Kleine Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 17.03.2015 betreffend Abbau von Lehrerstellen in Hessen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Laut Stellenzuweisungserlass des Hessischen Kultusministeriums (HKM) vom 8. Oktober 2014 sind in Hessen 483 Lehrerstellen gestrichen worden. Im Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim Hessischen Kultusministerium war von etwa 500 Stellen die Rede. Der Stellenabbau soll sich wie folgt auf die Staatlichen Schulämter verteilen: SSA Rückgang Zunahme Bergstraße/ Odenwald 57 Darmstadt-Dieburg/Darmstadt 36 Frankfurt a. M. 30 Fulda 15 Groß Gerau/Main-Taunus 12 Gießen/Vogelsberg 48 Schwalm-Eder/Werra-Meißner 51 Hochtaunus/Wetterau 40 Kassel 44 Lahn-Dill/Limburg-Weilburg 84 Main-Kinzig 2 Marburg-Biedenkopf 42 Offenbach 19 Rheingau-Taunus/Wiesbaden 17 Schwalm-Eder/Waldeck-Frankenberg 88 Summe 534 51 Vorbemerkung des Kultusministers: Die Ausstattung der Schulen mit ausreichend personellen Ressourcen genießt bei der Landesregierung in Hessen einen besonders hohen Stellenwert. Das wird schon daran deutlich, dass der Bereich der Lehrerstellen der einzige innerhalb der Landesverwaltung ist, der in dieser Legislaturperiode vollständig von Kürzungen ausgenommen ist. Die sogenannte demographische Rendite bleibt vollständig im System. Gleichwohl müssen hinsichtlich der Verteilung dieser Stellen Prioritäten gesetzt werden, um die großen Herausforderungen für die hessischen Schulen in den kommenden Jahren zu meistern. Vier Schwerpunktbereiche für eine zusätzliche Ausstattung mit personellen Ressourcen sind dafür definiert worden: Die Ausweitung des Ganztagsangebots, die Förderung der inklusivenBeschulung , der erforderliche Ausbau von Intensivmaßnahmen zur Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sowie die Erhöhung der sozial indizierten Zuweisung. Dadurch werden schulformübergreifend viele hessische Schulen unterstützt und es wird zur Entwicklung eines den aktuellen Herausforderungen entsprechenden Unterrichts- und Betreuungsangebots beigetragen. Stellenressourcen, die hierfür benötigt werden, müssen - da die demographische Rendite allein dafür nicht ausreichen wird - aus anderen Bereichen umgelenkt werden. Dies erfordert eine besonders effiziente und gerechte Verteilung der begrenzten Ressourcen. Eingegangen am 12. Juni 2015 · Ausgegeben am 19. Juni 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1753 15. 06. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1753 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Sind die in der Vorbemerkung genannten Angaben zum Stellenabbau zutreffend? Die tatsächliche Zuweisung bei allgemeinbildenden Schulen erfolgt zu Beginn eines jeden Schuljahres . Datengrundlage sind die in der LUSD drei Wochen nach dem Schuljahresbeginn eingetragenen Schülerzahlen. Vergleicht man die für die Zuweisung relevanten Erlasse vom 19. September 2013 und 8. Oktober 2014 von den Schuljahren 2013/2014 und 2014/2015, ergibt sich in der Grundunterrichtsversorgung im Unterschied zur oben dargestellten Auflistung eine Differenz von 687,7 Stellen, wie die nachfolgende Tabelle veranschaulicht: SSA Rückgang SSA Landkreis Bergstraße und den Odenwaldkreis 74,6 SSA Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt 29,0 SSA Frankfurt am Main 5,6 SSA Landkreis Fulda 33,0 SSA Landkreis Groß-Gerau und den Main-Taunus Kreis 37,7 SSA Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis 35,3 SSA Landkreis Hersfeld-Rotenburg und den Werra-Meißner-Kreis 40,4 SSA Hochtaunuskreis und den Wetteraukreis 95,9 SSA Landkreis und Stadt Kassel 42,6 SSA Lahn-Dill-Kreis und den Landkreis Limburg-Weilburg 85,4 SSA Main-Kinzig-Kreis 31,4 SSA Landkreis Marburg-Biedenkopf 44,9 SSA Landkreis und Stadt Offenbach am Main 19,6 SSA Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden 39,8 SSA Schwalm-Eder-Kreis und den Landkreis Waldeck-Frankenberg 72,5 Summe 687,7 Frage 2. Wie ist der Abbau von fast 500 Lehrerstellen im Schuljahr 2014/15 mit den Aussagen im Koali- tionsvertrag von CDU UND BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass Personalabbau außerhalb des Bereichs der Lehrerstellen geschieht und die bis zum Jahr 2019 frei werdenden Lehrerstellen im Bildungssystem belassen werden, vereinbar? An dieser Stelle verweise ich zunächst auf die Vorbemerkung, in der bereits erläutert wurde, dass es sich bei der genannten Gesamtstellendifferenz um keine Kürzung, sondern vielmehr um eine Umlenkung in andere Schwerpunktbereiche handelt. Des Weiteren ist anzumerken: Seit dem Schuljahr 2009/10 wurde in Hessen ein zentrales Zuweisungsverfahren eingeführt. Das bedeutet, dass alle Schulen im Land Hessen eine Gleichbehandlung erfahren. Jeder Klasse und damit jeder Schule werden die ihr zustehenden Stunden zugewiesen, die für die Abdeckung des Grundunterrichts benötigt werden. Die Höhe der erforderlichen Stunden basiert bei einer klassenbezogenen Zuweisung auf den Stundentafeln der verschiedenen Schulformen und Jahrgänge. Die Zuweisung der Stunden für den Grundunterricht stellt die Bezugsgröße von 100 % (%) dar. Seit dem Schuljahr 2013/14 erhalten alle selbstständigen Schulen in Hessen einen Zuschlag von 5 %, alle anderen Schulen 4 % Da sich im Schuljahr 2014/15 im Vergleich zum Vorjahr keine Änderungen in den Stundentafeln der allgemeinbildenden Schulen ergaben, werden weiterhin die gleiche Stundenanzahl pro Schulform und Jahrgang und der entsprechende Zuschlag in Höhe von 4 bzw. 5 % zugewiesen. Obwohl sich die Zuweisungsmodalitäten nicht änderten, ist in den Schulamtsbereichen ein Rückgang der Stellen für den Grundunterricht im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Dies liegt in einer Vielzahl von Faktoren begründet, von denen die Zuweisung abhängig ist. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1753 3 Drei wesentliche Einflüsse sind im Folgenden genannt: a) Durch den Rückgang von Schülerzahlen ist bei einer sinkenden Anzahl von Klassen auch eine geringere Zuweisung zu erwarten. b) Die Zuweisung ist von der Schulform abhängig. Dies bezieht sich vor allem auf die Möglichkeit , dass Gymnasien wieder zur 9-jährigen Schulzeit (G9) zurückkehren, oder diese als Parallelangebot einführen können. Da im 9-jährigen Gymnasium in der Sekundarstufe I laut Stundentafel weniger Wochenstunden pro Jahrgangsstufe unterrichtet werden als im 8- jährigen, entsteht beim Übergang ein geringerer Zuweisungsbedarf. c) Die Zuweisung erfolgt in den Bereichen gymnasiale Oberstufe und in den Förderschulbereichen Blinde, geistige Entwicklung und körperlich-motorische Entwicklung schülerbezogen. Ebenso trifft dies i.d.R. auf die Schulen für Erwachsene zu. Ein Rückgang der Schülerzahlen hat dementsprechend eine geringere Zuweisung zur Folge. Des Weiteren befand sich im Schuljahr 2013/14 der letzte sogenannte Doppeljahrgang in der gymnasialen