Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 21.04.2015 betreffend Teilstudienplätze Medizin und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Bewerber auf einen Studienplatz Medizin, die nicht den Numerus Clausus erfüllen, können sich an Universitäten auf einen Studienplatz einklagen. Sie haben dann allerdings nur Anspruch auf einen sogenannten Teilstudienplatz für den vorklinischen Abschnitt. Nach dem Physikum ist der Weitergang des Studiums erst einmal offen, da im klinischen Abschnitt die Studenten nach den Bettenzahlen der Lehrkrankenhäuser berechnet werden. Bisher war es an den hessischen Universitäten so, dass meistens alle Studenten mit Teilstudienplatz ohne Probleme auch einen Vollstudienplatz erhalten hatten und nach bestandenem Physikum weiterstudieren konnten. Anfang März berichtete die Frankfurter Rundschau über die Problematik, dass die Schere zwischen vorklinischen Studienplätzen und klinischen Studienplätzen immer größer werde und viele Studierende nach dem Physikum exmatrikuliert werden. Das Ärzteparlament hat eine Resolution verfasst und fordert die Hessische Landesregierung bezüglich dieser Problematik auf, eine Lösung für Medizinstudierende , die den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung bestanden haben, aber keinen Platz im klinischen Teil des Studiums an einer hessischen Universität erhalten, zu finden. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Nach gängiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sind unter dem Aspekt der erforderlichen erschöpfenden Nutzung vorhandener Ausbildungskapazitäten in den medizinischen Studiengängen Teilstudienplätze dann auszuweisen, wenn nach den Vorschriften der Verordnung über die Kapazitätsermittlung , die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung - KapVO) vom 10.01.1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 20.06.2005, für das erste Fachsemester des Studiengangs rechnerisch mehr Studienplätze ermittelt werden, als für das erste klinische Semester (5. Fachsemester) nach erfolgter Überprüfung des Berechnungsergebnisses nach dem Dritten Abschnitt der Kapazitätsverordnung zur Verfügung stehen. Bei einem Teilstudienplatz ist die Zulassung zum Studium auf den ersten Teil eines Studiengangs, im Fall der Medizin also bis zum Physikum, beschränkt. Den zugelassenen Studienbewerbern ist dies bei Studienbeginn bekannt; sie wissen, dass sie keine Garantie auf Fortsetzung des Studiums nach bestandenem Physikum haben bzw. nur bis zur Ablegung des Physikums im Studiengang Medizin verweilen dürfen. Mit erfolgreichem Abschluss des vorklinischen Studienabschnitts erfolgt die Exmatrikulation (§ 59 HHG), falls bis zu diesem Zeitpunkt kein Vollstudienplatz erworben wurde. In Hessen gibt es (feste) Teilstudienplätze derzeit nur im Studiengang Medizin an der PhilippsUniversität Marburg. An den Universitäten in Gießen und Frankfurt sind grundsätzlich Teilstudienplätze im Studiengang Medizin nicht ausgewiesen, allerdings müssen in Einzelfällen aufgrund von Entscheidungen in den gerichtlichen Kapazitätsverfahren Teilstudienplätze vergeben werden. Zur Beantwortung sind die medizinführenden hessischen Universitäten um Stellungnahme gebeten worden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Studierende haben in Hessen einen Vollzeitstudienplatz, wie viele Studierende absolvie- ren ihr Physikum mit einem Teilstudienplatz? An der Goethe-Universität Frankfurt (GU) sind im Studienabschnitt Vorklinik derzeit 837 Studierende eingeschrieben. Grundsätzlich vergibt die GU keine Teilstudienplätze. Aufgrund von Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main haben jedoch 28 Studierende im Sommersemester 2015 einen Studienplatz, der auf die Vorklinik beschränkt ist (sog. Teilstudienplätze ), erhalten. Eingegangen am 2. Juni 2015 · Ausgegeben am 5. Juni 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1876 02. 06. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1876 An der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) waren im Wintersemester 2014/15 2.306 Studierende im Studiengang Medizin eingeschrieben (inkl. Beurlaubte). Die JLU bietet keine Teilstudienplätze im Fachbereich Medizin an. Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung hatte allerdings eine Studierende/ein Studierender einen vorklinischen Teilstudienplatz inne. An der Philipps-Universität Marburg (PUM) besaßen im WS 2014/15 2.052 Studierende und im Sommersemester 2015 1.882 Studierende einen Vollstudienplatz in Medizin. Im Wintersemester 2014/15 hatten 455 Studierende (davon 335 in den Fachsemestern 1 bis 4) und im Sommersemester 2015 387 Studierende (davon 299 in den Fachsemestern 1 bis 4) einen Teilstudienplatz inne. Frage 2. Wie viele Studierende wurden nach dem Physikum zwangsexmatrikuliert? An der GU wurden zum Ende des Wintersemesters 2014/15 in Medizin 16 Studierende nach dem Physikum exmatrikuliert. An der PUM haben im Wintersemester 2014/15 53 Studierende und im Sommersemester 2015 17 Studierende nach bestandenem Physikum ihr Studium im klinischen Abschnitt nicht fortgesetzt. Die Studierenden wurden entweder auf eigenen Antrag oder von Amts wegen exmatrikuliert. An der JLU wurde bisher niemand nach dem Physikum zwangsexmatrikuliert. Frage 3. Wie wollen die Universitäten und die Landesregierung gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Stu- denten mit bestandenem Physikum nicht am Weiterstudium gehindert werden? a) Wer ist für die ausreichenden Kapazitäten im klinischen Abschnitt des Studiums verantwort- lich? b) Werden die Universitäten in Kooperation mit der Landesregierung eine Anpassung an die Studienkapazitäten vornehmen? Wenn nein, warum nicht und welche Maßnahmen sieht die Landesregierung vor, um Nach- wuchsmedizinerinnen und Nachwuchsmediziner sowie die Humanmedizin zu stärken? Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Teilfragen zu a und b zusammen beantwortet : Die Berechnung der Anzahl der Studienplätze erfolgt auf der Basis der hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung der Zulassungszahlen (siehe Vorbemerkung). Das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil der Ausbildung ist anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren nach § 17 KapVO zu überprüfen. Die patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität im klinischen Abschnitt des Studiums der Medizin ist abhängig von patientenbezogenen Einflussfaktoren und richtet sich nach der tatsächlichen Kapazität zur Patientinnen- und Patientenversorgung und der Nachfrage nach Therapien. Liegt das Berechnungsergebnis der patientenbezogenen Aufnahmekapazität unter dem Berechnungsergebnis der Kapazität aufgrund der personellen Ausstattung, ist es der Festsetzung der Zulassungszahl zugrunde zu legen. Nicht nur in Hessen, sondern bundesweit gilt die patientenbezogene Ausbildungskapazität. Für die GU und die JLU vergibt die Stiftung für Hochschulzulassung im regulären Zulassungsverfahren ausschließlich Vollstudienplätze, d.h. diese zugelassenen Studierenden können ihr Studium in Gänze absolvieren. Für diesen Personenkreis wurden und werden die erforderlichen Kapazitäten im klinischen Studienabschnitt bereitgestellt. Dadurch sind die vorhandenen Studienplätze in allen Fachsemestern auch besetzt, sodass keine Möglichkeit besteht, Studierende, die über eine Kapazitätsklage einen Teilstudienplatz erhalten haben, in den klinischen Teil der Ausbildung aufzunehmen. Das zunehmend bessere Abschneiden der vorklinischen Studierenden in Verbindung mit den steigenden Zulassungszahlen in der Vorklinik, auch bedingt durch die Anzahl eingeklagter Studierender, hat dazu geführt, dass die klinischen Ausbildungskapazitäten mehr als erschöpft sind. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 05.01.2015 zur Überprüfung der Zulassungszahlen im Studiengang Medizin zum Wintersemester 2014/15 hat auch bestätigt, dass die vorhandene klinische Ausbildungskapazität erschöpfend genutzt wird und keine freien Studienplätze vorhanden sind. Die klinischen Zulassungszahlen wurden zudem vom Hessischen Verwaltungsgericht bestätigt, sodass entsprechende Klagen auf Zuteilung eines klinischen Studienplatzes zurückgewiesen wurden. An der Universität Marburg wird versucht, über Kooperationen die Kapazitäten für den Bereich der klinischen Ausbildung zu erweitern, um den Studierenden möglichst die Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen. Voraussetzung dafür sind jedoch zunächst die Verfügbarkeit und Bereitschaft einer klinischen Einrichtung der Maximalversorgung in vertretbarer räumlicher Entfernung . Die PUM hat zuletzt im Jahr 2014 eine Kooperation mit dem Klinikum Fulda begonnen. c) Wer ist für die Information, Beratung und Begleitung der Studierenden in Teilzeit verantwort- lich, damit sie einen Platz zum Weiterstudieren nach dem bestandenen Physikum erhalten? Die Informations- und Beratungsmöglichkeiten, die die Studierendensekretariate, die Fachbereiche und Dekanate für Studierende anbieten, stehen selbstverständlich auch Teilstudienplatzinha- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1876 3 bern zur Verfügung. Nach Auskunft der Hochschulen wird davon auch reger Gebrauch gemacht . In den letzten Jahren ist die Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern für einen klinischen Studienplatz, die im Ausland (z.B. in Ungarn und Polen) Medizin studiert haben und über eine Anerkennung der Ärztlichen Prüfung (Physikum) verfügen, deutlich angestiegen. Diese Bewerberinnen und Bewerber sind - wie auch die Teilstudienplatzinhaber - auf der Suche nach Fortsetzungsmöglichkeiten für ihr Studium in Deutschland. Dieser Umstand und die begrenzten Kapazitäten erschweren es, die Studierenden wirksam bei den Versuchen zu unterstützen, an anderen Universitäten das Studium fortsetzen zu können. Ein Teilzeitstudium - wie in der Frage formuliert - ist in zulassungsbeschränkten Studiengängen grundsätzlich nicht möglich. Frage 4. Ist vorgesehen, dass für Studierende im Teilstudium, die die Möglichkeit haben, sich nach dem Physikum an anderen Universitäten zu bewerben, neben der Abiturnote die Ergebnisse des Physikums als Bewerbungskriterium berücksichtigt werden? Wenn nein, warum nicht? Teilstudienplatzinhaber bewerben sich nach erfolgreichem Physikum um einen Platz im höheren (5.) Fachsemester. Das Vergabeverfahren erfolgt nach § 16 der Studienplatzvergabeverordnung Hessen vom 7. Mai 2013. Sofern unter den Bewerberinnen und Bewerbern eine Auswahl erforderlich ist, werden die verfügbaren Studienplätze nach § 16 Abs. 6 an bestimmte Bewerbergruppen in einer bestimmten Reihenfolge vergeben, dabei nach Nr. 2 der Vorschrift bevorzugt auch an Bewerberinnen und Bewerber, deren Zulassung auf den ersten Teil eines Studiengangs beschränkt ist, weil das Weiterstudium an einer deutschen Hochschule nicht gewährleistet ist (Teilstudienplätze ). Bei Ranggleichheit innerhalb einer Gruppe entscheidet das Los. Bei der Bewerbung für ein höheres Fachsemester spielt die Abiturnote ebenso keine Rolle wie das Ergebnis des Physikums. Beides ist in der Studienplatzvergabeverordnung Hessen nicht vorgesehen. Frage 5. Wie wird die Landesregierung mit der Resolution des Ärzteparlaments umgehen bzw. welche Lö- sungen will sie dem Ärzteparlament präsentieren? Hessen leistet mit seinen drei medizinführenden Universitätsstandorten in Frankfurt, Gießen und Marburg bereits einen nachhaltigen Beitrag zur Ausbildung und Nachwuchsförderung in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitssystems und der Forschung. So gewährleisten die medizinischen Fakultäten und Fachbereiche das Studium und die Ausbildung angehender Medizinerinnen und Mediziner und bereiten sie darauf vor, ihre spätere ärztliche respektive wissenschaftliche Tätigkeit ausüben zu können. Darüber hinaus wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Gesundheitsministerkonferenz, der Kultusministerkonferenz sowie der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zur Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen eingerichtet. Gegenstand der Bearbeitung ist dabei auch die Frage der erforderlichen Anzahl an Medizinstudienplätzen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Wiesbaden, 23. Mai 2015 Boris Rhein