Kleine Anfrage des Abg. Lotz (SPD) vom 22.07.2015 betreffend Anbindehaltung bei Milchvieh und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Erhebungen zur Agrarstruktur erfolgen gemäß Agrarstatistik-Gesetz in mehrjährigem Turnus. Die letzte allgemeine Landwirtschaftszählung (Totalerhebung) fand zum Stichtag 31. März 2010 statt. Eine Erhebung der Haltungssysteme ist überhaupt erstmals im Rahmen dieser Landwirtschaftszählung 2010 erfolgt. Die nächste Landwirtschaftszählung findet voraussichtlich im Jahr 2020 statt. Zu beachten ist, dass die Anzahl der Haltungsplätze der durchschnittlichen Anzahl von Tieren entspricht, die tierartgerecht in den zum Zeitpunkt der Befragung vorhandenen Stallgebäuden gehalten werden können. Daher können sich Abweichungen zu den Viehbestandsangaben ergeben. Es wurden nur die Haltungsplätze erhoben, die in den zwölf Monaten vor dem Stichtag genutzt wurden. Frage 1. Wie viele Betriebe in Hessen halten Kühe in Anbindehaltung? Frage 2. Wie viele Kühe werden (auch schätzungsweise) in Hessen in Anbindehaltung gehalten? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Auf Basis der amtlichen Agrarstatistik1 können nachfolgende Aussagen zu Haltungsplätzen und - verfahren in der hessischen Milchviehhaltung getroffen werden: Rund 4.200 hessische Betriebe verfügten zum Stichtag über 173.900 Haltungsplätze für Milchkühe . Nach Angaben des Hessischen Statistischen Landesamtes wurde in 2010 in knapp 61 % aller hessischen Milchviehbetriebe Anbindehaltung genutzt (bundesweit knapp 65 %). Etwa 68 % der Haltungsplätze entfielen auf Laufstallhaltung (118.900 Haltungsplätze), etwa 31 % der Haltungsplätze entfielen auf Anbindehaltung mit und ohne Weidegang (53.700 Haltungsplätze). Gemäß einer Sonderauswertung des Hessischen Statistischen Landesamtes im Jahr 2012 auf Basis der Daten aus dem Jahr 2010 war die ganzjährige Anbindehaltung noch für knapp 9.000, also 5 % der Haltungsplätze zu verzeichnen. Frage 3. Welche Zusatzkosten (ggfs. geschätzt) würden den landwirtschaftlichen Betrieben durch eine tiergerechte Optimierung der Anbindehaltung pro Halteplatz entstehen? Insbesondere die ganzjährige Anbindehaltung von Milchvieh ist mit beträchtlichen Nachteilen für die Tiergesundheit, das Tierverhalten und die Arbeitswirtschaft verbunden. Die Verfahren der Laufstallhaltung (Tretmistställe, Tieflaufställe und Boxenlaufställe) sind aktuell als einzige Alternative zur Anbindehaltung zu betrachten und lösen aus den vorgenannten Gründen die Anbindehaltung ab. Hierzu ist jedoch ein erheblicher Wachstumsschritt bei den Betrieben erforderlich2. Kleine Betriebe , die ihren Viehbestand und ihre Futterfläche nicht wesentlich aufstocken können oder wollen, wählen als Alternative zum Stallneubau bevorzugt den Umbau des vorhandenen Anbindestalles zum Laufstall, ein entsprechendes Platzangebot vorausgesetzt. _____________________________ 1 Die Angaben entsprechen der vom Hessischen Statistischen Landesamt (HSL) im Jahr 2011 unter der Kennziffer C IV 10/10 - 3 sowie der im Jahr 2012 unter der Kennziffer C IV 10/10-11 erfolgten Veröffentlichung. 2 weitere Informationen dazu im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim BMEL (S. 22 ff.), "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung", Berlin, 2015. Eingegangen am 21. August 2015 · Ausgegeben am 26. August 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2284 21. 08. