Kleine Anfrage der Abg. Gremmels und Merz (SPD) vom 23.06.2015 betreffend Reduzierung der Phosphatwerte nach der Wasserrahmenrichtlinie - Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Das im Entwurf vorliegende Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sieht bei Kläranlagen der Größenklassen (GK) 2 bis 5 Maßnahmen zur Verringerung der Phosphor(P)-Emission dann vor, wenn in den betroffenen Flusseinzugsgebieten phosphorbedingte biologische Defizite festgestellt werden können. Aus Gründen der Kosteneffizienz sollen entsprechend Anhang 1 der Abwasserverordnung (AbwV) an größere Kläranlagen schärfere Anforderungen gestellt werden als an kleine Anlagen; bei Kläranlagen der GK 1 (kleiner als 1000 Einwohnerwerte (EW)) sind keine Maßnahmen geplant. Der Entwurf des Maßnahmenprogramms sieht folgende zusätzliche Anforderungen vor: 1. GK 5 (>100.000 EW) und einige Anlagen der GK 4 (10.000 bis 100.000 EW) bei Einleitung in Gewässer mit sehr hoher Abwasserbelastung oder größerer Empfindlichkeit (Talsperren): 0,2 mg/l Gesamtphosphor in der 24-h-Probe. 2. Sonstige Anlagen der GK 4: 0,5 mg/l Gesamtphosphor in der 24-h-Probe und 0,2 mg/l ortho-Phosphat-P in der 24-h-Probe (ortho-Phosphat-P ist der im Wasser gelöste und chemisch gut fällbare Phosphor). 3. GK 2 und GK 3 (1000 bis 10.000 EW): 2 mg/l Gesamtphosphor in der 2-h-Probe oder qualifizierten Stichprobe mit dem Ziel, im Jahresmittel einen Wert von 1 mg/l P zu unterschreiten . Diese Werte werden derzeit nach Eingang der Stellungnahmen zum Entwurf des Maßnahmenprogramms überprüft mit dem Ziel, die Kläranlagenbetreiber möglichst wenig durch zusätzliche Investitionen und Betriebskosten zu belasten und dennoch die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie und des Gewässerschutzes zu erreichen. Bei den Phosphoreinleitungen sind die eingeleiteten Frachten für die biologische Wirkung im Gewässer wichtiger als einzelne Konzentrationsspitzen, da im Vordergrund die Düngewirkung bei Algen steht und nicht eine direkte toxische Wirkung auf Wasserorganismen . Mit den Vollzugsbehörden wird derzeit erörtert, wie diesem Zusammenhang bei der Festlegung neuer Anforderungen noch stärker Rechnung getragen werden kann. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt die Absenkung der Phosphatwerte für die Kläranlagen der Größenklasse 2 bis 5? Nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) darf eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser unter anderem nur erteilt werden, wenn die Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften vereinbar ist. Die Gewässereigenschaft sind unter anderem die auf die Gewässerökologie bezogenen Eigenschaften des Gewässers. In Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie fordert § 27 Abs. 1 WHG die oberirdischen Gewässer grundsätzlich so zu bewirtschaften, dass 1. eine Verschlechterung ihres ökologischen und ihres chemischen Zustands vermieden wird und 2. ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden. Eingegangen am 20. August 2015 · Ausgegeben am 22. August 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2114 20. 08. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2114 Nach § 82 WHG ist ein Maßnahmenprogramm aufzustellen, um die Bewirtschaftungsziele nach den gesetzlich vorgegebenen Maßgaben zu erreichen. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WHG darf die zuständige Behörde auch nachträglich durch Inhalts- und Nebenbestimmungen insbesondere Maßnahmen anordnen, die in einem Maßnahmenprogramm nach § 82 WHG enthalten oder zu seiner Durchführung erforderlich sind. Da die Absenkung der Phosphatwerte für Kläranlagen der Größenklasse 2 bis 5 zur Erreichung des guten ökologischen Zustands beiträgt, kann die Behörde für die jeweilige Kläranlage einen niedrigeren Phosphatwert festlegen. Frage 2. In welchen Größenklassen sind die dann einzuhaltenden Grenzwerte durch die Optimierung der vorhandenen Phosphatfällungen oder Nachklärbecken nicht zu erreichen? Die Anforderungen nach Nr. 1 der Vorbemerkung für insgesamt 26 Kläranlagen sind allein durch die Optimierung der Phosphatfällung oder der Nachklärbecken nicht zu