Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Situation des Handwerks in Hessen - Bedeutung des Meisterbriefes für die Qualität und Ausbildungsleistung Drucksache 19/2309 Vorbemerkung der Landesregierung: Das Handwerk ist einer der ältesten Wirtschaftsbereiche mit einer eigenen kulturellen Entwicklung und ein Kernstück der mittelständischen Wirtschaft in Hessen. Seine Tradition ist reich an Werten und Erfahrungen, die Orientierung für Gegenwart und Zukunft geben. Die hessische Handwerkskultur verbindet Tradition und Fortschritt und schafft Beständigkeit in einem permanenten Wandlungs- und Erneuerungsprozess. Diese gelebte Kultur sichert nicht nur den betriebswirtschaftlichen Erfolg, sondern führt zu einem Handwerk, das mehr ist als der Bereich der ökonomischen Wertschöpfung. In über 140 Berufen sind technisches Verständnis, Kreativität und Flexibilität gefragt und in über 100 Ausbildungsberufen werden junge Menschen ausgebildet und auf ihr Berufsleben vorbereitet. Mit dem Handwerk hat das duale Ausbildungssystem in Deutschland ein starkes Fundament. So bildet das hessische Handwerk traditionell weit über den eigenen Bedarf hinaus junge Menschen aus und stellt damit nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Wirtschaftsbereiche qualifizierten Nachwuchs bereit. Gerade das zeichnet die Übernahme von Verantwortung der Handwerksunternehmen für die junge Generation aus und kennzeichnet ihre Weitsicht hinsichtlich der Fachkräftesicherung im eigenen Betrieb. Das Handwerk hat erkannt, dass Innovationen und Wachstum nur möglich sind, wenn es ausreichend Fach- und Führungskräfte gibt. Die beruflichen Perspektiven und Karrieremöglichkeiten sind im Handwerk ebenso vielfältig wie in anderen Wirtschaftszweigen, zumal attraktive berufliche Weiterbildungsangebote bestehen und auch eine Verknüpfung mit akademischen Studiengängen möglich ist. Die Digitalisierung alltäglicher Arbeitsprozesse erfordert erweiterte Kompetenzen , verändert bestehende Berufsbilder und schafft neue handwerkliche Leistungsprofile. Die qualitativ hochwertige berufliche Bildung in handwerklichen Ausbildungsberufen wird dem gerecht und ist ein Qualitätsmerkmal für die deutsche Wirtschaft; der Meisterbrief ist dabei ein Ausweis hoher Qualität. Das Unternehmertum im Handwerk hat Zukunft in Hessen, denn Innovationsfreude , regionale Verbundenheit und unmittelbare Nähe zum Kunden sind hier direkt gegeben . Die Handwerksunternehmen sind daher auch für den regionalen Arbeitsmarkt stabile Ankerpunkte. Insbesondere die sichere Energieversorgung ist im Handwerk ein wichtiges Thema . Vorbildlich hat das hessische Handwerk diese gesellschaftlichen Fragen aufgegriffen und sich neue Tätigkeitsfelder und neue Märkte erschlossen. Das hessische Handwerk ist mit seinen Innovationen, Dienstleistungen und Produkten auch Teil der digitalen Entwicklung im Land. Bei den innovativen Techniken, die ein intelligentes Energiemanagement benötigen, hat gerade das Handwerk die entsprechende Kompetenz. Digitale Prozesse haben auch im handwerklichen Alltag Einzug gehalten. Mit dem Einsatz von Branchensoftware und mobilen Geräten erhöht die digitale Vernetzung die Effizienz in den Betrieben. Der Motor für Wachstum, Beschäftigung und Ausbildung in Hessen wird somit auch durch das Handwerk mit angetrieben. Eine starke Unternehmens- und Ausbildungskultur, in der sich Mut, Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Innovationsfähigkeit bündeln - gepaart mit einem hervorragenden Fachwissen - ist eine der tragenden Säulen der Energiewende und damit der hessischen Gesellschaft. Im hessischen Handwerk arbeiteten 2015 in über 75.000 Betrieben rund 338.000 Beschäftigte - darunter mehr als 25.000 Auszubildende. Sie erwirtschafteten 2015 einen Umsatz von rund 33 Mrd. €. Für das Jahr 2016 rechnet das hessische Handwerk mit ähnlichen Ergebnissen. Die Mittelstandspolitik der Hessischen Landesregierung hat zum Ziel, dem Handwerk in Hessen die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um dessen Erfolg und die Leistungsfähigkeit weiter zu stärken und es dort, wo es erforderlich und zielführend ist, zu unterstützen. Dazu zählen die Förderung und Sicherung von Existenzgründungen, die Unterstützung bei Unternehmensnachfolgen , die Stärkung kundenfreundlicher Beratungsstrukturen, die Schaffung transpa- Eingegangen am 29. März 2016 · Ausgegeben am 7. April 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3267 29. 03. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 renter und an den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Mittelstandes orientierter Vergaberegelungen sowie die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung und des Zugangs zum Kapitalmarkt und des Technologietransfers und insbesondere der Breitbandausbau in Hessen. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung Mittelstand und Handwerk mit Maßnahmen wie dem IT- Sicherheitsleitfaden "Vertraulichkeitsschutz durch Verschlüsselung" und der Förderung des Kompetenzzentrums Mittelstand 4.0 in Darmstadt dabei, den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten. Dies alles ist ein tragfähiges Fundament für das Handwerk als unverzichtbarer Teil der hessischen Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Große Anfrage im Einvernehmen mit dem Kultusminister, dem Minister des Innern und für Sport, dem Minister für Wissenschaft und Kunst, der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: I. Volkswirtschaftliche Bedeutung des hessischen Handwerks Frage 1. Wie schätzt die Landesregierung derzeit die konjunkturelle Lage und die weitere Entwicklung des hessischen Handwerks ein? Das hessische Handwerk blickt auf ein erneut gut verlaufendes Geschäftsjahr 2015 mit ausgezeichneten Geschäften. Bereits im fünften Jahr in Folge ist die Stimmung in den Handwerksbetrieben ungetrübt und gut. Die Binnenkonjunktur und auch die wirtschaftliche Situation im europäischen Ausland sind zurzeit stabil. Die Daten der Konjunkturindikatoren zeigen im gerade abgelaufenen Jahr ein positives Bild. Die Stimmungstendenz im hessischen Handwerk zeigt auch für den Beginn des neuen Jahres weiter aufwärts. Die Auftragslage ist hervorragend. Das Jahresergebnis zu den Auftragseingängen übertraf geringfügig das Ergebnis des Jahres 2014. Gut 77 % der Betriebe haben einen steigenden oder kontinuierlichen Auftragseingang. Dementsprechend gut entwickelten sich auch die Umsätze, die bei fast 77 % der Unternehmen in 2015 mindestens gleich blieben. In Hessen wird zudem viel in Sanierung von Bestandsimmobilien oder neue Wohn- und Gewerbebauten investiert. Auch die verstärkte Zuwanderung bringt dem Handwerk Aufträge, da z.B. neue Unterkünfte gebaut werden oder bestehende bewohnbar zu machen sind. Auch die anhaltende Konsumfreude der Verbraucherinnen und Verbraucher berechtigt zur Annahme, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Handwerk mindestens auf dem jetzt erreichten Stand verbleibt, sich aber eher noch weiter verbessert. Die Stimmung in den Handwerksbetrieben ist nach wie vor sehr gut, insgesamt haben fast 86 % der hessischen Handwerksunternehmen eine mindestens zufriedenstellende Geschäftslage (vgl. Anlage Nr. 1). Der Fachkräftemangel, der auch mit unbesetzt gebliebenen Ausbildungsstellen einhergeht, verhinderte 2015 einen größeren Beschäftigtenaufbau. Dennoch ist es dem hessischen Handwerk gelungen, wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Bis zum Stichtag 31.12.2014 konnten 9.515 neue Lehrverträge in den drei hessischen Kammern eingetragen werden (vgl. Anlage Nr. 2). In allen drei Kammerbezirken teilen die Betriebe zu mehr als 80 % mit, sie seien mit ihrer Geschäftslage mindestens zufrieden. In 2015 verzeichnete der Kammerbezirk Frankfurt-Rhein- Main die günstigste Beurteilung, der Zufriedenheitsgrad (Geschäftslage gut und befriedigend) wird hier mit 87 % angegeben. Der Kammerbezirk Kassel beurteilt seine Lage in 2015 leicht unterdurchschnittlich. In der nordhessischen Region geben 83,3 % der Handwerksunternehmen ein positives Urteil ab; dies sind allerdings mehr (0,5 %) als im Jahr zuvor. Im Kammerbezirk Wiesbaden schätzen 86,8 % der Betriebe ihre Lage als gut oder zufriedenstellend ein. Hier gab es den größten Jahreszuwachs mit 4,8 %. Insgesamt zeigt sich das hessische Handwerk im Berichtsjahr 2015 als verlässlicher und stabiler Wirtschaftsbereich, der dazu beiträgt, den Wirtschaftsstandort und die konjunkturelle Entwicklung in Hessen auf hohem Niveau zu festigen. Zu erwarten ist, dass sich auch im Jahr 2016 diese positive wirtschaftliche Entwicklung fortsetzen wird. Frage 2. Wie haben sich im hessischen Handwerk seit 2010 Umsatz und Beschäftigung, insbesondere im Vergleich zur Gesamtwirtschaft, entwickelt (bitte jeweils nach Jahren und Gewerbe aufgeschlüsselt )? Wie hat sich im angegebenen Zeitraum der Anteil des Handwerks am Bruttoinlandsprodukt (BIP) entwickelt (ggf. geschätzt)? Die Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung im hessischen Handwerk und im handwerksähnlichen Gewerbe seit 2010 ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 3 Umsatz und Beschäftigte im Handwerk in Hessen Handwerksgruppe 2010 2011 2012 2013 2014 Veränderung 2010 bis 2014 in % Umsatz* in Mrd. € (ohne MwSt) Handwerk 1 29,129 30,869 30,128 30,098 30,700 5,4 Handwerksähnliches Gewerbe 0,771 0,802 0,817 0,821 0,799 3,6 insgesamt 29,9 31,671 30,945 30,919 31,499 5,3 Beschäftigte* im Handwerk Handwerk 1 313500 318600 318000 316000 316700 1,0 Handwerksähnliches Gewerbe 21000 21700 22000 22200 21600 2,9 insgesamt 334500 340300 340000 338200 338300 1,1 Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern * = Zahlen: geschätzt ab 2008 erfolgt die Schätzung des Umsatzes und der Beschäftigten nach der Unternehmensregisterauswertung des Statistischen Bundesamtes 1 zulassungspflichtige und zulassungsfreie Handwerke der Anlage A und B1 der zum 01.01.2004 novellierten HwO (s. Anlage Nr. 3) Eine Darstellung der Entwicklung unterteilt nach Gewerbezweigen liegt in Form von Messzahlen auf der Basis 2009 = 100 vor: Umsatz in zulassungspflichtigen Handwerksunternehmen nach Gewerbezweigen 2010 bis 2014 Umsatz1 2009 = 100 Umsatz 2010 2011 2012 2013 2014 Veränderung 2010 bis 2014 in % Bauhauptgewerbe 100,6 107,8 104,0 103,0 106,0 5,4 Ausbaugewerbe 106,6 108,2 104,9 107,0 108,1 1,4 Handwerke für den gewerblichen Bedarf 106,1 118,2 114,9 115,6 117,2 10,5 Kraftfahrzeuggewerbe 91,8 99,3 95,7 94,5 96,2 4,8 Lebensmittelgewerbe 98,2 99,5 100,6 93,2 93,4 -4,9 Gesundheitsgewerbe 103,5 104,9 104,4 106,0 111,4 7,6 Handwerke für den privaten Bedarf 98,9 100,7 100,4 101,2 101,1 2,2 Beschäftigte in zulassungspflichtigen Handwerksunternehmen nach Gewerbezweigen 2010 bis 2014 Beschäftigte 30.09.2009 = 100 Gewerbe 2010 2011 2012 2013 2014 Veränderung 2010 bis 2014 in % Bauhauptgewerbe 96,3 95,7 94,7 93,0 92,0 -4,5 Ausbaugewerbe 98,0 98,9 98,8 98,6 99,5 1,5 Handwerke für den gewerblichen Bedarf 97,9 99,8 101,7 102,3 103,1 5,3 Kraftfahrzeuggewerbe 97,1 98,1 98,2 97,5 97,4 0,3 Lebensmittelgewerbe 98,9 97,7 96,6 95,6 95,2 -3,7 Gesundheitsgewerbe 100,6 