Kleine Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 04.03.2014 betreffend kopftuchtragende Bewerberinnen für den Vorbereitungsdienst des Lehramtes und für den Schuldienst des Landes Hessen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: In der Antwort auf meine Kleine Anfrage Drucksache 18/7793 hat die Landesregierung u.a. ausgeführt, "dass das Tragen eines Kopftuches im Unterricht eventuell zu Schwierigkeiten führen kann und deshalb die Zuweisung zu einer bestimmten Schule unter Umständen nicht möglich ist''. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welcher Art sind die "zwingenden öffentlichen Interessen", die einer Ausnahmegenehmigung gern. § 86 Abs. 3 Satz 4 im Einzelfall entgegenstehen könnten? Bei dem Begriff der "zwingenden öffentlichen Interessen" nach § 86 Abs. 3 Satz 4 Hessisches Schulgesetz handelt es sich zunächst um einen sog. "unbestimmten Rechtsbegriff". Insofern ist es Sache der zuständigen Behörde, im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob und ggf. welche zwingenden öffentlichen Interessen einer Verwendung von Kleidungsstücken, Symbolen oder anderen Merkmalen i.S.d. § 86 Abs. 3 Satz 4 Hessisches Schulgesetz entgegenstehen . Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in § 86 Abs. 3 Satz 2 Hessisches Schulgesetz getroffene Entscheidung, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung und den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Schule zu schützen, könnte es sich z.B. dann um entgegenstehende "zwingende öffentliche Interessen" handeln, wenn anhand tatsächlicher Anhaltspunkte eine konkrete Gefahr für das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung oder den Schulfrieden in diesem Sinne anzunehmen wäre. Frage 2. Welcher Art können die "Schwierigkeiten" sein, die aus dem Tragen des Kopftuchs im Unter- richt resultieren und sind diese "Schwierigkeiten" gleichbedeutend mit "zwingenden öffentlichen Interessen"? Solche "Schwierigkeiten" könnten z.B. darin bestehen, dass es durch das Tragen des Kopftuches zu einer Störung des Schulfriedens kommt. In einem solchen Fall könnten von der zuständigen Behörde entgegenstehende "zwingende öffentliche Interessen" i.S.d. § 86 Abs. 3 Satz 4 Hessisches Schulgesetz angenommen werden. Dies hängt jedoch jeweils von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Frage 3. Wie kann plausibel nachgewiesen werden, dass solche Schwierigkeiten im jeweils konkreten Fall unter Würdigung der Person der Bewerberin, der Fächerkombination, der besonderen Situation der in Frage kommenden Ausbildungsschule usw. tatsächlich eintreten könnten? Frage 4. Wer stellt diesbezüglich Ermittlungen in welchem Umfang an und wie wird die Bewerberin in diesem Zusammenhang gehört? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Es gilt wie in jedem anderen Verwaltungsverfahren auch hier § 24 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG), wonach die zuständige Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Sie bestimmt danach auch Art und Umfang der Ermittlungen und hat alle für Eingegangen am 16. April 2014 · Ausgegeben am 25. April 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/157 16. 04. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/157 den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen . Für die Anhörung Beteiligter gilt § 28 HVwVfG. Nach § 28 Abs. 1 HVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Frage 5. Ist es für die zur Ablehnung führende Würdigung des Einzelfalls ausreichend, dass eine Ausbil- dungsschule erklärt, dass sie zur Ausbildung einer Bewerberin mit Kopftuch - ggf. auch ohne deren Anhörung - nicht willens sei, wer entscheidet in solchen Fällen für die Schule und wie muss die Schule diese Entscheidung ggf. begründen? Die Schulleitung entscheidet im Einzelfall und findet Beratung und Unterstützung von der Leiterin oder dem Leiter des Studienseminars. Im Hinblick auf das weitere Verfahren der Zuweisung wird auf die Antwort zu Frage 6 hingewiesen. Darüber hinaus wird auf die Antwort der Kultusministerin zu Frage 5 der Kleinen Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 27.11.2013 (Drucksache 18/7793) verwiesen. Frage 6. Welche Anstrengungen müssen die für die Ausbildung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst zuständigen Behörden unternehmen, um eine geeignete Ausbildungsschule zu finden? Die Zuweisung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) erfolgt über das Zuweisungsverfahren gemäß § 39 der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbGDV). Darin heißt es, dass die Leiterin oder der Leiter des Studienseminars im Benehmen mit der jeweiligen Schulleitung die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst einer Ausbildungsschule zuweist. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass an dieser Schule Unterricht in den Ausbildungsfächern oder -fachrichtungen der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst erteilt wird. Wiesbaden, 4. April 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz