Kleine Anfrage der Abg. Löber (SPD) vom 23.06.2015 betreffend chemische Schadstoffe in Kinderspielzeug und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Nach einer Studie der Stiftung Warentest aus dem Jahr 2010 war der Schadstoffgehalt in Spielwaren, die speziell für Kinder unter 3 Jahren angeboten werden, zum damaligen Zeitpunkt erschreckend hoch. Die Testergebnisse belegten demnach, dass über 80 % der 50 geprüften Spielzeuge mit Schadstoffen belastet waren. Bei den untersuchten Proben wurden neben polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Weichmacher (Phthalate), Formaldehyd, Schwermetalle und zinnorganische Verbindungen nachgewiesen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass einige der genannten Stoffe krebserregend wirken beziehungsweise Allergien auslösen können. Seit dem 1. Juli 2013 ist innerhalb der Europäischen Union zum Schutz der Kinder die neue EU-Spielzeug-Richtlinie mit verschärften Anforderungen an Kinderspielzeug in Kraft. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die Wirksamkeit der seit dem 1. Juli 2013 geltenden EUSpielzeug -Richtlinie in Bezug auf die damit beabsichtigte Verbesserung der Qualität und Sicherheit von Kinderspielzeugen auf dem hessischen und bundesdeutschen Markt? Marktüberwachungsaktivitäten erfolgen gemäß Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) nach dem Inverkehrbringen der Spielzeuge in Form von Stichproben. Die Prüfungen beschränken sich im Rahmen von Marktüberwachungsaktionen auf bestimmte Produktgruppen und Anforderungen, oder als reaktive Einzelprüfung auf die Überprüfung eines konkreten Verdachts. Statistische Kennzahlen zur generellen Beurteilung der Wirksamkeit der Richtlinie 2009/48/EG hinsichtlich einer Verbesserung oder Verschlechterung der Qualität der Spielzeuge können aus den Ergebnissen der Untersuchungen der Marktüberwachung in Hessen (im Bereich des ProdSG) nicht hergeleitet werden. Frage 2. a) Welche Gefahren bergen mit Schadstoffen belastete Spielzeuge grundsätzlich für die Nutzer? Es ist grundsätzlich möglich, dass mit Schadstoffen belastetes Kinderspielzeug mit einem gesundheitlichen Risiko für die damit spielenden Kinder verbunden sein kann. Hierbei sind jedoch eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z.B. Art des Stoffes, Aufnahmemenge, Aufnahmeweg , toxikologische Wirkung...). Um diese Risiken zu minimieren, beinhaltet die Spielzeugrichtlinie neben dem generellen Gebot, dass Spielzeuge nicht die Sicherheit oder Gesundheit der Benutzer oder Dritter gefährden dürfen, eine Vielzahl von Höchstmengenregelungen für einzelne Stoffe. Frage 2. b) Geben Sie bitte einen umfassenden Überblick über die Risiken, aufgeschlüsselt nach einzelnen Schadstoffen. Grundsätzlich können Schadstoffe durch Hautkontakt mit Spielzeug, durch Lutschen an dem Spielzeug oder auch inhalativ aufgenommen werden. Im Folgenden werden beispielhaft die mit einzelnen Schadstoffen verbundenen Risiken dargestellt: Schwermetalle und Organozinnverbindungen Die einzelnen Schwermetalle und Organozinnverbindungen haben unterschiedliche toxikologische Wirkungen. Beispielsweise kann Blei bei einer Aufnahme in zu hohen Mengen die Intelligenzentwicklung von Kindern negativ beeinflussen und Arsen zur Entstehung von Krebs oder Eingegangen am 23. Oktober 2015 · Ausgegeben am 27. Oktober 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2112 23. 10. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2112 kritischen Hautveränderungen beitragen. Chrom (VI) kann durch Einatmen Krebs verursachen. Anorganisches Antimon wird ebenfalls als kanzerogen eingestuft. Anorganisches Quecksilber verteilt sich im Körper hauptsächlich auf die Nieren und, zu einem geringeren %satz, auch auf die Leber. Studien an Nagern ergaben, dass ionisches Quecksilber nephrotoxisch wirkt. Weiterhin wurden kardiovaskuläre Toxizität, Irritation der Magen-Darm-Schleimhaut, Reproduktionstoxizität und Entwicklungstoxizität beobachtet. Eine zu hohe Aufnahme von löslichem Barium kann zu Bluthochdruck führen und sich ebenfalls negativ auf die Nierenfunktion auswirken. Die Schwermetalle Nickel und Chrom (VI) können zudem bei einer erhöhten Abgabe aus Spielzeug durch Kontakt mit der Haut Allergien auslösen. In der Spielzeugrichtlinie sind daher für die Schwermetalle Aluminium, Antimon, Arsen, Barium , Bor, Cadmium, Chrom (III), Chrom (VI), Cobalt, Kupfer, Blei, Mangan, Quecksilber, Nickel, Selen, Strontium, Zinn, Organozinnverbindungen und Zink Grenzwerte festgelegt. