Kleine Anfrage des Abg. Gremmels (SPD) vom 16.07.2015 betreffend Grundwasserbelastung im Rahmen der Tunnelbaustelle der A 44 im Bereich Helsa-Eschenstruth durch Giftstoffe der früheren Munitionsfabrik Hirschhagen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Im Rahmen der Berichterstattung der HNA vom 30.06.2015 über die Bauarbeiten am A 44-Tunnel Hirschhagen wurde über eine sehr starke Grundwasserbelastung mit Giftstoffen aus der früheren Munitionsfabrik Hirschhagen berichtet. Laut Aussage des leitenden Mitarbeiters von Hessen Mobil handelte es sich um eine geringe Menge, die an der Baustelle gereinigt und in die Losse geleitet wurde. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Untergrund- und Grundwasserverunreinigungen im Trassenverlauf des Tunnels Hirschhagen stehen im Zusammenhang mit der während des II. Weltkrieges an diesem Standort erfolgten Herstellung von Sprengstoff. Im Zuge der Produktion sowie der nachkriegszeitlichen Demontage wurden auf dem Werksgelände sprengstofftypische Verbindungen (Nitroaromate) in den Boden und über die Bodenpassage auch in das Grundwasser eingetragen. Mit dem Grundwasser wurden diese Stoffe in geringen Konzentrationen auch in Bereiche außerhalb der ehemaligen Werksgrenzen verfrachtet. Aus diesem Grund wurden bereits in den 1970er Jahren vorhandene Trinkwassergewinnungsanlagen im Umfeld des Standortes stillgelegt. Durch die im Zeitraum von 1995 bis 2009 im Auftrag und mit Mitteln des Landes durchgeführte Bodensanierung sowie die seit Ende der 1980er Jahre betriebene Förderung und Aufbereitung von belastetem Grundwasser (hydraulische Sicherung) wird eine Nachlieferung von Schadstoffen in das Grundwasser erfolgreich reduziert. Im Rahmen der Planung des Tunnels Hirschhagen wurden umfangreiche Erkundungen zur Lokalisierung der Auswirkungen des Rüstungsaltstandortes auf den Trassenverlauf durchgeführt. Dabei wurde auch eine für das Umfeld des Standortes untypische "sehr starke Grundwasserbelastung" (1.000er µg/l Bereich) rd. 100 m westlich des Tunnels in Höhe des Bahnhofs Eschenstruth festgestellt. Es handelt sich um einen lokal eng begrenzten Bereich, dessen Belastung auf den Eintrag schadstoffhaltiger Abwässer während der Produktionszeit über den hier ehemals verlaufenden so genannten Kasseler Kanal zurückgeführt werden kann. Aus diesen Erkenntnissen wurde in Abstimmung mit den Fachbehörden ein Konzept festgelegt, wie mit belastetem Grundwasser und Boden während des Tunnelbaus umzugehen ist. Das Konzept wurde in den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der A 44 VKE 12 aufgenommen und wird derzeit im Rahmen der laufenden Baumaßnahme umgesetzt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über eine aktuelle Gefährdung durch die erhöhte Giftstoffbelastung des Grundwassers und Bodens im besagten Baustellenbereich vor? Die in Teilen des Tunnelbereichs festgestellten Belastungen entsprechen den Ergebnissen der Vorerkundungen. Sie erfordern keine besonderen Schutzmaßnahmen für Arbeiten im Zusammenhang mit dem Tunnelvortrieb. Der außerhalb der Vortriebsstrecke gelegene eng begrenzte Bereich mit atypisch hohen Belastungen (auf die Vorbemerkung wird verwiesen) wird durch einen Abwehrbrunnen gesichert, über den das Grundwasser gezielt an dieser Stelle gefördert und abgereinigt wird. Auf diese Weise wurde eine Verschleppung durch die linienhafte GrundEingegangen am 16. September 2015 · Ausgegeben am 17. September 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2227 16. 09. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2227 wasserabsenkung im Zuge des Tunnelvortriebs verhindert. Der Bereich ist inzwischen trocken gefallen. Die Anlage wird vor Ort für eine erneute Inbetriebnahme bei Wiederanstieg des Grundwassers nach Fertigstellung der Tunnelröhre vorgehalten. Frage 2. Welche Giftstoffe haben die von Hessen Mobil beauftragten Laboranalysen nachgewiesen? Die im Auftrag von Hessen Mobil erstellten Laboranalysen ergaben Rückstände (Nitroaromate) aus dem früheren Sprengstoffproduktionsprozess, die auch bereits aus der Sanierung des ehemaligen Werksgeländes Hirschhagen bekannt sind. Frage 3. Welche Mengen der verschiedenen Giftstoffe sind ins Grundwasser eingetreten? Frage 4. Wurden die Grenzwerte für die Giftstoffe erreicht bzw. überschritten? Die Fragen 3 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Verunreinigungen am ehemaligen Rüstungsstandort stehen nicht in Zusammenhang mit dem Tunnelbau, sondern sind seit Beginn der Sprengstoffproduktion vor mehr als 70 Jahren eingetreten (auf die Vorbemerkung wird verwiesen). Das während des Tunnelbaus anfallende Grundwasser (Grundwasserabsenkung mit Hintergrundbelastung/lokaler Schadensbereich) wird im Auftrag von Hessen Mobil nach erfolgter Sedimentation und Neutralisation chemischphysikalisch durch einen Aktivkohlefilter so gereinigt, dass der von der zuständigen Wasserbehörde festgesetzte Einleitegrenzwert (Sanierungszielwert für Grundwasser) erreicht wird und es anschließend in ein Oberflächengewässer eingeleitet werden kann. Der Einleitegrenzwert wurde bisher eingehalten. Der Restgehalt an Nitroaromaten lag überwiegend unter der Nachweisgrenze . Frage 5. Wie werden die Laboranalysen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Der Gemeindevorstand der Gemeinde Helsa wurde von Hessen Mobil im Rahmen einer Baustelleninformationsveranstaltung am 10. März 2015 über die Untersuchungsergebnisse informiert. Die Ergebnisse können weiterhin nach Terminabsprache bei Hessen Mobil (Straßen- und Verkehrsmanagement Kassel, Untere Königsstraße 95, 34117 Kassel) eingesehen werden. Frage 6. Wie schätzt die Landesregierung das Risiko der weiteren Grundwasserverunreinigung im Zuge der Tunnelbauarbeiten ein? Der Untergrund und das Grundwasser sind partiell verschmutzt, dies resultiert aus der Sprengstoffproduktion in der Vergangenheit und nicht aus dem Tunnelbau. Im Rahmen des Tunnelbaus wurden entsprechende Maßnahmen getroffen, um eine zusätzliche Verschmutzung zu verhindern . Bauzeitlich anfallendes Grundwasser wird vor Einleitung in den lokalen Vorfluter behandelt und gereinigt. Entlang des Tunnels werden entsprechende Dichtschleier hergestellt, um eine Drainagewirkung des Tunnels zu unterbinden. Ein erhöhtes Risiko ist daher durch den Tunnelbau nicht gegeben. Frage 7. Was wird getan, um eine mögliche Grundwasserverunreinigung bei weiteren Baumaßnahmen zu verhindern? Eine Grundwasserverunreinigung ist durch die Tunnelbaumaßnahme nicht erfolgt. Nach Fertigstellung des Tunnels Hirschhagen sind für diesen Bereich keine weiteren Baumaßnahmen im Zuge des Autobahnbaus geplant. Frage 8. Plant Hessen Mobil, das Absenken des Grundwasserspiegels nach Abschluss der Tunnelbauarbeiten einzustellen? Wenn ja, besteht dadurch nicht das Risiko, dass Giftstoffe aus dem Erdreich ausgewaschen werden? Nach erfolgter Herstellung der Betoninnenschale des Tunnels Hirschhagen werden die Grundwasserspiegel wieder ihren ursprünglichen Stand einnehmen. Daher wird sich für die Schadstoffe im Bodenkörper die Situation wie vor dem Tunnelbau einstellen. Die Belastungssituation im Umfeld des Rüstungsaltstandortes wird im Zusammenhang mit der dort weiter betriebenen hydraulischen Sicherung (auf die Vorbemerkung wird verwiesen) über ein umfangreiches Monitoringprogramm dauerhaft überwacht. Wiesbaden, 3. September 2015 In Vertretung: Mathias Samson