Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 05.03.2014 betreffend behördlicher Umgang mit Altlasten in der Eppsteiner Straße 11 und 13 in Oberursel und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Bei Probebohrungen für einen neuen Trinkwasserbrunnen im Süden der Stadt Oberursel wird im Jahr 2002 eine Verunreinigung des Trinkwassers mit verschiedenen Chemikalien entdeckt. Nach langwieriger Suche wird man 2006 fündig: Auf einem städtischen Grundstück zwischen den Häusern Eppsteiner Straße 11 und 13 wird der Kontaminationsherd entdeckt. Dort war in den 1970er Jahren eine kleine Chemiefabrik betrieben worden, die jahrzehntelang Fässer aus der chemischen Industrie gewaschen und die Abwässer im Hof ausgeschüttet hatte. Der mit der Begutachtung beauftragte Ingenieur empfiehlt die Sanierung und die umgehende Information der Anwohner. Erstmalig wird beschrieben, wie Anwohner erkrankt bzw. bereits an Krebs verstorben sind. Es stellt sich die Frage, wieso die Sanierung über Jahre hinausgezögert und die Betroffenen Anwohner nicht umfassend informiert wurden. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz: Bei dem Sanierungsfall in der Eppsteiner Straße handelt es sich um eine kleine Fläche im Eigentum der Stadt Oberursel zwischen Fachwerkhäusern mit Ensembleschutz in der Innenstadt. Der Fall geht auf die ehemalige Firma Büscher & Gausmann zurück, die dort von Mitte der 1950-er Jahre bis 1975 Korrosionsschutzmittel hergestellt hat. Die Bodenverunreinigung mit Leichtflüchtigen Halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW), insbesondere PER und TRI, stammt vermutlich von der unsachgemäßen Fassreinigung mit Lösungsmitteln. Erste Hinweise auf eine Bodenverunreinigung ergaben sich vor ca. 10 Jahren im Rahmen von Untersuchungen beim beabsichtigten Grundstücksverkauf. Eine historische Recherche und vertiefende Untersuchungen zeigten 2005/06 Belastungen des Grundwassers mit LHKW von bis zu 680 mg/l und der Bodenluft von bis zu 4,2 mg/m³ - bis ca. 13 m unter Geländeoberkante (GOK). Auf dem vorderen Teil des Grundstücks "Eppsteiner Straße 13" waren die Raumluftwerte im Erdgeschoss und im Keller des Wohnhauses überhöht. Dort wurden Absauganlagen installiert und die Bewohner im umweltmedizinischen Institut des Universitätsklinikums Gießen gesundheitlich untersucht. Im Auftrag der Stadt Oberursel wurden weitere Untersuchungen, Messungen, Variantenbetrachtungen , ein Bodenluftabsaugversuch und eine Machbarkeitsstudie durch das Ingenieurbüro bzw. den Anlagenbetreiber durchgeführt. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt, Abteilung Arbeitsschutz und Umwelt Wiesbaden, vom 14. Februar 2012 wurde der Stadt Oberursel eine Sanierungsgenehmigung mit Nebenbestimmungen erteilt. Die Sanierung erfolgt - nach Bodenaushub bis ca. 1 m Tiefe - über Brunnen mit einer Dampf-Luft-Injektion zwischen 2 und 13 m Tiefe sowie Extraktion mit Abluftreinigung. Wegen des großen Schadstoffinventars wird die Sanierung voraussichtlich bis 2015 andauern. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Behörde ist für die rechtzeitige und umfassende Information der Einwohner einer Stadt über mögliche Gesundheitsgefahren durch Umweltschäden aus Altlasten zuständig? Informationspflichtige Stellen, wie Behörden und Gemeinden, haben die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang über die Umwelt zu unterrichten (§ 10 des Hessischen Umweltinformations- Eingegangen am 6. Mai 2014 · Ausgegeben am 7. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/160 06. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/160 gesetzes, HUIG). Zu den relevanten Umweltinformationen gehören unter anderem Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken sowie Zulassungsentscheidungen , die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Für die Belange des Bodenschutzes enthält § 12 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) spezielle Vorschriften zur Information der Betroffenen; diese knüpfen daran an, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte zumindest ein hinreichender Verdacht besteht. Demnach haben die zur Untersuchung bzw. zur Sanierung der Altlast Verpflichteten (§ 9 Abs. 2 S. 1 bzw. § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG) - die Eigentümer der betroffenen Grundstücke, - die sonstigen betroffenen Nutzungsberechtigten und - die betroffene Nachbarschaft (Betroffenen) von der bevorstehenden