Kleine Anfrage der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 28.05.2015 betreffend Betrieb eines Braunkohlestaubkraftwerks in Frankfurt am Main - Teil 1 und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Das Chemieunternehmen Weyl-Chem plant im Industriepark Griesheim ein Kraftwerk zur Dampferzeugung aus Braunkohlestaub. Die Anlage soll im Juni 2016 in Betrieb gehen und 48.200 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Dies sind 7.200 Tonnen mehr als mit der jetzigen gasbetriebenen Anlage, die so ersetzt werden soll. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Welche Feuerungsanlagen sollen außer dem Braunkohlestaubkraftwerk noch im Industriepark Griesheim gebaut werden? Nach Kenntnis der zuständigen Genehmigungsbehörde, des Regierungspräsidiums Darmstadt, ist derzeit noch ein Reservegaskraftwerk auf dem Betriebsgelände des Industrieparks Griesheim geplant. Für dieses Vorhaben liegen noch keine Antragsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde vor. Am 29. Juli 2014 wurde jedoch bereits ein Scopingtermin dazu abgehalten. Laut Scopingunterlagen ist das Gaskraftwerk mit einer Feuerungswärmeleistung von ca. 500 MWel geplant . Das Genehmigungsverfahren wäre aufgrund der Feuerungswärmeleistung von größer als 50 MWth mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Außerdem wäre eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Frage 2. Trifft es zu, dass das geplante Braunkohlestaubkraftwerk ein Gaskraftwerk ersetzen soll? Das neue Kraftwerk soll mit einem höheren Wirkungsgrad eine alte gasbetriebene gemietete Anlage der Firma WeylChem ersetzen. Frage 3. Welche Leistung soll das dort geplante Braunkohlestaubkraftwerk haben und wozu soll es genutzt werden? Die Anlage der GETEC heat & power AG dient der Versorgung der WeylChem Griesheim GmbH (WeylChem) im Industriepark Griesheim mit Dampf. Geplant und beantragt sind zwei Kessel mit einer jeweiligen Feuerungswärmeleistung (FWL) von 9,75 MW. Die maximal zulässige FWL beträgt damit insgesamt 19,5 MW. Frage 4. Wann soll es gebaut bzw. in Betrieb genommen werden? Die Genehmigungsbehörde, das Regierungspräsidium Darmstadt, kann dazu noch keine Aussage treffen, da derzeit die Genehmigungsunterlagen geprüft werden. Wenn nach umfassender Prüfung der Unterlagen die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, darf mit der Errichtung der Anlage begonnen werden, wenn die Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) erteilt wurde. Die Anlage darf frühestens nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in Betrieb genommen werden. Eingegangen am 21. Juli 2015 · Ausgegeben am 22. Juli 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2031 21. 07. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2031 Frage 5. Trifft es zu, dass die Anlage keinen Schadstofffilter benötigt? Wenn Ja, warum nicht? Die Anlage ist mit Ausrüstung einer Rauchgasentstaubung beantragt (Zyklon und Gewebefilter). Dies entspricht dem Stand der Technik und der Ausrüstung von Anlagen gleicher Art und Größenordnung . Maßgebend ist, dass mit der eingebauten Anlagentechnik im Genehmigungsbescheid nach den gesetzlichen Vorgaben festzulegende Emissionsbegrenzungen im Betrieb der Anlage sicher eingehalten werden. Dies wird im laufenden Genehmigungsverfahren geprüft. Frage 6. Welche Auswirkungen haben die Emissionen des Braunkohlestaubkraftwerks auf die benachbarten Stadtteile? Emissionen der Anlage sind im Gutachten "Schornsteinhöhenberechnung, Stellungnahme zur Emissionsrelevanz und Immissionsprognose" des TÜV Nord vom 24. April 2015 prognostiziert (vgl. Antragsunterlagen Kap.8 auffindbar unter: http://www.rp-darmstadt.hessen.de in der Rubrik ‚ "Öffentliche Bekanntmachungen") und werden im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens geprüft. Frage 7. Welche Auswirkungen hat das Braunkohlestaubkraftwerk auf die Zielsetzungen der Luftreinhalteplanung Frankfurts? Keine. Die lufthygienische Situation in Frankfurt am Main ist insbesondere durch Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) geprägt. Der NO2-Jahresmittelwert lag an der verkehrsbezogenen Luftmessstation Frankfurt - Friedberger Landstraße im Jahr 2014 bei 54,6 µg/m³. An den beiden Stationen des städtischen Hintergrunds in Frankfurt-Höchst sowie Frankfurt-Ost wurde der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ für Stickstoffdioxid dagegen eingehalten . Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes für Feinstaub (PM10) traten letztmalig im Jahr 2011 auf. Das geplante Braunkohlestaubkraftwerk emittiert die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid (NO2), Feinstäube (PM10 und PM2,5), Schwefeldioxid (SO2) und Kohlenmonoxid (CO), für die auch Immissionsgrenzwerte in der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV - festgelegt sind. Die Emissionen von Schwefeldioxid sind im Fall der Befeuerung mit Braunkohlestaub vergleichsweise hoch und tragen mit ca. 4,8 µg/m³ im Jahresmittel auch in relevantem Umfang zur SO2-Immissionsbelastung bei. Da jedoch die Vorbelastung mit Schwefeldioxid hessenweit sehr niedrig liegt - auch in Frankfurt am Main wurden 2014 nur 56,5 µg/m³ SO2 als maximaler Stundenmittelwert und 6,6 µg/m³ als maximaler Tagesmittelwert gemessen - wird der Zusatzbeitrag nicht dazu führen, dass die