Kleine Anfrage der Abg. Geis, Merz (SPD) vom 10.03.2015 betreffend Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplans und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: Die Hessische Landesregierung hat einen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren erstellt, der seit Beginn des Schuljahres 2008/2009 durch das Hessische Kultusministerium und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration implementiert wird. Nach Abschluss der Erprobungsphase an rund 370 Modelleinrichtungen des Elementar-und Primarbereichs in Hessen und der wissenschaftlichen Auswertung wurde der überarbeitete Bildungs- und Erziehungsplan im Januar 2008 der Fachpraxis übergeben. Vorbemerkung des Kultusministers: Mit dem Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren in Hessen (BEP) wird eine frühere, nachhaltigere, individuellere und intensivere Förderung der Kinder in den Blick genommen. Er ist Institutionen übergreifend und richtet sich an alle an der Bildung und Erziehung beteiligten Personen. Seit 2007 läuft seine Implementierung mit zahlreichen Unterstützungsangeboten auf den unterschiedlichen Ebenen der Fachpraxis. Die Implementierung des BEP und die in Hessen erreichte enge Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen sind von großem Wert für die Optimierung der frühen Bildung und Erziehung von Kindern. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie, wann und durch wen wurde die Wirksamkeit des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren nach dem Jahr 2005 evaluiert? (Bitte getrennt nach Kitas und Grundschulen ) Frage 2. Falls ja, wie und wann wurde das Ergebnis veröffentlicht? Die Fragen 1 und 2 werden zusammengefasst wie folgt beantwortet. Der im Jahr 2005 erstellte Planentwurf gilt für den gesamten Elementar- und Primarbereich und wurde in Kooperation mit dem Freistaat Bayern - Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) in München unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. F., Universität Bozen, erarbeitet. Nach Abschluss einer eineinhalbjährigen Erprobungsphase an rund 370 Modelleinrichtungen des Elementar- und Primarbereichs in Hessen und der wissenschaftlichen Auswertung durch das Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) wurde ein Ergebnisbericht veröffentlicht (ERGEBNISBERICHT der Erprobungsphase - Hessisches Sozialministerium und Hessisches Kultusministerium , 2007). Diese umfassende Evaluation hat an vielen Stellen eine wichtige Steuerungsfunktion bei der Implementierung eingenommen. Darin werden die positiven Effekte von Institutionen übergreifenden Bildungsplänen verdeutlicht und aufgezeigt, dass Institutionen übergreifende Pläne die Herstellung anschlussfähiger Bildungsprozesse erleichtern, insbesondere durch: - positive Veränderungen in der gemeinsamen Gestaltung der Übergänge, - stärkere Vernetzung aller Bildungsorte durch gemeinsame Grundlagen und Ermöglichung einer besseren Kooperation, - Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildung und Lernen als Leitziel etc. Eingegangen am 20. Mai 2015 · Ausgegeben am 22. Mai 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1714 20. 05. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1714 Die Ergebnisse des wissenschaftlichen Berichtes waren die Grundlage für die Überarbeitung des BEP-Entwurfs und die konzeptionelle Planung der Implementierung. Die Implementierung, die nach der Erprobungsphase in Gang gesetzt wurde, umfasst das Angebot von Fortbildungen zur Qualifizierung der Praxis (Managementebene, Fach- und Lehrkräfte, Fachberatungen). Ihre Evaluation nimmt einen hohen Stellenwert ein. Alle Veranstaltungen zur Qualifizierung der Praxis wurden evaluiert. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die die Qualifizierung durchführen, bekamen nach jeder Fortbildung ein Dossier mit den ausgewerteten Ergebnissen und einmal jährlich ein Evaluationsportfolio, sodass hier nicht nur eine hohe formative Funktion der Evaluation gewährleistet wird, sondern auch nicht aufgrund der sehr hohen Beteiligung an der Evaluation mit weit über 90 % aller Teilnehmenden - auf eine enorm breite und solide Datenbasis für detailliertere Auswertungen zurückgegriffen werden kann. Ferner wurden begleitende Evaluationsmaßnahmen verfolgt wie beispielsweise Hospitationen und persönliches Coaching bzw. Supervision. Eine detaillierte Darstellung der Implementierung, des Evaluationskonzeptes sowie aller Instrumente , analytischen Verfahren und der zentralen Ergebnisse wurde vom IFP im Projektbericht "Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren in Hessen" (Paulsteiner, R., Kofler, A. und Spindler, A.) 2014 veröffentlicht. Frage 3. An wie vielen Einrichtungen bzw. Schulen in Hessen wurde der Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren seit 2008 über die 370 Modelleinrichtungen hinaus implementiert ? (Angabe bitte getrennt nach Jahren) Die Anzahl der Einrichtungen und Schulen, die in den Jahren 2009 bis Februar 2015 an einer oder mehreren Modulfortbildungen zum Bildungs- und Erziehungsplan teilgenommen haben, ist der Anlage 1 zu entnehmen. Frage 4. Wie hat die Landesregierung sichergestellt, dass weitere Einrichtungen und Schulen seit 2008 den Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren implementieren konnten? Das Hessische Kultusministerium und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration haben ein umfassendes Konzept zur Begleitung der landesweiten Implementierung des BEP in allen Einrichtungen des Elementar- und Primarbereichs, einschließlich Familienbildungsstätten und Kindertagespflegestellen, entwickelt und zur Verfügung gestellt. Ziele der Implementierung des BEP waren zum einen, einen möglichst hohen Erreichungsgrad in der Praxis zu gewährleisten und zum anderen, mit möglichst passgenauen Angeboten eine sehr hohe fachliche Qualität sicherzustellen. Die Implementierung stützt sich auf drei Säulen: Information und Kommunikation Der Praxis wurden Exemplare des Bildungs- und Erziehungsplans, Exemplare der ergänzenden Handreichung für die unter Dreijährigen, Exemplare einer Eltern-Informationsbroschüre in 12 verschiedenen Sprachen und viele ergänzende Materialien kostenfrei zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus fanden regionale Informationsveranstaltungen für Fach- und Lehrkräfte sowie Informationsveranstaltungen für Eltern statt. Auf der Internetseite www.bep.hessen.de wurden die umfangreichen Informationen zum hessischen Bildungs- und Erziehungsplan mit allen Begleitangeboten vorgestellt. Qualifizierung und Aufbau eines "Management-Apparates", der Leitungs- und Fachberatungsebene Für die in Hessen tätigen Leitungskräfte sowie die Fachberatungen werden speziell auf diesen Personenkreis zugeschnittene Fortbildungskurse angeboten, die die Fach- und Lehrkräfte unterstützen sollen, Prozesse vor Ort zu initiieren, zu begleiten und zu steuern. Diese Kurse werden vom Arbeitszentrum für Fort- und Weiterbildung des Elisabethenstiftes in Darmstadt, den Caritasverbänden Mainz und Limburg, dem Odenwald-Institut der Karl-Kübel-Stiftung in WaldMichelbach , dem Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt Hessen e.V. und über die Lehrkräfteakademie angeboten. Seit 2014 wird ein neuer viertägiger Baustein zur gezielten Fortbildung von Fachberatungen von Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege angeboten. Hier geht es um die Unterstützung der Praxis bei der konkreten Umsetzung des BEP und die Prozesse, die Fachberatung begleiten und unterstützen kann. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1714 3 Fortbildungsangebote zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans für alle pädagogischen Fachkräfte des Elementar- und Primarbereiches und Kindertagespflegepersonen Für die in Hessen tätigen Fachkräfte werden gemeinsame Fortbildungsangebote durch einen zuvor qualifizierten Multiplikatorinnen/Multiplikatoren-Stamm angeboten. Die Schwerpunkte der Arbeit beziehen sich zunächst vorrangig auf die Erarbeitung der Grundlagen und Prinzipien der gemeinsamen Arbeit, die Kooperation der Bildungsorte und die Übergänge von einer Institution in die nächste. Daneben sind unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte vertreten. Viele Praxiseinrichtungen haben dabei auch bereits die Einbindung weiterer Bildungsorte wie Kindertagespflege , Familienbildung etc. im Blick. Hinzu kommt ein Schwerpunktangebot für Tagespflegepersonen , um auch ihnen gezielte Unterstützung für die Arbeit mit dem BEP zu geben und die Zusammenarbeit mit den Tandems zu erleichtern. Frage 5. Wie verteilen sich die Kooperationsprojekte zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen auf der Grundlage des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren über die hessischen Schulträgerbezirke? Die Anzahl der Tandems, bestehend aus mindestens einer Kindertageseinrichtung und einer Grundschule, ist der Anlage 2 zu entnehmen. Frage 6. Mit welchen Fortbildungen für die Lehrkräfte an den Grundschulen wurde seit 2008 die gezielte Umsetzung der Kooperationsansätze des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren zwischen Kita und Grundschule unterstützt? Auf der Grundlage des BEP wurden folgende Module entwickelt, die für die Tandems als jeweils eintägige Fortbildungen zur Verfügung stehen: - Grundsätze und Prinzipien des Plans Teil A, Grundsätze und Prinzipien Teil B, - Beobachtung, Dokumentation und Evaluation von Bildungsprozessen, - Sprache und Literacy, - Medien, - Umwelt, - Gestaltung von Bildungsprozessen mit Hilfe von spezifischen und allgemeinen Ansätzen, - Religiosität und Werteorientierung, - Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, - Demokratie und Politik, - Stärkung kindlicher Kompetenzen, - Resilienz, - Emotionalität und soziale Beziehungen, - bildnerische und darstellende Kunst, - Musik und Tanz, - lernmethodische Kompetenz, - Mathematik, - Naturwissenschaften, - Technik, - Vernetzung und Kooperation mit unterschiedlichen Lernorten, - Übergänge, - Gesundheit, - Bewegung und Sport, - Lebenspraxis. Zusätzlich werden für die Leitungskräfte von Grundschulen, Kindertageseinrichtungen, Familienbildungsstätten , Familienzentren und der Kindertagespflege prozessbegleitende Fortbildungen angeboten mit dem Ziel der Stärkung der Leitungskompetenz und der Rolle von Management und Beratung im Implementierungsprozess. Auch die Fachberaterinnen und Fachberater aus dem Grundschulbereich, die an den Staatlichen Schulämtern angesiedelt sind, wurden in Leitungskursangeboten qualifiziert. Für die Fachberatungen der Jugendhilfe wurde 2014 ein weiteres viertägiges Fortbildungsangebot aufgelegt, um eine prozessbegleitende Beratung zum Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren in Hessen zu ermöglichen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1714 Frage 7. Wie viele Lehrkräfte der Grundschulen haben an diesen Fortbildungen teilgenommen? Zum Teil haben ganze Kollegien oder einzelne Lehrkräfte aus den in der Antwort auf Frage 3 angegebenen Schulen teilgenommen; insgesamt sind es rund 12.000 Lehrkräfte. Frage 8. Wie stellt die Landesregierung die dauerhafte Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplanes an den Grundschulen und die dauerhafte Existenz der Kooperationsprojekte zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen auch nach erfolgten Fortbildungen sicher? Mit dem Bildungs- und Erziehungsplan sind Kooperation und Vernetzung aller am Bildungsprozess Beteiligter impliziert. Dies gilt es zu sichern, die Zusammenarbeit der Tandems zu intensivieren . Die Fortbildungsmodule werden nun an den aktuellen Stand der Wissenschaft anpasst und überarbeitet, so dass eine Weiterentwicklung und dauerhafte Verankerung für die Fachpraxis gegeben ist. Auch