Kleine Anfrage des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) vom 21.07.2015 betreffend Nutzung von Twitter durch die Frankfurter Polizei und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Unter dem Titel "Offen, transparent, verfassungswidrig" berichtet die "ZEIT" am 6. Juli 2015 über Auftritte deutscher Polizeibehörden bei dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ähnlich wie bereits durch den Blogger John F. N. (http://www.metronaut.de/2015/03/twittern-zur-aufstandsbekämpfung) wird die Nutzung von Twitter bei Demonstrationen besprochen. Nach Meinung des von der "ZEIT" befragten Rechtswissenschaftlers Felix H. sind Tweets verfassungswidrig, die ohne Rechtsgrundlage in das Persönlichkeitsrecht von Demonstranten eingreifen. Laut H. fehlt der Polizei eine Ermächtigungsgrundlage für die Nutzung sozialer Medien. Auch der Betrieb eines Twitter-Accounts sei in keinem Polizeigesetz von Bund und Ländern geregelt . Zudem hält H. auch solche Tweets für verfassungswidrig, die potenzielle Teilnehmer einer Demonstration abschrecken, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes wahrzunehmen. Die Polizei Frankfurt twitterte am Morgen des 18. März zum Beispiel Bilder von Krähenfüßen und von einer Kette, die über eine Kreuzung gespannt wurde. Beide Male verwendeten sie das Hashtag "#18M"- ohne einen Beweis, dass die Funde im Zusammenhang mit den Protesten stehen. Mitunter sei auch das Gebot der Richtigkeit und Sachlichkeit verletzt, denn komplexe Sachverhalte ließen sich kaum in eine Nachricht mit 140 Zeichen unterbringen. Im Rahmen der Eröffnung der Europäischen Zentralbank musste die Frankfurter Polizei Tweets mit Falschmeldungen nachträglich korrigieren. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Das Informations- und Kommunikationsverhalten der Gesellschaft hat sich sehr stark in Richtung der digitalen Medien verändert. So verdreifachte sich annähernd die Zahl der Internetnutzer in Deutschland in den letzten zwölf Jahren. Eine immer größere Bedeutung gewinnen hierbei insbesondere mobile Endgeräte wie z.B. Notebooks, Tablet-PC oder Smartphones, mit denen man sich gewissermaßen überall und ständig informieren und mit Einzelpersonen oder in Gruppen kommunizieren kann. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche und verändert das gesellschaftliche und berufliche Wirken grundlegend. Dies hat auch Auswirkungen auf die polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. So waren und sind soziale Netzwerke im "Web 2.0" in Deutschland bekannte Kommunikationsmittel von Protestbewegungen, bei denen Veranstaltungs- und Versammlungsteilnehmer intensiv über soziale Netzwerke kommunizieren. Aus Sicht der Landesregierung dient die Kommunikation in sozialen Netzwerken durch die Polizei dazu, zeitnah zu informieren und ihr Handeln transparent zu machen. Hierzu können auch allgemeine Informationen wie z.B. über Verkehrsstörungen oder Gefährdungssituationen beitragen. Durch das zielgruppenorientierte Ansprechen von Personen sollen Maßnahmen bzw. Entscheidungen erläutert und Falschmeldungen entgegnet werden. Ziel ist es hierbei, insbesondere die Deeskalation von Konflikten zu fördern, Solidarisierungen mit Störern zu vermeiden und Gewalttäter zu isolieren. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, wird die Kleine Anfrage wie folgt beantwortet: Frage 1. Auf welcher Rechtsgrundlage beruht das Twittern der Frankfurter Polizei? Die Nutzung von Twitter durch die Frankfurter Polizei ist Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Frankfurter Polizeipräsidiums. Es handelt sich dabei grundsätzlich um schlichtes Eingegangen am 8. September 2015 · Ausgegeben am 14. September 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2194 08. 09. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2194 Verwaltungshandeln. Wird der Grad des schlichten Verwaltungshandelns überschritten, so ist im jeweiligen Einzelfall die erforderliche Befugnisnorm zu prüfen. Die hessische Polizei nutzt auch soziale Netzwerke zur Öffentlichkeitsfahndung. Dies erfolgt nur dann, wenn die rechtlichen Voraussetzungen etwa der §§ 131 ff. Strafprozessordnung vorliegen und die justiziellen Anordnungsvorbehalte berücksichtigt werden. Frage 2. Welche (Kommunikations-)Strategie liegt dem Twittern durch die Polizei zu Grunde? Grundsätzlich ist die hessische Polizei bei der Nutzung sozialer Netzwerke darauf ausgerichtet, über ihr Handeln zu informieren, um eine größtmögliche Transparenz in der öffentlichen Wahrnehmung zu erreichen. Es sollen Verständnis für polizeiliche Maßnahmen geschaffen und den Nutzern sinnvolle Hinweise vermittelt werden, die bei der Bewältigung von vielfältigsten Ereignissen die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben (z.B. Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs) fördern. Darüber hinaus werden auch Themen der Prävention, der Nachwuchsgewinnung und der Öffentlichkeitsarbeit stärker und zielgruppenspezifisch verbreitet. Der Möglichkeit der Bürgerbeteiligung und der bidirektionalen Kommunikation mit der Bevölkerung wird in diesem Zusammenhang eine hohe Priorität zuerkannt. Frage 3. Auf welche Weise wird die Nutzung von Twitter während eines Einsatzes geplant und durchgeführt ? Jegliche öffentlichkeitswirksame Kommunikation obliegt der verantwortlichen Einsatzleitung. Diese kann zur Umsetzung besonders befähigte und beschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beauftragen. Dies gilt auch für die Kommunikation in sozialen Netzwerken. Frage 4. Welche Annahmen existieren zu der Frage, ob sich unter den Followern vermeintliche Demonstrierende befinden und auf welche Weise diese via Twitter angesprochen werden können? Wissenschaftliche Annahmen über den Grad der Nutzung von Twitter oder sozialen Netzwerken im Allgemeinen durch Teilnehmer von Versammlungen sind der Landesregierung bisher nicht bekannt geworden. Mikroblogging-Dienste wie Twitter nutzen die "Verschlagwortung" in Form von Hashtags, um die Suche innerhalb ihres Netzwerks nach so "verschlagworteten" Begriffen zu erleichtern. Die Nutzung von Hashtags garantiert eine möglichst große Viralität von versendeten Tweets oder Beiträgen. Die hessische Polizei nutzt deshalb Hashtags im Zusammenhang mit Veranstaltungen, um dadurch unterschiedliche Zielgruppen (z.B. "Demonstrierende") zu erreichen. Frage 5. Welche (externe) Beratung zur Bedienung des Accounts wurde bzw. wird in Anspruch genommen ? Die hessische Polizei befindet sich zum Thema der Nutzung von sozialen Medien durch die Polizei im standardisierten und regelmäßigen Austausch mit den Polizeibehörden und -einrichtungen des Bundes und der Länder. Eine externe Beratung erfolgt bisher nicht. Frage 6. Welchen Inhalt haben die Social Media Guidelines der Frankfurter Polizei? Der sachlichen und neutralen Kommunikation kommt bei jeder polizeilichen Aufgabenwahrnehmung eine besondere Bedeutung zu. Diese spiegelt sich auch in den digitalen Medien wider. Hier hat der Umgang mit Nutzern sozialer Netzwerke entsprechend dem Grundverständnis der Polizei im Auftreten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Form und Inhalt stets respektvoll und korrekt zu sein. Das Landespolizeipräsidium hat im Januar 2015 eine Richtlinie herausgegeben, die die grundsätzliche Nutzung von sozialen Netzwerken durch die hessische Polizei vorgibt. Diese interne Richtlinie regelt die Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken, das Monitoring und das "Corporate Design". Zu den "Social Media Guidelines" werden sinngemäß folgende Ausführungen gemacht: Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2194 3 In sozialen Netzwerken stößt ein behördlicher Tonfall in der Regel auf geringe oder keine Akzeptanz . Aus den bisherigen Erfahrungen der Polizeien des Bundes und der Länder ist sowohl das "Siezen" als auch das direkte "Duzen" in der Ansprache der Nutzergemeinde kritisiert worden . In der Abwägung von Vor- und Nachteilen hat sich die hessische Polizei bei ihrer Ansprache grundsätzlich für ein "Ihr" oder "Euch" entschieden. Frage 7. Welche Personen welcher Entscheidungsebenen sind in dem Abstimmungsprozess vor dem Absenden eines Tweets involviert? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Jegliche öffentlichkeitswirksame Kommunikation obliegt entweder der Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den Polizeibehörden oder -einrichtungen oder der verantwortlichen Einsatzleitung . Diese können zur Umsetzung besonders befähigte und beschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beauftragen. Dies gilt auch für die Kommunikation in sozialen Netzwerken. Frage 8. Wie wird bestimmt, welche Informationen oder Lagebeurteilungen (in Echtzeit oder aufbereitet) an das Social Media Team übermittelt werden, damit diese daraus Tweets generieren? Das "Social Media Team" ist Teil des polizeilichen Führungsstabes, wodurch gewährleistet ist, dass dieses Zugang zu allen Informationen oder Lagebeurteilungen erhält. Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung die Twitter-Praxis der Frankfurter Polizei vor dem Hintergrund der im Zeit-Artikel geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken? Es gelten die gleichen Grundsätze, wie bei jeder öffentlichkeitswirksamen Äußerung. Wird der Grad des schlichten Verwaltungshandelns überschritten, ist im jeweiligen Einzelfall durch die verantwortliche Polizeibehörde oder -einrichtung die geltende Befugnisnorm vor Veröffentlichung zu prüfen. Die Rechtmäßigkeit wird durch eine inhaltliche Prüfung, ggf. auch durch technische Maßnahmen (Verpixelung), vor der Veröffentlichung gewährleistet. Derzeit sind keine Regelungslücken zu erkennen. Frage 10. Wie beurteilt die Landesregierung die Frage inwiefern beim Twittern der Polizei zwingend die Höflichkeitsform genutzt werden muss? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Wiesbaden, 1. September 2015 Peter Beuth