Immissionsgrenzwerte von 350 µg/m³ für das Stundenmittel oder 125 µg/m³ für das Tagesmittel auch nur annäherungsweise erreicht oder sogar überschritten werden. Das gleiche gilt für Kohlenmonoxid. Für die Luftreinhalteplanung in Frankfurt am Main sind die Emissionen von besonderem Interesse , die unter Umständen die vorhandene Belastungssituation weiter verschärfen könnten, was im Wesentlichen nur auf die Stickoxidemissionen (NOx) zutrifft. Nachweislich führen jedoch die Abgase des Straßenverkehrs, und hier insbesondere die der Dieselfahrzeuge, zu den anhaltenden Überschreitungen des NO2-Immissionsgrenzwertes in Frankfurt am Main. Der Anteil der Industrie an der Stickstoffdioxidbelastung in Frankfurt am Main liegt nach Ausbreitungsberechnungen bei knapp 4 %. Dies ist darauf zurückzuführen, dass infolge der Ableitung der Schadstoffe über hohe Schornsteine die Emissionen mit der freien Luftströmung vergleichsweise schnell verteilt und verdünnt werden. Der in der näheren Umgebung des Vorhabens berechnete Wert der max. jährlichen Zusatzbelastung durch NO2 liegt bei 0,3 µg/m³. Diese Zusatzbelastung wird sich in den Messwerten der Frankfurter Messstationen nicht bemerkbar machen, da sich die Konzentrationen mit zunehmender Entfernung von der Quelle erheblich verringern (um 60 bis 80 % auf einen Kilometer). Da die geplante Anlage alle vorgegebenen Emissionsgrenzwerte einhalten wird - was durch regelmäßige Messungen nachgewiesen werden muss - und die Zusatzbelastung gering ist, besteht zurzeit weder eine rechtliche Grundlage zusätzliche Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen zu fordern, noch würde sich eine Verringerung der Emissionen substanziell belastungsmindernd auswirken. Zielsetzungen der Luftreinhalteplanung der Stadt Frankfurt am Main betreffen Planungen im Rahmen des gebietsbezogenen Immissionsschutzes. Sie sind nicht Gegenstand von gebundenen Entscheidungen im anlagenbezogenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wie Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2031 3 im vorliegenden Fall des Vorhabens im Industriepark Griesheim. Wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt sind, ist die Genehmigung zu erteilen. Frage 8. Auf welcher Rechtsgrundlage kann eine Genehmigung für das Braunkohlestaubkraftwerk erteilt werden? Energieanlagen für feste Brennstoffe (unter anderem Braunkohlestaub) sind nach Nr. 1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV ab einer Feuerungswärmeleistung von 1 MW genehmigungsbedürftig. Ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung ist ab einer Feuerungswärmeleistung von 50 MW erforderlich (Nr. 1.1 des Anhangs der 4. BImSchV). Bei einer Feuerungswärmeleistung von 1 MW bis weniger als 50 MW ist ein vereinfachtes Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben (Nr. 1.2.1 des Anhangs1 der 4. BImSchV. Das Genehmigungserfordernis richtet sich nach §4 BImSchG. Das vereinfachte Verfahren ist in § 19 BImSchG geregelt. Eine Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund prüft das Regierungspräsidium Darmstadt im jetzt laufenden Genehmigungsverfahren die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. Sofern die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, hat die Genehmigungsbehörde nach § 20 Abs. 1 der 9. BImSchV keinen Ermessensspielraum, sondern ist in ihrer Entscheidung gebunden, eine Genehmigung zu erteilen. Ebenso wäre der Antrag nach § 20 Abs. 2 der 9. BImSchV abzulehnen, sofern die Prüfung im laufenden Genehmigungsverfahren ergeben würde, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorliegen und ihre Erfüllung auch nicht durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden kann. Frage 9. Ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich und wenn nein, warum nicht? Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist erst ab einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 200 MW zwingend erforderlich (Nr. 1.1.1 der Anlage 1 zum UVP-Gesetz). Bei einer Feuerungswärmeleistung von 50 MW bis 200 MW ist eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich (Nr. 1.1.2 der Anlage 1 zum UVP-Gesetz). Bei einer Feuerungswärmeleistung von 1 MW bis weniger als 50 MW reicht eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls aus (Nr. 1.2.1 der Anlage 1 zum UVP-Gesetz). Derzeit führt das Regierungspräsidium Darmstadt anhand der fachgesetzlichen Vorgaben die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durch. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nur durchzuführen, wenn die Prüfung ergibt, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann. Frage 10. Hat die vom Bundeswirtschaftsministerium geplante "Kohleabgabe" Auswirkung auf das Braunkohlestaubkraftwerk bzw. müssen die Betreibereine "Kohleabgabe" zahlen? Da der Konzept-Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Einführung eines sogenannten "Klimabeitrages" für die ersten 20 Jahren nach Inbetriebnahme eines Kraftwerksblocks einen unbegrenzten Freibetrag zum Ausstoß von CO2 vorsieht, wäre das von dem Chemieunternehmen WeylChem geplante Braunkohlestaubkraftwerk nicht von der "Kohleabgabe" betroffen. Allerdings hat das Bundeswirtschaftsministerium zwischenzeitlich Abstand von der Einführung dieses klimapolitischen Instruments genommen. Wiesbaden, 13. Juli 2015 Priska Hinz