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) PAK sind kanzerogene Verbindungen mit einem genotoxischen Wirkmechanismus, die zudem sehr gut dermal aufgenommen werden können. Nitrosamine Einige N-Nitrosamine sind genotoxische Kanzerogene. In der Spielzeugrichtlinie sind für diese Stoffgruppe Migrationsgrenzwerte festgelegt. Weichmacher Zu den Weichmachern gehörenden Phthalate haben unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus . Einige Vertreter dieser Stoffgruppe können durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen, indem sie beispielsweise die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen . Bei anderen Phtalaten steht eine lebertoxische Wirkung im Vordergrund. Beschränkungen zu Phthalaten beinhaltet die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Allergene Duftstoffe Einige Duftstoffe bzw. Duftinhaltsstoffe können bei Kontakt mit entsprechend sensibilisierten Bevölkerungsgruppen allergische Reaktionen auslösen. 55 Duftstoffe und Duftinhaltstoffe sind daher gemäß den Vorgaben der EU-Spielzeugrichtlinie verboten, 11 weitere Duftstoffe sind wegen ihres allergenen Potenzials deklarationspflichtig. Frage 3. Welche Behörden und Institutionen sind mit der Kontrolle auf Schadstoffbelastung von in Hessen erhältlichem Kinderspielzeug beauftragt? Im Bereich des Produktsicherheitsgesetzes bzw. der Zweiten Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz sind dies die Behörden für Arbeitsschutz und Produktsicherheit bei den Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kassel. Für Probenahmen, die im Rahmen der amtlichen Bedarfsgegenständeüberwachung erfolgen, sind die Ämter für Lebensmittelüberwachung und Veterinärwesen zuständig. Frage 4. Nach welchen Kriterien oder Prinzipien werden in Hessen erhältliche Spielwaren kontrolliert- erfolgen beispielsweise generelle Kontrollen oder erfolgen Kontrollen nur bei Gefahrenverdacht? Die Behörden für Arbeitsschutz und Produktsicherheit bei den Regierungspräsidien agieren entsprechend dem "Konzept der Marktüberwachung in Deutschland für den Bereich des Produktsicherheitsgesetzes ". Marküberwachungstätigkeiten erfolgen demzufolge nach dem Inverkehrbringen von Produkten in Form angemessener Stichproben (Abschnitt 6, ProdSG). Dabei werden die gesetzlichen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen überprüft, sowie sicherheitstechnische Prüfungen durchgeführt. Die Prüfungen beziehen sich im Rahmen von aktiven Marktüberwachungsaktionen auf ausgewählte Produktgruppen oder bestimmte Anforderungen, oder als reaktive Einzelprüfung eines Produkts auf den Nachweis des begründeten Verdachts. Auch die Kontrollen im Rahmen der amtlichen Bedarfsgegenständeüberwachung erfolgen stichprobenartig unter Berücksichtigung möglicher Risiken. Frage 5. a) Auf welche Schadstoffe werden in Hessen erhältliche Kinderspielzeuge kontrolliert? Die Behörden für Arbeitsschutz und Produktsicherheit bei den Regierungspräsidien kontrollieren im Wesentlichen die Schwermetallgehalte der Spielwaren. Darüber hinaus wird Spielzeug im Rahmen der amtlichen Bedarfsgegenständeüberwachung beispielsweise auf Phthalsäureester, Formaldehyd, Lösungsmittel, verbotene Azofarbstoffe, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe , N-Nitrosamine und sensibilisierende Dispersionsfarbstoffe hin überprüft. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2112 3 Frage 5. b) Bitte erläutern Sie außerdem, aus welchen Gründen ausgerechnet die in Ihrer Antwort aufgeführten Schadstoffe kontrolliert und gegebenenfalls andere Gefahrstoffe vernachlässigt werden. Die Überprüfung der chemischen Anforderungen des Anhangs Il Teil Ill der Richtlinie 2009/48/EG bei den in Hessen erhältlichen Spielzeugen erfolgt stichprobenhaft. Auf Grund der Erkenntnisse aus früheren Marktüberwachungsaktionen und auf Grund bekannter Mängelschwerpunkte im Bereich der Schwermetalle erfolgte beispielsweise im Rahmen von Marktüberwachungsaktionen seit Inkrafttreten der chemischen Anforderungen des Anhangs II Teil III der Richtlinie 2009/48/EG, eine Überprüfung