102,6 102,9 103,6 104,4 3,8 Handwerke für den privaten Bedarf 96,4 93,6 92,1 91,2 90,6 -6,0 Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt 1 Ohne Umsatzsteuer Ein Vergleich mit der Entwicklung der Gesamtwirtschaft ist nur bedingt möglich, da keine Daten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für das Handwerk vorliegen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Anteile an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung können nur nach Wirtschaftsbereichen gemäß den international harmonisierten Klassifikationen dargestellt werden. Die hier vorgenommenen Untergliederungen stellen auf die produzierten Güter ab, nicht aber auf die Frage, ob die Produktion handwerklich erfolgt. Das Handwerk ist nach der vorabgenannten Klassifikation in verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu finden und auch in einzelnen Wirtschaftsbereichen können sowohl handwerkliche als auch andere Produktionstätigkeiten vorliegen. Damit ist auf Basis der vorhandenen Einteilung nach Wirtschaftsbereichen eine quantitative und belastbare Konstruktion der Bruttowertschöpfung des Handwerks nicht möglich. Als gesamtwirtschaftlicher Vergleichsmaßstab für die Entwicklung bieten sich die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und die Entwicklung der Erwerbstätigen für Hessen an: Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und der Zahl der Erwerbstätigen in Hessen 2010 bis 2014 2010 2011 2012 2013 2014 Veränderung 2010 bis 2014 in % Bruttoinlandsprodukt in Mio. € 226899 235065 236493 242652 250494 10,4 Erwerbstätige in 1000 3177 3222 3258 3272 3309 4,1 Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt Beide gesamtwirtschaftliche Kenngrößen zeigen für den Betrachtungszeitraum einen günstigeren Verlauf als die entsprechenden Daten beim Handwerk. Frage 3. Welche Handwerks- und Gewerbegruppen hatten bei der Umsatz- und Beschäftigungssituation Rückgänge und welche hatten die größten Zuwächse zu verzeichnen? Was sind nach Auffassung der Landesregierung die Ursachen hierfür? Die Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung in den verschiedenen Gewerbezweigen ist den in Frage 2 dargestellten Tabellen zu entnehmen. Eine negative Umsatzentwicklung verzeichnete demnach das Lebensmittelgewerbe. Am günstigsten entwickelte sich der Umsatz insbesondere in den Handwerken für den gewerblichen Bedarf , im Gesundheitsgewerbe und im Bauhauptgewerbe. Beschäftigungsrückgänge gab es bei den Handwerken für den privaten Bedarf, im Bauhauptgewerbe und im Lebensmittelgewerbe. Auch bei der Beschäftigung waren die höchsten Zuwächse in den Handwerken für den gewerblichen Bedarf und im Gesundheitsgewerbe zu verzeichnen. Einflussfaktoren sind unter anderem die konjunkturelle Entwicklung und strukturelle Nachfrageveränderungen , die sich insbesondere auf das Lebensmittelhandwerk negativ auszuwirken scheinen. Einer der Gründe hierfür ist aus Sicht der Hessischen Landesregierung ein verändertes Kaufverhalten der Konsumenten. Lebensmittel, die dem Handwerk zugerechnet werden wie Back- und Fleischwaren, werden vermehrt bei Discountern und Tankstellen gekauft mit der Folge, dass dieser Umsatz und die hier Beschäftigten in der Statistik nicht dem Handwerk zugerechnet werden, da es sich nicht um Handwerksbetriebe handelt. Die wachsende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen des Gesundheitsbedarfs ist sicherlich - nicht zuletzt auch im Zuge der älter werdenden Gesellschaft - für die Umsatz- und Beschäftigungssteigerungen im Gesundheitsgewerbe von Bedeutung. Bei der positiven Entwicklung der Handwerke für den gewerblichen Bedarf spielt auch der günstige Konjunkturverlauf im Produzierenden Gewerbe eine Rolle. In dem Beschäftigungsrückgang im Bauhauptgewerbe bei gleichzeitiger erkennbarer Umsatzsteigerung spiegeln sich Produktivitätssteigerungen - etwa durch Rationalisierungen und/oder Organisationsoptimierungen - wider. Frage 4. Wie haben sich die Branchenstruktur insgesamt sowie die Betriebsgrößen im Handwerk seit 2010 entwickelt? In welchen Bereichen hat sich die Branchenstruktur besonders deutlich geändert? Aus den bei der Antwort zu Frage 3 dargestellten Entwicklungen lassen sich gewisse Veränderungstendenzen bei der Branchenstruktur schließen. So haben die vorwiegend auf die Nachfrage von privaten Haushalten ausgerichteten Handwerksbereiche (Lebensmittelgewerbe, Handwerke für den privaten Bedarf) - sowohl bezogen auf den Umsatz als auch bezogen auf die Beschäftigung - Rückgänge bzw. einen unterdurchschnittlichen Zuwachs zu verzeichnen. Überdurchschnittlich stark zugenommen haben - sowohl beim Umsatz als auch bei der Beschäftigung - die Handwerke für den gewerblichen Bedarf. Die Entwicklung im Bauhauptgewerbe ist gespalten. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 5 Während die Bedeutung dieses Handwerksbereichs bezogen auf den Umsatz zugenommen hat, ist sie bezogen auf die Beschäftigung rückläufig. Im Hinblick auf die Entwicklung der Betriebsgrößen lassen sich folgende Feststellungen treffen: So ist im Bereich des Handwerks gemäß Anlagen A und B1 der zum 01.01.2004 novellierten Handwerksordnung (s. Anlage Nr. 3) zwischen 2010 und 2014 ein Rückgang der durchschnittlichen Betriebsgrößen von 5,2 auf 5,0 Beschäftigte festzustellen. Damit folgt die aktuelle Entwicklung dem langjährigen Trend. So hatte im Jahre 2004 ein Handwerksbetrieb in Hessen im Durchschnitt noch 6,6 Mitarbeiter. Im handwerksähnlichen Gewerbe liegt die durchschnittliche Beschäftigtenzahl seit 2004 nahezu unverändert bei 1,8 Personen. Auch im Betrachtungszeitraum von 2010 bis 2014 hat sie sich auf diesem Niveau bewegt. II. Ausbildung und Qualifikation im hessischen Handwerk Frage 5. Wie hat sich die Ausbildungsleistung im Handwerk seit 2010 verändert und wie hoch ist derzeit der Anteil des Handwerks an allen Lehrstellen in Hessen? Im hessischen Handwerk wurden laut Lehrlingsstatistik des Hessischen Handwerkstages 2014 insgesamt 9.515 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen (Stand 31.12.). Damit bleibt der Anteil des Handwerks bei den insgesamt neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in Hessen mit rund 26 % im Hinblick auf die Vorjahreszahlen stabil, liegt aber bei insgesamt rückläufigen Ausbildungszahlen wie im Jahr 2013 wieder unter der 10.000er-Marke (vgl. Anlage Nr. 2). Frage 6. Wie werden die Ausbildungsangebote des Handwerks nachgefragt bzw. wie viele Ausbildungsverträge wurden in welchem Ausbildungsberuf 2014 geschlossen? Welche Handwerksberufe werden durch die Jugendlichen besonders stark nachgefragt und welche in geringem Maße? Was sind aus Sicht der Landesregierung die Gründe hierfür? Im Hinblick auf die Frage, wie die Ausbildungsangebote des Handwerks nachgefragt werden, wird auf Anlage Nr. 4 verwiesen, die darstellt, wie viele Ausbildungsverhältnisse der insgesamt 9.515 Ausbildungsverhältnisse in welchen Ausbildungsberufen bzw. Branchen in 2014 abgeschlossen wurden. Differenziert nach Handwerksgruppen hatten die "Elektro- und Metallhandwerke", die "Bauund Ausbauhandwerke" sowie die "Gesundheitshandwerke" hinsichtlich der Zahl der Neuabschlüsse die größte Bedeutung. In diesen drei Handwerksgruppen wurden über 74 % aller Neuverträge geschlossen. Diesbezüglich eine geringe Bedeutung hatten die Gruppen "Bekleidungs-, Textil- und Lederhandwerke" sowie "Glas-, Papier-, keramische und sonstige Handwerke" (vgl. Anlage Nr. 5). Die Gründe für eine geringe Nachfrage in bestimmten Ausbildungsberufen sind aus Sicht der Hessischen Landesregierung vielfältig. Zum einen sind es standortbedingte Gründe, die die Berufswahl beeinflussen, d.h. dass die Jugendlichen sich den Ausbildungsberufen zuwenden, die in ihrer Region angeboten werden und für die es eine entsprechende Infrastruktur vor Ort gibt. Dazu gehören auch Erwägungen hinsichtlich der Beschulungssituation, wenn beispielsweise die Entfernung zur nächsten Berufsschule sehr groß oder die Beschulung ausschließlich in Landesfach- bzw. Bundesfachklassen möglich ist. Zum anderen wählen Jugendliche häufig einen ihnen bekannten oder vertrauten Ausbildungsberuf, sodass Berufe mit einem geringen Bekanntheitsgrad weniger Zuwachs erfahren. Hinzu kommen die Unterschiede in der Höhe der Ausbildungsvergütung, die zwischen den einzelnen Berufen sehr unterschiedlich ausfallen. Insgesamt konzentrieren sich rund 65 % der Neuverträge auf die zehn am stärksten besetzten Handwerksberufe, womit sich im Hinblick auf die vergangenen Jahre keine wesentliche Veränderung ergibt. Die zehn am stärksten besetzten Handwerksberufe sind laut der Lehrlingsstatistik 2014 des Hessischen Handwerkstages: - Kraftfahrzeugmechatroniker/in, - Friseur/in, - Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, - Elektroniker/in, - Maler/in und Lackierer/in, - Tischler/in, - Metallbauer/in, - Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk - Bäckerei, - Dachdecker/in und - Bäcker/in. 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Frage 7. Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede bestehen derzeit im Hinblick auf die gewählten Ausbildungsberufe? Welche Ursachen haben nach ihrer Ansicht die festgestellten Präferenzen? Welche Maßnahmen ergreift sie, um insbesondere Ausbildungsberufe im technischen Bereich bei jungen Frauen stärker in das Bewusstsein zu bringen? Insgesamt wurden im Jahr 2014 im hessischen Handwerk 9.515 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen - rund ein Fünftel davon mit weiblichen Auszubildenden. Frauen schlossen in den zehn am häufigsten gewählten Berufen 80 % aller Neuverträge ab. Dabei bildete der Beruf Friseurin den absoluten Schwerpunkt, gefolgt vom Beruf Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk. Insgesamt entfielen auf diese beiden Berufe allein rund 48 % aller Neuabschlüsse. Männer schlossen in den zehn am häufigsten gewählten Berufen 67 % der Neuverträge ab - dabei dominierte der Beruf Kraftfahrzeugmechatroniker (vgl. Anlage Nr. 6). Die Ursachen für diese fokussierte Berufswahl sind nicht eindeutig geklärt, liegen aber wohl vor allem darin, dass Jugendliche sich sehr stark an Vorbildern orientieren und auf bekannte Berufsund Rollenbilder zurückgreifen. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftebedarfes der kommenden Jahre wird es erforderlich sein, darauf weiter zu reagieren und die schulisch gut gebildeten Mädchen und Frauen für ein wesentlich breiteres Spektrum an Berufen zu gewinnen und gleichzeitig die Bereitschaft von Unternehmen zu erhöhen, Frauen in sogenannten Männerberufen auszubilden. Entscheidend ist für die Hessische Landesregierung dabei eine frühzeitige gendersensible Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung, mit Beratung und Veranstaltungen, die für Mädchen und Jungen ein breites Berufswahlspektrum eröffnen, das nicht durch Rollenstereotype eingeengt wird. Besonders die Anhebung des Frauenanteils in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Natur - und Ingenieurwissenschaft und Technik) nimmt vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung für die Landesregierung eine große Bedeutung ein. