Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 21.01.2014 betreffend wie weit sind die Finanzbehörden bei der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur gemeinsamen Veranlagung von Lebenspartnerschaften? und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers : Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Splittingtarif im Lohnsteuerverfahren auch für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gelten muss. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde am 27. Juni 2013 vom Bundestag beschlossen. Seit dem warten immer noch viele Lebenspartner auf Rückzahlungen aus den vergangenen Jahren. Laut Medienberichten soll es gravierende Probleme mit der Datenverarbeitung geben, die immer noch nicht gelöst werden konnten, weshalb die Finanzämter die Bearbeitung der Zusammenveranlagung noch nicht durchgeführt haben. Baden-Württemberg hatte daraufhin schon im Juli 2013 seine Finanzämter angewiesen, die Bearbeitung manuell durchzuführen. Zusätzlich gibt es das Problem, dass das Computerprogramm offenbar nur die Bezeichnung "Ehemann" und "Ehefrau" für einen der beiden Lebenspartner zulässt. Männer und Frauen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft fühlen sich aber durch die jeweils falsche Anrede gekränkt und diskriminiert. Deshalb hat etwa das Land Nordrhein-Westfalen seine Finanzämter angewiesen, unpassende Begriffe im Steuerbescheid mit dem Kugelschreiber zu korrigieren. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie ist der Stand der Umsetzung der steuerlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartner- schaften in Hessen? Nach Abschluss der erforderlichen Vorarbeiten wurden die hessischen Finanzämter im August des vergangenen Jahres angewiesen, mit der Bearbeitung der vorliegenden Anträge eingetragener Lebenspartnerschaften zu beginnen. In diesem Zusammenhang wurde den Finanzämtern ein ausführlicher Leitfaden zur Verfügung gestellt, um eine landeseinheitliche Vorgehensweise zu gewährleisten und insbesondere um sicherzustellen, dass unzulängliche Anreden und Bezeichnungen in Steuerbescheiden von Anfang an ausgeschlossen sind. Zum damaligen Zeitpunkt lagen den 35 hessischen Finanzämtern 2.671 Anträge auf Zusammenveranlagung (i.d.R. Anträge für jeweils zwei Veranlagungszeiträume) von 1.338 eingetragenen Lebenspartnerschaften vor. Etwa zwei Drittel dieser Anträge konnten bereits durch Erlass entsprechender Steuerbescheide erledigt werden. Alle übrigen Anträge befinden sich in Bearbeitung und werden in den nächsten Wochen abgeschlossen. Häufig handelt es sich hier um Fälle, in denen zuvor bereits Einzelveranlagungen für mehrere Jahre durchgeführt wurden, welche zunächst aufgehoben werden müssen. In einem zweiten Schritt sind alle erforderlichen Daten auf einem gemeinsamen Steuerkonto zusammenzuführen. Danach kann die Zusammenveranlagung durchgeführt werden. In den hessischen Finanzämtern hat sich die Zahl der eingetragenen Lebenspartnerschaften seit dem letzten Jahr um 502 auf insgesamt 1.873 erhöht und wird möglicherweise weiter steigen. In Zukunft werden die hiermit verbundenen, jährlich eingehenden Steuererklärungen - wie alle eingehenden Steuererklärungen - in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet. Eingegangen am 27. Februar 2014 · Ausgegeben am 4. März 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/19 27. 02. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/19 Frage 2: Wie sieht die Bearbeitung in der Praxis im Hinblick auf technische Voraussetzungen aus? und Frage 3: Welche technischen Probleme gibt es bei der Umsetzung des Gerichtsurteils in Hessen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 zusammen beantwortet. Einkommensteuerveranlagungen werden unter Einsatz entsprechender bundeseinheitlicher ITVerfahren grundsätzlich maschinell durchgeführt. Dies gilt auch für die Zusammenveranlagung im Falle eingetragener Lebenspartnerschaften. Allerdings waren und sind hierfür Anpassungen erforderlich, die angesichts der Komplexität dieser IT-Verfahren - die bundesweite Federführung für die Programmierung hat Bayern übernommen - kurzfristig nicht umgesetzt werden konnten. Die Verfahren können daher zwar zur zutreffenden Berechnung der Steuer eingesetzt werden, allerdings bestehen beispielsweise Probleme bei der Adressierung oder der Anrede der Steuerpflichtigen. Da in Hessen großen Wert darauf gelegt wird, dennoch Steuerbescheide zu erzeugen, die keinen Grund zur Beanstandung geben, werden die Bescheiddaten aus dem bundeseinheitlichen IT-Verfahren im Falle eingetragener Lebenspartnerschaften daher in einem landeseigenen Automationsverfahren weiter verarbeitet. Falsche Anreden oder Adressierungen werden an dieser Stelle ausgeschlossen. Ergebnis ist ein ordnungsgemäßer Steuerbescheid, der ohne handschriftliche Streichungen oder Ergänzungen auskommt. Frage 4: Wann werden die Probleme mit der Datenverarbeitung voraussichtlich gelöst sein? Die Anpassung der bundeseinheitlichen IT-Verfahren wird voraussichtlich im Laufe des ersten Halbjahres 2014 abgeschlossen. Während diese Anpassungen für die Steuerpflichtigen in Hessen wie bereits ausgeführt nicht von Bedeutung sind, werden sie in den Finanzämtern zu Entlastungen führen, weil das landeseigene Verfahren dann wieder abgeschaltet werden kann. Die Fallbearbeitung wird hierdurch insgesamt erleichtert. Frage 5: Wann können die Steuerzahler, die davon betroffen sind, mit der Rückzahlung der aufgrund der Nichtanwendung des Splittings entstandenen Steuern durch das Finanzamt rechnen? Siehe Antwort zu Frage 1. Frage 6: Welchen weiteren Handlungsbedarf zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsge- richts sieht die Landesregierung? Hinsichtlich des Einkommensteuergesetzes wird kein weiterer fachlicher Änderungsbedarf gesehen , da gemäß § 2 Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes die Regelungen zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind. Die sich hieraus ergebenden Änderungen bezüglich der Zusammenveranlagung von Lebenspartnerschaften wurden bereits bei Erstellung der Einkommensteuererklärungsvordrucke für das Jahr 2013 berücksichtigt . Die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfordert noch eine Änderung des Hessischen Kirchensteuergesetzes. Zwar wird die Festsetzung der Kirchensteuer bei Lebenspartnern im Vorgriff auf eine entsprechende Änderung im Einvernehmen mit den in Hessen steuererhebenden Religionsgemeinschaften wie bei Ehegatten durchgeführt, nicht jedoch die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes. Ein Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Kirchensteuergesetzes wird derzeit erarbeitet. Frage 7: Kann die Landesregierung die Kränkung und Diskriminierung nachvollziehen, die durch die falsche Anrede von Lebenspartnern als Ehefrau oder Ehemann entsteht? Kränkungen aufgrund einer falschen Anrede von Lebenspartnern sind selbstverständlich nachvollziehbar . Aus diesem Grund wurde wie in der Antwort auf die Fragen 2 und 3 geschildert in Hessen auch größten Wert darauf gelegt, dies zu vermeiden. Wiesbaden, 20. Februar 2014 Dr. Thomas Schäfer