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2284 Hierbei wird der Anbindebereich entweder zur Liegehalle umgebaut und ein zusätzlicher außen liegender Fressbereich geschaffen, oder der Anbindebereich wird weiter als Fressbereich genutzt und eine zusätzliche Liegehalle geschaffen. Die Kosten dieser Umbau-Maßnahmen sind von den betrieblichen Gegebenheiten abhängig und nicht pauschal anzugeben. Die Kosten von neu errichteten Laufställen liegen derzeit bei 10.000 bis 12.000 € je Tierplatz. Frage 4. Welche Fördermöglichkeiten oder -anreize bestehen zurzeit, um eine solche tiergerechte Optimierung von Anbindehaltung zu erreichen? Mit dem im Jahr 2014 neu aufgestellten Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) steht für landwirtschaftliche Betriebe in Hessen ein Förderinstrument zur Verfügung, das mit besonderem Schwerpunkt Investitionen zur Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen unterstützt. Mit bis zu 40 % Zuschuss auf das jeweils förderfähige Investitionsvolumen eines Vorhabens sind in Hessen für Landwirte sehr attraktive Bedingungen gegeben, wenn sie sich für Um- oder Neubauten von Ställen mit hohen Tierschutzstandards entscheiden. Frage 5. Welche Fördermöglichkeiten und -anreize sieht die Landesregierung beim Umbau von Anbindehaltung zu Laufställen? Die unter Frage 4 beschriebenen Fördermöglichkeiten des Agrarinvestitonsförderungsprogramms setzen für landwirtschaftliche Betriebe grundsätzlich hohe Anreize, eine Investitionsförderung in Anspruch zu nehmen. Sie erleichtern mit der attraktiven Premiumförderung die unternehmerische Entscheidung, noch bestehende Formen der Anbindehaltung nicht weiterzuführen und auf eine tiergerechtere Laufstallhaltung umzustellen. Jedoch haben viele kleinere Nebenerwerbsbetriebe, die häufig in beengten Ortslagen ansässig sind, aufgrund ihrer eingeschränkten finanziellen, räumlichen oder strukturellen Gesamtsituation meist nicht die Möglichkeit , ein solches Vorhaben betriebswirtschaftlich tragfähig umzusetzen und verzichten daher in vielen Fällen trotz möglicher Förderung auf eine in die Zukunft gerichtete Investition. Frage 6. Welche Kosten (ggfs. geschätzt) würden den Betrieben pro Halteplatz bei einem solchen Umbau von Anbindehaltung zu Laufställen entstehen? Hierzu wird auf die Antwort zur Frage 3 verwiesen. Frage 7. Wird die Landesregierung speziell die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe bei solchen Maßnahmen unterstützen? Falls ja, in welcher Weise? Die Landesregierung setzt aufgrund der mit dem beihilferechtlich zulässigen Höchstsatz von 40 % ausgestatteten Premiumförderung des Agrarinvestitionsförderungsprogramms für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe hohe Anreize zur Umsetzung von Investitionen in die nachhaltige Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen. Im Zusammenspiel mit den derzeit günstigen Bedingungen für die Inanspruchnahme von Kapitalmarktdarlehen waren die Rahmenbedingungen für Investitionen kleiner und mittlerer Betriebe selten günstiger. Über diese guten Bedingungen hinaus hat die Landesregierung auch bei der Definition der für Förderanträge verpflichtend anzuwendenden Auswahlkriterien (Art. 49 ELER-Verordnung) besondere Schwerpunkte bei der Berücksichtigung von Vorhaben mit niedrigem und mittlerem Investitionsvolumen gesetzt, um kleinere und mittlere Betriebe im Ranking der Förderanträge bevorzugt auswählen zu können. Zudem wird in den Auswahlkriterien die unternehmerische Entscheidung zur Umstellung von Anbindehaltung auf gesamtbetrieblicher Ebene mit der Umsetzung einer zu fördernden Investition besonders honoriert, indem zusätzliche Auswahlpunkte vergeben werden. Dies gilt gleichermaßen für die Entscheidung, eine Investition nach den Anforderungen der besonders tiergerechten Premiumförderung und nicht nur nach tiergerechter Basisförderung umzusetzen . Wiesbaden, 11. August 2015 Priska Hinz