Kleine Anfrage der Abg. Barth und Rudolph (SPD) vom 30.04.2015 betreffend Zeitpunkt zur Ermittlung des Bemessungssatzes der Beihilfe in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Die Hessische Beihilfeverordnung regelt in § 15 Abs. 1 S. 8 HBeihVO, dass für die Ermittlung des Bemessungssatzes die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend sind. Die Bundesbeihilfeverordnung (§ 46 Abs. 1 S. 2 BBhV) sowie die Beihilfeverordnung in Niedersachsen (§ 43 Abs. 1 S. 1 NBhVO) stellen hingegen auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung ab. Auch in Baden-Württemberg (§ 14 Abs. 1 S. 3 LBV) und Nordrhein-Westfalen (§ 12 Abs. 1 S. 1 BVO NRW) sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgebend . Durch die hessische Regelung kann das Problem entstehen, dass bei sich änderndem Versichertenstatus möglicherweise Leistungen, die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch Teil des Bemessungssatzes gewesen wären, zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr oder nicht mehr umfassend mit berechnet werden können. Die Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Aus welchem Grund stellt die hessische Beihilfeverordnung auf den Zeitpunkt der Antragstellung und nicht auf den der Leistungserbringung ab? Frage 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Leistungser- bringung sachgerechter wäre? Frage 3. Falls Frage 2 mit Nein beantwortet wird: Warum ist nach Auffassung der Landesregierung das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung sachgerechter? Frage 4. Falls Frage 2 mit Ja beantwortet wird: Plant die Landesregierung an dieser Stelle eine Änderung der Hessischen Beihilfeverordnung? Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund ihres Zusammenhangs gemeinsam wie folgt beantwortet: Nach § 15 Abs. 1 Satz 8 HBeihVO ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des Beihilfebemessungssatzes (BMS) der Zeitpunkt der Antragstellung. Dem liegt zugrunde, dass sich das Bemessungssatzsystem der Hessischen Beihilfenverordnung von dem des Bundes und der anderen Bundesländer grundlegend unterscheidet: Beim Bund und in den anderen Ländern gilt das personenbezogene Bemessungssatzsystem, das für die Beamtin bzw. den Beamten einerseits und die berücksichtigungsfähigen Angehörigen andererseits unterschiedliche, im Status der Person begründete Bemessungssätze (BMS) festlegt. Dieser BMS beträgt z.B. 50 % für aktive Beamtinnen und Beamte, 80 % für Kinder und 70 % für berücksichtigungsfähige Ehegatten/Lebenspartner. Davon unterscheidet sich das in Hessen (und darüber hinaus nur noch in Bremen) geltende familienbezogene Bemessungssatzsystem, das einen gemeinsamen einheitlichen BMS für den gesamten Familienverband festlegt. Das System basiert auf einem Grund-BMS, der für ledige, kinderlose Beamtinnen und Beamte in Hessen grundsätzlich 50 % beträgt. Für jeden berücksichtigungsfähigen Angehörigen (Kinder, Ehegatte/Lebenspartner) steigert sich der BMS um 5 % auf bis zu 65 % (für ambulante Aufwendungen). Diese Steigerung wirkt sich für jedes Mitglied des Familienverbandes aus. Zeitlich wirkt die Steigerung des BMS nur für die Dauer der Berücksichtigungsfähigkeit der oder des Angehörigen in der Beihilfe. Scheidet also ein Familienmit- Eingegangen am 16. Juni 2015 · Ausgegeben am 23. Juni 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1924 15. 06. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1924 glied, z.B. ein Kind wegen Wegfall des Kindergeldanspruchs aus, so verringert sich der BMS wieder um 5 % auch für alle verbleibenden Familienmitglieder. Tritt ein Mitglied neu hinzu, z.B. bei der Geburt eines Kindes, erhöht sich der BMS um 5 %, wiederum auch für alle anderen Familienmitglieder. Das hessische Bemessungssatzsystem ist dadurch sehr flexibel und passt sich den familiären Verhältnissen dynamisch an. Es hat aber zur Folge, dass sich jeweils mit der Änderung dieser familiären Verhältnisse auch der BMS relativ häufig ändert. Vor diesem Hintergrund hat sich im Massengeschäft der Beihilfebearbeitung (beim Regierungspräsidium Kassel ca. 500.000 Anträge jährlich) das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung zur Festlegung des relevanten BMS bewährt. Es dient der Verwaltungsvereinfachung. Ein Beihilfeantrag enthält regelmäßig mehr als zehn Belege für medizinische Aufwendungen aus einem längeren Zeitraum und für mehrere Personen des Familienverbandes. Wenn bei der Bemessung der Beihilfe für den Bescheid auf einen einzigen Zeitpunkt abgestellt werden kann, ist die Beihilfestelle nicht gezwungen, für jede einzelne Aufwendung und jedes berücksichtigungsfähige Mitglied aus dem Familienverband einzeln den konkreten BMS zu ermitteln. So wird sie von langwierigen und aufwändigen Prüfungen in Bezug auf zurückliegende familiäre und versicherungsrechtliche Verhältnisse, nicht zuletzt durch Nachfragen bei den Antragstellerinnen und Antragstellern, im Einzelfall befreit. Die Regelung wirkt sich auch nicht zwangsläufig zu Ungunsten der Beihilfeberechtigten aus. Das einheitliche Abstellen auf die Verhältnisse im Antragszeitpunkt ermöglicht es Beihilfeberechtigten auch, den für sie günstigsten Zeitpunkt für die Antragstellung zu wählen. Zeichnet sich beispielsweise der Eintritt eines den Bemessungssatz erhöhenden Ereignisses ab (z.B. Geburt eines Kindes oder Eintritt in den Ruhestand), profitieren bereits vor diesem Zeitpunkt entstandene Aufwendungen von der Erhöhung des Bemessungssatzes, wenn mit der Antragstellung zugewartet wird, bis dieses Ereignis tatsächlich eingetreten ist. Umgekehrt sollten Beihilfeberechtigte , insbesondere bei zu erwartenden hohen (Krankenhaus-)Kosten und einer sich abzeichnenden Ermäßigung des Bemessungssatzes (wie z.B. in dem Fall des Wegfalls der Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes) auf eine baldige Zustellung der Rechnungen drängen, damit der Beihilfeantrag rechtzeitig zuvor gestellt werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung (Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 16.12.1981 - 2 A 49/81 (RiA 1982, 56) sowie Beschluss des BVerwG vom 26.7.1984 - 2 B 132.83 (DVBl. 1984, 963)) verstößt die Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung nicht gegen höherrangiges Recht. Die sich aus der generalisierenden Regelung ergebenden Nachteile haben Beihilfeberechtigte hinzunehmen, so lange durch den Nachteil die Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzt ist (BVerwG vom 18.10.1976, Buchholz 238.91 Nr. 3 zu Nr. 14 BhV). Das ist erst dann der Fall, wenn Beihilfeberechtigte auch unter Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenvorsorge eine unerträgliche Belastung in ihrer amtsangemessenen Lebensführung erleiden (BVerwG vom 18.6.1980 (DÖV 1981, S. 101). Wiesbaden, 29. Mai 2015 Peter Beuth