Kleine Anfrage der Abg. Barth, Frankenberger, Eckert, Faeser, Gremmels, Grüger und Weiß (SPD) vom 07.05.2015 betreffend Gründungen im Handwerk und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Das Handwerk hat im Bundesland Hessen einen hohen Stellenwert, insbesondere auch für die mittelständische Wirtschaft. Handwerk sichert Ausbildung und ist eine unverzichtbare Stütze des dualen Systems. Bedingt durch einen Mangel an Ausbildungsplatzbewerbern und Schwierigkeiten bei der Durchführung von Unternehmensnachfolgen steht das Handwerk in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Um die große Bedeutung des Handwerks zu erhalten, braucht es zudem auch in Zukunft eine ausreichende Zahl an Menschen, die bereit sind, im Handwerk neue Unternehmen zu gründen. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hoch ist die Gründungsquote von Handwerksbetrieben in Hessen im Vergleich zum Anteil in anderen Wirtschaftsbereichen? Der Begriff 'Gründungsquote' ist definiert als die Anzahl der Betriebsgründungen bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 65 Jahre).Für Hessen liegen die aktuellsten statistischen Zahlen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter für das Jahr 2013 vor. 71.629 Betriebe wurden 2013 in Hessen gegründet (Gewerbeanmeldungen). Das entspricht einer Gründungsquote von 1,78% (bezogen auf 4.020.074 Menschen im erwerbsfähigem Alter 2013). 2013 wurden im Handwerk allein 7.875 Betriebe gegründet. Das entspricht einer Gründungsquote von 0,19%. Für andere Wirtschaftsbereiche liegen keine Vergleichswerte vor. Frage 2. Wie viele Betriebsübergaben/Unternehmensnachfolgen in hessischen Handwerksbetrieben stehen in den nächsten fünf Jahren an? Bei einem Betriebsbestand im Handwerk von zurzeit ca. 62.800 Betrieben stehen etwa 8.800 Betriebe (14 %) in den nächsten fünf Jahren (aus Altersgründen) zur Übergabe an. Frage 3. Wie viele Handwerksbetriebe wurden in den letzten fünf Jahren aufgrund fehlender Unternehmensnachfolgen geschlossen? (Bitte Aufschlüsselung nach Betriebsgrößen nach Mitarbeiterzahlen: bis 10 Mitarbeiter, bis 20 Mitarbeiter, bis 50 Mitarbeiter, bis 100 Mitarbeiter, bis 200 Mitarbeiter )? Die Frage kann aufgrund der bestehenden Datenlage der Handwerkskammern nicht in Gänze beantwortet werden. Denn die Löschungsstatistik der in den Handwerkskammern geführten Handwerksrollen weisen keine Beschäftigtengrößen der gelöschten Betriebe aus. In den letzten fünf Jahren (2010 - 2014) wurden insgesamt rund 29.000 Betriebe aus den Handwerksrollen der drei hessischen Handwerkskammern gelöscht. Viele davon werden dann unter einer anderen Inhaberin/einem anderen Inhaber oder in einer anderen Rechtsform wieder neu eingetragen. Bei ca. 80 % der durchgeführten Löschungen wird kein Löschungsgrund genannt. Eingegangen am 15. Juli 2015 · Ausgegeben am 17. Juli 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1941 15. 07. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1941 Die restlichen 20 % verteilen sich relativ gleichmäßig auf mehrere Löschungsgründe:  Auftrags- oder Personalmangel,  Finanzierungs- oder Kreditprobleme,  Löschung von Amts wegen; Insolvenz,  persönliche Gründe wie Alter, Krankheit, Tod. Frage 4. Welche speziellen Beratungsangebote gibt es für Existenzgründungen im Handwerk? Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung fördert die Betriebsberater bei den Hessischen Handwerkskammern und Handwerksfachverbänden mit rund 940.000 € (Landes- und EU-Mittel). Ein erheblicher Anteil der Arbeit dieser Betriebsberater bezieht sich auf die Zielgruppe der Existenzgründerinnen/Existenzgründer. Laut Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Hessen gab es in 2013 insgesamt 974 Gründungsberatungen. Vorgeschaltet zur einzelbetrieblichen Existenzgründerberatung bei den Handwerkskammern ist zumeist die Teilnahme an einem sogenannten Existenzgründungsseminar, in dem vor allem Grundlagen eines erfolgreichen Unternehmensstarts vermittelt werden. Auch diese Seminare werden durch die vom Land geförderten Betriebsberater durchgeführt. Wenn die Existenzgründung in Form einer Betriebsübernahme stattfindet, kann sie über die Betriebsbörse "NexxtChange " unterstützt werden (Partner sind neben den Handwerkskammern: BMWi, KfW, DIHK, Volksbanken, Sparkassen). Weitere Aktivitäten aus der Unterstützungskulisse für Existenzgründerinnen/Existenzgründer bei den Handwerkskammern sind diverse Seminarangebote zu betriebswirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Themen sowie die Beteiligung an Gründungsmessen oder die Beteiligung an Gründerpreisen. Bei den Existenzgründertagen der Handwerkskammern informieren Expertinnen und Experten wie beispielsweise Betriebsberater der Handwerkskammern und der Kreishandwerkerschaft, Steuerberater, Vertreter von Banken und Versicherungen über Themen wie Rechtsformen, Standortwahl, Investitionsplanung, Finanzierung (öffentliche Finanzierungshilfen), Rentabilitätsberechnung , Zulassungs- und Anmeldeformalitäten, Steuerfragen für Existenzgründer sowie betriebliche/persönliche Versicherungen. Frage 5. Welche speziellen Förderangebote gibt es für Existenzgründungen im Handwerk? Frage 6. Welche speziellen Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für Existenzgründungen im Handwerk? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 6 zusammen beantwortet. Es gibt keine ausschließlich auf Handwerksbetriebe zielenden Förder- oder Finanzierungsangebote . Zielgruppe sowohl für Förder- wie auch für Finanzierungsangebote sind in der Regel KMU (kleine und mittelständische Unternehmen) und zwar unabhängig von dem jeweiligen Wirtschaftszweig. So unterstützt das Land Hessen auch mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) - aber auch der Bund - den Start in die unternehmerische Selbstständigkeit mit verschiedenen Förder- beziehungsweise Finanzierungsangeboten. Neben den Zuschüssen zu den Kosten für die qualifizierte Beratung stehen öffentliche Förderdarlehen , Bürgschaften und Beteiligungen zur Finanzierung des Gründungsvorhabens zur Verfügung . Zu nennen sind hier insbesondere:  Programm Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Hessen,  Hessen-Mikrodarlehen,  Kapital für Kleinunternehmen,  Bürgschaften, insbesondere Bürgschaften ohne eine Bank. Frage 7. Welche speziellen Programme und Beratungsangebote gibt es, um Studienaussteiger gezielt für berufliche Karrieren im Handwerk anzusprechen? Im Rahmen des Projektes "Hessenweites Netzwerk - Berufliche Integration von Studienabbrecherinnen /Studienabbrechern - N.I.S., (Weiter-) Entwicklung einer Beratungsstruktur 15.08.2013" kooperieren Beraterinnen und Berater der Handwerkskammern u.a. mit der Studienberatung an Hessischen Hochschulen, um Studienzweifelnde über die duale Ausbildung zu beraten. Das Projekt N.I.S. leistet einen wichtigen Beitrag zur Etablierung und inhaltlichen Weiterentwicklung der regionalen Netzwerke, treibt die Gründung weiterer Netzwerke voran und gestaltet einen hessenweiten Austausch. In Hessen wird das Projekt N.I.S. für Studienzwei- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1941 3 felnde seit dem 15.08.2013 vom Bildungswerk der hessischen Wirtschaft durchgeführt und wurde bis zum 31.03.2015 vom Land gefördert. Seit dem 01.04.2015 ist das Projekt Leuchtturmprojekt im Rahmen des Bundesförderprogramms Jobstarter des BMBF. Das Projekt N.I.S. ist Bestandteil einer Bund-Länder-Vereinbarung zu Bildungsketten. Über das Bundesprogramm Jobstarter unterstützt das Bundesbildungsministerium 18 regionale Projekte - auch solche im Handwerk. Die Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main hat das Projekt "Perspektiven im Handwerk für Studienabbrecher" beantragt, das im Rahmen der Jobstarter Plus-Initiative kürzlich bewilligt wurde. Damit gehört die Kammer mit weiteren Handwerkskammern aus dem ganzen Bundesgebiet zu den 18 regionalen Pilotprojekten, die das Bundesbildungsministerium ausgewählt hat. Ziel der Projekte ist es, Studienabbrecher, Kammern, Betriebe und Hochschulen zusammenzubringen . Frage 8. Welche speziellen Programme und Beratungsangebote gibt es, um Menschen mit Migrationshintergrund gezielt für Karrieren im Handwerk anzusprechen? Bei allen beschäftigungspolitischen Maßnahmen wird auch das Handwerk berücksichtigt. So werden zum Beispiel in den vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration über Zielvereinbarungen mit den Gebietskörperschaften gesteuerten regionalen Budgets in einigen Kreisen Maßnahmen gefördert, die Arbeitslose, auch durch Ausbildungsförderung, auf eine Tätigkeit im Handwerk vorbereiten. Diese Maßnahmen richten sich grundsätzlich auch an Arbeitslose mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus ist das WELCOMECENTER Hessen ein wichtiger Baustein im Instrumentenkasten der hessischen Fachkräftesicherung, um ausländischen Fachkräften - gerade auch aus dem Handwerk - ihren Start in Hessen zu erleichtern und die Wirtschaft und das Handwerk bei der Deckung ihres Fachkräftebedarfs zu unterstützen. Dies verdeutlicht sich gerade auch darin, dass die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main zu den Kooperationspartnern gehört. Auch die Internet-Plattform Work-in-Hessen bietet sich hier an. Diese bietet Facharbeitern, Hochschulabgängern, Handwerkern, Ingenieuren und Angestellten - auch mit Migrationshintergrund - aus fast allen Branchen Informationen für eine Berufschance in einem spannenden, internationalen Umfeld. Wiesbaden, 10. Juli 2015 Tarek Al-Wazir