Kleine Anfrage des Abg. Roth (SPD) vom 05.03.2015 betreffend Steuerbescheide in Braille-Schrift und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: Laut der Antwort des Finanzministers auf eine Mündliche Frage können Menschen mit Sehbehinderung in Hessen die Erstellung ihres Steuerbescheides in Blindenschrift (Braille-Schrift) wählen. Dieser wird durch die Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg erstellt. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Die Finanzverwaltung hat sichergestellt, dass die nach dem Hessischen BehindertenGleichstellungsgesetz (HessBGG) betroffenen Dokumente, in erster Linie Steuerbescheide, den Berechtigten in allen vorgesehenen Formen zugänglich gemacht werden können. Wird die Zugänglichmachung in Blindenschrift (Braille-Schrift) gewählt, beauftragt die Finanzverwaltung die Deutsche Blindenanstalt e.V. (blista) in Marburg mit dem Druck bzw. der Erstellung des steuerlichen Verwaltungsakts. Bei der blista handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein mit Sitz in Marburg, der mit seinen Einrichtungen der beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung blinder und sehbehinderter Menschen dient. Hierzu unterhält die blista u.a. eine Blindenschriftdruckerei. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist es zutreffend, dass die Steuerpflichtigen mit Sehbehinderung, die einen Steuerbescheid in Braille-Schrift erhalten wollen, der Aufhebung des Steuergeheimnisses zustimmen müssen? Wenn ja, warum ist dies erforderlich? Um die fristgerechte Erstellung von Dokumenten in Braille-Schrift zu gewährleisten, erfolgt die Übermittlung der Bescheiddaten an die blista durch die Finanzverwaltung per E-Mail. Da der Finanzverwaltung bisher kein dem Steuergeheimnis Rechnung tragendes Verschlüsselungsverfahren nach § 87 a Abs. 1 S. 3 AO zur Verfügung stand, war es aus verfahrensrechtlichen Gründen erforderlich, hierfür die Einverständniserklärung zur Übermittlung der Daten beim Steuerpflichtigen einzuholen. Diese Verfahrensweise hat sich zwischenzeitlich geändert, da der Finanzverwaltung wie auch der blista nunmehr ein PKI-Verschlüsselungsverfahren zur Verfügung steht, das für die sichere Kommunikation genutzt werden kann. Insoweit ist mit Einführung der "PKI-Verschlüsselung" eine Einverständniserklärung des Steuerpflichtigen entbehrlich. Steuerpflichtige mit Sehbehinderung, die einen Steuerbescheid in Braille-Schrift erhalten wollen , müssen daher nicht mehr der Aufhebung des Steuergeheimnisses zustimmen. Frage 2. Sofern Frage 1 mit ja beantwortet wird, wie beurteilt die Landesregierung dies im Zusammen- hang mit der Tatsache, dass niemand wegen einer Behinderung diskriminiert werden darf? In Folge der erfolgreichen Einführung der "PKI-Verschlüsselung" ist die Einverständniserklärung des Steuerpflichtigen zur Offenbarung der Steuerdaten nicht mehr erforderlich. Unabhängig davon sieht die Landesregierung in dem bisher praktizierten Verfahren keine Ansätze einer Diskriminierung. Vielmehr wurde mit dem bisher praktizierten Verfahren den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Steuergeheimnisses Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang Eingegangen am 21. April 2015 · Ausgegeben am 23. April 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1702 21. 04. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1702 bleibt anzumerken, dass generell - unabhängig von jeglichem Personenkreis - bei einer unverschlüsselten Kommunikation per E-Mail aus den vorgenannten verfahrensrechtlichen Gründen eine Einverständniserklärung des Steuerpflichtigen einzufordern ist. Frage 3. In welcher Form wird der Datenschutz bei der Beauftragung der blista mit der Erstellung des Steuerbescheides gewährleistet und wie wird dabei berücksichtigt, dass viele Menschen mit Sehbehinderung unmittelbare Kontakte zur blista haben? Innerhalb der blista wird der Datenschutz gewährleistet, indem im PC-Netzwerk der BrailleDruckerei ein geschützter Bereich mit beschränkten Zugriffsrechten eingerichtet ist. Die mit den Steuerbescheiden befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der blista werden zur Verschwiegenheit und Einhaltung der Datenschutzregeln verpflichtet. Dies gilt auch für die entsprechenden Vertretungsregelungen. Frage 4. Wie oft haben in den letzten fünf Jahren Menschen mit Sehbehinderung in Hessen einen Steuerbe- scheid in Braille-Schrift unter Aufhebung des Steuergeheimnisses gewählt? In den letzten 5 Jahren haben 9 Steuerpflichtige den Druck ihrer Steuerbescheide in Blindenschrift beantragt. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 29 Braille-Bescheide erstellt. Frage 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, für Menschen mit Sehbehinderung einen Steuerbescheid in Braille-Schrift erstellen zu lassen, ohne dass diese der Aufhebung des Steuergeheimnisses zustimmen müssen? Das PKI-Verschlüsselungsverfahren und die Verpflichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der blista zur Verschwiegenheit und Einhaltung der Datenschutzregeln führen - wie bereits erwähnt - steuerverfahrensrechtlich dazu, dass Einverständniserklärungen des Steuerpflichtigen zur Offenbarung seiner Steuerdaten nicht mehr erforderlich sind, weil das Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung gewahrt bleibt. Aus Gründen der Transparenz werden Steuerpflichtige aber auch zukünftig darüber informiert, dass Braille-Bescheide von der blista erstellt werden. Frage 6. Warum hat die Hessische Steuerverwaltung bis heute nicht die Voraussetzungen geschaffen, dass die Steuerbescheide in Punktschrift intern erstellt werden und somit die Zustimmung des Steuerpflichtigen auf Aufhebung seines Steuergeheimnisses überflüssig wird? Die Einschaltung der blista zur Erstellung von Dokumenten, wie beispielsweise Steuerbescheiden in Blindenschrift, hat sich aus technischen Gründen und unter Qualitätsgesichtspunkten als erforderlich erwiesen. Weder die Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), die ansonsten die Produktion und Versendung der steuerlichen Verwaltungsakte vornimmt, noch die Finanzämter können dies gewährleisten. Auch das Aktendokumentationszentrum des Beauftragten der Hessischen Landesregierung für behinderte Menschen, bei dem im Rahmen der Umsetzung des Hessischen Behindertengleichstellungsgesetzes ein Braille-Drucker angeschafft wurde, konnte unter den gegebenen Anforderungen in der Steuerverwaltung den Druck entsprechender Dokumente nicht übernehmen. Von dort wurde in diesem Zusammenhang auf die blista in Marburg verwiesen. Der Verein verfügt über eine langjährige Erfahrung im Bereich der beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung von blinden und sehbehinderten Menschen. Nicht allein die Blindenschriftdruckerei und der vereinseigene Verlag machen den Verein zu einem kompetenten Partner bei der Erstellung von Dokumenten in Braille-Schrift. Gerade durch die Verbindung mit den schulischen und berufsausbildenden Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen verfügt die blista über Wissen und Praxiserfahrung in diesem Bereich. Dies ermöglicht der blista eine umfangreiche Qualitätssicherung ihrer Produkte, die gerade im steuerlichen Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die ggf. weitreichenden finanziellen Auswirkungen, von sehr hoher Bedeutung ist. Wiesbaden, 14. April 2015 Dr. Thomas Schäfer