der Anforderungen der Migrationsgrenzwerte nach Nummer 13, mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten (Spielzeugmaterialien Kategorie II und III nach Nummer 13). Die Erkenntnisse ergeben sich im Wesentlichen aus Rapex1- Meldungen, Verbraucherbeschwerden/Verbraucherhinweisen und behördlichen Überprüfungen. Grundsätzlich wird auf rechtlich geregelte Parameter geprüft unter Berücksichtigung der toxikologischen Relevanz und der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Schadstoffbelastung. Frage 6. Welche Maßnahmen werden eingeleitet und/oder welche Auflagen erteilt, falls bei Kontrollen kritische Messwerte erreicht oder überschritten werden? Falls erforderlich werden Maßnahmen nach § 26 Absatz 2 ProdSG eingeleitet. Frage 7 .a) Welche Ergebnisse (u.a. Schadstoffe, Herkunftsländer, Zielgruppen, ... ) lieferten die Kontrollen in dem Zeitraum von 2010 bis 2014? Frage 7. b) Sollten bereits Zahlen für das laufende Jahr vorliegen, erweitern Sie den betrachteten Zeitraum bitte um diese Informationen; gliedern Sie die Antwort in die einzelnen abgefragten Jahre. Hierzu wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen. Wiesbaden, 19. Oktober 2015 Priska Hinz Anlage 1 RAPEX (Rapid Exchange of Information System) ist ein europäisches Schnellwarnsystem für gefährliche Verbraucherprodukte . Anlage zur Kleinen Anfrage 19/2112 Frage 7 Herkunftsland ist bei Spielzeug bei >90% der Proben Fernost (in der Regel China). Jahr Probenzahl Wegen stofflicher Mängel beanstandetes Spielzeug / Teile (Anzahl Proben) Beanstandungsgrund / Alter bzw. Zielgruppe 2010 382 Aufblasbares Wasserspielzeug aus Weich PVC (2) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Saugnapf von Pfeilen aus Weich PVC(1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Reifen von Fahrzeugen aus Weich PVC (2) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Kleinteile aus Weich PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Puppenset aus Weich PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Holzpuzzle (1) Formaldehydabgabe / > 3 Jahre Kinderwagenverdeck (1) Phenolausgasung / Babyartikel 2011 335 Puppenset aus Weich PVC (2) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Holzpuzzle (3) Formaldehydabgabe / > 3 Jahre Fasermaler (1) Benzol / > 3 Jahre Reifen von Fahrzeugen aus Weich PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre 167 Spielzeuge (lackiertes/beschichtetes Holz-, Metall- und Kunststoffspielzeug; Spielzeug mit Leder/Kunstleder) (6) Grenzwertüberschreitungen (4x Blei, 3x Chrom, 1x Antimon) / in der Regel < 3 Jahre 2012 313 Puppenset aus Weich- PVC (8) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Doktorkoffer - Schlauch Stethoskop aus Weich PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Reifen von Fahrzeugen aus Weich PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Luftballon aus Kautschuk (1) N-Nitrosamine, N-Nitrosierbare Stoffe / > 3 Jahre Schleimmasse (2) Bor (als Borsäure) / > 3 Jahre 2013 193 Holzpuzzle (1) Formaldehydabgabe / > 3 Jahre Puppenset aus Weich- PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Kratzbild (2) Naphthalinausgasung / > 3 Jahre Weich-PVC Spielfigur als Shampoo Verpackung (1) Verbotene Weichmacher (DEHP, DINP) / > 3 Jahre Wickelauflage aus Weich – PVC (1) Verbotene Weichmacher ( DIDP) / Babyartikel Spielfigur aus Kautschuk (1) N-Nitrosierbare Stoffe / Babyartikel Noppen aus Weich-PVC an Krabbeldecke (1) Verbotene Weichmacher ( DEHP) / Babyartikel 170 diverse Spielzeugmaterialien (6) Grenzwertüberschreitungen (6x Chrom, 1x Cadmium) / in der Regel < 3 Jahre 2014 245 Malbuch aus Papier (1) Lösungsmittel-Geruch, 4-Methylbenzophenon / > 3 Jahre Loom-Set Anhänger (1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Puppenset aus Weich- PVC (2) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Schleimmasse (6) Bor (als Borsäure) / > 3 Jahre Igelball (1) Lösungsmittelgeruch / > 3 Jahre 177 diverse Spielzeugmaterialien (3) Grenzwertüberschreitungen (2x Chrom Vl, 1x Chrom III, 1x Barium) / in der Regel < 3 Jahre Bis 08/2015 101 Puppenset aus Weich- PVC (1) Verbotene Weichmacher (DEHP) / > 3 Jahre Schleimmasse (5) Bor (als Borsäure) / > 3 Jahre Aufblasbares Wasserspielzeug (1) Lösungsmittelgeruch – Isophoron, Phenol / > 3 Jahre 1