Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 26.06.2015 betreffend Teilnahme verbeamteter Lehrkräfte an Streikmaßnahmen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Für den 16. Juni 2015 rief die GEW Hessen die verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer zu einem landesweiten eintägigen Streik auf. Der Streik richtete sich gegen die Ankündigung der Landesregierung, das Tarifergebnis für die Angestellten im Landesdienst nicht auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen. Nach Angaben der Gewerkschaft folgten 6000 Lehrkräfte dem Streikaufruf. Die Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt. Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die Beteiligung von verbeamteten Lehrkräften unter rechtlichen und politischen Gesichtspunkten, insbesondere in Hinblick auf die Rechtslage, nach der Beamten kein Streikrecht zusteht? Die Teilnahme verbeamteter Lehrkräfte an einer gegen den Dienstherrn gerichteten Arbeitsniederlegung stellt eine Verletzung ihrer sich aus den §§ 34 und 35 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ergebenden Dienstpflichten dar und ist als Dienstvergehen i.S.d. § 47 Abs. 1 BeamtStG zu ahnden. Die Unzulässigkeit eines Beamtenstreiks ist als anerkannter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich hergeleitet. Die darin zum Ausdruck kommenden Grundsätze des Berufsbeamtentums verbieten es, zur Förderung gemeinsamer Berufsinteressen kollektive wirtschaftliche Kampfmaßnahmen zu ergreifen (vgl. BVerfGE 8, S. 1 ff.; BVerwGE 73, S. 97 ff. m.w.N.). Dies gilt auch in Ansehung der vom Bundesverwaltungsgericht konstatierten Kollisionslage mit Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.02.2014 (BVerwGE 149, 117 - 139) ausdrücklich feststellt, ist das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot nach wie vor geltendes Recht bis zu einer Auflösung der dargestellten Kollisionslage durch den dazu allein berufenen Bundesgesetzgeber. Dies ist bislang nicht erfolgt. Auf die Rechtslage und mögliche dienstrechtliche Konsequenzen einer Streikteilnahme wurden die verbeamteten Lehrkräfte mit Erlass des Hessischen Kultusministeriums vom 11. Juni 2015 - und damit rechtzeitig vor dem Streik - hingewiesen. Frage 2. Wie viele verbeamtete Lehrkräfte nahmen nach Erkenntnis der Landesregierung an den Streikmaßnahmen teil? Nach Kenntnis der Landesregierung haben ca. 4.500 Lehrkräfte an den Streikmaßnahmen teilgenommen . Frage 3. Wie viele Unterrichtsstunden konnten aufgrund der Streikteilnahme verbeamteter Lehrkräfte nicht wie geplant erteilt werden? Die Beantwortung der Frage wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand durch einzelne Auswertung aller Stunden- bzw. Vertretungspläne möglich und bedürfte eines erheblich längeren Bearbeitungszeitraums, der hier nicht zu rechtfertigen ist. Eingegangen am 8. September 2015 · Ausgegeben am 14. September 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2156 08. 09. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2156 Frage 4. Hat es nach Kenntnis der Landesregierung Auswirkungen auf die Abiturprüfungen gegeben und wenn ja, welche? Umgehend nach Bekanntwerden des Tages der Arbeitsniederlegung hat das Hessische Kultusministerium Maßnahmen eingeleitet, um einen störungsfreien Ablauf der Prüfungen zu gewährleisten . So wurde mit dem Erlass vom 11. Juni 2015 auch darauf hingewiesen, dass der ungehinderte Ablauf der am Tag der Arbeitsniederlegung stattfindenden Abschlussprüfungen unbedingt und priorisiert zu gewährleisten ist. In dem Erlass wurde ferner die verschärfte Ahndung einer Teilnahme von den als Prüferinnen und Prüfer eingesetzten Lehrkräften jedweder Abschlussprüfungen angekündigt. Hinweise auf gleichwohl aufgetretene prüfungsrelevante Störungen liegen der Landesregierung nicht vor. Frage 5. Welche Konsequenzen sind nach Auffassung der Landesregierung von den zuständigen Dienstvorgesetzten zu ergreifen? Die Teilnahme von Lehrkräften an einer gegen den Dienstherrn gerichteten Arbeitsniederlegung ist als Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG zu werten und nach Maßgabe der vorgesehenen rechtlichen Instrumentarien zu sanktionieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind im Hessischen Disziplinargesetz - HDG - niedergelegt (vgl. § 47 Abs. 3 BeamtStG). In Betracht kommt neben missbilligenden Äußerungen im Sinne des § 9 Satz 2 HDG die Verhängung förmlicher Disziplinarmaßnahmen. Welche Maßnahme im konkreten Fall angemessen ist, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Ein wesentliches Kriterium stellt die jeweils zu verzeichnende Intensität des Pflichtverstoßes dar. Frage 6. In wie vielen Fällen wurden die Bezüge wegen Fernbleibens vom Dienst ohne Genehmigung entsprechend gekürzt? Hierzu liegen bisher keine abschließenden gesicherten Erkenntnisse vor. Grundsätzlich gilt jedoch, dass (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) in allen Fällen einer Streikteilnahme verbeamteter Lehrkräfte die überzahlten Bezüge zurückgefordert werden. Frage 7. Wurden bzw. werden diesbezüglich darüber hinaus disziplinarische Maßnahmen verhängt und wenn ja welche? Neben der Rückforderung überzahlter Bezüge ist eine flächendeckende Sanktionierung möglich. Ob und ggf. welche Art von Maßnahme konkret angezeigt ist, bestimmt sich anhand der Umstände des Einzelfalles. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen . Frage 8. Wenn und soweit auf disziplinarische Maßnahmen verzichtet wurde, warum wurden diese trotz des Verstoßes gegen Dienstpflichten nicht ergriffen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 7 verwiesen. Frage 9. Welche Maßnahmen will die Landesregierung für den Fall ergreifen, dass Beamte wiederholt aufgrund von Streikmaßnahmen dem Dienst fernbleiben? Ein wiederholter vorsätzlicher Verstoß gegen Dienstpflichten lässt ein gegenüber einem einmaligen Verstoß erhöhtes Maß an Pflichtvergessenheit erkennen. Aus diesem Grund erkennt die Rechtsprechung an, dass sich die mehrfache Teilnahme an rechtswidrigen Arbeitsniederlegungen grundsätzlich strafschärfend auswirkt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings die Geltung von gesetzlichen Verwertungsverboten (§ 19 HDG, § 91 Abs 1 Ziff. 2 HBG). Die Frage, inwieweit eine wiederholte Teilnahme an Streikmaßnahmen im konkreten Fall Berücksichtigung finden kann, unterliegt der Einzelfallprüfung. Wiesbaden, 2. September 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz