Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 19.05.2015 betreffend Demenzerkrankungen in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO steigt die Zahl der Demenzerkrankungen in den nächsten Jahren weiter an. Bis zum Jahr 2050 wird deren Zahl auf 135 Millionen prognostiziert. Mit der Einführung des im Pflegestärkungsgesetz II verankerten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollen demenziell Erkrankte bessere Leistungen erhalten. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Programme, Informations- und Beratungsmöglichkeiten gibt es in Hessen bzgl. des Krankheitsbildes Demenz und wie beteiligt sich die Landesregierung daran? Frage 2. Ist eine Ausweitung dieser Angebote geplant? Frage 3. Gibt es ein Informationsportal, das Ärzte, Therapeuten, Ergotherapie sowie weitere Therapiean- gebote und Dienstleistungen in diesem Bereich umfasst? Die Fragen 1, 2 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Landesregierung weist zunächst darauf hin, dass mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ein Individualanspruch auf umfassende Pflegeberatung (Fallmanagement ) eingeführt wurde. Nach § 7a des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) haben Versicherte, die bereits Leistungen der Pflegekassen erhalten oder einen Antrag gestellt haben, einen Rechtsanspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin der zuständigen Pflegekasse bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Pflegeleistungen. Ferner gehört es zu den Aufgaben der 24 nach § 92c SGB XI eingerichteten Pflegestützpunkten in Hessen eine umfassende sowie unabhängige Auskunft und Beratung zur Auswahl und Inanspruchnahme der bestehenden Sozialleistungen und Hilfsangebote, auch für demenziell Erkrankte, zu leisten. Für die Landesregierung ist von besonderer Bedeutung, dass es einvernehmlich auf der Bundesebene gelungen ist, sich im Rahmen einer nationalen Demenzstrategie auf eine Agenda "Allianz für Menschen mit Demenz" zu verständigen. Unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums für Gesundheit sowie dem Ko-Vorsitz der "Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. - Selbsthilfe Demenz" haben die kommunalen Spitzenverbände, die relevanten Spitzenverbände aus dem Bereich Pflege und Gesundheit , der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft sowie die Länder konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der an Demenz erkranken Menschen und ihren Angehörigen vereinbart. Die Agenda umfasst insgesamt 155 Beiträge, zu deren Umsetzung sich die Gestaltungspartner verpflichtet haben. Dies umfasst vier Handlungsfelder: 1. Wissensgrundlagen: Forschung und Statistik, 2. gesellschaftliche Verantwortung/Perspektive, 3. Unterstützung von Betroffenen und Familien und 4. Optimierung von Versorgungsstrukturen. Eingegangen am 23. Juni 2015 · Ausgegeben am 25. Juni 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1994 23. 06. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1994 Frage 4. Wie rüstet sich das Land Hessen, um die Nutzung von Angeboten für Demenzerkrankte bedarfsgerecht und flächendeckend mit Hinblick auf die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zur Verfügung zu stellen? Frage 5. Was trägt und was wird die Landesregierung dazu beitragen, um Angehörige von Demenzkran- ken zu unterstützen? Die Fragen 4 und 5 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Landesregierung hat sich auf der Bundesebene immer dafür eingesetzt, dass durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eine Gleichbehandlung von somatisch, kognitiv und psychisch beeinträchtigten Pflegebedürftigen bei der Begutachtung und dem Leistungszugang herbeigeführt werden muss. Die Landesregierung begrüßt es außerordentlich, dass mit dem Pflegestärkungsgesetz II der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff mit dem neuen Begutachtungsverfahren eingeführt werden soll. Die bisherigen drei Pflegestufen sollen durch fünf Pflegegrade ersetzt werden, damit sollen individuellere Einstufungen und passgenauere Leistungen in der Pflege ermöglicht werden. Daraus folgt, dass alle Pflegebedürftigen im jeweiligen Pflegegrad, unabhängig davon, ob körperlich , demenziell oder psychisch beeinträchtigt, Anspruch auf die gleichen Leistungen haben. Schließlich weist die Landesregierung darauf hin, dass folgende Projekte zur Unterstützung von Demenzkranken gefördert werden: Förderung von Modellvorhaben nach § 45c Abs. 4 SGB XI: Niedrigschwellige Betreuungsangebote (§§ 45a-d SGB XI) stehen zwischen häuslicher Versorgung und professioneller Tagespflege . Dabei betreuen Helfer Pflegebedürftige mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung (insbesondere Demenzpatienten) in Gruppen oder im häuslichen Bereich . Sie entlasten die pflegenden Angehörigen und unterstützen sie beratend. Die ehrenamtlichen Helfer werden durch Fachkräfte angeleitet und unterstützt. Im Rahmen der Modellförderung nach § 45c Abs. 4 SGB XI werden neue Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen insbesondere für demenzkranke Pflegebedürftige erprobt. Die Projekte sollen darauf ausgerichtet sein, bestehende Versorgungslücken zu schließen und neuartige, an dem konkreten Bedarf ausgerichtete Angebote innerhalb eines Versorgungsnetzes vorzuhalten . Nach dem Gesetz sind die Modelle wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten. Zudem werden Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtliche Betreuer nach § 45d SGB XI gefördert . Bis 2016 wird das Projekt "getup Hessen" gefördert, welches zum Ziel hat, in allen 26 Landkreisen und kreisfreien Städten je ein Projekt im Rahmen der niedrigschwelligen Betreuungsangebote (§ 45d SGB XI) aufzubauen. In Hessen gibt es zurzeit 25 lokale Allianzen für Demenz, die im Rahmen der nationalen Demenzstrategie gefördert werden. Um pflegende Angehörige zu unterstützen, hat die Landesregierung die Initiative für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ergriffen und die hessische Initiative zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ins Leben gerufen. Ziel ist, für das Thema Pflege zu sensibilisieren und Lösungen zu finden, die den pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Arbeitgebern gleichermaßen gerecht werden. Im Rahmen der Initiative, die gemeinsam mit dem Bildungswerk der hessischen Wirtschaft, der AOK - die Gesundheitskasse Hessen und der berufundfamilie gGmbH - eine Initiative der Hertie-Stiftung gegründet wurde, werden Informationsveranstaltungen , Kompetenztrainings für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Qualifizierung von Pflege Guides, die in Betrieben erste Anlaufstelle für pflegende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, ebenso wie die Information über Best-Practice-Beispiele angeboten. Im Rahmen der Initiative wurde die Hessische Charta zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ins Leben gerufen, der bisher 51 Unternehmen und Organisationen beigetreten sind. Sie bekennen sich damit zu einer pflegesensiblen Personalpolitik. Am 16. Juli 2015 wird es eine weitere Beitrittswelle geben. Wiesbaden, 15. Juni 2015 Stefan Grüttner