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung hat hierzu im Jahr 2011 die hessische MINT-Aktionslinie in Kooperation mit der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen. Sie beinhaltet bisher die folgenden drei MINT- Berufsorientierungsprojekte, die Schülerinnen und Schülern der 8. und 9. Klassen vorwiegend im Haupt- und Realschulbildungsgang einen Einblick in MINT-Berufsfelder bieten: - Das Projekt "MINT-Girls-Camp" richtet sich dabei ausschließlich an Mädchen. Es gewährt ihnen an acht hessischen Standorten während eines fünftägigen Ferienaufenthaltes Einblicke in die MINT-Thematik durch praktische Erfahrungen in den Werkstätten der kooperierenden Betriebe. - "I am MINT" basiert auf Kooperationsvereinbarungen zwischen Schulen und umliegenden Ausbildungsbetrieben und bietet bevorzugt Schülerinnen, aber auch Schülern, die Möglichkeit , im Laufe eines Schuljahres an mehreren Unternehmensnachmittagen teilzunehmen. Das Besondere ist dabei die altersgerechte Ansprache durch Auszubildende in diesen Unternehmen , die durch die Veranstaltung führen und darüber hinaus als speziell ausgebildete Mentorinnen und Mentoren zur Verfügung stehen. - "MINT - Die Stars von Morgen" beinhaltet die Teilnahme an sechs bis acht Experimentiermodulen in den hessischen Science-Centern in Zusammenarbeit mit MINT- Ausbildungsbetrieben und richtet sich ebenfalls an beide Geschlechter. Alle Projekte werden von einer gezielten MINT-Berufsberatung flankiert. Das Hessische Kultusministerium spricht ebenfalls über Projekte und Aktionen mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern aus den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft gezielt junge Menschen für die unterschiedlichen Bereiche der MINT-Fächer an, um ihr Interesse hierfür zu wecken. Hierzu zählen Projekte wie "Kleine Forscher entdecken MINT", "Zukunft Erleben MINT", "MINT Messe", Wettbewerbe wie "Jugend forscht" und "Mathematik- Wettbewerb" sowie Experimentierangebote in sogenannten Science Centern wie u.a. dem Schülerforschungszentrum Nordhessen, dem Mathematikum in Gießen, dem Chemikum in Marburg und dem Experiminta in Frankfurt. Der Schwerpunkt der außerschulischen Angebote liegt klar im Bereich der Berufsorientierung bzw. des Übergangs von der Schule zum Studium und unterstützt deutlich die Nachwuchsförderung im Bereich der MINT-Fächer. Der "Girls' Day" als eine Initiative mit Blick auf die Förderung des Interesses von Schülerinnen an Berufen, in denen Frauen bislang unterrepräsentiert sind, ergänzt das breite Angebot an Wettbewerben und Öffnungen der Schulen zur Arbeits- und Berufswelt. Der "Girls' Day - Mädchenzukunftstag" ist eine Form der Berufsorientierung, in der vor allem technische und na- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 7 turwissenschaftliche Unternehmen, Betriebe mit technischen oder naturwissenschaftlichen Abteilungen und Ausbildungen, Hochschulen und Forschungszentren sowie Handwerksbetriebe an diesem Tag ihre Türen öffnen, um den Mädchen Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche dieser Arbeitswelt zu gewähren. Der "Girls‘ Day" ermöglicht es, männlich dominierte Berufsfelder kennenzulernen und technische, handwerkliche oder naturwissenschaftliche Berufsbereiche auszuprobieren, um das Interesse bei Mädchen für naturwissenschaftlich-technische Berufe zu wecken und entsprechende weibliche Karrieren gezielt zu fördern. Darüber hinaus bietet das Hessische Kultusministerium schulorganisatorische sowie unterrichtsinhaltliche Maßnahmen zur Unterstützung der MINT-Förderung von Schülerinnen und Schülern. Frage 8. Mit welchen Maßnahmen unterstützt sie Menschen mit einer Behinderung bei der Suche nach Ausbildungsplätzen im Handwerk? Existieren umgekehrt spezielle Projekte für die Unterstützung von Betrieben bei der Ausbildung von Menschen mit Behinderungen? Menschen mit Behinderungen haben viele Potenziale und bringen Innovationen in Unternehmen voran. Wo behinderte und nicht behinderte Menschen zusammenarbeiten, werden besondere Fähigkeiten sichtbar, es entstehen innovative Lösungen. Mit diesem Grundverständnis fördert das Hessische Ministerium für Soziales und Integration verschiedene Projekte und Institutionen. Hierzu zählen: - das Pilotprojekt "Inklusion & Innovation", - das Projekt "Kompass - Zentrum für Existenzgründung" und - die "Deutsche Blindenstudienanstalt e.V." Die genannten Fördermaßnahmen bieten kleinen und mittelständischen Betrieben u.a. im Handwerk Hilfe bei der Einstellung/Ausbildung von Menschen mit Behinderungen. Mit der Förderung des Netzwerks "Berufsabschluss in Teilzeit - TAff in Hessen" will die Hessische Landesregierung auch Teilzeit-Ausbildungen für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen finden und fördern. Dazu wurde eine Vereinbarung geschlossen, die von den beteiligten Jobcentern, Kammern, Bildungsträgern und einigen Landkreisen unterzeichnet wurde. Ein Internetauftritt zu TAff ist in Arbeit. Darin sollen Informationen für Ausbildungssuchende und Unternehmen sowie für alle Regionen in Hessen Ansprechpersonen zu finden sein. Gesellschaftliche Inklusion erreichen zu wollen, erfordert insbesondere auch, dass sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dem vorhandenen Potenzial von Menschen mit Behinderungen nicht verschließen und entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Es steht grundsätzlich und branchenunabhängig jedem Arbeitgebenden ein umfangreiches Leistungsspektrum der Träger der Arbeitsvermittlung, der Rehabilitationsträger und des Integrationsamtes des Landeswohlfahrtsverbands Hessen zur Verfügung. Für Unternehmen im Handwerk, die oftmals von einer kleinen, familiär geführten Struktur gekennzeichnet sind, ist es motivierend, schnelle und unbürokratische Hilfe zur Seite gestellt zu bekommen. Diese Hilfen müssen zusätzlich zu den finanziellen Fördermöglichkeiten kommen und verlässlich sein. Mit dem Landesprogramm "HePAS" (Hessisches Perspektivprogramm zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen) soll schwerbehinderten Menschen der Zugang zu einer Beschäftigung erleichtert werden. Es werden neben finanziellen Anreizen für eine Beschäftigungsaufnahme auch personelle Unterstützungen für die Betroffenen und ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gewährt. Das Ziel liegt in stabilisierenden Arbeitsverhältnissen durch individuelle Unterstützung von Anfang an. Das Angebot, bei Bedarf eine kontinuierliche personelle Begleitung schon in den Erprobungsphasen wie Praktika- und Probearbeitsverhältnissen zur Verfügung zu stellen, soll dazu beitragen, die oftmals lückenhaften Unterstützungsprozesse im Sinne der Entstehung nachhaltiger Beschäftigungen zu verbessern. Gerade für kleine, nicht nach Sozialgesetzbuch (§ 71 Abs. 1 SGB IX) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtete Unternehmen, die verstärkt im hessischen Handwerk vertreten sind, werden besondere Prämien angeboten. Daneben wird vornehmlich für Kleinbetriebe und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Wege eines Modells eine "Servicestelle inklusiver Arbeitsmarkt" installiert, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von bürokratischen Hemmnissen bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen entlasten soll und mit ihren Serviceangeboten nicht nur als Wegweiser durch die Fördermodalitäten fungiert, sondern durch ihre Manager- und Kümmerer-Funktion dazu beitragen soll, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verstärkt für die Bereitschaft, schwerbehinderten Menschen eine Chance in ihrem Unternehmen zu geben, sensibilisiert und gewonnen werden können. Im Rahmen der "Initiative Inklusion" sollen bei Kammern (Handwerks-, Industrie- und Handels - sowie Landwirtschaftskammern) verstärkt Kompetenzen für die Inklusion schwerbehinder- 8 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 ter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen werden. Die Kammern sollen in den Bereichen Ausbildung und Personalgewinnung ihre Mitglieder in allen Fragen der Teilhabe schwerbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kompetent unterstützen und beraten, damit deren Inklusion in die Berufswelt verstärkt werden kann. Ziel ist auch, das Spektrum angebotener Ausbildungsberufe zu erweitern und einen Auf- und Ausbau von Netzwerken mit allen Akteuren der beruflichen Eingliederung zu unterstützen. So sollen gezielt mehr Ausbildungs - und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen entstehen. In Hessen beteiligen sich derzeit zwei Handwerkskammern aktiv an dem Projekt und haben Inklusionsberaterinnen und Inklusionsberater für ihre Mitgliedsunternehmen installiert. Darüber hinaus werden Betriebe, die schwerbehinderte Menschen ausbilden wollen, von den Erfordernissen einer Reha- und sonderpädagogischen Zusatzqualifikation entlastet, da die Begleitung der ausbildenden Betriebe bzw. der betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder und der schwerbehinderten Auszubildenden durch die insoweit geschulten Inklusionsberaterinnen und Inklusionsberater der Kammern übernommen wird. Frage 9. Wie hoch ist der Anteil an Migrantinnen und Migranten bei den Auszubildenden in Handwerksberufen und welche Branchen werden bevorzugt gewählt? Wie hoch ist der Anteil an von Migrantinnen und Migranten geführten Handwerksbetrieben? Sind Unterschiede bei der Ausbildungsleistung festzustellen? Falls ja, wie bewertet die Landesregierung diese Unterschiede? Im Gegensatz zur Erfassung des Anteils ausländischer Personen gibt es keine Daten zu Auszubildenden mit einem Migrationshintergrund. Statistische Erhebungen weisen diesen in aller Regel nicht aus. Seit dem Jahr 2005 werden lediglich im Rahmen des Mikrozensus jährlich Angaben zu einem etwaigen Migrationshintergrund der Bevölkerung erhoben, der sich wie folgt definiert : "Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählen alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil." Eine vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung in Auftrag gegebene Studie kommt darüber hinaus zu folgenden Ergebnissen: Die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund ist bundes- und hessenweit etwa doppelt so hoch wie die der Ausländerinnen und Ausländer. Der Anteil der Migrantinnen und Migranten an der hessischen Bevölkerung ist nach dem Baden-Württembergs der zweithöchste der bundesdeutschen Flächenstaaten.1 Insofern sind die nachfolgend genannten Anteile mit dem statistischen Merkmal "Ausländer" schätzungsweise zu verdoppeln. Im hessischen Handwerk betrug der Ausländeranteil an allen Auszubildenden im Jahr 2014 10 %. Im Bundesdurchschnitt lag er laut Statistischem Bundesamt bei 6,1 %. Wichtigste Berufsgruppen für ausländische Auszubildende im hessischen Handwerk sind die Gesundheitsdienstberufe mit 15,8 %, der Bereich Bau und Ausbau mit 10,3 % sowie die Berufe in der Gruppe Bekleidung mit 10,3 %.2 Von den insgesamt 9.515 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Jahr 2014 wurden 11 % mit ausländischen Auszubildenden abgeschlossen. Dabei bildete der Beruf Friseur/in den Schwerpunkt. Zahl der Neuverträge mit ausländischen Auszubildenden in Ausbildungsberufen des Handwerks im Jahr 2014 Friseur/in 190 Kraftfahrzeugmechatroniker/in 112 Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik 111 Elektroniker/in FR Energie- und Gebäudetechnik 93 Maler/in und Lackierer/in FR Gestaltung und Instandhaltung 88 Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk SP Bäckerei 36 Tischler/in 33 Fahrzeuglackierer/in 29 Metallbauer/in FR Konstruktionstechnik 27 Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement 24 Quellen: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur, Erhebung zum 31.12.2014 1 Vgl. Die Ausbildungs- und die Arbeitsmarktsituation der hessischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Hessen Agentur, Report Nr. 759, 2009 2 Vgl. Auswertung der Lehrlingsstatistik 2014 des Hessischen Handwerkstages, S. 34 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 9 In den Handwerksrollen der drei hessischen Kammern werden die Handwerksbetriebe nach ihrer Rechtsform erfasst. Den größten Anteil der Betriebe stellen die inhabergeführten Einzelbetriebe , sie machen ca. 76 % des gesamten Betriebsbestandes aus. Nur in diesen inhabergeführten Einzelbetrieben lässt sich die Staatsangehörigkeit der Inhaberinnen und Inhaber zweifelsfrei statistisch erheben. Aus der unten dargestellten Tabelle lässt sich der Anteil der inhabergeführten Einzelbetriebe in Hessen, die eine Inhaberin oder einen Inhaber mit anderer als deutscher Staatsangehörigkeit haben , im Zeitablauf seit 2010 ablesen, dies sind rund ein Fünftel der genannten Betriebe. 