Kleine Anfrage des Abg. Grüger (SPD) vom 09.02.2015 betreffend Ersatzneubau an der Bundesautobahn A45, Talbrücke "Sechshelden" und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Der Neubau der A45-Talbrücke bei Sechshelden hat unter den 22 Brückenneubauten auf der Bundesautobahn A45 zwischen dem Gambacher Kreuz und der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen eine Sonderstellung, wie auch Tarek Al-Wazir, Staatsminister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abg. Lenders (Drucks. 19/1009) einräumte. Die Nähe zur Bebauung bzw. die damit einhergehende Belastung für die Bürgerinnen und Bürger könnte mit einem Neubau mit leicht veränderter Trassenführung erhebliche Verbesserungen erfahren. Hierzu gab es frühzeitig eine rege und konstruktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger aus Sechshelden und der Gremien der Stadt Haiger. Im Ergebnis präferierte die Stadt Haiger die sogenannte "Tunnellösung", mit welcher Planungsfehler des letzten Neubaus behoben werden und Entlastungen für Anwohnerinnen und Anwohner erreicht werden könnten. Mit Pressemitteilung vom 25. Februar 2014 wurde durch Hessen Mobil mitgeteilt, dass der geplante Neubau der A45-Talbrücke Sechshelden an gleicher Stelle wie das bisherige Bauwerk entstehen solle. Eine Trassenverschiebung sei nicht vorgesehen. In der Dill Post vom 22. August 2014 war zu lesen: "Ob der Neubau an gleicher Stelle oder eine Tunnellösung zum Tragen käme, sei ausschließlich Sache des Bundes- und nicht des Landes. "Der Bund ist nicht bereit, für die Tunnelvariante 50 Mio. € mehr zu zahlen", erklärte der Minister ." In der Antwort von Staatsminister Al-Wazir auf eine Kleine Anfrage des Abg. Lenders (Drucksache 19/1009) ist zu lesen, dass die Entscheidungsfindung durch den Bund als Straßenbaulastträger abgeschlossen sei. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Talbrücke Sechshelden ist eine von 22 Talbrücken im Zuge der A45 zwischen der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen und dem Gambacher Kreuz, die in den kommenden Jahren aufgrund ihres baulichen Zustandes rückgebaut und durch Neubauten ersetzt werden müssen. Aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur Bebauung nimmt sie dabei eine Sonderstellung ein. Abweichend zur Vorgehensweise bei den anderen Bauwerken erfolgte daher in diesem Fall nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in der Planungsstufe der Vorplanung eine Variantenuntersuchung, in der neben dem Ersatzneubau an Ort und Stelle (Bestandsvariante) als Alternative in gleicher Detailschärfe auch eine kleinräumige Trassenoptimierung mit teilweiser Verlegung in einen Tunnel untersucht wurde. Das Land Hessen hatte als Auftragsverwaltung für Bundesfernstraßen eine rechtlich zulässige, aber auch wirtschaftlich vertretbare Lösung zu entwickeln. Hierbei sind alle entscheidungsrelevanten Wirkungen und Kriterien in eine sachgerechte Abwägung einbezogen worden. In Anbetracht der bedeutend höheren Kosten einerseits sowie der Einhaltung aller rechtlichen Anforderungen durch die Bestandsvariante, bestand kein Entscheidungsspielraum mehr, die Tunnelvariante weiter zu verfolgen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist der Landesregierung bekannt, wann der Bund als Straßenbaulastträger die endgültige Ent- scheidung zum Ersatzneubau (Bestandsvariante) getroffen hat? Wenn ja, wann? Frage 2. Hat die Landesregierung Überlegungen angestellt, die Tunnellösung zu realisieren? Frage 3. Wurde die Tunnelvariante durch Hessen Mobil gegenüber dem Landesverkehrsministerium bzw. durch das Landesverkehrsministerium gegenüber dem Bund als Umsetzungsvariante empfohlen? Wenn nein, warum nicht? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1, 2 und 3 gemeinsam beantwortet. Eingegangen am 10. März 2015 Ausgegeben am 16. März 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1580 10. 03. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1580 Im Juli 2012 begann das Land Hessen im Rahmen der Auftragsverwaltung mit der Vorplanung zum Ersatzneubau der Talbrücke Sechshelden. Im Zuge dieser Vorplanung wurde neben einem Ersatzneubau an Ort und Stelle auch die Tunnellösung einer näheren Betrachtung unterzogen. Das Ergebnis der Variantenbetrachtung fiel in Bezug auf Kosten und Umweltverträglichkeit eindeutig zugunsten eines Ersatzneubaus im Bestand aus. Am 30. Januar 2014 erfolgte die Vorstellung der Ergebnisse im BMVI auf Fachebene. Das BMVI teilte die Auffassung der Hessischen Landesregierung, wonach vor dem Hintergrund des eindeutigen Ergebnisses des Variantenvergleichs sich keine andere Möglichkeit ergibt, als den Ersatzneubau der Talbrücke Sechshelden an Ort und Stelle umzusetzen. In diesem Termin wurde auch festgelegt, dass die weitere Planung auf Basis der Bestandsvariante erfolgen soll. Frage 4. Wie setzen sich die Berechnungen der Bestandsvariante und Tunnellösung jeweils im Detail zu- sammen und wie wird eine Vergleichbarkeit der Kosten beider Varianten gewährleistet? Um eine Vergleichbarkeit der Kosten zu gewährleisten, wurden bei der Kostenermittlung - wie der nachstehenden Tabelle entnommen werden kann - für beide Varianten die gleichen Kostenpositionen berücksichtigt: Kostengruppe Bestandsvariante Tunnelvariante Kosten Abbruch Talbauwerk 18,4 Mio. € 18,4 Mio. € Kosten Neubau Talbauwerk 58,6 Mio. € 40,0 Mio. € Kosten Stützwände 4,1 Mio. € 0,5 Mio. € Kosten Neubau Tunnel (einschließlich Betriebstechnik) - 59,0 Mio. € Kosten Grunderwerb 0,2 Mio. € 0,7 Mio. € Kosten Streckenbau 4,1 Mio. € 14,6 Mio. € Kosten AS Dillenburg - 9,3 Mio. € Kosten Lärmschutz 8,2 Mio. € 7,3 Mio. € Kosten landschaftspflegerische Begleitplanung 0,5 Mio. € 0,8 Mio. € Summe Hauptleistungen (Brutto) ~94,0 Mio. € ~151,0 Mio. € Neben den reinen Baukosten wurden auch die künftigen Betriebs- und Unterhaltungskosten im Variantenvergleich berücksichtigt. Aufgrund der Tatsache, dass die Tunnelvariante neben einem ca. 630 m langen Brückenbauwerk einen ca. 580 m langen Tunnel vorsieht, ist gegenüber dem Ersatzneubau im Bestand (ein Brückenbauwerk mit ca. 914/935 m Länge) mit erheblich höheren Betriebs- und Unterhaltungskosten zu rechnen. Nach Auswertung aktueller Erfahrungswerte liegen diese bei einem Tunnelbauwerk mit diesen Abmessungen bei ca. 450.000 €/Jahr. Demgegenüber fallen die Kosten für Betrieb und Unterhaltung im Streckenbereich, wie sie für die Bestandsvariante anzunehmen wären, mit ca. 13.100 €/Jahr und km deutlich geringer aus. Frage 5. Ist der Landesregierung bekannt, dass die Bürgerinitiative MuT bei der Betrachtung der Opportu- nitätskosten der Tunnellösung Einsparungen in Höhe von 72 Mio. € gegenüber der Bestandsvariante sieht? Wurden diese Opportunitätskosten im Sinne einer Nutzen-Kosten-Analyse berücksichtigt? Der Hessischen Landesregierung sind Opportunitätskosten in Höhe von 72 Mio. €, die von der Bürgerinitiative betrachtet werden, nicht bekannt. In ihrem bisherigen Schriftwechsel hat die Bürgerinitiative die Auffassung vertreten, der Bestandsvariante seien im Vergleich zur Kostenermittlung des Landes Hessen Mehrkosten in Höhe von 57 Mio. € hinzuzurechnen. Eine Überprüfung dieser Angaben hat ergeben, dass die angeblichen Mehrkosten entweder bereits in den Baukosten der Bestandsvariante enthalten oder nicht relevant sind. Dies wurde der Bürgerinitiative mit Schreiben vom 30. Oktober 2014 ausführlich erläutert. Frage 6. Wurden bei Planung und Kostenberechnung der Bestandsvariante wie der Tunnellösung die Richt- linien für die Anlage von Autobahnen (R A A) berücksichtigt? Die ausgewählte Bestandsvariante entspricht allen verkehrssicherheitsrelevanten Anforderungen und stellt einen funktionsgerechten Verkehrsablauf sicher. Dem steht nicht entgegen, dass von den Vorgaben der RAA (Richtlinien für die Anlage von Autobahnen) durch Unterschreitung der darin vorgesehenen Mindestradien abgewichen wird und dadurch die Haltesichtweite bei nasser Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1580 3 Fahrbahn bereichsweise unterschritten wird. Denn zum einen handelt es sich bei der RAA um technische Richtlinien, die als Entwurfsgrundlagen einen "Ermessensspielraum enthalten, der bei der notwendigen Abwägung zwischen verschiedenen Nutzungsansprüchen und Zielen beachtet werden soll", insbesondere sind Abweichungen im Einzelfall möglich (s. Ziff. 1.2 und 1.3 der RAA, Ausgabe 2008). Zum anderen sieht die Planung eine Anordnung von Standstreifen in beide Fahrtrichtungen sowie von höhenmäßig optimierten Schutzeinrichtungen vor. Beides führt zu einer Aufweitung des Querschnittes und zu einer deutlichen Verbesserung der Sichtverhältnisse gegenüber dem Bestand. Wiesbaden, 1. März 2015 Tarek Al-Wazir