Kleine Anfrage der Abg. Gnadl (SPD) vom 17.06.2015 betreffend Auflösung kleiner Ortsbeiräte in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragestellerin: Der Landtag hat Ende März 2015 in dritter Lesung das "Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften" beschlossen. Dadurch wurde in § 82 Abs. 1 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) folgender Satz 6 eingefügt: "Entsprechendes gilt für die restliche Dauer der laufenden Wahlzeit, wenn der Ortsbeirat in Folge des Ausscheidens von Vertretern nur noch weniger als drei Mitglieder hat." Damit werden Ortsbeiräte, aus denen so viele Mitglieder ausscheiden, dass die Zahl der Vertreter weniger als drei beträgt und bei denen eine Nachbesetzung des jeweiligen Sitzes wegen Erschöpfung des Wahlvorschlages nicht mehr möglich ist, aufgelöst. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, wird die Kleine Anfrage wie folgt beantwortet : Frage 1. Wie viele Ortsbeiräte wurden aufgrund der oben genannten HGO-Novelle aufgelöst? Frage 2. Wie viele Ortsbeiräte bestehen zurzeit in Hessen, denen lediglich drei Mitglieder angehören und bei denen wegen Erschöpfung des Wahlvorschlages keine Nachbesetzung beim Ausscheiden eines derzeitigen Vertreters möglich wäre? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam wie folgt beantwortet: Dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport als der obersten Kommunalaufsichtsbehörde liegen keine Zahlen zu der Frage vor, wie viele gemeindliche Ortsbeiräte in der laufenden Kommunalwahlperiode (1. April 2011 bis 31. März 2016) von dem mit Änderungsgesetz vom 28. März 2015 (GVBl. S. 158, 188) eingefügten und am 10. April 2015 in Kraft getretenen § 82 Abs. 1 Satz 6 HGO betroffen sind. Die Gemeinden unterliegen insofern keinerlei Meldeoder Anzeigepflichten gegenüber der jeweiligen staatlichen Aufsichtsbehörde oder dem Hessischen Statistischen Landesamt. Frage 3. Erachtet es die Landesregierung als sinnvoll, einen gewählten und eingerichteten Ortsbeirat im Laufe einer Wahlperiode wegen Unterschreitens der Mindestvertreterzahl aufzulösen und damit das Bindeglied, das ein Ortsbeirat zwischen den Anliegen des eigenen Ortsbezirks und der Gemeindevertretung darstellt, zu unterbrechen (mit Begründung)? Aus Sicht der obersten Kommunalaufsichtsbehörde erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass § 82 Abs. 1 Satz 6 HGO vom Hessischen Landtag ohne Übergangsregelung, also ohne Verschonung der bestehenden "Ein- und Zwei-Personen-Beiräte" bis zum Ende der laufenden Kommunalwahlperiode, in Kraft gesetzt wurde. Denn wie in der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs vom 9. Dezember 2014 (LT-Drs. 19/1222 S. 19) zu Recht ausgeführt wurde, ist echte demokratische Gremienarbeit nicht (mehr) möglich, wenn zu einer Sitzung von vorneherein nicht einmal drei Mandatsträger erscheinen können. Das wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch im Ortsbeirat Beschlüsse erforderlich werden können , die mit Zweidrittelmehrheit bzw. in geheimer Abstimmung gefasst werden müssen (§ 82 Abs. 6 Satz 1 HGO i.V.m. § 57 Abs. 2 HGO und § 54 Abs. 2 HGO). Das Fehlen einer Übergangsregelung wurde in der vom Innenausschuss des Hessischen Landtags durchgeführten Anhörung von keinem kommunalen Spitzenverband kritisiert. Eingegangen am 4. August 2015 · Ausgegeben am 6. August 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2123 04. 08. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2123 Daher gilt die durch Änderungsverordnung vom 28. Mai 2015 (GVBl. S. 237) in die Hessische Kommunalwahlordnung eingefügte Vorschrift des § 86 a Satz 2 KWO, wonach der Wahlleiter in diesem Fall öffentlich bekannt macht, dass die Einrichtung des Ortsbeirats für die restliche Dauer der laufenden Wahlzeit entfällt, ebenfalls ohne Übergangsfrist schon in der aktuellen Kommunalwahlperiode. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat dessen ungeachtet in einer Besprechung mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Fachebene am 23. April 2015 Verständnis dafür geäußert , dass in manchen Gemeinden offenbar der Wunsch besteht, Ortsbeiräte, welche die gesetzliche Mindestmitgliederzahl (§ 82 Abs. 1 Satz 3 HGO) nicht mehr aufweisen, für die restliche (kurze) Dauer der laufenden Kommunalwahlperiode weiterhin "faktisch" in die Kommunalpolitik vor Ort einzubinden. Dabei wurde einschränkend darauf hingewiesen, dass ein solches Verhalten regelmäßig dann nicht in Betracht kommen kann, wenn Bürger des Ortsbezirks geltend machen, dass sie sich von einem derart kleinen Beirat nicht (mehr) demokratisch vertreten fühlen, und in den Fällen, in denen dem jeweiligen Ortsbeirat von der Gemeindevertretung über die Beratungsaufgabe hinaus Entscheidungskompetenzen verliehen wurden (§ 82 Abs. 4 Satz 1 HGO). Wiesbaden, 24. Juli 2015 Peter Beuth