erreichen. Hierzu bedarf es zusätzlich zur derzeit üblichen Sedimentation des Klärschlammes einer Abwasserfiltration mit deutlich höherem Abscheidegrad, die den an Feststoffpartikel gebundenen Phosphor weitgehend zurückhält. Dagegen reichen die genannten Optimierungen für die übrigen betroffenen Anlagen nach GK 4 (138 Kläranlagen) dann zur Einhaltung der Anforderungen nach Nr. 2 (oben) aus, wenn der Wirkungsgrad der Nachklärung hinreichend ist. Die Anforderungen nach Nr. 3 der Vorbemerkung können bei Anlagen der GK 2 und 3 regelmäßig eingehalten werden, erfordern aber die Installation einer Phosphorfällung, über die die Kläranlagen dieser Größenklasse zum großen Teil noch nicht verfügen. Im Vollzug der Anforderungen wird zu prüfen sein, ob bei einzelnen Anlagen die Anforderung unverhältnismäßig ist. Auf Basis der vorhandenen Fachgutachten ist die Verhältnismäßigkeit der geforderten Maßnahmen im Regelfall anzunehmen. Weiterhin ist vorgesehen, im Vollzug ausreichende Fristen zu gewähren, um die Optimierungsmaßnahmen schrittweise vorzunehmen. Frage 3. Hält die Landesregierung eine Konzentration von 0,2 mg/l ortho-Phosphat für ausreichend, um die Biozönose am Leben zu halten? Eine Restkonzentration von 0,2 mg/l ortho-Phosphat-P in der biologischen Reinigungsstufe ist ausreichend, um die Biozönose mit Phosphor zu versorgen. In der Praxis der Abwasserbehandlung stellt sich diese Frage allerdings nicht, da normalerweise bei einer 2-stufigen Phosphorfällung , wie sie zur Einsparung von Fällmitteln empfohlen wird, die Reduzierung auf die geforderten niedrigen Konzentrationen erst vor der Nachklärung, d.h. verfahrenstechnisch nach der biologischen Stufe mit ihrer Biozönose erfolgt. Frage 4. Wird die Umsetzung des Maßnahmenprogramms auch dazu führen, dass Flockungsfiltrationen auf allen Kläranlagen der Größenklasse 4 und 5 zu installieren sind? Auf Basis der vorhandenen Daten sind bis 2021 Filtrationsanlagen nur in den 26 in der Antwort zu Frage 2 genannten Anlagen vorgesehen. Dies sind 8 der insgesamt 10 vorhandenen Anlagen der GK 5 und 18 der insgesamt 160 Anlagen der GK 4. Inwieweit bei einzelnen weiteren Anlagen die Installation einer Filtration oder Teilstromfiltration zur Erreichung der Anforderungen sinnvoll und verhältnismäßig ist, bedarf einer Einzelfallprüfung. Im Regelfall ist dies nicht zu erwarten. Frage 5. Mit welchen Investitionsvolumen rechnet die Landesregierung für alle umzubauenden Anlagen in Hessen? Frage 6. Welche Folgekosten-Erhöhung z.B. für Fällmittel und Personal wird zusätzlich auf die Betreiber der Anlagen zukommen? Die Fragen 5 und 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Grundlage von Kostenschätzungen für die o.g. Maßnahme ist ein Gutachten von Prof. Dr. Theilen von der Hochschule Mittelhessen: http://flussgebiete.hessen.de/fileadmin/dokumente/5_service/Hintergrunddokumente_2015/Arbe itshilfe_P-Elimination_UEberarbeitung_Kap_5_April_2015_2.pdf. Hierin sind Beispielrechnungen für die Kosten verschiedener Maßnahmen an den Kläranlagen verschiedener Größen vorgenommen worden. Dabei konnten nur Richtpreise ohne Berücksichtigung lokal vorhandener Verhältnisse berücksichtigt werden. Auf dieser Basis können die in den nächsten Jahren erforderlichen Investitionskosten (unter Berücksichtigung der gegenüber Sandfiltern kostengünstigeren Tuchfilter für die oben genannten Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2114 3 26 Anlagen, hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen) mit ca. 150 Mio. € für alle Maßnahmen der GK 2 bis 5 abgeschätzt werden. Einen erheblichen Teil dieser Kosten kann der Betreiber durch Verrechnung mit der Abwasserabgabe finanzieren. In der Berechnung der Jahreskosten wird davon ausgegangen, dass die bautechnischen Maßnahmen innerhalb 30 Jahren abgeschrieben werden und die Maschinentechnik innerhalb von 15 Jahren. Daher betragen die gebührenrelevanten Jahreskosten nur einen Bruchteil der gesamten Investitionskosten. Unter Berücksichtigung der Verrechnung der Investitionen mit der Abwasserabgabe und der reduzierten laufenden Abwasserabgabe nach Umsetzung der Maßnahmen, aber ohne Berücksichtigung