Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 07.07.2015 betreffend Überlastungsanzeigen von Lehrkräften und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Steigende Anforderungen und zusätzliche administrative Aufgaben sind nur zwei der Gründe, weshalb viele Schulen Überlastungsanzeigen an das Hessische Kultusministerium gestellt haben. Allein aus Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis sollen laut Presseberichten bereits 53 Schulen Anzeige eingereicht haben, weitere 20 sollen eine Einreichung angekündigt haben. Vorbemerkung des Kultusministers: Bevor inhaltlich auf die Fragen eingegangen wird, soll zunächst eine Klarstellung hinsichtlich der juristischen Bedeutung des Terminus "Überlastungsanzeige" vorangestellt werden: Nach § 15 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), das auch für Beamte gilt (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG), sind die Beschäftigten verpflichtet, für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Nach § 16 Abs. 1 ArbSchG haben die Beschäftigten dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden. Nach § 17 Abs. 1 ArbSchG sind Beschäftigte berechtigt, Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. In den Ausführungen geht es allerdings nicht um Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Sinne des o.g. Gesetzes. Auch waren darin keine Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz und in den Schulräumlichkeiten enthalten . Vielmehr stehen die Forderung nach einer Reduzierung der Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte im Vordergrund sowie die Forderung nach mehr Personal, wie Sozialpädagogen, Psychologen und durchgängig zur Verfügung stehenden Förderschullehrern. Gefordert wird ferner, dass der Sozialindex flexibel an die Bedürfnisse der Schulen angepasst wird. Diese genannten Punkte sind in anderen Zusammenhängen zu erörtern, bezogen etwa auf die Unterrichtsverpflichtung in Verbindung mit der Pflichtstundenverordnung, die in unregelmäßigen Abständen überarbeitet wird. Es handelt sich deshalb nicht um Anzeigen bzw. um Forderungen , die sich nach dem Arbeitsschutzgesetz richten und die den Arbeitgeber bzw. den Dienstherrn zu einer Beantwortung oder zu einem bestimmten Tätigwerden verpflichten. Nach den §§ 3 und 5 ArbSchG hat der Arbeitgeber/Dienstherr allgemein die Verpflichtung, Gefährdungen der Beschäftigten zu ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Dabei bleiben dem Arbeitgeber weite Beurteilungs- und Handlungsspielräume (vgl. BAG, Urt. v. 12.08.2008 - 9 AZR 1117/06). Einklagbare Ansprüche auf die Durchführung bestimmter Maßnahmen haben die Beschäftigten nicht, sofern nicht konkret gegen arbeitsschutzrechtliche Anforderungen verstoßen wird. In Anbetracht der allgemeinen arbeitsmedizinischen Betreuung der Landesbediensteten, verbunden mit den Regelungen in dem Erlass zu "Arbeitsschutz, Sicherheit und Gesundheitsschutz an Schulen" ist davon auszugehen, dass das Land Hessen als Dienstherr seinen Verpflichtungen ausreichend nachkommt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Eingegangen am 15. September 2015 · Ausgegeben am 18. September 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2187 15. 09. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2187 Frage 1. Wie viele Überlastungsanzeigen aus hessischen Schulen gingen in den vergangenen zwei Jahren bei der Landesregierung ein? In den vergangenen zwei Jahren gingen 122 als "Überlastungsanzeige" bezeichnete Beschwerdeschreiben aus hessischen Schulen im Hessischen Kultusministerium ein, die jedoch durchweg nicht den in meiner Vorbemerkung genannten rechtlichen Kriterien der Überlastungsanzeige entsprechen. Frage 2. Von welchen Schulen kamen die Überlastungsanzeigen? (Bitte aufgeschlüsselt nach Schulform und Schulamtsbezirk) Hierzu verweise ich auf die Aufschlüsselung in der Anlage 1. Frage 3. Welche Gründe für eine Überlastung der Lehrkräfte wurden in den Überlastungsanzeigen der vergangenen zwei Jahre angeführt? (Bitte detailliert aufführen) Eine Übersicht der Beschwerdegründe ist der Anlage 2 zu entnehmen. Es wird darauf hingewiesen , dass die Gründe in Spalte 5 der Tabelle der Anlage 2 nicht im Einflussbereich des Hessischen Kultusministeriums liegen. Gleichwohl nahmen bei Angabe solcher Gründe die Staatlichen Schulämter Kontakt mit den Schulträgern auf. Frage 4. Welche Maßnahmen zur Behebung der Überlastungsquellen hat die Landesregierung ergriffen bzw. plant sie zu ergreifen? Bei Eingang eines solchen Schreibens im Hessischen Kultusministerium wurden im engen Kontakt mit den Staatlichen Schulämtern und den Schulen individuelle Lösungen für die Schulen ausgearbeitet. Die Wirkungen der Maßnahmen werden fortlaufend und insbesondere in den Schulentwicklungsgesprächen zwischen Schulamt und Schule auf ihre Wirksamkeit überprüft. Frage 5. Wie lässt sich die tatsächliche Wirksamkeit dieser Maßnahmen überprüfen? Auf die Antwort zur Frage 4 wird verwiesen. Frage 6. Sieht die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen den Überlastungsanzeigen und der Zunahme an Aufgaben? (z.B. ganztägiger Unterricht, inklusive Beschulung, Implementierung der Bildungsstandards sowie des Bildungs- und Erziehungsplans)? In der vergangenen Legislaturperiode wurden bereits - trotz der zwischenzeitlich für Hessen eingeführten Schuldenbremse - bedeutende Maßnahmen umgesetzt, die den Gestaltungsspielraum der Schulen erhöhen und die Kollegien entlasten. Hierzu zählen insbesondere: - Die Reduzierung der Klassengrößen in der seit dem 21.06.2011 geltenden Klassengrößenverordnung . Darin wurde die maximale Klassengröße in der Grundschule von 28 auf 25 Schülerinnen und Schüler vermindert. Die durchschnittliche Klassengröße an Hessens Grundschulen reduzierte sich daraufhin auf unter 20 Schülerinnen und Schüler. Die maximale Klassengröße im Gymnasium und in der Realschule wurde von 33 auf 30 und in der Hauptschule von 28 auf 25 Schülerinnen und Schüler vermindert. Die durchschnittliche Klassengröße an Hessens Gymnasien reduzierte sich daraufhin auf unter 26 Schülerinnen und Schüler, an Realschulen auf rund 23 und an Hauptschulen auf rund 14. - Die Neufassung der Pflichtstundenverordnung vom 01.08.2012. Diese eröffnet den Schulen zusätzliche organisatorische Spielräume. So können beispielsweise Schulleiterinnen und Schulleiter den Lehrkräften Anrechnungsstunden für besondere außerunterrichtliche Tätigkeiten gewähren. - Die Erhöhung der Lehrerzuweisung (Grundunterrichtsversorgung) von ursprünglich 100 % auf durchschnittlich 105 % ab dem 01.08.2013. Damit sind Hessens Schulen so gut mit Unterrichtsstunden versorgt wie nie zuvor. - Die Schaffung von 2.500 neuen Lehrerstellen, trotz rückläufiger Schülerzahlen. - Die Verteilung von 300 Stellen über einen Sozialindex, um gezielt Schulen mit vielen besonders förderbedürftigen Schülerinnen und Schülern zu unterstützen. In der jetzigen Legislaturperiode wurde der Sozialindex noch einmal um 120 Stellen erhöht, um Schulen in besonders schwierigen Einzugsgebieten personell deutlich zu entlasten. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2187 3 - Die Verdoppelung der Mobilen Vertretungsreserve auf mehr als 300 Stellen, um noch besser auf kurzfristige Unterrichtsausfälle reagieren zu können. - Der kontinuierliche Ausbau des Ganztagsangebots, für das in der letzten Legislaturperiode bereits 565 Stellen zur Verfügung gestellt wurden. In der jetzigen Legislaturperiode wurden bislang in den ersten beiden Schuljahren noch einmal zusätzlich 460 Stellen für den Ausbau des Ganztagesangebots zur Verfügung gestellt. Dieser Ausbau soll während der gesamten Legislaturperiode weiter vorangetrieben werden. - Die erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten für Schulen im Rahmen der Selbstständigen Schule (SES/SBS/RSBS) sowie des Großen und des Kleinen Schulbudgets (GSB/KSB). Frage 7. Welche Studien zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften sind der Landesregierung bekannt? Der Landesregierung ist eine Vielzahl von Studien zur Untersuchung der Arbeitsbelastungen von Lehrkräften aus den letzten 20 Jahren bekannt. U.a. handelt es sich dabei um die Untersuchung zur Ermittlung, Bewertung und Bemessung der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen (Mummert und Partner), die Berichte der 1. und 2. Hamburger Lehrerarbeitszeitkommission , den Abschlussbericht der Behler-Kommission, die Untersuchungen der Universität Dresden im Rahmen des Projekts "Lange lehren" oder die Untersuchungen der Universität Lüneburg im Rahmen von "guter gesunder Schule". Darüber hinaus liegen dem Hessischen Kultusministerium Erkenntnisse aus der Durchführung der sog. "Kollegiumsbefragung", einem Vorläufer der psychischen Gefährdungsbeurteilung, vor. Eine vollständige Auflistung der Studien der vergangenen 20 Jahre kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Wiesbaden, 31. August 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlagen Anlage 1  Drucksache 19/2187      Stand: 21. Juli 2015 Schulamtsbezirk (SSA): BOW DADI FFM GGMT GIVO HRWM KS MR OF RTWI SEWF Schulform: Summe Grundschule 22 6 1 1 6 4 1 16 32 2 91 Grund‐, Haupt‐ u. Realschule 1 1 2 Haupt‐ u. Realschule 2 2 Realschule 4 4 Förderschule 1 1 2 Gesamtschulen  1 1 2 Integrierte Gesamtschule 1 5 6 Kooperative Gesamtschule 1 1 Gymnasium 2 5 7 Berufliche Schule 2 2 Schule für Körperbehinderte 1 1 2 Schule für Lernhilfe 1 1 Summe 23 7 5 1 1 7 4 1 16 54 3 122 Anlage 2  Drucksache 19/2187      Gr ün de  fü r Ü be rla st un gs an ze ig en : Gestiegenes Arbeitspensum  durch Zunahme der  dienstlichen Aufgaben:  insbesondere durch Einführung von  Förderplänen, Lernstandserhebungen, Schulinspektion, verstärkte  Kommunikation und  Kooperation mit  außerschulischen  Betreuungskräften,  zusätzlich bei GS:  kommentierte Deutschnote  und Weg zur  ganztägigarabeitenden GS zusätzlich bei Gym :  Vorbereitung und  Umsetzung der G8/G9  Ausrichtung Reduzierung der  Pflichtstunden  gefordert Mehrarbeit durch  Inklusion, zu wenig  Zeit/Stunden für  inklusive  Beschulung,  fehlende räumliche  und personelle  Kapazitäten Räumliche  Gegebenheiten, Bauliche Mängel, Sauberkeit, Lärmbelästigung Erschwerte  Arbeitsbedin‐ gungen  bedingt duch  sozial  schwieriges  Einzugsgebiet Schulform: Grundschule 91 88 86 16 8 Grund‐, Haupt‐ u. Realschule 2 1 1 1 1 Haupt‐ u. Realschule 2 2 2 2 Realschule 4 3 3 4 Förderschule 2 1 1 Gesamtschulen  2 1 2 1 Integrierte Gesamtschule 6 5 6 4 Kooperative Gesamtschule 1 1 Gymnasium 7 5 3 4 Berufliche Schule 2 2 2 2 Schule für Körperbehinderte 2 2 Schule für Lernhilfe 1 1 Summen: 122 108 108 36 9 Stand: 21. Juli 2015 2187_Anlagen.pdf KA2187_Anlage1 KA2187_Anlage2