2010 2011 2012 2013 2014 Aktuell Hessen 18 % 20 % 21 % 22 % 22 % 22 % Quelle: Handwerkskammer Wiesbaden Unterschiede bei den Ausbildungsleistungen von Betrieben, die Inhaberinnen oder Inhaber mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit haben, im Vergleich zu den übrigen Handwerksbetrieben werden statistisch nicht erhoben. Frage 10. Welche spezifischen Maßnahmen wurden ergriffen, um vor dem Hintergrund der aktuellen Situation jungen Flüchtlingen Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk zu eröffnen bzw. ihre Ausbildung zu erleichtern? Sind für die Dauer des Ausbildungsverhältnisses befristete Aufenthaltserlaubnisse möglich? Sind hier weitere gesetzliche Änderungen erforderlich, z.B. am Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz)? Zentraler Baustein für die Integration junger Flüchtlinge ist eine gelingende berufliche Erstausbildung . Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung setzt deshalb in diesem Bereich - gemeinsam mit der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit und der hessischen Wirtschaft - einen Schwerpunkt. Das Land stellt zusätzliche Mittel zur Verfügung, um die vorhandenen Programme des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft , Energie, Verkehr und Landesentwicklung und die Regelinstrumente des SGB III zu ergänzen und Förderlücken zu schließen, die für Ausbildungsinteressierte mit berufsbezogenem Deutschförderungsbedarf existieren. Die wesentlichen, auch für Flüchtlinge relevanten Programme und Initiativen sind: "Die landesweite Strategie OloV" Die Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit (OloV) zwischen Schule und Betrieb ist eine Unterstützungsstruktur für die Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf durch passgenaue Vermittlung in eine berufliche Ausbildung auf der Grundlage hessenweiter Qualitätsstandards . Die OloV-Aktivitäten werden für Flüchtlinge im Schulalter (besonders ab der 7./8. Jahrgangsstufe) relevant. Initiative "ProAbschluss" Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung hat im Januar 2015 die Initiative "ProAbschluss" für die Nachqualifizierung von Beschäftigten (inklusive geringfügig Beschäftigter) gestartet. Für diesen Personenkreis stehen Beratungsangebote in allen Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung. Als finanzielle Unterstützung bei der Nachqualifizierung, auch beim Nachholen von Qualifizierungen im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens , gibt es den Qualifizierungsscheck für Beschäftigte. "ProAbschluss" arbeitet dabei in enger Kooperation mit den Anerkennungsberatungsstellen. Neues Förderprogramm "gut ausbilden" Das neue Förderprogramm "gut ausbilden" setzt finanzielle Anreize für Kleinstunternehmen (unter zehn Beschäftigten), die Ausbildungsqualität zu erhöhen und Ausbildungsplätze anzubieten . Gefördert werden damit u.a. Qualifizierungen für Auszubildende (Prüfungsvorbereitung, Zusatzqualifizierungen, Stützunterricht) und für das Ausbildungspersonal. Auch die Förderung von berufsbezogenem Sprachunterricht ist möglich. Bündnis Ausbildung Hessen 2015-2019 Im Bündnis Ausbildung Hessen hat sich die Wirtschaft zur Bereitstellung von 1.500 Plätzen für Einstiegsqualifizierung, die zur Vorbereitung einer Ausbildung für die Zielgruppe Flüchtlinge besonders geeignet ist, und 1.500 zusätzlichen Ausbildungsstellen verpflichtet. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung unterstützt diese Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen u.a. durch eine Begleitmaßnahme zur Einstiegsqualifizierung und Ausbildungsplatzförderung. 10 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Darüber hinaus hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung seine Förderaktivitäten daraufhin überprüft, ob sie durch eine Veränderung z.B. der Förderbedingungen noch stärker für die Gruppe der Flüchtlinge geöffnet werden können. Die Prüfung führte zu folgenden Ergebnissen: - Erweiterung der Ausbildungsplatzförderung auf Ausbildungsbewerberinnen und Ausbildungsbewerber mit erhöhtem Sprachförderbedarf. - Auflage eines landesweiten Projekts "Wirtschaft integriert", das als Förderkette aus Berufsorientierung , Einstiegsqualifizierung (EQ), betrieblicher Ausbildung und Ausbildungsbegleitung konzipiert ist. Zielgruppe sind junge Menschen unter 27 Jahren mit erhöhtem Sprachförderbedarf . Berufsbezogene Sprachförderung ist durchgängiger Bestandteil der Förderung. Gefördert werden 1.000 Berufsorientierungsplätze, 700 EQ-Plätze, 400 Ausbildungsplätze bei Sprachförderbedarf sowie die Ausbildungsbegleitung betrieblicher Ausbildung für Flüchtlinge. - Die Förderung der Initiative "ProAbschluss" wurde an die Zielgruppe der Flüchtlinge angepasst . So ist eine Förderung nun auch für Praktika möglich, ebenso wird berufsbezogener Sprachunterricht gefördert und die Begleitung während der Nachqualifizierung auch auf die Gruppe der Flüchtlinge eingestellt. Die Übernahme der Kosten betrieblicher Kompetenzfeststellungen im Anerkennungsverfahren wird geprüft und die Erweiterung der Angebote für berufsbezogenes Deutsch in die Wege geleitet. - Für alle Programme gilt: Sensibilisierung der Träger und des Projektpersonals für die Zielgruppe Flüchtlinge, u.a. durch Erfahrungsaustausch und Fortbildungen. - Mit den Kammern werden Modifikationen bei den Kammerprüfungen (z.B. die Benutzung von Wörterbüchern) überprüft. Mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, welches in dem hier fraglichen Teil am 01.08.2015 in Kraft getreten ist, wurden § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes folgende Sätze angefügt: "Dringende persönliche Gründe im Sinne von Satz 3 können insbesondere vorliegen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in Deutschland vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufnimmt oder aufgenommen hat und nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes stammt. In den Fällen nach Satz 4 kann die Duldung für ein Jahr erteilt werden. Die Duldung soll in den Fällen nach Satz 4 für jeweils ein Jahr verlängert werden, wenn die Berufsausbildung noch fortdauert und in einem angemessenen Zeitraum mit ihrem Abschluss zu rechnen ist." Damit wird auch gesetzlich zum Ausdruck gebracht, dass Ausländerinnen und Ausländer, obgleich sie vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind, unter den vorgenannten Voraussetzungen die Möglichkeit haben, eine qualifizierte Ausbildung in Deutschland aufzunehmen oder fortzuführen . Hierbei handelt es sich formal nicht um eine befristete Aufenthaltserlaubnis, sondern um eine Duldung. Jungen Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, werden gleichwohl eine Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Frage 11. Welche allgemeinschulischen Bildungsabschlüsse bringen die Auszubildenden in die handwerkliche Lehre ein? Wie hat sich das Verhältnis der Abschlüsse zueinander seit 2004 verändert? Wie hoch ist der Anteil von Auszubildenden mit allgemeiner Hochschulreife, die ein Studium in Hessen begonnen, jedoch ohne Abschluss abgebrochen haben? Nahezu die Hälfte (49,1 %) aller Auszubildenden im hessischen Handwerk, die ihre Ausbildung im Jahr 2014 begonnen haben, verfügen über einen Hauptschulabschluss. Damit liegt das hessische Handwerk weit über dem Gesamtanteil von Auszubildenden mit Hauptschulabschluss in Hessen , der sich auf 29 % beläuft. Die Entwicklung seit 2004 zeigt aber, dass der Anteil der Auszubildenden mit Hauptschulabschluss kontinuierlich sinkt. Im Jahr 2004 lag er noch bei fast 60 %. Der Anteil Auszubildender mit einem mittleren Abschluss der allgemeinbildenden Schule beträgt 36,2 %. Hier zeigt sich eine andere Entwicklung über die letzten zehn Jahre und ein Anstieg um rund 10 % bei den Auszubildenden, die eine handwerkliche Lehre aufnehmen. Jugendliche ohne einen Hauptschulabschluss münden in geringer, aber im Zehnjahresrückblick ebenfalls leicht steigender Zahl (3,4 %) in eine handwerkliche Ausbildung ein. Der Anteil Jugendlicher mit einer Hochschul- bzw. Fachhochschulreife im Handwerk ist mit 10,9 % ebenfalls eher niedrig, hat sich aber seit 2004 verdoppelt (vgl. Anlage Nr. 7). Eine Statistik über den Anteil von Auszubildenden mit allgemeiner Hochschulreife, die ein Studium in Hessen begonnen, jedoch ohne Abschluss abgebrochen haben, gibt es nicht. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 11 Frage 12. Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang das "Duale Studium Hessen"? Wie gestaltet sich derzeit die Situation dieses Ausbildungsformates und welchen Beitrag leistet es zur Ausbildung in Hessen? Welche Schritte hat die Landesregierung unternommen, um die Nachhaltigkeit der Weiterentwicklung des dualen Studiums in Hessen in Zukunft zu gewährleisten? Die Hessische Landesregierung misst dem Konzept des dualen Studiums eine große Bedeutung bei. Das duale Studium ist eine innovative Studienform, die sowohl den Bedürfnissen nach akademischer wie auch beruflicher Ausbildung optimal gerecht wird. Es bietet den Studierenden durch die enge Verzahnung von Berufsausbildung oder intensiven Praxisphasen mit dem Studium eine hervorragende Vernetzung von Theorie und Praxis. Duale Studienangebote ermöglichen es, auf die vielfältigen und wachsenden Anforderungen an künftige Fachkräfte adäquat zu reagieren. Ferner stärkt das duale Studium die Zusammenarbeit der Bildungseinrichtungen mit der Wirtschaft . Dies kommt auch dem Technologietransfer unmittelbar zugute. Aufgrund dieser engen Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und der konstant steigenden Nachfrage unter Studierenden wie Unternehmen kommt dem dualen Studium eine wissenschafts- wie arbeitsmarktpolitisch steigende Bedeutung zu. In Hessen gibt es seit mehr als zehn Jahren duale Studiengänge. Durch private und öffentliche Hochschulen sowie Berufsakademien verfügt Hessen über eine große Vielfalt an Anbietern und Studiengängen in diesem Bereich. Dies kommt dem Interesse der Unternehmen an passgenauen Lösungen entgegen und wird regionalen Besonderheiten besser gerecht . Das Konzept, Bildungsangebote im tertiären Bereich auch im ländlichen Raum anzusiedeln, ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Regionen abseits von Ballungsgebieten. Junge Menschen können auf diese Weise in ihrer Heimatregion gehalten werden. