Kleine Anfrage der Abg. Tipi, Dr. Bartelt, Bächle-Scholz, Dietz, Hofmeister, Irmer, Klee, Klein, Lannert, Meysner, Müller-Klepper, Ravensburg, Reif, Schwarz, Stephan, Veyhelmann, Wallmann, Wiegel und Wiesmann (CDU) vom 21.01.2014 betreffend exzessiven Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Das so genannte "Komasaufen" bleibt unter Kindern und Jugendlichen ein Problem. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Fälle, in denen sich Kinder und Jugendliche auf Grund exzessiven Alkoholkonsums in ärztliche Behandlung begeben mussten, weiter erhöht. Laut Deutscher Angestelltenkrankenkasse (DAK) wurden bereits Zehnjährige nach exzessivem Alkoholmissbrauch in Kliniken eingeliefert. Um diese besorgniserregende Entwicklung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen, braucht es entsprechende Präventionsmaßnahmen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Wegen komatösen Rauschtrinkens wurden in den letzten Jahren immer mehr Kinder und Jugendliche in Krankenhäusern eingewiesen. Um diesen steigenden Zahlen gezielt zu begegnen wurde in Hessen das Landesprojekt "HaLT in Hessen" installiert. Mit dem reaktiven Baustein richtet sich das Projekt explizit an die Gruppe der bis unter 18-jährigen Kinder und Jugendliche. In Hessen konnte im Jahr 2012 erstmals der Trend der stetig steigenden Zahlen von Klinikeinweisungen bei Kindern und Jugendlichen gestoppt werden. Anzumerken ist, dass das aktuellste Zahlenmaterial sich auf das Jahr 2012 bezieht, da die verschiedenen Auswertungen aus dem Jahr 2013 noch nicht abgeschlossen sind. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport wie folgt: Frage 1. Wie viele Kinder und Jugendliche mussten in den vergangenen Jahren auf Grund exzessiven Alkoholkonsums ambulant bzw. stationär medizinisch behandelt werden? Die Entwicklung der ambulanten Behandlung von Mädchen und Jungen (0 bis unter 18 Jahre) mit der Diagnose ICD F 10.0 (akuter Rausch) der Jahre 2009 bis 2012 stellt sich wie folgt dar: Jahr Jungen Mädchen unbekannt GESAMT 2009 243 174 12 429 2010 246 174 12 432 2011 249 151 2 402 2012 220 153 0 373 Diese Zahlen wurden von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit nachfolgender Erläuterung zur Verfügung gestellt: - Die Angabe des Geschlechts wird nicht über die Versichertenkarte übermittelt und ist von den Praxen/Ambulanzen manuell zu erfassen. Dies erklärt die Angabe des Geschlechts unbekannt . - Die Behandlung der Jugendlichen mit dem ICD F 10.0 erfolgte erwartungsgemäß überwiegend in Notfallambulanzen von Krankenhäusern. Eingegangen am 2. April 2014 · Ausgegeben am 7. April 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/20 02. 04. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/20 Die Entwicklung der Klinikeinweisungen (stationäre Behandlung) aus den Jahren 2009 bis 2012 von Mädchen und Jungen (0 bis unter 18 Jahre) mit der Diagnose ICD F 10.0 (akuter Rausch), mit dem Wohnort Hessen, stellt sich wie folgt dar. Jahr Jungen Mädchen GESAMT 2009 738 483 1.221 2010 763 509 1.272 2011 818 559 1.377 2012 796 584 1.380 Diese Zahlen wurden vom Hessischen Statistischen Landesamt zur Verfügung gestellt. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die Steigerungsrate im Jahr 2012 in Hessen nahezu bei null liegt. Somit konnte 2012 erstmals der Trend der stetig steigenden Zahlen von Klinikeinweisungen bei Kindern und Jugendlichen gestoppt werden. Allerdings zeigen sich Unterschiede, wenn der Fokus auf Untergruppen gerichtet wird: So ist es bei den Jungen gelungen, einen Rückgang in Höhe von 3 % zu erreichen. Allerdings ist bei den Mädchen eine Steigerungsrate in Höhe von 4 % zu verzeichnen. Frage 2. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um den Missbrauch und exzessiven Kon- sum von Alkohol insbesondere bei Kindern und Jugendlichen einzudämmen? Wie schon in der Vorbemerkung erwähnt, hat sich die Hessische Landesregierung entschlossen ab dem Jahr 2011 das evaluierte und bundesweit bekannte Präventions- und Frühinterventionsprojekt "HaLT - Hart am Limit" hessenweit einzuführen. Das Landesprojekt "HaLT in Hessen" hat zwei unterschiedliche Bausteine, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. 1. Im reaktiven Projektbaustein werden Kinder und Jugendliche und ebenso die Eltern nach einer stationär behandelten Alkoholvergiftung - meist noch im Krankenhaus - von speziell geschulten Kräften der örtlichen Suchtberatungsstellen angesprochen bzw. beraten. 2. Im proaktiven Projektbaustein kommt eine kommunal verankerte Präventionsstrategie zum Tragen, die das Ziel verfolgen soll, Alkoholexzesse und schädlichen Alkoholkonsum im Vorfeld zu verhindern. Schlüsselbegriffe sind Verantwortung und Vorbildverhalten von Erwachsenen im Umgang mit Alkohol, die konsequente Einhaltung des Jugendschutzgesetzes bei Festen, in der Gastronomie und im Einzelhandel sowie eine breite Sensibilisierung der Bevölkerung. Der reaktive Baustein richtet sich somit gezielt an die Zielgruppe der riskant Alkohol konsumierenden Kinder und Jugendlichen, der proaktive Baustein wendet sich vorwiegend an Erwachsene , mit verschiedenen Funktionen und/oder in verschiedenen Institutionen und Bereiche. Das Landesprojekt "HaLT in Hessen" war für die Jahr 2011 bis 2013 geplant. Da das Phänomen des exzessiven Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen nicht an Bedeutung verloren hat, hat sich die Hessische Landesregierung entschlossen, das Projekt um weitere zwei Jahre (bis einschließlich 2015) zu verlängern. Das Landesprojekt wird von verschiedenen Akteuren - das sind die kommunalen Gebietskörperschaften , Suchthilfeeinrichtungen, Krankenkassen, Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration - getragen. An dem Landesprojekt "HaLT in Hessen" beteiligen sich konkret alle kreisfreien Städte und 14 Landkreise. Durch diese enge Kooperation kann effektiv und gezielt gegen das Phänomen Komatrinken bei Jugendlichen vorgegangen werden. Anzumerken ist, dass im Jahr 2012 von den 1.380 in hessische Krankenhäuser (in den 26 kommunalen Gebietskörperschaften) eingelieferten Kindern und Jugendlichen 360 durch das Landesprojekt "HaLT in Hessen" (in 19 Landkreisen und kreisfreien Städten) erreicht werden konnten . Hessen setzt im Kampf gegen unverantwortlichen Alkoholgenuss auf Prävention und Aufklärung . Aus hiesiger fachlicher Erfahrung kann Prävention in Bezug auf Alkoholkonsum nur unter einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz gelingen. Eine starke Vernetzung aller verantwortlichen Partner, wie etwa die Jugendämter, die Ordnungsbehörden, die Schulen, die Suchtberatungsstellen etc., ist erforderlich, um gemeinsam abgestimmte Maßnahmen gegen unverantwort- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/20 3 lichen Alkoholkonsum einzuleiten. Die Hessische Landesregierung hat daher ein Bündnis mit den Kommunen und dem Hotel- und Gaststättenverband zur Bekämpfung der Phänomene "Flatrate -Partys" und "Koma-Saufen" abgeschlossen. Dabei geht es wesentlich darum, solchen Partys durch gemeinsame Maßnahmen schon im Ansatz zu begegnen und insbesondere kommerzielle Veranstaltungen, die