Kleine Anfrage der Abg. Hofmann und Dr. Spies (SPD) vom 17.03.14 betreffend Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages ist die Kassenärztliche Vereinigung in Hessen verpflichtet, die medizinische Versorgung der hessischen Bevölkerung zu gewährleisten. Neben ärztlicher und psychotherapeutischer Versorgung beinhaltet dies auch den ärztlichen Bereitschaftsdienst in sprechstundenfreien Zeiten. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Maßnahmen zur Förderung der flächendeckenden ärztlichen Versorgung in Hessen, ins- besondere auch beim ärztlichen Bereitschaftsdienst hält die Landesregierung für erforderlich und welche Fördermöglichkeiten plant sie bis 2019 umzusetzen? Hessen verfügt über eine gute ärztliche Versorgung. Es zeigen sich jedoch Entwicklungen, die die bestehenden Versorgungsstrukturen mittel- bis langfristig verändern – insbesondere in ländlichen Regionen. Die Landesregierung hat daher für die Jahre 2012 bis 2014 den Hessischen Gesundheitspakt initiiert und mit den wesentlichen Akteuren des hessischen Gesundheitswesens ratifiziert: - Zur Stärkung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin wurden an den hessischen Universitäten in Frankfurt und Marburg jeweils ein Kompetenzzentrum eingerichtet, um den Aufund Ausbau von regionalen Weiterbildungsverbünden zu unterstützen und für Interessierte Weiterbildungsplätze in der Allgemeinmedizin zu vermitteln. Hierüber wurden landesweit bereits 32 Weiterbildungsverbünde gegründet, an denen sich 46 hessische Kliniken und über 200 allgemeinmedizinische Praxen aktiv beteiligen. - Um auch künftig eine möglichst wohnortnahe medizinische Versorgung sicherstellen zu können, wird in den Jahren 2011 bis 2014 die Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten in Gebieten mit regionalem Versorgungsbedarf gemeinsam vom Land Hessen, der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in Hessen mit jeweils bis zu 50.000 € je Arzt-Sitz gefördert. - Über zwei Modellprojekte werden innovative Ansätze zur Frage der Delegation von ärztlichen Leistungen wissenschaftlich evaluiert. - Förderung ehrenamtlicher Pendel- und Begleitdienste: Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden hat sich das Land Hessen darauf ver- ständigt, Qualifizierungsmaßnahmen für Personen anzubieten, die einen Mobilitätsdienst gründen wollen. Zudem sollen die Mobilitätsdienste durch die Kommunen in Abstimmung mit der Ärzteschaft Hilfestellung bei der Terminvergabe und Einteilung der verfügbaren Fahrer erhalten. Die Landesregierung beabsichtigt, den Hessischen Gesundheitspakt weiterzuentwickeln. In Vorbereitung einer Fortführung und inhaltlichen Weiterentwicklung des Hessischen Gesundheitspaktes ab dem Jahr 2015 werden derzeit die bisherigen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin gemeinsam mit den Pakt-Partnern überprüft. Ergänzend zu den vereinbarten Maßnahmen des Hessischen Gesundheitspaktes fördert die Landesregierung die Bildung regionaler Gesundheitsnetze. Die demografische Entwicklung und der Strukturwandel im Gesundheitswesen vollziehen sich in den hessischen Landkreisen und Städten Eingegangen am 6. Mai 2014 · Ausgegeben am 7. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/204 06. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/204 nicht gleichmäßig, sondern regional und lokal differenziert. Aus diesem Grund sind Lösungen notwendig, die diese regionalen Entwicklungen der Demografie und Morbidität der Bevölkerung berücksichtigen. Daher wurden im Rahmen eines Wettbewerbs aus 23 Bewerbungen neun Modellregionen ermittelt, die mit verschiedenen Kooperationspartnern innovative, sektorenübergreifende Konzepte für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung in der Region entwickeln . Zudem wurde im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration eine Servicestelle “Regionale Gesundheitsnetze“ eingerichtet, um sektorenübergreifende Kooperationen der Gesundheitsakteure untereinander und mit den Kommunen sowie Diskussionsprozesse in den Regionen über die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung zu unterstützen und zu begleiten. Bei konkreten Sachverhalten können den regionalen Akteuren demografische Rahmendaten und Versorgungsanalysen zur Verfügung gestellt werden. Zudem wird Unterstützung bei der Initiierung von regionalen Auswertungen, bei der Vermittlung von Kontakten zu den Entscheidungsträgern oder bei der Prüfung von Fördermöglichkeiten gegeben. Mit den hessischen Gesundheitsämtern wird ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch hierzu durchgeführt. Die Landesregierung beabsichtigt, diese Unterstützungsleistungen auch in den kommenden Jahren fortzuführen und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Frage 2. Welche Mittel zur Förderung der ärztlichen Versorgung inklusive des Bereitschaftsdienstes hat das Land Hessen seit 2010 bis heute zur Verfügung gestellt? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln) Die Landesregierung hat für die Jahre 2012 bis 2014 den Hessischen Gesundheitspakt initiiert. Eine Übersicht über die zur Verfügung gestellten Landesmittel ist der Anlage 1 zu entnehmen. Frage 3. Welche Mittel nach Frage 2 wurden in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hes- sen zur Verfügung gestellt? (Bitte nach Jahren und Projekten aufschlüsseln) Zu den in der Antwort zu Frage 2 genannten Landesmitteln stellt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen ebenfalls jährlich 200.000 € für die Förderung der Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten in Gebieten mit einem regionalen Versorgungsbedarf zur Verfügung. Frage 4. Sieht die Landesregierung die örtliche Versorgung, insbesondere bei den Bereitschaftsdiensten, als gesichert an und anhand welcher Kriterien wird dies seitens der Landesregierung beurteilt? Die vertragsärztliche Versorgung in Hessen einschließlich des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) während der sprechstundenfreien Zeiten ist sichergestellt. Dennoch gibt es in einem Flächenstaat wie Hessen durchaus Gebiete, in denen die Verteilung der Arztpraxen nicht optimal ist. Kriterien für die Erfüllung der Sicherstellung in der vertragsärztlichen Versorgung sind die bundesgesetzlich geregelte Bedarfsplanung und die Beschlüsse des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen hierzu. Für die Bedarfsplanung werden in Hessen unterschiedliche Planungsbereiche ausgewiesen, die je nach Arztgruppe einen unterschiedlich großen Bereich umfassen, und für die eine Verhältniszahl (Einwohner je Arzt) festgelegt wird. Diese Verhältniszahlen bilden die Grundlage für die Berechnung des Versorgungsgrades und somit auch für die Feststellung einer "Überversorgung" bzw. "Unterversorgung" nach §§ 100,101 SGB V durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Der Bedarfsplan wird in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, den hessischen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen erstellt (§§ 99 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 und 101 SGB V). Die aktuelle Bedarfsplanung setzt die zum 01.01.2013 in Kraft getretene neue Bedarfsplanungs-Richtlinie um, die eine zielgenauere und den regionalen Besonderheiten Rechnung tragende flexible Ausgestaltung der Bedarfsplanung mit erweiterten Einwirkungsmöglichkeiten der Länder ermöglicht. Eine Übersicht über die einzelnen Versorgungsebenen und Planungsbereiche ist der Anlage 2 zu entnehmen. Im Hinblick auf eine ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig organisierte Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb der üblichen Praxiszeiten (Ärztlicher Bereitschaftsdienst – ÄBD) bei gleichzeitig vertretbarer persönlicher Belastung der einzelnen Ärztin bzw. des einzelnen Arztes, hat die dafür originär verantwortliche und zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen den ÄBD in der Weise reformiert, dass die Zahl der ärztlichen Bereitschaftsdienstregionen auf die Hälfte reduziert wird (von ca. 100 auf ungefähr 50 Regio- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/204 3 nen). Durch Fusionen bzw. landesgrenzenübergreifende Bereitschaftsdienste konnten Ärztegruppen geschaffen werden, die groß genug sind, um eine ordnungsgemäße Versorgung im ÄBD nachhaltig aufrechtzuerhalten. Weitere Aspekte, die insbesondere nach vollständigem Abschluss der ÄBD-Reform zum Tragen kommen und eine gesicherte örtliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten fördern, sind zum einen eine einheitliche, bundesweite und an 365 Tagen 24 Stunden für ganz Hessen erreichbare Rufnummer des ÄBD (116 117), statt wie bisher über 100 unterschiedliche und nur zu gewissen Zeiten erreichbare Rufnummern. Zum anderen erfolgt nun bei lebensbedrohlichen Notfällen eine direkte Weiterleitung bzw. Alarmierung des Rettungsdienstes durch die jeweilige Dispositionszentrale ohne weiteres Zutun des Patienten. Die innerhalb der ÄBD-Zeiten bestehende Aufteilung zwischen ärztlichen Präsenz- und Hausbesuchsdiensten ermöglicht zudem, rund um die Uhr eine größere Zahl an Hausbesuchsdiensten anzubieten, um auch die Versorgung in strukturschwachen Gegenden sicherzustellen. Frage 5. Dient die Entfernung (gemessen in der Zeit bzw. Kilometern) zwischen medizinischer Versor- gungseinrichtung und Wohnort als Kriterium zur Beurteilung der Einhaltung des Sicherstellungsauftrages ? Wenn nein, warum nicht? Die Entfernung zwischen einer medizinischen Versorgungseinrichtung und dem Wohnort der Patienten ist ein Kriterium bei der Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und wird vom Zulassungsausschuss entsprechend berücksichtigt . So wird z.B. bei der Prüfung der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes stets das Einzugsgebiet des bisherigen Inhabers der Praxis ermittelt. Dieses Kriterium kann ebenso bei der Auswahl des Bewerbers auf einen Vertragssitz Berücksichtigung finden. Gleiches gilt im Rahmen der Prüfung der Verlegung eines Vertragsarztsitzes. Hier wird geprüft, ob durch die Sitzverlegung der Vertragssitz dem bisherigen Patientenstamm entzogen wird und damit ggf. eine Verschlechterung der örtlichen Versorgung nach sich ziehen würde. Nicht anders verhält es sich bei der Vergabe von Sitzen aufgrund partieller Öffnungen, bei dem der Zulassungsausschuss das Einzugsgebiet der Praxis und damit die für die Patienten zurückzulegenden Wegstrecken ermittelt und die Bewerber u.a. danach auswählt, ob die Patientenversorgung gewährleistet werden kann. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Bedarfsplanung (§ 4 Abs. 1 Satz 5 BedarfsplanungsRichtlinie , § 13 Abs. 4 Ärzte-ZV) untersucht die Kassenärztliche Vereinigung Hessen derzeit umfassend die Patientenströme für bestimmte Regionen, um mögliche regionale Besonderheiten in der Bedarfsplanung künftig noch besser berücksichtigen zu können. In Anlehnung an das im Zulassungsausschuss angewendete Beurteilungskriterium, welches Einzugsgebiet eine medizinische Versorgungseinrichtung hat, findet im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst ein ähnliches Bewertungsverfahren statt. Hier hält die KV Hessen, genau wie die übrigen Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik , eine Wegezeit mit dem PKW von 30 Minuten bis zur nächsten medizinischen Versorgungseinrichtung unter normalen Verkehrsbedingungen für zumutbar. In abgelegenen Gegenden , wie insbesondere an den Landesgrenzen, hält die Hessische Landesregierung Wegezeiten von bis zu 45 Minuten ebenfalls für akzeptabel. Eine solche längere Wegezeit erscheint insbesondere vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass neben den Öffnungszeiten der medizinischen Versorgungseinrichtungen bzw. ÄBD-Zentralen ein zentral geleiteter Hausbesuchsdienst angeboten wird, der vor allem immobilen Patienten verstärkt zu Gute kommt und der Rettungsdienst zur Verfügung steht, der ohne weiteres Zutun des Patienten alarmiert wird und innerhalb der vorgesehenen kurzen Zeiten beim Patienten ist. Frage 6. Welche Maßnahmen würde die Landesregierung ergreifen, wenn die ärztliche Grundversorgung bzw. der ärztliche Bereitschaftsdienst durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht mehr gewährleistet wäre? Im Hinblick auf die mittel- bis langfristig zu erwartenden Entwicklungen in den bestehenden Versorgungsstrukturen, insbesondere in den ländlichen Regionen: Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Zur Reform des ÄBD wird auf die Beantwortung der Frage 4 und 5 verwiesen. Darüber hinaus hat die Hessische Landesregierung im Rahmen der Bedarfsplanung Mitwirkungs - und Beanstandungsrechte, so dass nicht damit zu rechnen ist, dass die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt sein könnte. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/204 Der Bundesgesetzgeber hat die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Vertragsärzteschaft übertragen (§ 75 Abs. 1 SGB V). Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind mit Unterstützung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verpflichtet, alle finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten (§ 105 Abs. 1 SGB V). Die Hessische Landesregierung würde ggf. im Wege der Rechtsaufsicht auf die KV Hessen einwirken, damit alle Möglichkeiten zur Gewährleistung der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschöpft werden. Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Schaffung von Möglichkeiten zur Errichtung medizini- scher Versorgungszentren durch Kommunen wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD auf Bundesebene vorgesehen? Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD auf Bundesebene vorgesehene Möglichkeit für Kommunen, Medizinische Versorgungszentren zu gründen, werden von der Hessischen Landesregierung grundsätzlich begrüßt. Frage 8. Beabsichtigt die Hessische Landesregierung solche von Kommunen (mit) betriebenen medizini- schen Versorgungszentren auch in Hessen zu fördern? Derzeit wird mit den Pakt-Partnern über eine Fortführung des Hessischen Gesundheitspaktes ab dem Jahr 2015 verhandelt. In diesem Rahmen wird die Frage einer möglichen Unterstützung der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren und überörtlichen Praxisgemeinschaften als Auffangorganisation zum Erhalt von Arzt-Sitzen in ländlichen Regionen sowie zur Schaffung von neuen, attraktiven Anstellungsmöglichkeiten für junge Medizinerinnen und Mediziner zu erörtern sein. Wiesbaden, 28. April 2014 Stefan Grüttner Anlagen Tabelle 1: Hausärztliche Versorgungsebene Anlage 2 Tabelle 2: Allgemeine fachärztliche Versorgungsebene Tabelle 3: Spezialisierte fachärztliche Versorgung Tabelle 4: Gesonderte fachärztliche Versorgung