Kleine Anfrage des Abg. Gremmels und Roth (SPD) vom 10.03.2015 betreffend Giftstoffe im Trinkwasser der Behörden am Schiersteiner Berg und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: In Presse und Rundfunk wurde darüber berichtet, dass in das Trinkwasser der Behörden in Wiesbaden am Schiersteiner Berg ein Rostschutzmittel für die Wasserleitungen zugegeben wurde, das für Trinkwasser nicht zugelassen ist. Laut Bericht des hr-Fernsehens soll das Rostschutzmittel bereits zwei Jahre dem Trinkwasser zugesetzt und dies nur durch einen Zufall (Geruch, und muffiger Geschmack, der aber nicht vom Rostschutzmittel kommt) entdeckt worden sein. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Bei einer turnusmäßigen Begehung des Behördenzentrums Schiersteiner Berg in Wiesbaden mit dem Gesundheitsamt Wiesbaden wurde am 11. Februar 2015 festgestellt, dass im Trinkwassernetz ein sogenannter Korrosionsinhibitor verwendet wurde, der nicht für die Dosierung in das Trinkwasser zugelassen ist, sondern nur für Brauchwasseranlagen (so z.B. für die Kühltürme im LKA). Hierbei handelt es sich um das Mittel ST DOS K 310 der Firma Schweitzer Chemie. Die entsprechenden Dosieranlagen wurden vom Hessischen Immobilienmanagement (HI) außer Betrieb genommen. Vorsorglich wurde angeordnet, dass ab sofort in den betroffenen Gebäuden das Trinkwasser nicht getrunken oder zur Zubereitung von Getränken und Speisen verwendet werden darf. Betroffen sind das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, das Hessische Landeskriminalamt sowie die Wiesbadener Finanzämter I und II, nicht jedoch in der Kantine . In enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt wurde die weitere Vorgehensweise festgelegt . Alle Trinkwasserentnahmestellen wurden außer Betrieb gesetzt und mit Hinweisschildern versehen. Weiterhin erfolgte unmittelbar die Beauftragung und Terminierung der notwendigen Beprobungen durch das Institut Fresenius sowie gründliche Spülungen der Leitungen zur Reinigung der Trinkwassernetze. HI hat eine hessenweite Überprüfung veranlasst, ob in allen von HI betreuten Dienstgebäuden für die Trinkwasseranlagen zulässige Korrosionsschutzmittel verwendet werden. Es handelt sich landesweit um rd. 100 Dosieranlagen. Die Rückmeldung aller Niederlassungen ergab, dass keine weiteren Fehleinleitungen nicht zulässiger Korrosionsmittel vorgenommen wurden. Zusätzlich hat HI den TÜV Hessen mit der unabhängigen Aufarbeitung der Vorkommnisse und Verfahrensabläufe beauftragt, um daraus Präventivmaßnahmen für die Zukunft zu entwickeln. Es wurden zudem umfangreiche Untersuchungen beauftragt, um zu klären, ob mit der fehlerhaften Befüllung der Dosieranlage in der Vergangenheit eine Gesundheitsgefährdung für die Mitarbeiter des BHZ verbunden sein könnte. Weiterhin wurde unter Leitung des HMdF eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die aus Leitung und Mitarbeitern des HI sowie den Dienststellenleitungen der im Behördenzentrum ansässigen Dienststellen besteht, um Informationen auszutauschen und das weitere Vorgehen zu erörtern. Darüber hinaus wurden die Mitarbeiter im Behördenzentrum Schiersteiner Berg in gezielten Info-Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmedizinischen Dienst über den jeweils aktuellen Stand und das weitere Vorgehen informiert. Neben einer individuellen Beratung wurde unter anderem auch die Möglichkeit vorsorglicher freiwilliger Blutuntersuchungen für die Beschäftigten angeboten. Um Fragen zu etwaigen gesundheitlichen Auswirkungen des belasteten Wasserkonsums in der Vergangenheit zu klären, wurde vom Hessischen Immobilienmanagement das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität in Frankfurt hinzugezogen. Eingegangen am 28. April 2015 · Ausgegeben am 6. Mai 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1709 28. 04. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1709 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Über welchem Zeitraum wurde Rostschutzmittel in welcher Dosierung dem Trinkwasser zuge- setzt? Nach den bisherigen Erkenntnissen wurde das nicht für Trinkwasseranlagen zugelassene Dosiermittel bereits seit der Übernahme des Gebäudebetriebs durch das Hessische Immobilienmanagement (HI) in Eigenleistung am 01.02.2013 bestellt und geliefert. Das Hessische Immobilienmanagement (HI) hat das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe (TZW) mit der Errechnung der Dosiermengen anhand der Einstellwerte der Dosieranlagen beauftragt. Frage 2. Welches Mittel wurde zugesetzt? (Bitte Inhaltsstoffe einzeln angeben) Frage 3. Durch wen und wo wurde das Rostschutzmittel bestellt? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2. und 3. gemeinsam beantwortet. Bei dem durch das Hessische Immobilienmanagement bei der Firma Schweitzer Chemie GmbH bestellten Mittel handelt es sich um einen flüssigen Korrosionsinhibitor und Härtestabilisator mit der Bezeichnung ST-DOS K-310. Dieses Korrosionsschutzmittel enthält 2,5 bis 5 % Polyacrylsäure und 2,5 bis 5 % Hydroxyphonoessigsäure. Zudem wurden in den im März gezogenen Trinkwasserproben des Behördenzentrums geringe Mengen Acrolein nachgewiesen. Frage 4. Wurde dieses Rostschutzmittel bzw. andere verbotene Substanzen auch in anderen Gebäuden von Landesbehörden dem Trinkwasser zugesetzt? Die Niederlassungen des Hessischen Immobilienmanagements haben sämtliche von HI betriebenen Dosier- und Enthärtungsanlagen überprüft und festgestellt, dass außerhalb des Behördenzentrums Schiersteiner Berg keine verbotenen Substanzen dem Trinkwasser zugesetzt wurden. Frage 5. Wann, wie und durch wen wurde die Verunreinigung festgestellt? Die Verunreinigung wurde am 11.02.2015 bei einer gemeinsamen turnusmäßigen Begehung von HI und dem Gesundheitsamt der Stadt Wiesbaden festgestellt. Frage 6. Liegt ein Straftatbestand nach § 24 i.V.m. § 11 Abs. 7 der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) vor? Die Beantwortung dieser Frage kann nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen erfolgen , die aufgrund mehrerer Anzeigen eingeleitet wurden. Frage 7. Welche gesundheitlichen Gefährdungen bestehen? (Bitte zwischen akuter Gefahr und möglichen Langzeitschäden unterscheiden) Das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt hat geprüft , ob durch die Einleitung des Dosiermittels ST-DOS K 310 gesundheitliche Auswirkungen bei den betroffenen Mitarbeitern im Behördenzentrum entstanden sein könnten. Wie Prof. Dr. med. Johannes Schulze (Arzt für Pharmakologie und Toxikologie, Arzt für klinische Pharmakologie und Eurotoxikologe beim Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin) in einem Schreiben vom 10.04.2015 an die Mitarbeiter des Behördenzentrums schriftlich mitgeteilt hat, geht nach Bewertung der vorliegenden Analyseergebnisse das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt davon aus, dass es nicht zu akuten gesundheitlichen Schädigungen durch Aufnahme des Trinkwassers im Behördenzentrum gekommen ist. Nicht mit hinreichender Sicherheit kann von dem Institut derzeit die Frage der Wahrscheinlichkeit eventuell verzögert auftretender Krankheitsbilder beurteilt werden. Hierfür liegen keine Daten vor, doch wird nach der vorläufigen Abschätzung möglicher chronischer Schäden nur ein niedriges Gefährdungspotenzial gesehen. Frage 8. Welche Maßnahmen werden durchgeführt, um bei den betroffenen Beschäftigten Gewissheit zu erreichen, ob und in welchem Maße ihre Gesundheit beeinträchtigt wurde? In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmedizinischen Dienst und dem Institut für Arbeits-, Sozialund Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt wurden Informationsveranstaltungen für die Mitarbeiter durchgeführt. Außerdem wurde eine freiwillige Blutuntersuchung angeboten, an Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1709 3 der 1.019 Bedienstete teilgenommen haben und deren Ergebnisse von dem Arbeitsmedizinischen Dienst und dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin ausgewertet wurden. Die Untersuchungsergebnisse wurden den jeweiligen Mitarbeitern schriftlich durch den Arbeitsmedizinischen Dienst mitgeteilt. Weiterhin erfolgen auf Wunsch individuelle Besprechungen der Untersuchungsergebnisse durch den Arbeitsmedizinischen Dienst oder das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. Frage 9. Welche Maßnahmen sollen künftig verhindern, dass verbotene Mittel ins Trinkwasser gelangen? Aufgrund des Vorfalls wurde der TÜV Hessen beauftragt, die Qualitätssicherungsmechanismen bei HI im Bereich der Trinkwasserhygiene zu überprüfen, mögliche Lücken aufzuzeigen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Frage 10. Gibt es in dieser Angelegenheit staatsanwaltliche Ermittlungen? Siehe Antwort zu Frage 6. Wiesbaden, 21. April 2015 Dr. Thomas Schäfer