Oberstufe. Zum Verbleib der demographischen Rendite im System ist nicht festgelegt, dass die Stellen in einem Schulamtsbereich festgeschrieben werden. Vielmehr zielt diese Angabe auf einen Erhalt der Gesamtstellenzahl im hessischen Bildungssystem ab, um steigende Stellenbedarfe durch Schülerzuwächse, wie z.B. in Frankfurt, abzudecken und neue Vorhaben umzusetzen. Frage 3. Sind im Schuljahr 2014/15 abgebaute Stellen in finanzielle Mittel umgewandelt worden und wenn ja, wie viele? Der Lehrerstellenzuweisungserlass vom 8. Oktober 2014 weist insgesamt 507,3 Stellen in Mitteln aus. Frage 4. Für welchen Zweck wurden diese umgewandelten Mittel jeweils verwendet und wie wurden diese Zwecke im Schuljahr 2013/14 finanziert? Die in der Antwort zur Frage 3 genannten 507,3 Stellen wurden vollständig in Mittel umgewandelt und ausschließlich für den Bereich der Ganztagsschulen verwendet. Die im Rahmen des Programms für Ganztagsangebote durchgeführte Maßnahme "Mittel statt Stelle" wird weiter fortgeführt. Die in Mittel umgewandelten Stellen wurden bis zum Ende des Schuljahres 2013/14 zur Abdeckung der 104- bzw. 105-%igen Unterrichtsversorgung stellentechnisch zugewiesen. Ab dem Schuljahr 2014/15 werden diese Stellen nun mit der Lehrerzuweisung an die Schulen wieder gesperrt und stehen ausschließlich für das Programm "Mittel statt Stelle" im Bereich Ganztagsangebote zur Verfügung. Für die 104- bzw. 105-%ige Unterrichtsversorgung werden ab dem Schuljahr 2014/2015 frei werdende Stellen aus G8 verwendet. Frage 5. Sind davon Mittel für die Beschäftigung von voll ausgebildeten Lehrkräften verwendet worden? Für voll ausgebildete Lehrkräfte werden keine Stellen in Mittel umgewandelt, sondern nur Stellen verwendet. Frage 6. Wurde der genannte Stellenabbau im Schuljahr 2014/15 durch Schaffung von unbefristeten Stellen für Lehrkräfte in folgenden Bereichen ausgeglichen: a) inklusive Beschulung, b) Förderung von Schülerinnen und Schüler in sozialen Brennpunkten, c) Ganztagsprogramme an Schulen? Zu Frage 6 a: Für die inklusive Beschulung gab es insgesamt 70 zusätzliche Stellen. Zu Frage 6 b: Für die Förderung in sozialen Brennpunkten wurden 60 weitere Stellen geschaffen . Zu Frage 6 c: Die Aufstockung im Bereich der Ganztagsprogramme umfasst insgesamt 115 Stellen. Des Weiteren wurden im Bereich der Migrationsförderung zusätzliche 50 Stellen generiert. Daraus ergibt sich eine Summe von 295 Lehrerstellen. Zusammen mit den 507,3 Stellen für den Bereich Ganztag, die in Mittel umgewandelt wurden, mussten insgesamt 802,3 Stellen aufgebracht werden. Aus der in der Antwort zur Frage 1 berechneten geringeren Grundunterrichtszuweisung von 687,7 und dem sich daraus ergebenden niedrigeren Zuschlag zum Grundunterricht (4 % bzw. 5 %) in Höhe von 17,2 Stellen, ergibt 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1753 sich ein Stellenaufkommen von 704,8. Da durch die Schülerrückgänge auch in diversen anderen Bereichen (Deputate, Unterricht in der Herkunftssprache, Entwicklung von Lernzeitkonzepten etc.) weniger Stellen benötigt wurden, konnte damit die restliche fehlende Differenz von 97,5 Stellen (802,3 benötigte Stellen - 704,8 gewonnene Stellen) abgedeckt werden. Somit verweise ich nochmals auf die Aussagen in der Vorbemerkung, dass keine Stellen gestrichen, sondern vielmehr wie dargelegt umgelenkt wurden. Wiesbaden, 31. Mai 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz