Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Abg. Löber, Gremmels, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Gefahren durch Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff Drucksache 19/2083 Vorbemerkung der Fragesteller: Die Hauptaufgabe einer Verpackung besteht darin, Lebensmittel vor qualitätsvermindernden äußeren Einflüssen wie z.B. Sonnenlicht oder Luft zu schützen bzw. frisch zu halten. Neben dem Schutz von Lebensmitteln dienen Verpackungen aber auch als Informations- und Werbemittel beim Kauf. In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Verpackungen aus Kunststoff immer mehr zugenommen. Allein in Deutschland wurden 2013 knapp 4,3 Mio. Tonnen Verpackungsmaterialien aus Kunststoff produziert. Dies liegt zum großen Teil vor allem daran, dass Verpackungen aus Kunststoff leicht, formbar und dennoch stabil sind. Des Weiteren werden immer mehr Lebensmittel zum direkten Erhitzen in der Verpackung angeboten. Nach Meinung von Verbraucherschützern birgt die Verwendung von entsprechenden Verpackungen das Risiko, dass Inhaltsstoffe an das verpackte Produkt abgegeben werden können. Inwieweit gesundheitliche Risiken damit verbunden sind, ist bisher nicht ausreichend erforscht und überfragt die derzeitige wissenschaftliche Meinung. Neben den gesundheitlichen Aspekten ist auch der umweltökonomische Aspekt von Verpackungen aus Kunststoff als kritisch zu beurteilen. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantwortet die Ministerin für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Große Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung im Namen der Landesregierung wie folgt: Frage 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage werden durch wen und in welchen Intervallen Kontrollen auf Verunreinigungen von Lebensmitteln durch Inhaltsstoffe ihrer Verpackungen durchgeführt? Kontrollen auf Verunreinigungen von Lebensmitteln durch Inhaltsstoffe ihrer Verpackungen erfolgen im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung risikoorientiert. Rechtsgrundlage hierfür sind die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz und das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Vorschriften zur einheitlichen Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 sowie ergänzende Bestimmungen sind der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher, futtermittelrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften (AVV Rüb) zu entnehmen. Chemische Untersuchungen werden vom Hessischen Landeslabor durchgeführt, während Vor-Ort-Kontrollen, Probennahme und Vollzug den zuständigen Ämtern für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung obliegen. Frage 2. Wie steht die Landesregierung zu der zunehmenden Verwendung von Verpackungen aus Kunststoff bei Lebensmitteln? Die derzeitige Vielfalt des Nahrungsmittelangebots ist sehr eng mit dem Einsatz von Verpackungsmaterialien aus Kunststoff verbunden. Diese schützen die darin verpackten Lebensmittel über längere Zeiträume vor Verunreinigungen und Verderb. Insofern sind Verpackungsmaterialien aus Kunststoff ein fester Bestandteil unseres heutigen Lebens. Bezüglich der Eignung von Verpackungsmaterialien aus Kunststoff für Lebensmittel wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. Bei Verpackungen aus Glas ist der Stoffübergang gegenüber Kunststoffverpackungen in der Regel geringer. Bezüglich der umweltpolitischen Bewertung des Einsatzes von Verpackungsmaterialien aus Kunststoff wird auf die Beantwortung der Frage 24 verwiesen. Frage 3. Wie hoch ist der Anteil an Kunststoff bei Verpackungsmaterialien aus den letzten zehn Jahren (bitte differenzieren nach Mengen in Tonnen)? Nach Angaben der Gesellschaft für Verpackungsmaterialforschung mbH (GVM), die im Auftrag des Bundesumweltamtes eine Übersicht erstellte, lag der Anteil von Kunststoffverpackungen im Zeitraum 2005 bis 2012 zwischen 15,3 und 17,4 % des Gesamtaufkommens an Verpackungen. Einzelne Werte sind der als Anlage 1 beigefügten Tabelle zu entnehmen. Daten für die Jahre 2013 bis 2015 Eingegangen am 18. November 2015 · Ausgegeben am 26. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2664 18. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2664 liegen nicht vor. Das Bundesumweltministerium gibt an, dass 70,5 % der Verpackungsabfälle recycelt und 96,3 % der Verpackungsabfälle verwertet werden (http://www.umweltbundesamt.de/daten/ abfallkreislaufwirtschaft/entsorgung-verwertung-ausgewaehlter-abfallarten/verpackungsabfaelle). Frage 4. Wie beurteilt die Landesregierung das aktuelle Gefährdungspotenzial von Verpackungen aus Kunststoff bei Lebensmitteln für den Menschen? Verpackungsmaterialien aus Kunststoff dürfen bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung keine Stoffe auf Lebensmittel abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden, eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeiführen oder eine Beeinträchtigung von Geruch, Geschmack, Textur oder Aussehen der Lebensmittel herbeiführen. Kunststoffverpackungen müssen den lebensmittelrechtlichen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und dem LFGB entsprechen und nach den Grundsätzen der guten Herstellungspraxis hergestellt werden. Insofern besteht ein umfassender rechtlicher Rahmen, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Das Schutzniveau unterliegt einer ständigen Überprüfung und die rechtlichen Vorgaben erfahren eine ständige Aktualisierung. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 7, dritter Absatz, und Frage 19 verwiesen. Frage 5. Wie viele Fälle sind der Landesregierung aus den letzten vier Jahren bekannt, bei denen Verpackungen aus Kunststoff Inhaltsstoffe an das verpackte Produkt abgegeben haben (bitte differenzieren nach den einzelnen Stoffen und Mengen)? Im Rahmen der letzten vier Jahre (Juli 2011 bis Juli 2015) ergaben sich im Hessischen Landeslabor in Bezug auf aus Kunststoffverpackungen abgegebene Inhaltsstoffe an das verpackte Produkt bzw. an das geprüfte Lebensmittelsimulanz nachfolgende Auffälligkeiten: Bei einer Probe Mortadella, die aus einer Kunststoffverpackung aus Polyester und Polyethylen bestand, wurden Stanzreste des Verpackungsmaterials in der Mortadella nachgewiesen. Des Weiteren ergaben sich bei einer Probe Meersalz Auffälligkeiten in Bezug auf erfolgten Kunststoffabrieb aus dem Kunststoffmahlwerk der dazugehörigen Einwegsalzmühle. Weiter ergaben sich im Rahmen der Prüfung auf Einhaltung des Globalmigrationsgrenzwerts bei insgesamt 24 Proben Verpackungsmaterialien aus Kunststoff nachweisbare Übergänge in das Lebensmittelsimulanz. Bei der Prüfung von ca. 65 Proben in Flaschen abgefüllten natürlichen Mineralwässern und entsprechenden Rohwässern zur Herstellung von Mineralwasser auf Weichmacher aus der Gruppe der Phthalsäureester wurden in den letzten vier Jahren in drei Mineralwasserproben Diisononylphthalat -Gehalte in Höhe von 18 µg/l bis 47 µg/l nachgewiesen, die auf eine Migration aus entsprechenden Deckeldichtungen zurückzuführen waren. Im Jahr 2011 erfolgten Untersuchungen auf Weichmacher in Erfrischungsgetränken (hier: Fruchtsaftgetränke und Limonaden), welche in Kunststoffverpackungen bzw. Kombinationsverpackungen unter Verwendung von Kunststoff/Kunststoffbeschichtungen oder Coatings verpackt waren. Geprüft wurden die Getränke dabei auf die Weichmacher DIBP (Diisobutylphthalat), DEHP (Di(2-ethylhexyl)phthalat), DPP (Dipropylphthalat, DEP (Diethylphthalat), DBP (Dibutylphthalat ), DIPP (Diisopropylphthalat) und DINP (Diisononylphthalat). Bei der Mehrheit der untersuchten Proben waren keine Phthalsäureester nachweisbar; bei vier Proben wurde DIBP mit Gehalten von 0,006 bis 0,009 mg/kg festgestellt, bei einer Probe waren 0,036 mg/kg DEHP enthalten (Nachweisgrenze jeweils 0,005 mg/kg). Ob die Gehalte auf eine gegebenenfalls stattgefundene Migration aus der Verpackung zurückzuführen waren, konnte im Rahmen der Untersuchungen aufgrund mehrerer möglicher Eintragspfade nicht abschließend geklärt werden. Ende 2011/Anfang 2012 wurden darüber hinaus die zur Herstellung von Bubble-Tea-Getränken erforderlichen Zutaten wie Tapiokaperlen, Getränke-Toppings und Getränkesirupe sowie Getränkepulver auf Weichmacher aus der Gruppe der Phthalsäureester untersucht. Von insgesamt 14 in Kunststoffbehältern verpackten Proben der zuvor erwähnten Zutaten wurden in allen Weichmachergehalte nachgewiesen (hierzu wird auf die als Anlage 2 beigefügten Tabellen Teil I und Teil II; n.n. = nicht nachweisbar,