anlagen? (Bitte aufschlüsseln nach Förderung durch das Land Hessen, Inhaber der Beteiligung, Mehrheitsverhältnis, Herkunft der Finanzmittel und Haftung für das Geschäftsrisiko bzw. das Kapital) Die Biogasanlagen sind in separate Gesellschaften ausgegliedert, wobei der landwirtschaftliche Betrieb in die Haftung mit aufgenommen wurde. Das Mehrheitsverhältnis liegt bei den klassischen Biogasanlagen mit Vor-Ort-Verstromung im Bereich der Landwirtschaft. Die Anlagen wurden in der Regel durch regionale oder überregionale Banken finanziert. Beteiligungen von Investoren außerhalb der Landwirtschaft sind vereinzelt bekannt. Detailinformationen liegen nicht vor. Die geförderten landwirtschaftlichen Biogasanlagen wurden mit einem einmaligen Investitionszuschuss gefördert (hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen). Es besteht kein Anspruch auf Mithaftung oder gar ergänzende Fehlbetragsförderungen für den Fördermittelgeber . Wiesbaden, 9. März 2015 Priska Hinz