Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 15.04.2015 betreffend Situation der Schulen in freier Trägerschaft in Hessen und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher getroffen, um die Gründung, Genehmigung und den Betrieb von Schulen in freier Trägerschaft zu fördern? Nach Art. 7 des Grundgesetzes hat jede Privatperson die Freiheit, eine Privatschule zu gründen, wenn die geforderten Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Länder haben die Aufgabe, die vom Grundgesetz vorgegebenen Voraussetzungen zu Gründungen von Ersatzschulen zu prüfen. Es ist aber nicht Aufgabe der Länder, Gründungen von Ersatzschulen zu fördern. Mit der Novellierung des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes (ESchFG) vom 01.01.2013 hat die Landesregierung die Rahmenbedingungen klar definiert. Damit wurde für die bestehenden Ersatzschulen ein wichtiger Schritt für noch mehr Freiheit, Vielfalt und Qualität in der hessischen Bildungslandschaft gegangen. Es ist jedoch nicht die originäre Aufgabe der Landesregierung, die Anzahl der Schulen in freier Trägerschaft durch finanzielle Anreize zu erhöhen. Frage 2. Welche Bedeutung misst die Landesregierung dem Wirken der Schulen in freier Trägerschaft bei und wie verleiht sie dieser Haltung Ausdruck? Die Schulen in freier Trägerschaft spielen im Schulleben des Landes seit vielen Jahren eine wesentliche Rolle. Sie nehmen zentrale Aufgaben der Gesellschaft unter der Rechtsaufsicht des Staates wahr. Die Aufgabe der öffentlichen Bildung wird von staatlichen Schulen und Schulen in privater Trägerschaft gemeinsam wahrgenommen. Die Privatschulen bereichern das Bildungswesen dabei durch ihre pädagogische Vorreiterrolle auf vielen Gebieten und erweisen sich als Erprobungsfeld und Schrittmacher neuer Bildungsideen. So haben viele Ansätze der Schulen in freier Trägerschaft Eingang in das staatliche Schulsystem gefunden. Frage 3. Wie viele Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in Hessen an Schulen in freier Trägerschaft im Schuljahr 2014/2015 beschult und wie haben sich die Zahlen in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte nach Schulform getrennt auflisten)? Nachfolgend wird die Entwicklung der Zahlen dargestellt: Schulformen 2 0 1 0 /2 0 1 1 2 0 1 1 /2 0 1 2 2 0 1 2 /2 0 1 3 2 0 1 3 /2 0 1 4 2 0 1 4 /2 0 1 5 Eingangsstufe 1 Förderstufe 4 13 8 7 FS - emotionale und soziale Entwicklung 959 954 1.042 1.421 1.572 FS - emotionale und soziale Entwicklung Vorklasse 1 1 1 3 FS - geistige Entwicklung 932 911 892 926 906 FS - geistige Entwicklung Vorklasse 11 7 7 9 10 FS - Hören 3 3 3 2 3 Eingegangen am 29. Mai 2015 · Ausgegeben am 5. Juni 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1835 29. 05. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1835 FS - Hören Vorklasse 1 1 FS - körperliche und motorische Entwicklung 526 535 518 406 422 FS - körperliche und motorische Entwicklung Vorklasse 10 9 10 14 4 FS - kranke Schülerinnen und Schüler 1.103 1.214 1.188 882 849 FS - kranke Schülerinnen und Schüler Vorklasse 1 2 6 4 FS - Lernen 252 247 232 251 247 FS - Lernen Vorklasse 1 1 FS - Sehen 2 2 2 1 1 FS - Sehen Vorklasse 1 FS - Sprachheilförderung 150 138 138 125 114 FS - Sprachheilförderung Vorklasse 2 3 2 1 Grundschule - flexibler Schulanfang 2 3 Grundschule/Grundschulzweig 127 178 211 266 Gymnasium/Gymnasialzweig (G9) 6 29 36 35 Gymnasium/Gymnasialzweig (G8) 3 4 8 3 Hauptschule/Hauptschulzweig 7 6 1 Realschule/Realschulzweig 2 5 16 13 Schulformübergreifende (integrierte) Gesamtschule 73 92 99 120 Gesamtergebnis 3.952 4.240 4.366 4.432 4.585 Frage 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogi- schem Förderbedarf, die an Ersatzschulen inklusiv beschult werden, mit den an staatlichen Schulen inklusiv beschulten Kindern finanziell hinsichtlich a) des Landeszuschusses, b) der kommunalen Zuschüsse (erhöhte Gastschulbeiträge) gleichgestellt werden? Zu a Ersatzschulen erhalten vom Land für jede Schülerin und jeden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiver Beschulung nach § 2 Abs. 5 ESchFG den erhöhten Satz für den jeweiligen Förderschwerpunkt. Zu b Nach § 7 Abs. 1 ESchFG sind die kommunalen Schulträger verpflichtet, den Ersatzschulen für jede Schülerin und jeden Schüler 75 v.H. des Gastschulbeitrages zu leisten, der für die entsprechende Schulform oder -stufe festgesetzt worden ist. Frage 5. Gibt es einheitliche sowie verbindliche verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen für die Feststel- lung des sonderpädagogischen Förderbedarfs von Schülerinnen und Schülern, die an Schulen in freier Trägerschaft beschult werden bzw. werden sollen? Nach § 50 HSchG haben die allgemeinen Schulen und die Förderschulen den gemeinsamen Auftrag , bei der Rehabilitation und Integration der Kinder und Jugendlichen mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung mitzuwirken und dabei mit den Behörden und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und den Trägern der Sozialhilfe zusammenzuarbeiten. Die sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren haben dabei die Aufgabe, die Schulen bei Maßnahmen der Prävention und Minderung von Beeinträchtigungen sowie Maßnahmen der Förderung von Schülerinnen und Schülern in allgemeinen Schulen zu unterstützen. Die allgemeinen öffentlichen Schulen entscheiden nach § 54 HSchG über die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung im Rahmen ihrer personellen, räumlichen und sächlichen Möglichkeiten. Bei öffentlichen Förderschulen entscheidet die Schulleitung nach § 50 HSchG über die Aufnahme von Kindern. Die Schulen in freier Trägerschaft sind nicht an das für öffentliche Schulen schulgesetzlich geregelte Verfahren gebunden. Sie entscheiden im Rahmen der Akzessorietät als Ersatzschule über die Aufnahme von Kindern mit Anspruch auf sonderpädagogischen Förderbedarf aber analog. Dabei hat das Staatliche Schulamt die Aufgabe, auf eine den öffentlichen Schulen gleichwertige Förderung der Kinder zu achten. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1835 3 Nach § 3 Abs. 2 ESchFG müssen Ersatzschulen den Anspruch einer Schülerin oder eines Schülers auf sonderpädagogische Förderung und den entsprechenden Förderschwerpunkt durch eine Bestätigung des zuständigen Staatlichen Schulamtes nachweisen. Soweit dem privaten Schulträger keine Bestätigung des Staatlichen Schulamtes vorliegt, hat die Ersatzschule Unterlagen vorzulegen, welche zum Nachweis des sonderpädagogischen Förderbedarfs und des Förderschwerpunkts geeignet sind. Das Staatliche Schulamt prüft die vorgelegten Unterlagen und kann, wenn erforderlich, seiner Entscheidung eine Stellungnahme des sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentrums, ein schulärztliches sowie in Zweifelsfällen ein schulpsychologisches Gutachten zugrunde legen. Der Ersatzschule wird die Entscheidung schriftlich mitgeteilt. Die sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren unterstützen auch die Ersatzschulen bei der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogischen Förderbedarf . Dabei sind die Erstberatung und das Gutachten kostenfrei. Frage 6. Gibt es Erkenntnisse darüber, wie hoch die finanzielle Entlastung des Landeshaushalts durch die Beschulung der Ersatzschulen in Hessen in den letzten fünf Jahren war und wie sich die Zahlen in den nächsten Jahren verändern werden? Über die finanzielle Entlastung des Landeshaushaltes durch die Beschulung an Ersatzschulen liegen keine Erkenntnisse vor. Für einen Kostenvergleich reicht die Betrachtung der finanziellen Entlastung des Landeshaushaltes durch das Einsparen von Schülerkosten alleine nicht aus. Bei einem Vergleich müssen auch die finanziellen Belastungen des Landeshaushaltes berücksichtigt werden, die durch die Schulaufsicht über die Ersatzschulen entstehen. Im Rahmen dieser Schulaufsicht haben die Staatlichen Schulämter im Vergleich zu den öffentlichen Schulen einen beträchtlichen Ressourcenaufwand zu leisten, der durch die Genehmigungsverfahren der Ersatzschulen , durch die Unterrichtsgenehmigungen der Lehrkräfte, die Überwachung der Schulkonzepte , der Schulgelder und Schülerzahlen sowie das Überprüfen von Schulabschlüssen entsteht. Bei der Erteilung von Schulabschlüssen zum Beispiel durch Externenprüfungen sind nicht nur die Staatlichen Schulämter eingebunden, sondern auch Lehrkräfte öffentlicher Schulen. Die nicht unerheblichen Personalaufwendungen und die dabei entstehenden Sachkosten im Zusammenhang mit der staatlichen Schulaufsicht über die Ersatzschulen werden nicht erfasst. Frage 7. Welche Hilfestellungen erhalten die Schulen in freier Trägerschaft bei der Umstel- lung/Einrichtung der LUSD, die im Ersatzschulfinanzierungsgesetz geregelt ist und voraussichtlich zum 1. September 2015 erfolgen soll? Die Ersatzschulen werden von der Zentralstelle eGovernment-Verfahren und Geschäftsprozessmanagement des Hessischen Kultusministeriums (HKMZeGOV) zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Die HKMZeGOV bietet spezielle, auf den Bedarf der Ersatzschulen ausgerichtete Workshops an. Nach Abschluss der Schulungen stehen den Ersatzschulen weiterhin Supportangebote durch die HKMZeGOV und die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) zur Verfügung. Weiterhin werden die Anwender durch ein Internetforum der LUSD-Nutzer unterstützt . Frage 8. Wie wird ferner sichergestellt, dass die Schulen in freier Trägerschaft eigene Module in der LUSD erhalten, und wie wird diese Umsetzung finanziert? Zur Erfassung der Daten sind für die Ersatzschulen in der LUSD keine eigenen Module notwendig . Soweit sich durch die Anbindung der Ersatzschulen spezielle Anforderungen ergeben, werden diese im Rahmen der Anwendungsentwicklung des IT-Anwendungssystem LUSD berücksichtigt . Die Kosten für die Anbindung der Ersatzschulen, die Schulung und Weiterentwicklung des IT-Anwendungssystem LUSD werden vom Land getragen. Frage 9. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass es bei der Besetzung von Planstellen mit Lehrkräften und sonstigem pädagogischem Personal an den Ersatzschulen zur Einhaltung der arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen kommt? Lehrkräfte an Privatschulen schließen mit dem privaten Schulträger einen Arbeitsvertrag. Dieser Arbeitsvertrag ist eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Schulträger und der Lehrkraft, die sich der staatlichen Schulaufsicht entzieht. Soweit ein Schulträger die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wie beispielsweise Kündigungsfristen nicht einhält, hat die Lehrkraft die Möglichkeit, arbeitsgerichtlich dagegen vorzugehen. Die vom Grundgesetz geforderte ausreichend zu sichernde rechtliche Stellung der Lehrkräfte ist dann gewährleistet, wenn über das Anstellungsverhältnis ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen ist. Das Vorliegen von entsprechenden Anstellungsverträgen wird von den Staatlichen Schulämtern geprüft. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1835 Frage 10. Wie kann nach Ansicht des Hessischen Kultusministeriums bei der Abfrage von hochsensiblen Daten, die ausschließlich auf interne Organisationsabläufe der Schulen in freier Trägerschaft abzielen , sichergestellt werden, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten und dass diese Daten nicht zusammenhangslos veröffentlicht werden, um Fehlinterpretationen sowie Aussagen unabhängig der Gesamtkontextes zu treffen? Zur Durchführung der Schulaufsicht über die Ersatzschulen benötigen die Staatlichen Schulämter schulinterne Daten über die rechtliche und finanzielle Stellung der Lehrkräfte, deren fachliche und pädagogische Ausbildung sowie den Wirtschaftsplan des Schulträgers für die Schule. Die Erhebung dieser Daten steht im Einklang mit den §§ 7 und 11 des Hessischen Datenschutzgesetzes . Diese Daten werden nur verwaltungsintern verwendet und weder von den Staatlichen Schulämtern noch von der Landesregierung veröffentlicht. Wiesbaden, 20. Mai 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz