Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 30.03.2015 betreffend Investitionsstau an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Die Anforderungen an Schulen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Den Schulträgern entstehen dadurch hohe Kosten etwa für den Bau von Mensen, für bessere Ganztagsschulangebote, für die energetische Sanierung, für die digitale Ausstattung oder zur Umsetzung der Barrierefreiheit. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für das erfolgreiche Lernen und Lehren an Schulen erfordert kontinuierliche Investitionen. Vorbemerkung des Kultusministers: Schulbau und Schulunterhaltungsmaßnahmen zählen, ebenso wie die Ausstattung mit Sachmitteln , zu den Maßnahmen der äußeren Schulverwaltung, die nach geltender Rechtslage von den Schulträgern aufzubringen sind. Dies beinhaltet u.a. die Errichtung, Ausstattung, Verwaltung und Unterhaltung der Schulgebäude und -anlagen, Sport- und Spielanlagen, Lehrmittel, Büchereien und Aufbewahrungsorte für Lernmittel sowie der Medienzentren (siehe § 155 Abs. 3 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 158 Abs. 1 und 2 und § 162 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 und 3 Hessisches Schulgesetz (HSchG)). Die Schulträgerschaft wiederum steht i.d.R. den kommunalen Gebietskörperschaften zu. Sie fällt damit unter das Selbstgestaltungsrecht und die Finanzhoheit der hessischen Städte und Landkreise. Aufgrund dieser Tatsache ist es dem Land nicht möglich, die gestellten Fragen von sich aus zu beantworten, da die Schulträger ihm gegenüber weder nachweis- noch rechenschaftspflichtig sind. Aus diesem Grund wurde der Fragenkatalog den kommunalen Spitzenverbänden Hessischer Städtetag und Hessischer Landkreistag, in denen alle kommunalen Schulträger versammelt sind, vorgelegt. Deren Angaben wurden zur Beantwortung herangezogen. Der Hessische Landkreistag hat die Abfrage bei den 21 hessischen Landkreisen durchgeführt. Der Hessische Städtetag hat die Abfrage bei den elf städtischen Schulträgern durchgeführt; von diesen haben vier kreisfreie Städte und vier Sonderstatusstädte mit Schulträgerschaft an die Geschäftsstelle geantwortet, sodass die vom Fragesteller gewünschte vollständige Übersicht leider nicht gegeben werden kann. Die Schul- und Kulturausschüsse des Hessischen Städtetages und des Hessischen Landkreistages hatten sich jeweils nur unter der Bedingung zur Teilnahme bereit erklärt, dass die Angaben anonymisiert bzw. aggregiert weitergegeben werden. Bei einer pauschalen Abfrage von Haushaltszahlen ohne eine hinterlegte Erläuterung bzw. Begründung für die individuellen Hintergründe einer Investition/Nichtinvestition im Gesamtkontext der Situation des konkreten Schulträgers vor Ort wird seitens der Schulträger die Gefahr eines Rankings gesehen. Einflussfaktoren wie etwa die Frage, ob ein Schulträger unter dem kommunalen Schutzschirm steht oder in welchem Baujahr die Schulgebäude errichtet wurden (Stichworte: Beton-Qualität, Schadstoffbelastung ), blieben dabei unberücksichtigt. Hinzu kommen Fragen der demografischen Entwicklung . So stellen sich die Anforderungen in Nordhessen deutlich anders dar als im Rhein-MainGebiet , wo teils mit erheblichen Zuwächsen der Schülerzahlen umzugehen ist, die auch Neubauten erforderlich machen. Einfluss auf die Möglichkeit der Sanierung haben ferner sonstige finanzielle Belastungen, wie z.B. die Notwendigkeit zur Unterbringung bzw. Beschulung von Flüchtlingen oder Umbauten, die im Zuge der Umsetzung der schulischen Inklusion vorgenommen werden. Eingegangen am 16. September 2015 · Ausgegeben am 18. September 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1801 16. 09. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1801 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister der Finanzen wie folgt: Frage 1. Wie hoch ist das Investitionsvolumen der derzeitigen Schulbau- und Schulsanierungsprogramme in Hessen? (Bitte nach Landkreisen, Städten und kreisfreien Städten auflisten) Um Missverständnisse bei der Interpretation der erfragten Zahlen zu vermeiden, weist der Hessische Landkreistag darauf hin, dass der Begriff des Investitionsvolumens in der Fragestellung nicht eindeutig definiert ist. Er hat daher die Höhe der Gesamtauszahlungen für Schulbau und Schulsanierung erfragt. Diese umfassen sowohl die Ausgaben für investive Maßnahmen als auch den Aufwand für qualifizierende Modernisierungsmaßnahmen. Dies vorangestellt, hat die Abfrage ergeben, dass die Höhe der Gesamtauszahlungen der 21 hessischen Landkreise für Schulbau und Schulsanierung im laufenden Haushaltsjahr mit 526.624.351,75 € geplant ist. Dabei muss beachtet werden, dass dieser Betrag teilweise auch Haushaltsermächtigungen aus den Vorjahren beinhaltet. (Zum Vergleich: Im Jahr 2014 betrug die Höhe der Gesamtauszahlungen 339.622.772,06 €, im Jahr 2013 waren es 364.819.537,27 €). Vier der fünf kreisfreien Städte mit Schulträgerschaft haben für das laufende Haushaltsjahr ein Investitionsvolumen von 204.663.000,00 € veranschlagt. Vier der fünf Sonderstatusstädte mit Schulträgerschaft beziffern ihr Investitionsvolumen im Jahr 2015 mit 22.704.000,00 €. Frage 2. Wie hoch ist der tatsächliche Sanierungsbedarf an den Schulen in Hessen? (Bitte nach Schulamtsbezirken und Schulformen getrennt auflisten) Eine konkrete Beantwortung ist mit Blick auf die Ausführungen in meiner Vorbemerkung nicht möglich. Frage 3. Wie verteilen sich die Ausgaben auf Bund, Land und Kommunen, und wer trägt in Hessen den Großteil der Ausgaben für den Neubau und die Sanierung von Schulen? (Bitte mit dem jeweiligen %ualen Anteil) Eine direkte finanzielle Beteiligung des Bundes am Neubau oder an der Sanierung von Schulen ist durch die grundgesetzliche Trennung der Verwaltungsbereiche des Bundes und der Länder auf dem Gebiet der Bildung ausgeschlossen. Vom Land Hessen können die Gemeinden, Landkreise und der Landeswohlfahrtsverband Hessen auf der Grundlage des § 29 des Finanzausgleichsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung jährlich pauschalierte Zuweisungen zu den Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen erhalten. Nach § 1 der Investitionszuwendungsverordnung werden bis dahin den kommunalen Schulträgern für den Schulbau und für die Ausstattung der Schulen Mittel als Schulbaupauschale zur Verfügung gestellt. Bei der jährlichen Festsetzung der Pauschale wird seitens des Landes besonders darauf hingewiesen , dass mit der Schulbaupauschale auch an ganztägig arbeitenden Schulen ein bedarfsgerechter Ausbau der Verpflegungsmöglichkeiten erreicht werden soll. Ferner sind die Schulträger gehalten, ausreichend Mittel für die EDV-Ausstattung und Vernetzung der Schulen sowie die Modernisierung der Ausstattung von Fachräumen an den beruflichen Schulen zu verwenden. Eine Aufstellung der Schulbaupauschale an die Schulträger, die jeweils aus einem Zuschussanteil und einem Darlehensanteil nach den Konditionen der Abteilung B des Hessischen Investitionsfonds besteht, ist für die Jahre 2011 bis 2014 (jeweils endgültige Festsetzung) sowie für das Jahr 2015 (vorläufige Festsetzung) als Anlage beigefügt. Die Pauschalmittel betragen jährlich insg. 161 Mio. €, davon als Zuschuss 120 Mio. € und als Darlehen 41 Mio. €. Ab dem Jahr 2016 wird nach dem dann geltenden Finanzausgleichsgesetz das zentrale Ausgleichsinstrument der Allgemeinen Finanzzuweisungen gestärkt. Die bisher für den Schulbau ausgebrachten Fördermittel des KFA werden zu den Allgemeinen Finanzzuweisungen umgesetzt . Der Finanzbedarf für Schulbauinvestitionen wird im Kontext des Gesetzes zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen vom 23. Juli 2015 sodann mit den allgemeinen Finanzzuweisungen abgegolten. Auf diese Weise wird die kommunale Selbstverwaltung und Selbstverantwortung nochmals gesteigert. Zu den Ausgaben der Schulträger verweise ich auf meine Antwort zur Frage 1. Mit Blick auf meine Vorbemerkung sind weitergehende Angaben zu den kommunalen Ausgaben nicht möglich . Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1801 3 Frage 4. Welche Investitionen (Sanierung, Um- und Neubau) sind an den Schulen in Hessen derzeit geplant und welche können davon in diesem und im nächsten Jahr mit Mitteln der Investitionspauschale umgesetzt werden? Die Höhe der anstehenden Investitionen wird vorgegeben vom möglichen Investitionsvolumen des lfd. Haushaltsjahres (s. Antwort zu Frage 1). Detailliertere Angaben sind unter Hinweis auf meine Vorbemerkung nicht möglich. Frage 5. Welche Schulen haben in den letzten fünf Jahren Mittel aus der Investitionspauschale Schulbau für Neubauten oder für Sanierungen erhalten und wie verteilen sich die Mittel auf die einzelnen Schulformen? (bitte nach Schulamtsbezirken und Schulformen auflisten) Adressat der Fördermittel des Landes für den Schulbau sind die Schulträger. Die kommunalen Schulträger entscheiden über den Einsatz der Pauschalmittel im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich (s. Vorbemerkung). Ein Nachweis über die Verwendung der Pauschalmittel ist nicht zu führen. Der Landesregierung ist daher nicht bekannt , welche Investitionen von den Schulträgern derzeit geplant sind und welche davon mit Mitteln der Investitionspauschale umgesetzt werden. Es ist auch nicht bekannt, welche Schulen in den letzten fünf Jahren Schulbaupauschalmittel für Neubauten oder für Sanierungen erhalten haben und wie sie sich auf die einzelnen Schulformen verteilen. Frage 6. In welche Schulformen wird in Hessen am meisten investiert? Unter Bezugnahme auf die Antwort zu Frage 5 ist eine Beantwortung nicht möglich. Frage 7. Sind begonnene Investitionen an Schulen in Hessen unterbrochen, ausgesetzt oder eingestellt worden und wenn ja, aus welchen Gründen? Wie in meiner Vorbemerkung ausgeführt, fällt die Schulträgerschaft und damit einhergehend der Schulbau sowie die Instandhaltung in die Gestaltungs- und Finanzhoheit der Städte und Landkreise. Daher sind Entscheidungen über den zeitlichen Ablauf von Investitionen ebenfalls Entscheidungen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Frage 8. Wer berät die Schulen und Schulträger in Hessen hinsichtlich ihrer Ausstattung und welche Standards gibt es für die einzelnen Schulformen? Die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung gibt jedem Schulträger die Möglichkeit, eigene Entscheidungswege für seine Investitionsplanung zu finden. So kann sich ein Schulträger externer Beratung, etwa durch Architektur- und Planungsbüros, versichern. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich - insbesondere dann nicht, wenn der Schulträger über eine eigene Expertise bzw. das entsprechende Fachpersonal verfügt, was in großen Kreisund Stadtverwaltungen regelhaft der Fall ist. Insofern ist ein Rückgriff auf externe Beratung höchst unterschiedlich ausgestaltet. Frage 9. Welche Finanzierungsmodelle zum Bau, zur Sanierung und zur Bewirtschaftung von Schulen gibt es derzeit in Hessen? Die Bandbreite der Finanzierungsmodelle reicht von der Eigenfinanzierung über klassische Kreditfinanzierung und Public Private Partnership (PPP) bis zu der Unterstützung aus Förderprogrammen wie der Schulbaupauschale und maßnahmenbezogenen Investitionsfondsdarlehen sowie KfW-Darlehen (KfW-Kredit 208 - Investitionskredit Kommunen und KfW-Kredit 218 - Energieeffizient Sanieren). Zur Finanzierung sollten auch Sonderprogramme, wie Konjunkturprogramme des Landes und des Bundes, soweit die Förderkriterien dies zulassen, genutzt werden. Wiesbaden, 8. September 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlagen Anlage Drucksache 19/1801 2 3