Durchführung der geplanten Maßnahme zu informieren. Dabei sind die zur Beurteilung der Maßnahmen wesentlichen vorhandenen Unterlagen zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen, so dass es Betroffenen möglich ist, die Auswirkungen der Maßnahmen auf ihre Belange zu beurteilen. Informationspflichten einer Kommune werden durch § 12 BBodSchG nur begründet, wenn diese selbst untersuchungs- oder sanierungspflichtig ist. Weitergehende Informationspflichten der Behörde nach dem BBodSchG bestehen nicht. Frage 2. In welcher Form überwacht die Landesregierung, dass die betreffenden Kommunen ihre Ein- wohner ausreichend über bekannte Umweltschäden aus Altlasten informieren? Die Aufsicht über die Kommunen erfolgt, soweit keine spezielleren Vorschriften existieren, nach den §§ 135 ff. der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Demnach kann sich die Aufsichtsbehörde unter anderem jederzeit über die Angelegenheiten der Gemeinde unterrichten (§ 137 HGO) oder unter bestimmten Voraussetzungen Anweisungen erteilen (§ 139 HGO). Gilt für eine Kommune die spezielle Informationspflicht nach § 12 BBodSchG, so überwacht das Regierungspräsidium als obere Bodenschutzbehörde die Einhaltung der sich aus dem Bodenschutzrecht ergebenden Pflichten. Frage 3. Wurden nach Auffassung der Landesregierung die betroffenen Einwohner im Umkreis um das Gelände Eppsteiner Straße 11 und 13 durch die Stadt Oberursel zügig und umfassend informiert? Die Stadt Oberursel hat im Januar 2012 die betroffenen Anwohner über die geplante Sanierung in der Eppsteiner Straße informiert, im Mai 2012 zusätzlich über den bevorstehenden Beginn der Maßnahme. Daneben erfolgte die Information der Öffentlichkeit über die Presse, unter anderem auch bei Terminen auf der Baustelle. Über die Schadstoffsituation wurden die betroffenen Anwohner bereits in Zusammenhang mit den ersten Raumluftmessungen im Jahr 2006 informiert . In der Gesamtschau ist die Information der betroffenen Anwohner durch die Stadt Oberursel nicht zu beanstanden. Frage 4. Wurden seitens des RP der Stadt Oberursel Auflagen hinsichtlich der Information der Einwohner erteilt? Wenn ja, wann und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Im Sanierungsbescheid vom 14. Februar 2012 wurde der Stadt Oberursel aufgegeben, die betroffenen Nachbarn über die Sanierungsmaßnahmen zu informieren. Frage 5. War der Landesregierung bei ihrer Planung des Hessentags in Oberursel bekannt, dass es ge- sundheitsgefährdende Altlasten auf dem Gelände Eppsteiner Straße 11 und 13 gibt? Frage 6. Wurden seitens des Organisationskomitees des Hessentags in Oberursel besondere Maßnahmen oder Auflagen hinsichtlich des Umgangs des Geländes Eppsteiner Straße 11 und 13 gemacht? Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam wie folgt beantwortet : Dem Hessentagsreferat in der Hessischen Staatskanzlei war bei der Planung des Hessentages die Altlastenproblematik nicht bekannt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/160 3 Frage 7. Gibt es öffentliche Unterstützung und Hilfe für Menschen, die in Unwissenheit unverschuldet an von der hessischen Landesregierung mitsanierten Altlastenstandorten krank geworden sind? Frage 8. Welche Stellen sind für solche Unterstützungsleistungen und Hilfen zuständig? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Bei der Bewertung und Sanierung von Altlasten kommt dem Gesundheitsschutz besondere Bedeutung zu. Das ergibt sich bereits aus § 2 Ziff. 8 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), wonach die Wirkungspfade (Weg eines Schadstoffes von der Schadstoffquelle zum Ort der möglichen Wirkung auf ein Schutzgut) betrachtet werden. Die BBodSchV berücksichtigt die Wirkungspfade - Boden  Mensch (Direktpfad), - Boden  Nutzpflanze und - Boden  Grundwasser. In Abhängigkeit von der Nutzung werden unterschiedliche qualitative Anforderungen gestellt; je sensibler eine Nutzung ist, desto strenger sind jeweils die sich aus dem Bodenschutzrecht ergebenden Anforderungen. Selbstverständlich wird dem Gesundheitsschutz bei Sanierungsmaßnahmen, die vom Land Hessen durchgeführt oder begleitet werden, höchste Priorität eingeräumt. Ziel ist es, gesundheitliche Risiken zuverlässig zu vermeiden. Spezielle Programme des Landes zur Unterstützung von Personen, deren Erkrankungen möglicherweise im Zusammenhang mit Altlasten stehen könnten, gibt es nicht. Wiesbaden, 20. April 2014 Priska Hinz