Kleine Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 22.01.2014 betreffend Vormundschaften und Pflegschaften und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Durch eine vor einem halben Jahr in Kraft getretene Änderung des SGB VIII wurde in § 55 Abs. 2 bestimmt , dass ein Vollzeit beschäftigter Mitarbeiter des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe, der ausschließlich mit der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften betraut ist, nicht mehr als 50 solcher Vormundschaften und Pflegschaften führen soll. Dies stellt die öffentlichen Träger der Jugendhilfe angesichts der bekannten Finanz- und Personalsituation vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. So scheitert eine eigentlich erforderliche Ausweitung der Stellen in den einschlägigen Abteilungen der Jugendhilfe z.B. daran, dass die zusätzlichen Stellen durch anderweitige Einsparungen in den Stellenplänen erwirtschaftet werden müssen oder dass dauerhaft zusätzliche Personalkosten zu tragen wären. Träger der öffentlichen Jugendhilfe erwägen daher zunehmend, zur Gewährleistung einer den qualitativen gesetzlichen Erfordernissen Genüge tuenden Führungen der Vormundschaften und Pflegschaften auf die Mitwirkung freier Träger der Jugendhilfe (Betreuungsvereine o.ä.) zurückzugreifen. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Wie viele Vormundschaften und Pflegschaften wurden in Hessen seit dem Jahr 2008 geführt? (Bitte nach Jahren und Jugendamtsbezirken aufschlüsseln). In der nachstehenden Tabelle sind die jeweils zum Jahresende des Berichtsjahrs noch anhängigen Vormundschaften und Pflegschaften (Bestände) der Amtsgerichte in Hessen insgesamt für die Jahre 2008 bis 2012 aufgeführt. Eine Aufschlüsselung nach Jugendamtsbezirken ist aus den hier vorliegenden Statistiken nicht möglich. In der beigefügten Tabelle sind daher die Angaben nach Amtsgerichten aufgegliedert. Durch das zum 1. September 2009 in Kraft getretene FamFG sind die bisher beim Vormundschaftsgericht anhängigen Vormundschaften und Pflegschaften auf das Familiengericht übergegangen . Beim Vormundschaftsgericht sind lediglich noch sog. "Altverfahren" anhängig. Bedingt durch eine Anpassung der Statistiken ist ab dem Jahr 2010 eine weitere Differenzierung der Pflegschaften in "Pflegschaften des Betreuungsgerichts" bzw. ab dem Jahr 2011 eine weitere Differenzierung der Pflegschaften in "Ergänzungspflegschaften für einzelne Rechtshandlungen" möglich. Angaben für das Jahr 2013 liegen noch nicht vor. Amtsgerichte Hessen insgesamt 2008 Vormundschaften des Vormundschaftsgerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 3.353 Pflegschaften des Vormundschaftsgerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 4.108 2009 Vormundschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 2.284 Eingegangen am 11. April 2014 · Ausgegeben am 15. April 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/23 11. 04. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/23 Vormundschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 1.171 Bestand an Vormundschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 3.455 Pflegschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 1.915 Pflegschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 1.921 Bestand an Pflegschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 3.836 2010 Vormundschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 3.117 Vormundschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 261 Bestand an Vormundschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 3.378 Pflegschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 2.986 Pflegschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 571 Pflegschaften des Betreuungsgerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 596 Bestand an Pflegschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 4.153 2011 Vormundschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 3.265 Vormundschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 214 Bestand an Vormundschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 3.479 Pflegschaften des Familiengerichts (ohne Ergänzungspflegschaften für einzelne Rechtshandlungen) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 2.550 Ergänzungspflegschaften für einzelne Rechtshandlungen - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 837 Pflegschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 402 Pflegschaften des Betreuungsgerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 556 Bestand an Pflegschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 4.345 2012 Vormundschaften des Familiengerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 3.388 Vormundschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 199 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/23 3 Bestand an Vormundschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 3.587 Pflegschaften des Familiengerichts (ohne Ergänzungspflegschaften für einzelne Rechtshandlungen) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 2.488 Ergänzungspflegschaften für einzelne Rechtshandlungen - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 1.378 Pflegschaften des Vormundschaftsgerichts (Altverfahren) - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 370 Pflegschaften des Betreuungsgerichts - Bestand zum 31.12. des Berichtsjahrs 661 Bestand an Pflegschaften zum 31.12. des Berichtsjahrs insgesamt 4.897 Die o.g. Zahlen stellen den Bestand sämtlicher Vormundschaften und Pflegschaften dar. Eine Differenzierung nach gesetzlicher Amtsvormundschaft bzw. bestellter Amtsvormundschaften und den übrigen Vormundschaften und Pflegschaften, bei denen ggf. auch ein Verein oder eine Privatperson als Vormund bzw. Pfleger bestellt wurde, ist anhand der o.g. Daten nicht möglich. Ein Überblick über die von den Jugendämtern gelieferten Daten, die nur solche Vormundschaften und Pflegschaften abbilden, bei denen das Jugendamt als Vormund bzw. Pfleger bestellt wurde, findet sich nach Jahren (2008 bis 2012) und Verwaltungsbezirken aufgeteilt in der Anlage 1. In dieser Übersicht finden sich auch die Angaben zu den Beistandsschaften, die ebenfalls nicht in der o.g. Liste enthalten sind. Angaben für das Jahr 2013 liegen noch nicht vor. Frage 2. Wie viele dieser Vormundschaften und Pflegschaften wurden jeweils (Bitte nach Jahren und Jugendamtsbezirken aufschlüsseln) a) durch entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Träger der Jugend- hilfe b) durch freie Träger der Jugendhilfe, Vormundschafts- und Betreuungsvereine o.ä. oder c) durch ehrenamtliche Einzelvormünder bzw. -pfleger wahrgenommen? Die Übersicht über die Antworten zu den Fragen 2 a) und b) des Hessischen Landkreistages findet sich in der Anlage 2. Aus einem Landkreis liegen nur unvollständige Zahlen vor. Die Übersicht über die Antworten zu den Fragen 2 a) und b) des Hessischen Städtetags findet sich in der Anlage 3. Die Auflistung ist unvollständig, da nicht alle Städte geantwortet haben. Zur Frage 2 c) sind in den vorliegenden Statistiken keine Angaben über die Wahrnehmung der Vormundschaften und Pflegschaften durch ehrenamtliche Einzelvormünder bzw. -pfleger enthalten . Frage 3. Welche Kosten sind dem Land durch die Übertragung von Vormundschaften und Pflegschaften auf freie Träger, Vormundschafts- und Betreuungsvereine o.ä. in den Jahren 2008 bis 2013 entstanden ? In den vorliegenden Statistiken sind keine Angaben darüber enthalten, welche Kosten jeweils durch die Übertragung von Vormundschaften und Pflegschaften auf freie Träger, Vormundschafts - und Betreuungsvereine entstanden sind. Frage 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit der Realisierung der Vorgaben des § 55 Abs. 2 SGB VIII ohne Ausweitung der zunehmenden Übertragung auf freie Träger, Vormundschaftsund Betreuungsvereine o.ä.? Das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, das in zwei Schritten in Kraft trat (6. Juli 2011 und 5. Juli 2012), verankert die persönlich geführte Vormundschaft als gesetzliches Leitbild. Es besagt, dass auf dieser Grundlage die Pflege und Erziehung eines Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten sind. Damit und mit der im zweiten Schritt gesetzlich eingeführten Fallzahlbegrenzung auf max. 50 Vormundschaften/Pflegschaften pro Vollzeitstelle rückt für die Jugendämter die Suche nach Personen außerhalb des Jugendamtes stärker in den Fokus. § 54 SGB VIII Abs.1 eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit der Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften durch rechtsfähige Vereine, wenn das Landesjugendamt diesen eine Erlaubnis dazu erteilt hat. Die Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften durch freie 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/23 Träger oder Vereine wird von der Landesregierung begrüßt - sofern der freie Träger bzw. Verein die hierzu notwendigen Anforderungen erfüllt. Gemäß § 53 SGB VIII Abs. 1 hat das Jugendamt dem Familiengericht Personen und Vereine vorzuschlagen, die sich im Einzelfall zum Pfleger oder Vormund eignen. Das Jugendamt soll prüfen, wie es selbst oder über Vormundschaftsvereine (ehrenamtliche) Einzelvormünder gewinnen sowie diese bei ihrer Tätigkeit beraten und unterstützen kann. Wird ein Verein vorgeschlagen, ist insbesondere darauf zu achten, dass die Voraussetzungen für eine Bestellung durch das Familiengericht erfüllt sind und eine Erlaubnis durch das Landesjugendamt vorliegt. Ein wichtiger Aspekt bei Vereinsvormundschaften ist die Vergütung durch die Staatskasse. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2011 steht einem Verein nur noch bei Bestellung eines seiner Mitarbeiter als Vormund ein Vergütungsanspruch bzw. Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die Staatskasse zu. Wird der Verein selbst (ohne namentliche Bestellung eines Mitarbeiters) beauftragt, besteht nach der Entscheidung kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Frage 5. Teilt die Landesregierung die Auffassung einiger Bundesländer, dass einer Ausweitung der Übertragung von Vormundschaften und Pflegschaften auf freie Träger, Vormundschafts- und Betreuungsvereine o.ä. durch gesetzliche Maßnahmen oder entsprechende Anweisungen an die Gerichte aus Kostengründen ein Riegel vorgeschoben werden soll? Im Hessischen Ministerium der Justiz gibt es derzeit keine Planungen hinsichtlich gesetzlicher Maßnahmen. Anweisungen an unabhängige Richterinnen und Richter verbieten sich bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen. Frage 6. Sind seitens des Landes entsprechende Anweisungen oder Hinweise an die Gerichte ergangen, einer weiteren Übertragung von Vormundschaften und Pflegschaften auf freie Träger, Vormundschafts - und Betreuungsvereine o.ä. grundsätzlich nicht mehr zustimmen? Frage 7. Ist ein solches Vorgehen nach Meinung der Landesregierung mit der Garantie des gesetzlichen Auftrags nach § 55 Abs. 2 SGB VIII und mit dem Gebot der Subsidiarität in Einklang zu bringen ? Die Fragen 6 und 7 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Anweisungen oder Hinweise an die Gerichte, einer weiteren Übertragung von Vormundschaften und Pflegschaften auf freie Träger, Vormundschafts- und Betreuungsvereine o.ä. grundsätzlich nicht mehr zuzustimmen, sind nicht ergangen. Wiesbaden, 28. März 2013 Stefan Grüttner Anlage(n): Die komplette Drucksache inklusive der Anlage kann im Landtagsinformationssystem abgerufen werden  www.Hessischer-Landtag.de Anlagen zu Antwort KA 19/23