künftig sollen die Tandems Grundschule - Kindertagesstätte mit weiteren Bildungspartnern auf aktuelle Unterstützungsangebote zurückgreifen können. Um die nachhaltige Umsetzung des BEP in der Praxis zu gewährleisten, wird ab Mai 2015 eine neue Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren durchgeführt. Dazu werden die Fortbildungsmodule auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse und entsprechend dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung weiterentwickelt. Einen Beitrag zur Sicherung der Qualität in der frühkindlichen Bildung leistet das Land, indem mit der neuen Landesförderung nach Inkrafttreten des Hessischen Kinderförderungsgesetzes (HessKiföG) gemäß § 32 Abs. 3 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) ein finanzieller Anreiz für Tageseinrichtungen gesetzt wird, die nach dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren arbeiten. Auch die Begleitung durch Fachberatung wird entsprechend unterstützt, wenn diese zum Bildungs- und Erziehungsplan erfolgt (§ 32a Abs. 1 HKJGB). Im Förderjahr 2014 haben insgesamt knapp 3.500 Kindertageseinrichtungen die Qualitätspauschale erhalten. Diese wird gewährt, wenn die Einrichtung nach den Grundsätzen und Prinzipien des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans arbeitet. Die Träger von Fachberatungen erhielten in 2014 Landesfördermittel für die Beratung zur Arbeit nach den Grundsätzen des Bildungs- und Erziehungsplanes in 1.850 hessischen Kindertageseinrichtungen. Frage 9. Wie wird die Landesregierung die Umsetzung der Ergebnisse aus dem Modellprojekt "Qualifi- zierte Schulvorbereitung" (QSV) in die regelhafte Arbeit der Kindertagesstätten und Grundschulen sicherstellen? Im Modellprojekt Qualifizierte Schulvorbereitung (QSV) wurde auf der Grundlage des BEP der Fokus auf eine besondere Unterstützung der Kinder in den letzten beiden Kindergartenjahren gelegt und die Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule weiter optimiert. Die Zwischenergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der Kinder an QSV-Modellstandorten positiver verlaufen ist als die Entwicklung der Kinder in der Kontrollgruppe. Vor allem im ersten QSV-Jahr machten die Kinder in den Modellstandorten einen signifikant größeren Entwicklungssprung als die Kinder in der Kontrollgruppe. Die Erkenntnisse des Modellprojektes werden in die Weiterentwicklung der Konzepte für die frühkindliche Entwicklung einbezogen werden, z.B. bei der BEP-Aktualisierung und der in diesem Jahr anstehenden Neukonzeption der BEP-Fortbildungen, die neben den allgemein für eine Weiterentwicklung anstehenden Themen auch ganz gezielt Erfahrungen und Bedarfe der Praxis und hier insbesondere auch aus dem Modellprojekt QSV aufgreifen und bearbeiten wird. Im Anschluss an die Evaluation des Modellprojektes "Qualifizierte Schulvorbereitung" in den beteiligten Kindertagesstätten wird im Schuljahr 2014/15 eine Evaluation in den aufnehmenden Grundschulen durchgeführt, um einschätzen zu können, inwiefern sich die Ergebnisse verstetigen . Die Evaluationsergebnisse liegen noch nicht vor. Wiesbaden, 6. Mai 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlagen Anlage 1 Drucksache 19/1714 Jahr Einrichtung Anzahl Schulen Anzahl 2009 625 249 2010 474 178 2011 369 129 2012 147 66 2013 181 79 2014 312 103 2015 Stand Februar 5 2 Anlage 2 Drucksache 19/1714 Landkreise und Städte in Hessen Anzahl der Tandems Bergstraße 47 Darmstadt, Stadt 13 Darmstadt-Dieburg 36 Frankfurt am Main, Stadt 38 Fulda 17 Gießen 37 Groß-Gerau 26 Hersfeld-Rotenburg 11 Hochtaunuskreis 34 Kassel 32 Kassel, Stadt 23 Lahn-Dill-Kreis 48 Limburg-Weilburg 38 Main-Kinzig-Kreis 55 Main-Taunus-Kreis 34 Marburg-Biedenkopf 26 Odenwaldkreis 16 Offenbach 46 Offenbach am Main, Stadt 3 Rheingau-Taunus-Kreis 25 Schwalm-Eder-Kreis 17 Vogelsbergkreis 9 Waldeck-Frankenberg 33 Werra-Meißner-Kreis 2 Wetteraukreis 45 Wiesbaden 15 Summe 726