auf unkontrollierten Alkoholkonsum von Jugendlichen ausgerichtet sind, einzudämmen. Dabei sollen vor allem gemeinsame Kontroll- und Aufklärungsaktionen von Polizei, kommunalen Ordnungsämtern, Schulen, Jugendämtern, der Gaststätten- und der Gewerbeaufsicht im Bereich von Gaststätten und Diskotheken erfolgen. Frage 3. Welche Präventionskampagnen gegen exzessiven Alkoholkonsum (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen) unterstützt die Landesregierung aktuell? Neben dem eben dargestellten Landesprojekt "HaLT in Hessen", das sich explizit an rauschtrinkende Kinder und Jugendliche wendet, werden vielfältige suchtpräventive Aktivitäten im Bereich der Alkoholprävention durch die Fachstellen für Suchtprävention angeboten. In jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt existiert eine durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration mitfinanzierte Fachstelle für Suchtprävention. Zudem finanziert das Hessische Ministerium für Soziales und Integration die Koordinierungsstelle für Suchtprävention bei der HLS. Im Jahr 2012 haben die Präventionsexpertinnen und -experten in den Landkreisen und kreisfreien Städten insgesamt 1.048 Maßnahmen (von insgesamt 2.586 suchtpräventiven Maßnahmen) im Bereich Alkoholprävention mit Multiplikatoren, Kindern und Jugendlichen sowie Erziehenden durchgeführt. Die suchtpräventiven Aktivitäten der Fachkräfte im Rahmen der Alkoholprävention in hessischen Landkreisen und Kommunen sind unterschiedlich. Sie umfassen Qualifizierungsmaßnahmen für Multiplikatoren, Aktivitäten zur Umsetzung des Jugendschutzes hinsichtlich des Alkoholkonsums , Regelwerke für Veranstalter (Gaststätten, Tankstellen, Getränkemärkte, Stände während Festveranstaltungen), Kommunale Kampagnen, Wettbewerbe für Jugendliche, Peerprojekte , Informationsveranstaltungen, Saftmobil, etc. Frage 4. Wie steht die Landesregierung zum Einsatz jugendlicher Alkoholtestkäufern? Die Durchführung von Testkäufen unter Einsatz Jugendlicher ist geeignet, Gewerbetreibende zur Einhaltung der Bestimmungen zu motivieren und so weiteren Verstößen vorzubeugen. Frage 5. Was plant die Landesregierung in den nächsten Jahren, um exzessiven Alkoholkonsum von Kin- dern und Jugendlichen weiter zu bekämpfen? Wie in Frage 2 schon dargestellt, wurde das Landesprojekt "HaLT in Hessen" Ende 2013 um zwei weitere Jahre (bis Ende 2015) verlängert, um effektiv gegen den exzessiven Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen vorzugehen. Darüber hinaus werden in den hessischen Gemeinden auch zukünftig die gemeinsamen Maßnahmen aus dem Bündnis der Hessischen Landesregierung mit den Kommunen und dem Hotel- und Gaststättenverband zur Bekämpfung der Phänomene "Flatrate-Partys" und "Koma-Saufen" fortgesetzt und intensiviert. Es werden weiterhin sowohl in diesem Jahr als auch in den nächsten Jahren gezielte Präventionsmaßnahmen im Bereich der Alkoholprävention von den Fachkräften für Suchtprävention angeboten. Anzumerken ist, dass eine erfolgreiche Alkoholprävention nicht allein durch die Hessische Landesregierung erfolgen kann, es ist eine Zusammenarbeit der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure notwendig. Dabei geht es um Kooperationsstrategien auf den verschiedenen Ebenen (Kommune, Land und Bund), damit Synergieeffekte in der Wirkung von Maßnahmen erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund plant die HLS in diesem Jahr eine Tagung, die sich gezielt mit den kommunalen Alkohol-Präventionsstrategien auseinandersetzt. Wiesbaden, 22. März 2014 Stefan Grüttner