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst initiierten 2008 die Kampagne "Duales Studium Hessen", um Transparenz in die bestehende Palette an dualen Studienangeboten in Hessen zu bringen. Ziel ist es, den Ausbau dieser innovativen Studienform zu fördern und sie bekannter zu machen: vor allem bei Unternehmen und Schülerinnen sowie Schülern. Seither ist die Anzahl dual Studierender in Hessen von rund 2.200 in 2008 auf 5.025 im Wintersemester 2014/2015 gestiegen. Die duale Studienform wird an den hessischen Hochschulen und Berufsakademien insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Informatik, Technik und Ingenieurwissenschaften, aber auch in den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie den Gesundheitswissenschaften angeboten. Auf der Internetseite www.dualesstudium-hessen.de finden Interessierte alle Informationen zu den hessischen Bildungsanbietern und eine Datenbank mit den rund 100 dualen Studienmöglichkeiten in Hessen. Neben der Beratung durch die Bildungsanbieter bieten das Hessische Kultusministerium, die Industrie - und Handelskammern und die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit Studien- und Berufsorientierung für das "Duale Studium Hessen" an. - Das Land Hessen hat die Dachmarke "Duales Studium Hessen" etabliert und fördert unter dieser Marke die qualitätsgesicherte Vernetzung aller Bildungsanbieter. Grundlage ist ein Kriterienkatalog, den eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen , Berufsakademien, Wirtschaftsverbänden sowie des Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums 2010 formuliert hat. Darin wurden erstmals klare Anforderungen als Mindeststandards festgeschrieben. - Im August 2013 wurde eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zwischen der Hessischen Landesregierung und der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern unterzeichnet. Darin ist u.a. das Ziel formuliert, dass sich bis 2020 die Zahl der dual Studierenden in Hessen auf rund 8.000 verdoppeln soll. Mit dem Memorandum of Understanding wird die Kampagne "Duales Studium Hessen" in nachhaltige Strukturen überführt. - In neu eingerichteten regionalen Informationsbüros bieten die zehn hessischen Industrie- und Handelskammern seit 2014 hessenweit eine anbieterneutrale und unabhängige Beratung zum dualen Studium für Unternehmen und Studieninteressierte an. Die Beratung erfolgt dabei auch für Handwerksberufe. Die regionale Verankerung soll dazu beitragen, Angebot und Nachfrage im dualen Studium noch besser zusammenzuführen. - Mit der im Juni 2015 unterzeichneten gemeinsamen Erklärung zur Ausgestaltung und Nutzung der Dachmarke "Duales Studium Hessen" haben das Hessische Ministerium für Wirtschaft , Energie, Verkehr und Landesentwicklung, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das Hessische Kultusministerium, die Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie - und Handelskammern, die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit sowie die beteiligten Hochschulen und Berufsakademien ihr gemeinsames Engagement für das duale Studium in Hessen erneut bestätigt. Ziel der Erklärung ist es, die Bekanntheit der Dachmarke und ihrer Qualitätskriterien weiter zu fördern. - Ferner wurde im neuen Hochschulpakt für die Jahre 2016 bis 2020 vereinbart, dass duale Studiengänge ausgebaut und weiterentwickelt werden. Das Land fördert die Einrichtung neuer dualer Studiengänge auch im Rahmen des Studienstrukturprogramms. Das Studienstrukturprogramm dient der strukturellen Weiterentwicklung des hessischen Hochschulwesens. Im Rah- 12 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 men eines in der Regel wettbewerblichen Verfahrens stehen jährlich rund 2 Mio. € zur Verfügung , mit denen Anschubfinanzierungen für Projekte zur Weiterentwicklung von Studium und Lehre, u.a. auch für neue duale Studiengänge, gewährt werden können. Frage 13. Wie gestaltet sich die Situation bei den vollzeitschulischen Ausbildungsberufen nach Landesrecht außerhalb des Gesundheits- und Sozialbereichs, die an Berufsfachschulen ausgebildet werden und mit einer staatlichen Prüfung abschließen (Assistentenberufe)? Eine vollschulische Berufsausbildung in der zweijährigen höheren Berufsfachschule - Assistentenausbildung , ohne Sozialassistenten - wird nach der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung an den zweijährigen Höheren Berufsfachschulen (Assistentenberufe) vom 01.03.2011 (Abl.) S. 70) in 14 Fachrichtungen angeboten: Bekleidungstechnik, Biologietechnik, Biomasse /Nachwachsende Rohstoffe (Schulversuch), Bürowirtschaft, Chemietechnik, Fremdsprachensekretariat , Gestaltungs-/Medientechnik, Hotellerie/Gastronomie/Fremdenverkehrswirtschaft, Informationsverarbeitung-Technik, Informationsverarbeitung-Wirtschaft, Maschinenbautechnik, Solarthermie/Photovoltaik (Schulversuch), Systemgastronomie und Umweltschutztechnik. Die beiden Schulversuche sind abgeschlossen und werden mit der Fachrichtung Umweltschutztechnik zu einer Fachrichtung Nachhaltige Umweltschutztechnik zusammengeführt. In der zweijährigen Höheren Berufsfachschule sind im Schuljahr 2014/2015 insgesamt 4.365 Schülerinnen und Schüler ausgebildet worden, davon 2.427 in der Jahrgangsstufe 11 und 1.938 in der Jahrgangsstufe 12. Die Hessische Landesregierung hat sich im Bündnis Ausbildung Hessen für die Jahre 2015 bis 2019 mit den Bündnispartnern darauf verständigt, das Angebot in der zweijährigen Höheren Berufsfachschule bis zum Schuljahr 2018/2019 so anzupassen, dass es nur noch dann ein vollschulisches Ausbildungsangebot geben soll, wenn es zu einer bestimmten Fachrichtung keinen dualen Ausbildungsberuf gibt und wenn die Bundesagentur für Arbeit auf dem regionalen Arbeitsmarkt einen entsprechenden Fachkräftebedarf feststellt; darüber hinaus kann ein schulisches Bildungsangebot in dieser Schulform auch dann erfolgen, wenn es zwar duale Ausbildungsberufe zu den Fachrichtungen gibt, allerdings regionale Ausbildungsmöglichkeiten fehlen und die Arbeitsagentur Regionalbedarfe an Fachkräften registriert. Frage 14. Welche Bildungszentren des Handwerks existieren in Hessen? In welcher Form werden sie oder vorhandene Bildungsstätten durch das Land unterstützt? Wie gestaltet sich die Situation in der überbetrieblichen Ausbildung? In Hessen existieren 42 Bildungszentren des Handwerks (einschließlich der Lehrbauhöfe) sowie ein Bildungszentrum der Bauindustrie. Eine entsprechende Aufstellung der erfassten Bildungsstätten gibt die nachfolgende Tabelle wieder: 1. ABZ Ausbildungszentrum der Bauwirtschaft Marburg Marburg 2. Arbeitsgemeinschaft Stufenausbildung (Bau) Kassel (ASK) Ausbildungszentrum der Bauwirtschaft Stufenausbildung (Bau) Kassel 3. Ausbildungszentrum der Bauinnung Limburg-Weilburg Limburg 4. Ausbildungszentrum der Bauwirtschaft für den Werra-Meißner-Kreis Eschwege 5. Ausbildungszentrum der Bauwirtschaft Nidda Nidda 6. BBZ Berufsbildungszentrum Marburg Marburg 7. BBZ Mitte GmbH Petersberg 8. Berufsbildungs- u. Technologiezentrum (BTZ) Wiesbaden I "Karl- Schöppler-Haus" Wiesbaden 9. Berufsbildungs- u. Technologiezentrum (BTZ) Wiesbaden II "Robert- Werner-Haus" Wiesbaden 10 Berufsbildungs- und Technologiezentrum Bensheim Bensheim 11. Berufsbildungs- und Technologiezentrum Frankfurt Frankfurt/Main 12. Berufsbildungs- und Technologiezentrum Hanau Hanau/Main 13. Berufsbildungs- und Technologiezentrum Weiterstadt Weiterstadt 14. Berufsbildungszentrum Korbach Korbach 15. Berufsbildungszentrum Metall Hersfeld-Rotenburg Bad Hersfeld 16. Bildungszentrum Bau Osthessen (BBO) Lehrbauhalle Fulda Petersberg 17. Bildungszentrum der Maler- und Lackierer-Innung Fulda an der Ferdinand -Braun-Schule Fulda 18. Bildungszentrum für Orthopädie-Schuhtechnik Südwest Langen 19. Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) Lahn-Dill "Arnold- Spruck-Haus" Wetzlar 20. Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes (BUBIZA) Kassel 21. Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik Maintal Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 13 22. BZ Bildungszentrum Kassel GmbH Kassel 23. BZL Bildungs- und Technologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik Lauterbach Lauterbach 24. Dachdecker-Zentrum Hessen Weilburg 25. EBL (Eberhard-Borst-Lehrbaustelle) Bildungszentrum Frankfurt (Bauindustrie ) Frankfurt/Main 26. Holzfachschule Bad Wildungen Bad Wildungen 27. IBW Innovation Bildung Wiesbaden Wiesbaden 28. Kompetenzzentrum des Fachverbandes Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik Gießen 29. Kreishandwerkerschaft Gießen Gießen 30. Kreishandwerkerschaft Groß-Gerau Groß-Gerau 31. Kreishandwerkerschaft Schwalm-Eder Homberg 32. Landesfachschule des Friseurhandwerks Frankfurt/Main 33. Landesfachschule des Kfz-Gewerbes Hessen Frankfurt/Main 34. Landesfachschule des Schornsteinfegerhandwerks Hessen Bebra 35. Landesinnungsverband Friseurhandwerk Hessen Hanau 36. Lehrbauhof Frankenberg Frankenberg/ Eder 37. Lehrbauhof Lauterbach Lauterbach 38. Lehrbaustelle der Bauwirtschaft Hersfeld-Rotenburg Bebra 39. Lehrbaustelle des Bauhandwerks Schlüchtern 40. Lehrwerkstatt der Innung des Kfz-Gewerbes Stadt und Landkreis Offenbach am Main Offenbach/Main 41. Lehrwerkstatt der Kreishandwerkerschaft, Kraftfahrzeug-Innung Gelnhausen 42. Metallfachschule Hessen Oberursel 43. Werkakademie für Gestaltung Hessen Kassel Das Land unterstützt diese Bildungsstätten mit dem Förderprogramm "Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten" mit Landesmitteln und Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Gefördert werden Investitionen für Erwerb, Aus- und Umbau, Erweiterung und in einzelnen Fällen auch die Errichtung sowie die Ausstattung und Anpassung an die technische Entwicklung einschließlich der zugehörigen Internate. Darüber hinaus sollen die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten in Hessen durch eine Servicestelle für die Bildungszentren des Handwerks gefördert werden, die im Januar 2016 ihre Arbeit aufgenommen hat. Das Land fördert die zweijährige Pilot- und Anlaufphase. Diese bundesweit bislang einmalige Servicestelle soll die Bildungszentren bei der Entwicklung von gemeinsamen Marketinginstrumenten, der Öffentlichkeitsarbeit, der Analyse des Weiterbildungsmarktes, der Entwicklung neuer Bildungsprodukte und durch den Aufbau eines Dozentenpools unterstützen und die Abstimmung der regionalen Bildungsangebote verbessern. In der Förderperiode 2007 bis 2013 und den Jahren 2014 und 2015 hat das Land die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten mit rund 14,9 Mio. € aus Landes- und mit rund 12,6 Mio. € aus EFRE-Mitteln gefördert. Neben den Berufsbildungsstätten wird auch die Durchführung der Lehrlingsunterweisung in den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten gefördert. In der Grundstufe (1. Ausbildungsjahr) fördert das Land bis zu 60 % der gemäß Kostenplan anerkannten Lehrgangskosten. In der Fachstufe (2. und 3. Ausbildungsjahr) fördern Bund und Land die Lehrgänge, wobei die Zuschüsse des Landes bis zu 50 % der zu unterstellenden Bundesförderung betragen. Die folgende Tabelle weist die bewilligten Zuschüsse für die Lehrlingsunterweisung der letzten Jahre für das Handwerk aus. 2007 2008 2009 2010 2011 Grundstufe 2.598.091,50 2.602.703,50 2.405.679,00 2.223.993,00 2.393.082,00 Fachstufe 1.494.502,50 1.575.560,00 1.546.692,50 1.485.266,00 1.448.882,00 2012 2013 2014 2015 Gesamt Grundstufe 2.326.652,50 2.290.413,50 2.191.992,50 2.190.600 21.223.207,50 Fachstufe 1.455.667,50 1.412.824,50 1.436.747,50 1.467.200 13.323.342,50 14 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Die Erhöhung der Pauschale für die Gemeinkosten in der Berechnung der Lehrlingskosten von 1,80 € auf 2,10 € durch den Bund hat das Land für die Grund- und Fachstufe zum 01.01.2015 mitvollzogen. Hieraus resultieren geschätzte jährliche Mehrkosten in Höhe von rund 222.000 €. Des Weiteren wird die Durchführung der Maßnahmen der Berufsorientierung (BO) in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten nach dem Bundesprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2009 vom Land mit bislang rund 2,1 Mio. € kofinanziert (siehe folgende Tabelle). Bewilligungen von Zuschüssen für die Durchführung von Berufsorientierungsmaßnahmen im Handwerk: Berufsorientierungsmaßnahmen (BO) 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Zuschuss des Landes zur BO in Euro 112.500 158.400 195.951 319.650 333.350 491.400 488.250 Teilnehmende 750 1056 1306 2131 2222 3276 3255 Frage 15. Welche spezifisch an das Handwerk adressierten Elemente enthält das kürzlich vorgestellte "Bündnis Ausbildung Hessen"? Mit welchen Programmen und Maßnahmen unterstützt die Landesregierung hierbei die Betriebe bei der Ausbildung und bei Problemen im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses, z.B. bei einem drohenden Ausbildungsabbruch? Das "Bündnis Ausbildung Hessen" ist eine Vereinbarung zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunalen Spitzenverbänden, der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit und der Hessischen Landesregierung. Das Ziel des Bündnisses ist es grundsätzlich, die duale Ausbildung zu stärken und attraktiver zu machen, so dass sich wieder mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung entscheiden. Aus diesem Grund enthält das Bündnis überwiegend Maßnahmen , 1. die alle oder alle klein- und mittelständischen Ausbildungsbetriebe unterstützen, 2. solche, die überwiegend Handwerksbetrieben zugutekommen und 3. nur wenige Maßnahmen, die spezifisch an das Handwerk adressiert sind. Die folgenden Maßnahmen bzw. Förderprogramme werden in der Regel mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und mit Landesmitteln gefördert: Zur ersten Kategorie von Maßnahmen/Programmen gehört die landesweite Strategie OloV - Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang von der Schule in den Beruf, durch die die Ausbildung aller Betriebe durch die Förderung der Berufsorientierung und der Ausbildungsreife der Jugendlichen, die Kompetenzfeststellung sowie die Akquise von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen und durch die passgenaue Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildung nach landeseinheitlichen Standards erheblich unterstützt und erleichtert wird. Das trifft auch auf die Nachwuchsgewinnung und das Programm Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule (QuABB) zur Vermeidung vorzeitiger Ausbildungsabbrüche zu. Die zweite Kategorie bilden die Programme "gut ausbilden" (Stärkung der Ausbildungsfähigkeit und -qualität von Kleinstunternehmen"), "Ausbildungsplatzförderung" und "Mobilitätsberatungsstellen ". Sie kommen überwiegend Handwerksbetrieben zugute. Im Rahmen des Programms "gut ausbilden" werden hessische Kleinstunternehmen bei der Ausbildung unterstützt. Gefördert werden die Nachwuchsgewinnung, die Nachwuchsbindung und die wettbewerbsfähige Qualität der Ausbildung z.B. durch externe Ausbildungsabschnitte oder die Beratung/Qualifizierung des Ausbildungspersonals. Das Programm startete am 17.08.2015 mit einer Laufzeit bis Ende 2020. Insgesamt sollen während der Programmlaufzeit mindestens rund 3.300 Kleinstunternehmen mit einer Förderhöchstsumme je Kleinstunternehmen (und Auszubildenden) von 4.000 € gefördert werden. Das Programm "Ausbildungsplatzförderung" unterstützt die Fortsetzung der Ausbildung nach Insolvenz, teilweiser Stilllegung, Schließung des Erstausbildungsunternehmens oder bei sonstigem Ausbildungsabbruch ; die Fortsetzung der Ausbildung, die Jugendliche im Strafvollzug begonnen haben und die nach Haftentlassung in einem Ausbildungsbetrieb fortgesetzt wird sowie die Ausbildung von Altbewerberinnen und Altbewerbern aus dem Vorvorjahr. Betriebe können Zuschüsse in Höhe der Ausbildungsvergütung für max. sechs Monate erhalten. Im Haushaltsjahr 2015 wurde die Förderung von 500 Plan-Ausbildungsplätzen vorgesehen. Die Programmlaufzeit ist unbefristet mit jährlichem Haushaltsvorbehalt. Zur Finanzierung werden Landesmittel eingesetzt. Das Pro- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 15 gramm "Förderung von Mobilitätsberatungsstellen" hat zum Ziel, die grenzüberschreitende Mobilität bereits während der Ausbildung oder im Anschluss daran zu realisieren und so das auslandserfahrene Personal zu vergrößern. Insgesamt werden sechs (Vollzeit-)Beraterstellen in Hessen, davon drei bei der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, (je eine Beraterstelle in Kassel, Marburg, Fulda und Wiesbaden und zwei Beraterstellen in Frankfurt am Main) gefördert. Das Programm startete am 01.01.2015 mit einer Laufzeit bis Ende 2020. Zur dritten Kategorie der spezifisch an das Handwerk adressierten Maßnahmen gehören die Programme zur Förderung der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten und der Ausbildungslehrgänge (siehe auch Antwort zu Frage 14). Die Fördermittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus Landesmitteln. Frage 16. Welche weiteren Elemente enthält die "Qualifizierungsoffensive Hessen" im Zusammenhang mit der Qualifizierung von Beschäftigten in Handwerksbetrieben? Ergeben sich besondere Herausforderungen aufgrund der häufig anzutreffenden kleinen Betriebsgrößen ? Neben den bereits unter Frage 15 genannten Maßnahmen enthält die "Qualifizierungsoffensive Hessen" eine Initiative zur Nachqualifizierung. Diese Initiative "ProAbschluss" ist ein wichtiger Baustein der Qualifizierung Beschäftigter. Zielgruppe sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und ihre Beschäftigten. Da im Handwerk Kleinst- und Kleinbetriebe überproportional vertreten sind, bilden sie eine wichtige Zielgruppe der landesweiten Initiative. "ProAbschluss" legt den Schwerpunkt auf die Nachqualifizierung von Beschäftigten, die keinen Berufsabschluss haben oder deren Berufsabschluss nicht mehr verwertbar ist. Die Förderung einer landesweiten Beratungs- und Begleitstruktur von Bildungscoaches und Mobilen Nachqualifizierungsberatungsstellen sowie die Förderung durch einen Qualifizierungsscheck schaffen Voraussetzungen dafür, dass Beschäftigte einen Berufsabschluss nachholen können. Dazu sensibilisiert pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt ein Bildungscoach kleine und mittlere Betriebe für den Nutzen und die Möglichkeiten der kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung, insbesondere der abschlussbezogenen Nachqualifizierung, vor allem durch aufsuchende Beratung. Weiterhin gibt es drei Stellen der mobilen Nachqualifizierungsberatung in Hessen, die in Frankfurt am Main, Gießen und Kassel ansässig und für das Thema Nachqualifizierung spezialisiert sind und neben den Weiterbildungsinteressierten auch die Bildungscoaches beratend unterstützen. Sie sind hessische Leitstellen und Expertinnen und Experten für das Thema Nachqualifizierung von Beschäftigten , die auch bei der Beratung für die Qualifizierungsschecks mitwirken. Um die individuelle Nachqualifizierung zu fördern, wird das Förderinstrument des neuen Qualifizierungsschecks eingesetzt. Nachqualifizierungsmaßnahmen, die über 1.000 € kosten (Abgrenzung zum Förderprogramm der Bildungsprämie des Bundes), werden zu 50 % gefördert. Die Förderprogramme "Bildungscoaches und Nachqualifizierungsberatungsstellen" und "Qualifizierungsscheck " werden aus Landesmitteln und Mitteln aus dem Europäischen Sozialfond (ESF) finanziert und laufen die gesamte ESF-Förderperiode 2014 bis 2020. Traditionell findet ein bedeutender Teil der dualen Ausbildungsaktivitäten in Kleinstbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten statt. Allerdings ist die Ausbildungsbeteiligung der Kleinstbetriebe bereits seit mehreren Jahren rückläufig. Die Ausbildungsquote, also der Anteil der Auszubildenden an den Beschäftigten eines Betriebes, ist dennoch im kleinbetrieblich organisierten Handwerk in Hessen mit knapp 8 % recht hoch und liegt deutlich über der durchschnittlichen Ausbildungsquote des Landes Hessen mit 4,8 %. Zum Teil würden Betriebe auch weiterhin gerne ausbilden, finden aber keine Auszubildenden. Hintergrund ist u.a. die starke Konkurrenz der Industrie bzw. größerer Unternehmen um den knapper werdenden Nachwuchs. Kleinere Betriebe haben zugleich in geringerem Maße als größere Betriebe die Möglichkeit, den Jugendlichen zusätzliche Schulungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen und damit eine attraktive Ausbildung anzubieten. Um diesen Trend entgegenzusteuern und kleine Betriebe im Wettbewerb um Auszubildende zu stärken, hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im August 2015 das neue Förderprogramm "gut ausbilden - Qualität in kleinen Betrieben" gestartet. Frage 17. Was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen, um auch zukünftig die hohe Ausbildungsleistung im Handwerk zu sichern? Die Hessische Landesregierung ist sich der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks bewusst und setzt sich dafür ein, auch in Zukunft die Förderung insbesondere der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten und Lehrgangsunterweisung auf dem hohen Niveau der Vergangenheit fortzusetzen. 