von Zuschüssen des Landes, errechnen sich die Gesamtzusatzkosten der Maßnahmen inclusive der zusätzlichen Betriebskosten (Fällmittel, Schlammentsorgung, Personal, Energie, etc.) auf Werte für die einzelnen Anlagen zwischen 0 und 5 € pro EW und Jahr. Bei kleinen Anlagen der GK 2 ist mit Gesamtkosten für die Betreiber von ca. 1 €/EW x Jahr zu rechnen. Bei Anlagen der GK 4 sind die Maßnahmen laut Gutachten in der Regel kostenneutral. Die höchsten spezifischen Kosten entstehen bei den Anlagen, die eine neue Filtration erhalten sollen . Bei der GK 5 werden die Zusatzkosten in der Regel auf unter 2 €/EW x Jahr geschätzt. Bei den Anlagen der GK 4, die eine Filtration brauchen werden, sind die spezifischen Kosten etwas höher als bei Anlagen der GK 5. Gerade in diesem Bereich ist allerdings mit Zuschüssen des Landes zu rechnen, die die Kostenbelastung des Betreibers senken werden. Frage 7. Ist die zur Verfügung stehende Technik bereits in der Lage, aus dem entstehenden Schlamm das Phosphat wieder rückzugewinnen? Im Auftrag der Umweltministerkonferenz hat sich eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe mit dem Thema befasst und bekannte Verfahren zur Phosphorrückgewinnung auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit bewertet. Die Ergebnisse werden der Umweltministerkonferenz im Herbst 2015 vorgelegt. Danach wurden zur Phosphorrückgewinnung aus Abwasser, Klärschlamm und Klärschlammaschen in den letzten Jahren mehrere Verfahren entwickelt. Durch Studien und Pilotanlagen wurde deren grundsätzliche Einsatzfähigkeit inzwischen auch belastbar nachgewiesen, die großtechnische Umsetzung der Phosphorrückgewinnung ist mit den derzeit verfügbaren Verfahren möglich und sinnvoll. Frage 8. Wie steht die Landesregierung zum Vorschlag, Bio-P-Anlagen auszubauen, um der Aufgabe der Phosphat-Lösung gerecht zu werden? Frage 9. Welche Investitionskosten würden auf die Standortkommunen bei einem Ausbau von BioP -Anlagen zukommen? Die Fragen 8 und 9 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen in dem Bemühen, in den Kläranlagen einen möglichst hohen Anteil des Phosphors auf biologischem Weg im Klärschlamm zu binden und dadurch weniger Fällmittel einsetzen und Schlamm entsorgen zu müssen. Die biologische Phosphor -Elimination (Bio-P) ist eine sinnvolle Ergänzung zur chemischen Fällung, kann diese aber nicht vollständig ersetzen. Bio-P kann durch eine entsprechende Steuerung bei hinreichenden Beckenvolumina der bestehenden Anlagen betrieben werden oder erfordert im Einzelfall den Bau eines zusätzlichen Beckens. Beispielrechnungen zu den Kosten sind in dem oben genannten Gutachten aufgeführt. In der Regel wird für mittelgroße Anlagen auch der gegebenenfalls notwendige Neubau eines Bio-P-Beckens für den Betreiber kostenneutral zu finanzieren sein. Frage 10. Wie setzen die anderen Bundesländer das Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 der Wasserrahmenrichtlinie bezüglich der Phosphatwerte-Reduzierung um? Die Bedingungen sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Bezüglich der PEliminierung bei kommunalen Kläranlagen gehört Hessen derzeit zu den Ländern mit eher hohen mittleren Ablaufwerten. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben beispielsweise deutlich niedrigere Werte. Schleswig-Holstein hat schon heute niedrigere Ablaufwerte als sie in Hessen bis 2021 geplant werden. Allerdings ist auch die Bedeutung der Kläranlagen für die Gewässerbelastung unterschiedlich: In Niedersachsen z.B., einem Land mit geringerer Besiedlungsdichte als in Hessen, gibt es im Tiefland aufgrund der Bodenverhältnisse hohe Einträge aus Drainagen von landwirtschaftlichen Flächen; dies spielt in Hessen keine große Rolle. Daher setzen die Bundesländer unterschiedliche Schwerpunkte und haben unterschiedliche Zeitpläne. Die geplanten Maßnahmen in Hessen basieren auf aufwendigen Messprogrammen und genauen und aktuellen Bilanzierungsrechnungen für verschiedene Flusssysteme. Daher kann gut beurteilt werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die gesetzlich geforderten Ziele zu erreichen. Wiesbaden, 6. August 2015 Priska Hinz