Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 10.03.2014 betreffend barrierefreier Zugang am Bahnhof Oestrich-Winkel/Mittelheim und Antwort des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Die DB Projektbau Frankfurt GmbH plant einen neuen Bahnsteig am Bahnhof Oestrich-Winkel/Mittelheim. Mit Hinweis auf die Eisenbahnbau- und Betriebsverordnung ist dafür kein barrierefreier Zugang vorgesehen, da die Anzahl der Reisenden pro Tag unter 1.000 Personen liege. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwick- lung: Zwischen dem Land, den drei hessischen Verkehrsverbünden (Rhein-Main-Verkehrsverbund, Nordhessischer Verkehrsverbund und Verkehrsverbund Rhein-Neckar) und der Deutschen Bahn AG wurde im Jahr 2011 eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen mit dem Ziel, bis 2019 insgesamt 93 Bahnhöfe in Hessen zu modernisieren und barrierefrei umzubauen. Für dieses Programm sind insgesamt 258 Mio. € an Investitionen geplant, mit denen die barrierefreie Gestaltung einschließlich der notwendigen Anpassung der Bahnsteighöhen, die Modernisierung der Zugänge wie z.B. Bahnsteige, Aufzüge, Rampen, Unterführungen und Treppen und die Verbesserung der Kundeninformation insbesondere an kleinen Bahnhöfen finanziert werden sollen. Davon trägt die Deutsche Bahn AG (DB) 129 Mio. € und das Land rund 84 Mio. €. Des Weiteren ist vorgesehen, dass die Verbünde als Aufgabenträger zusammen mit den Kommunen mit rund 45 Mio. € den Ausbau der Bahnhofsinfrastruktur mitfinanzieren. Das Programm stellt damit ein Angebot und eine Chance für die Kommunen dar, sich zu beteiligen und die Maßnahmen zu komplettieren. Mit dieser Rahmenvereinbarung wird kontinuierlich das Ziel der Landesregierung verfolgt, die Bahnhöfe in Hessen barrierefrei und somit behindertengerecht umzubauen. Die Aufnahme der Stationen in die Rahmenvereinbarung erfolgte durch gemeinschaftliche Auswahl von Land, Verkehrsverbünden und DB. Dabei wurden unter anderem die Bedeutung der Verkehrsstation, deren Zustand und die Zahl der Reisenden als Auswahlkriterien zugrunde gelegt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viel Reisende nutzen am Tag den Bahnhof Oestrich-Winkel/Mittelheim? Nach Mitteilung von DB Station&Service AG nutzen im Durchschnitt 425 Reisende am Tag den Bahnhof Oestrich-Winkel/Mittelheim. Frage 2. Gibt es bei der Deutschen Bahn AG eine Vorschrift, dass bei Bahnhöfen, bei denen die Anzahl der Reisenden pro Tag weniger als 1.000 Personen beträgt, kein barrierefreier Zugang erforderlich ist? Seit 2008 gilt in Deutschland die Verordnung TSI PRM (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität im Transeuropäischen Eisenbahnsystem bei eingeschränkt mobilen Personen). Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004. Die 1.000-Reisende-Regelung für die Begrenzung von Aufzügen bzw. langen Rampen ist in der TSI PRM enthalten und spezifiziert die "zumutbare Distanz " bis zum nächsten vollständig mit hindernisfreien Wegen erschlossenen Bahnhof wie folgt: Eingegangen am 13. Mai 2014 · Ausgegeben am 15. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/176 13. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/176 - Beim Bau von neuen Stationen muss ein vollständig barrierefrei erschlossener Bahnhof im Umkreis von max. 30 km an der gleichen Strecke vorhanden sein. (vgl. Kap. 4.1.2.3.1 TSI PRM) - Beim Umbau bestehender Stationen muss ein vollständig barrierefrei erschlossener Bahnhof im Umkreis von max. 50 km an der gleichen Strecke vorhanden sein. (vgl. Kap. 7.3.1. TSI PRM) Zur Herstellung der Barrierefreiheit mit den oft notwendigen kostenintensiven Zugangsbauwerken (Aufzüge und lange Rampen) beim Neu- und Umbau von Stationen besteht zusätzlich eine Vereinbarung zwischen der DB AG und dem Eisenbahnbundesamt, die die sogenannte "1.000- Reisende-Regelung" aufgreift und diese im "Ausbauprogramm der DB AG" verankert. Frage 3. Was sollen aus Sicht der Deutschen Bahn AG und der Landesregierung Menschen mit Handicap in Gemeinden mit Bahnhöfen, die nicht barrierefrei sind, unternehmen, um den öffentlichen Schienen-Personenverkehr zu nutzen? Die Landesregierung hat mit der Rahmenvereinbarung Bahnhofsmodernisierung einen wichtigen Impuls zum barrierefreien Umbau möglichst vieler Bahnhöfe gesetzt. Da es nicht möglich ist, alle Bahnhöfe in Hessen gleichzeitig auf barrierefreien Standard auszubauen, muss das Ziel sein, zuerst in allen Landesteilen barrierefreie Bahnhöfe mit zumutbaren Einzugsbereichen zu schaffen. Gemäß der Technischen Spezifikation für Interoperabilität für "eingeschränkt mobile Personen" ist die Bedingung für einen "hindernisfreien Weg" gemäß 7.3.1 bei dem bestehenden Bahnhof Oestrich -Winkel/Mittelheim laut Mitteilung der DB AG erfüllt. Sie verweist darauf, dass die Entfernung zum nächsten stufenfreien Bahnhof in Geisenheim 4,3 km beträgt. Als weitere stufenfreie Bahnhöfe sind Hattenheim (im Bau, 3,7 km); Erbach (7 km); Wiesbaden-Schierstein (14,7 km); Wiesbaden-Biebrich (18,5 km); Wiesbaden Hbf (20 km) von der DB AG benannt worden. Ziel der Landesregierung ist es, langfristig möglichst alle öffentlichen Einrichtungen und insbesondere Bahnhöfe barrierefrei zu gestalten. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die meisten Nutzer Bahnhöfe auch mithilfe eines anderen Verkehrsmittels erreichen. Insofern ist hier von einer Verlängerung des Weges zum nächsten barrierefreien Bahnhof auszugehen. Natürlich ist dies nicht wünschenswert, ergibt sich aber daraus, dass nicht alle Bahnhöfe gleichzeitig modernisiert werden können. Frage 4. Ist aus Sicht der Landesregierung ein barrierefreier Zugang am neuen Bahnsteig in Oestrich- Winkel/Mittelheim erforderlich? a) Falls ja: Was wird die Landesregierung unternehmen, damit der Zugang barrierefrei gestal- tet wird? b) Falls nein: Welche anderen Lösungen sieht die Landesregierung, um Menschen mit Handi- cap den Zugang zum neuen Bahnsteig Oestrich-Winkel/Mittelheim zu ermöglichen? Die Fragen 4.a) und 4.b) werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Sofern kommunal die Bereitschaft zur Beteiligung an den Planungs- und Ausbaukosten zum barrierefreien Zugang am Bahnhof Oestrich-Winkel besteht, unterstützt die Landesregierung selbstverständlich die Aufnahme des Vorhabens bei der nächsten turnusmäßigen Fortschreibung der RV Bahnhofsmodernisierung. Voraussetzung hierfür ist als erster Schritt die kommunale Entscheidung , eine Planungsvereinbarung mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund und der DB AG abzuschließen. Die Förderung aus Landesmitteln ist grundsätzlich möglich, sofern ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Frage 5. Wäre ein barrierefreier Zugang mit dem "Hessischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention, 4.2 Grundsatzziele, Ziel 1 Ausbau der Barrierefreiheit insbesondere öffentlich zugänglichen Bereichen, im öffentlichen Personnenverkehr und von Wohnräumen in den Menschen weitgehend unabhängig und selbstbestimmt leben und wohnen" vereinbar? Die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Bahnhof Oestrich-Winkel steht im Einklang mit dem oben genannten Grundsatzziel des "Hessischen Aktionsplan zur Umsetzung der UNBehinderrechtskonvention ". Das Ziel der hessischen Landesregierung ist es daher, dass möglichst alle öffentlichen Einrichtungen und insbesondere Bahnhöfe kontinuierlich barrierefrei ausgebaut werden. Die kontinuierliche Umsetzung der Rahmenvereinbarung Bahnhofsmodernisierung zwischen dem Land, den Verkehrsverbünden und der DB AG ist daher ein konsequenter Weg zur Erreichung dieses Ziels. Wiesbaden, 29. April 2014 Tarek Al-Wazir