16 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Zusätzlich stärkt die Hessische Landesregierung die Ausbildungsfähigkeit und Ausbildungsqualität von Kleinstunternehmen. Im Handwerk sind kleine Unternehmen überproportional vertreten . In der Konkurrenz mit anderen Unternehmen um Fachkräfte und Fachkräftenachwuchs haben sie oft spezifische Wettbewerbsnachteile, die dazu führen, dass Ausbildungsstellen nicht besetzt werden können. Das neue Förderprogramm "gut ausbilden - Qualität in kleinen Betrieben" wendet sich deshalb besonders an Kleinstunternehmen (siehe auch Antwort zu Frage 15). Frage 18. Wie wirkt sich die Energiewende auf die Ausbildung und Weiterqualifikation von Fachkräften aus? Wie verändern sich die Anforderungen an Bewerber und die Ausbildungsgänge durch die Energiewende ? Laut einer vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung geförderten Studie "Energiesektor und Energiewende" aus dem Jahr 2013 sind 56 % der im Energiewendesektor tätigen Handwerksbetriebe aktuell oder zukünftig auf der Suche nach Fachkräften für ihren Betrieb. Ausbildung Gemessen an der Gesamtwirtschaft ist der Anteil der Betriebe im Energiewende-Sektor (EW- Sektor), die ausbilden, relativ hoch einzustufen. Der Anteil der ausbildenden Betriebe liegt hier bei rund 40 % im Vergleich zur Gesamtwirtschaft mit 36 %. Hoch einzustufen ist auch die Ausbildungsintensität von 5,7 % in den Betrieben des EW-Sektors; in der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil der Auszubildenden an allen Beschäftigten bei 4,9 %. Für dieses große Ausbildungsengagement sind vor allem die Handwerksbetriebe des Sektors verantwortlich; diese haben zugleich besonders große Probleme, die angebotenen Ausbildungsstellen zu besetzen. Auch die im EW-Sektor gestiegenen qualifikatorischen Anforderungen führen dazu, dass viele Betriebe Ausbildungsstellen nicht besetzen können oder aber auf Jugendliche zurückgreifen müssen, deren Fähigkeiten nicht vollständig den Anforderungen entsprechen. Um den besonderen Bedarfen dieser Jugendlichen gerecht zu werden und Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, gibt es bestehende Unterstützungs- und Beratungsstrukturen - die Qualifizierte berufspädagogische Ausbildungsbegleitung in Berufsschule und Betrieb (QuABB) des Landes Hessen. Das Handwerk als "offizieller Ausrüster der Energiewende" ist in einem modernen, zukunftsträchtigen Feld aktiv, was bereits entsprechend vermarktet wird. Gleichzeitig kann die Vielfalt der dort vorhandenen Möglichkeiten und Aufgaben vielen jungen Menschen noch weiter bekannt gemacht werden. Die Energiewende stellt eine Chance dar, junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen. Aus Sicht des Handwerks des EW-Sektors ist es wichtig, branchenspezifische Kenntnisse der Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer zu intensivieren und immer aktuell zu halten. Außerdem wünschen die Betriebe sich Anpassungen im Bereich der Ausbildung. Im Kontext der Energiewende haben ganzheitliche Ansätze und ein hoher Vernetzungsgrad an Bedeutung gewonnen , was in den bestehenden Ausbildungsgängen stärker Berücksichtigung finden sollte. Dies gilt es, in zu novellierenden Ausbildungsordnungen seitens des Bundes umzusetzen. Weiterbildung Der größte Anteil, etwa 57 % der Betriebe, sieht einen großen Bedarf an Weiterbildung und Qualifizierung auf sich zukommen. Die hessischen Betriebe des EW-Sektors gaben zu 71 % an, heute schon ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Weiterbildungen und mit 65 % über Fortbildungsangebote zu qualifizieren. Im Rahmen dieser Weiterbildungs- und Fortbildungsangebote werden Maßnahmen für die Fachkraft für erneuerbare Energien bereits bei den Betrieben der Branche sehr stark mit 44 % nachgefragt. Auch die Fachkräfte für spezifische Energieformen wie die Solartechnik werden häufiger genannt, ebenso wie einige Profile aus dem Effizienzbereich , wie der/die Gebäudeenergieberater/in, die Fachkraft für Wärmedämmtechnik oder der/die Energieberater/in im Sanitärbereich. Daran schließt sich die Frage an, ob sich die Betriebe vor neue qualifikatorische Anforderungen gestellt sehen, die unmittelbar durch die Energiewende verursacht wurden. Für 52 % der Betriebe des EW-Sektors trifft dies zu. Am stärksten betroffen sind hierbei die Handwerksbetriebe im EW-Sektor, die zu zwei Dritteln neue Anforderungen aufgrund der Energiewende sehen. Diese neuen Anforderungen sind Folgen von Struktur- und Prozessveränderungen, rechtlichen Neuregelungen und neuen (IT-)Techniken. Der hohe Anteil an Betrieben, die sich durch die Energiewende vor neue Anforderungen gestellt sehen, wirft die Frage auf, wie die Betriebe diese Herausforderung zu meistern versuchen. Rund drei Viertel der Betriebe geben an, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittels Zusatzqualifikationen weiterzubilden. 84 % tun dies mittels Schulungsangeboten bei Herstellerinnen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 17 und Herstellern und Lieferantinnen und Lieferanten und 69 % durch innerbetriebliche Fortbildungen . Die neuen Anforderungen führen zu zusätzlichen Bedarfen an Qualifikationen. Neue qualifikatorische Anforderungen Insgesamt wurden elf Schlüsselqualifikationen im Bereich der erneuerbaren Energien identifiziert und erfasst. Dabei wurden die Qualifikationen in vier Kompetenzbereiche unterteilt. Fachkompetenz - Technische Kenntnisse - Wissen zu Speichertechnologien - Beratung über sparsamen Energieverbrauch Betriebswirtschaftliche Kompetenz - Unternehmerisches Denken - Betriebswirtschaftliches Wissen - Kenntnisse aktueller Förderprogramme Lern- und Methodenkompetenz - Schnelles Einarbeiten in immer neue Aufgaben - Übernahme zeitlich begrenzter Führungsaufgaben/Projektmanagement Sozialkompetenz - Soziale Kompetenzen - Kundenorientierung - Kommunikation mit Kundinnen und Kunden Fast alle definierten Qualifikationsanforderungen werden nach Einschätzung der Betriebe in ihrer Bedeutung in den kommenden drei Jahren zunehmen. Den höchsten Bedeutungszugewinn sehen die Unternehmen für die technischen Kenntnisse. Außerdem rechnen die Betriebe mit höheren Anforderungen bei nahezu allen Qualifikationen. Bedeutsamer werden neben technischen Kenntnissen auch unternehmerisches Denken, Kundenorientierung oder das schnelle Einarbeiten in neue Aufgaben. Dies zeigt, dass technische, betriebswirtschaftliche, methodische und soziale Kompetenzen gleichermaßen gefordert sind, um die qualifikatorischen Herausforderungen der Energiewende zu meistern. Unternehmen setzen verstärkt auf ein breites Kompetenz-Portfolio. III. Strukturelle Herausforderungen und wirtschaftlicher Wandel Frage 19. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Eigenkapitallage der Handwerksunternehmen und hat sich diese Eigenkapitalausstattung seit 2010 signifikant verändert? Falls ja, welche Ursachen hat nach ihrer Ansicht die festgestellte Entwicklung? Auf Basis der Befragung des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. vom Februar 2015 ergeben sich die nachfolgenden Werte für die Eigenkapitallage der Handwerksunternehmen in Hessen: Anteil des Eigenkapitals in Handwerksunternehmen in Hessen Jahr bis 10 % 10 % bis 20 % 20 % bis 30 % über 30 % 2010 34,9 23,5 16,1 13,7 2011 37,8 30,2 7,1 20,4 2012 34,2 36,0 8,4 7,3 2013 32,3 28,0 12,9 15,9 2014 26,2 25,1 17,6 17,2 2015 28,5 21,3 15,9 17,2 Quelle: Verband der Vereine Creditrefom e.V. Differenzen zur Summe von 100 % ergeben sich durch den Anteil der Handwerksbetriebe, die auf die Frage nach einer Einordnung ihrer Eigenkapitalquote nicht antworteten (Rest ohne Angaben). Über die letzten sechs Jahre lässt sich eine Festigung bei der Ausstattung der Betriebe mit Eigenkapital (EK) feststellen. Im Hinblick auf die Bonitätsbewertung sind insbesondere die Werte einer EK-Quote unter 10 % (bezogen auf die gesamte Bilanzsumme) auffällig, die eher unzureichend oder schwach zu erachten sind. Unternehmen mit einer EK-Ausstattung über 30 % sind mit Eigenkapital solide ausgestattet. 18 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Im deutschen Mittelstand und damit auch im Handwerk hat sich zwischen 1997 und 2010 ein grundlegender Wandel in der Finanzierungsstruktur vollzogen. Durch Basel II sind Banken dazu verpflichtet, höhere Kapitalunterlegungen für Kredite bereitzustellen. Damit haben Handwerksbetriebe einen Anreiz ihre Bilanz zu stärken, insbesondere beim Eigenkapital. In den 1990er-Jahren wiesen viele Bilanzen kleiner Unternehmen negative Kapitalquoten auf. Dies lag an der Vermögensverteilung zwischen dem Unternehmen und dem privaten Besitz der Unternehmerin oder des Unternehmers. Während Teile des Vermögens in den 1990er-Jahren oftmals der Unternehmerin oder dem Unternehmer zugeordnet waren, hat sich dies in den folgenden Jahren zugunsten der Unternehmensbilanz verändert. Frage 20. Was unternimmt die Landesregierung, um die Nachfolge bei Betriebsübergaben - insbesondere aus Altersgründen - zu erleichtern und die Entwicklung eines funktionierenden Marktes für Betriebsübergaben zu fördern? Verstärkt die demografische Entwicklung die Herausforderung beim Betriebsübergang? Laut Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn stehen deutschlandweit in den nächsten Jahren (2014 bis 2018) 135.000 Unternehmen zur Übergabe an, davon in Hessen 10.600 Betriebe . Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat im Zuge der Konjunkturberichterstattung für das erste Quartal 2015 gemeinsam mit 40 Handwerkskammern (29 in West- und 11 in Ostdeutschland) eine Umfrage zum Thema "Betriebsnachfolge im Handwerk" durchgeführt. Danach plant in den kommenden fünf Jahren beinahe jede vierte Inhaberin oder jeder vierte Inhaber, ihren bzw. seinen Betrieb an eine Nachfolge zu übergeben (18,2 %) oder zu schließen (6,6 %). Die größte Hürde für einen erfolgreichen Übergabeprozess stellt dabei laut ZDH-Studie für die Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber im Handwerk die Suche nach einer geeigneten Nachfolge dar (26,8 %). Laut Studie schrumpft die Altersgruppe der besonders gründungaktiven /übernahmewilligen 25- bis 45-Jährigen bedingt durch die demografische Entwicklung und die Zahl der potenziell Nachfolgenden wird damit kleiner. Davon sind besonders die mittelgroßen Handwerksbetriebe mit 5 bis 19 Beschäftigten betroffen. Für 13,8 % der Inhaberinnen und Inhaber ist die Ermittlung des Unternehmenswerts die größere Herausforderung. Das Land Hessen erleichtert den Prozess der Nachfolge bei Betriebsübergaben und fördert die Entwicklung eines funktionierenden Marktes bei Betriebsübergaben wie folgt: - Regionale Pilotprojekte der Kreishandwerkerschaft Waldeck-Frankenberg sowie der Kreishandwerkerschaft Bergstraße: Ziel beider Projekte war es, Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber mit einem Alter von Anfang 50 für das Thema Betriebsübergabe durch frühzeitige Klärung und Einleitung der Fortführung der klein- und mittelständischen Betriebe, Sicherung der Betriebsübergabe, Begleitung des Prozesses und Erhalt der damit verbundenen Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sensibilisieren. - Die "Kampagne für Weitermacher" wurde von 2010 bis 2013 in Trägerschaft der UHD Hessen (Unternehmensberatung für Handel und Dienstleistung GmbH), der Beratungs- und Serviceeinrichtung des Handelsverbandes Hessen und bis Ende 2014 in der Trägerschaft des Handelsverbandes durchgeführt. 2012 und 2014 fand jeweils der "Tag der Nachfolge" statt - ein Kooperationsprojekt von UHD Hessen, Projektträger des Förderprogramms "Kampagne für Weitermacher", und jumpp, als "Hessenweite Leitstelle für Unternehmensnachfolge" gefördert aus Haushaltsmitteln des Landes Hessen und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Auch für 2016 ist wieder ein "Tag der Nachfolge" geplant. - Das laufende Projekt "Unternehmensnachfolge" vom Frankfurt Business Media trägt dem zunehmend anstehenden Generationswechsel in deutschen Unternehmen Rechnung und will einen möglichst reibungslosen Übergabeprozess anstoßen und unterstützen. Ziel ist es, sowohl etablierte als auch potenzielle Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Start-ups über das Thema "Unternehmensnachfolge" zu informieren, zu sensibilisieren und zu vernetzen. - Mit EU-, Bundes- und Landesmitteln fördert das Land Hessen bei den hessischen Handwerkskammern und hessischen Handwerksfachverbänden insgesamt fast 50 betriebswirtschaftliche Beraterstellen. Ein zentrales Thema der Beratung ist dabei die Betriebsübergabe bzw. -übernahme. Die Kammern bieten Existenzgründertage und -seminare - teilweise gemeinsam mit Industrie- und Handelskammern - flächendeckend in Hessen an. Dort wird eine Vielzahl von Themen und Fragestellungen angesprochen, die für eine geordnete Planung einer Betriebsgründung oder auch Betriebsübergabe wichtig sind (Rechtsform, Standortwahl, Investitionsplanung, Finanzierung, öffentliche Finanzierungshilfen, Rentabilitätsberechnung, Zulassungs- und Anmeldeformalitäten, Steuerfragen für Existenzgründerinnen und Existenzgründer , betriebliche/persönliche Versicherungen etc.). Im Anschluss an diese Gruppenveranstaltungen werden einzelbetriebliche Beratungen bis hin zur Unterstützung bei der Erarbeitung von Businessplänen oder der Führung von Bankgesprächen durchgeführt. Die erstellten Beratungsberichte dienen als Grundlage für die Banken und für die Beantragung öffentlicher Förderhilfen in Form von Darlehen oder Bürgschaften. Die betriebswirtschaftlichen und Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 19 technischen Beraterinnen und Berater bieten zudem Unterstützung bei der Unternehmensbewertung als Grundlage der Preisfindung zwischen Übergebenden und Übernehmenden an. Über eine bundesweite Betriebsbörse "Change" werden interessierte Betriebsübergebende und -übernehmende zusammengeführt. - Auch die Förderberatung Hessen, die die Wirtschafts- und Infrastrukturbank (WI-Bank) anbietet , informiert über die zur Verfügung stehenden Unterstützungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Existenzgründungen und Betriebsübergaben. Dies kann über die Beratungs- Hotline, die regelmäßig an 13 Standorten in Hessen stattfindenden Unternehmersprechtage oder die vielen anderen Veranstaltungen, auf denen die Förderberatung der WI-Bank präsent ist, geschehen. Die Erfahrungen aus der Beratung von Unternehmen durch die Wirtschaftsund Infrastrukturbank zeigen, dass Betriebsübergaben immer häufiger nicht (mehr) in der Familie stattfinden, sondern hierbei verstärkt Dritte, häufig leitende Beschäftigte des betroffenen Unternehmens, involviert sind. Laut WI-Bank kann diese Tendenz mit durch die aktuellen demografischen Entwicklungen hervorgerufen sein. - Ebenso ist es möglich, sich im Prozess der Nachfolge und/oder auch der Gründung begleitend beraten zu lassen. Die Kosten der Beratung können u.a. vom Land Hessen gefördert werden. Zu diesen Förderansätzen gehört das von der WI-Bank administrierte Förderprogramm Betriebsberatung und Unternehmerschulung von kleinen und mittleren Unternehmen. Hierbei werden Beratungen, Gemeinschaftsaktionen, Kooperationen und sonstige Maßnahmen gefördert , welche der Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen der hessischen Wirtschaft, der Erleichterung von Gründungen und Wachstum (einschließlich ÖPP-Beteiligungen), der Verbesserung unternehmerischer Qualifikation, der Anpassung an neue Technologien und Umweltstandards und der Hilfe in besonderen Fällen, z.B. bei Unternehmensübergaben und der Erhöhung der Absatzchancen, insbesondere mit dem Ziel der Erleichterung des Zugangs zu überregionalen und internationalen Märkten, dienen. Dieses Förderprogramm steht auch Unternehmen des hessischen Handwerks zur Verfügung, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie vergleichbare Beratungen nicht durch die geförderten Beratungsstellen der hessischen Handwerksorganisationen erhalten können. - Das Land Hessen verfügt über weitere Ansätze, Existenzgründungen und Betriebsübergaben monetär zu erleichtern und zu fördern. Dies geschieht in Form von zinsgünstigen Krediten, Bürgschaften und Zuschüssen. - Da eine Betriebsübernahme auch immer eine Form der Existenzgründung ist, sind die Fördermöglichkeiten für die Nachfolge bei Betriebsübergaben gleichzusetzen mit den Fördermöglichkeiten für Existenzgründungen. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Insgesamt bietet das vom Land Hessen unterstützte Netz der organisationseigenen betriebswirtschaftlichen Beraterinnen und Berater eine in diesem Wirtschaftsbereich einmalige Dichte an Unterstützungsleistungen , um erfolgreiche Betriebsübergaben und Existenzgründungen zu fördern. Die bestehenden Förderansätze können auch vor diesem Hintergrund als zielführend bewertet werden. Eine Betriebsübergabe ist komplex und unterliegt vielfältigen Einflüssen. Auf die Entwicklung des Nachfolgegeschehens wirken nicht nur der demografische Wandel ein, sondern z.B. auch die technologische Entwicklung, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, die Ausgestaltung des Steuer- und Abgabensystems, die Einstellung der Gesellschaft gegenüber dem Unternehmertum , das Verhalten der Konkurrenz oder die Finanzierungsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt. Eine langfristige Prognose der Entwicklung der meisten dieser Einflussfaktoren ist jedoch kaum möglich. Das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen, das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn, das Institut für Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen der HWR Berlin und der Stiftungslehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensnachfolge der Universität Siegen haben im Jahre 2011 eingehend analysiert, wie sich das Existenzgründungs- und Nachfolgegeschehen in den letzten Jahren entwickelt hat (veröffentlicht als "Der Generationswechsel im Mittelstand im demografischen Wandel", von Müller, K. u.a., Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien Band 83, Duderstadt 2011). Im Ergebnis ist in der isolierten Betrachtung des Einflussfaktors Demografie rein rechnerisch keine Nachfolgelücke festzustellen. Laut dieser Studie stellt die Nachfolgefrage gegebenenfalls ein regionales oder branchenspezifisches Problem dar. Unternehmen in strukturschwachen Regionen oder in weniger attraktiven Branchen wird es in Zukunft voraussichtlich schwerer fallen, geeignete Nachfolgende zu finden. Dies ist laut Studie nur teilweise auf die Auswirkungen des demografischen Wandels zurückzuführen. Frage 21. Wie unterstützt die Landesregierung Existenzgründer im Handwerk und wie hat sich das Existenzgründungsgeschehen im Handwerk seit 2010 entwickelt? Gibt es regionale Unterschiede und ist im Vergleich zur Gesamtwirtschaft eine besondere Entwicklung im Handwerk feststellbar? Der Hessischen Landesregierung ist die Förderung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein besonderes Anliegen. Hierzu bietet sie verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten an und schafft so ein gutes Gründungsklima in Hessen. Dabei richten sich die Förder- und Finanzierungsangebote nicht ausschließlich an 20 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Handwerksbetriebe. Aufgrund ihrer überwiegenden Betriebsgrößen und -struktur profitieren Handwerksbetriebe aber im Besonderen von den Förderinstrumenten. Neben den Zuschüssen zu den Kosten für die qualifizierte Beratung (siehe hierzu Frage 20) stehen öffentliche Förderdarlehen, Bürgschaften und Beteiligungen zur Finanzierung des Gründungsvorhabens zur Verfügung: - "Gründungs- und Wachstumsfinanzierung (GuW) Hessen - Gründung" (ERP European Recovery Program). Dieses dient zur Kreditfinanzierung von Existenzgründungen und Festigungsmaßnahmen speziell in Hessen. Nach erfolgreicher Gründung stehen verschiedene Angebote bereit: - "Hessen-Mikrodarlehen": Hier vergibt die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen unbesicherte Kredite für die Neugründung, Übernahme oder Erweiterung eines Unternehmens. Existenzgründerinnen und Existenzgründer sowie junge Unternehmen erhalten so die Möglichkeit , Investitionen und Betriebsmittel bis zu drei Jahre nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit zu finanzieren - "Bürgschaften als Kreditabsicherung": Als weiteres Förderinstitut übernimmt die Bürgschaftsbank Hessen (BB H) gegenüber Kreditinstituten Bürgschaften als Kreditabsicherung bei sinnvollen und Erfolg versprechenden Vorhaben. - "BoB (Bürgschaft ohne Bank)": Für Gründende, die noch keine Hausbankbeziehung besitzen und nicht länger als drei Jahre am Markt sind, steht die Bürgschaft ohne Bank zur Verfügung . Dabei handelt es sich um einen Antrag direkt bei der BB H zur Stellung fehlender Sicherheiten . Als Besonderheit existiert das "Kombi-Programm Bürgschaft und Beteiligung". Es dient Unternehmen, welche mindestens zwei Jahresabschlüsse vorlegen können, der Liquiditätssicherung mittels eines verbürgten Hausbankkredits in Ergänzung zu einer eigenkapitalstärkenden stillen Beteiligung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Hessen (MBG H). - "Landesbürgschaft": Es kann eine von der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen verwaltete Landesbürgschaft beantragt werden. Diese besichert Investitions- und Betriebsmittelkredite sowie Avalrahmen ab 1,25 Mio. €, auch für Großunternehmen. - Bürgschaftssonderprogramme: In diesem Bereich existieren auch zwei Sonderprogramme, die der Hessischen Landesregierung ganz besonders wichtig sind. Das Augenmerk liegt darauf, zukünftigen Generationen ein starkes Fundament zu hinterlassen. Dabei handelt es sich einmal um ein "Programm für Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien durch Investitionen in Ökostrom und Biomasse" sowie um "Bürgschaften für Ärztehäuser und Praxisausstattungen". - "Hessen Kapital": Vorrangig in den strukturschwächeren Landesteilen Hessens kommt dieses Programm zum Tragen. Hier wird die Schaffung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten zur Realisierung von Unternehmenswachstum und Innovationsvorhaben sowie der anschließenden Markterschließung angestrebt. - "Beteiligungen": Bei Beteiligungen der MBG H Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Hessen mbH trägt diese das unternehmerische Risiko mit. Sie behält sich daher bestimmte Kontrollmöglichkeiten vor. Theoretisch ist eine Beteiligung beim Start des Unternehmens beantragbar, z.B. im Falle einer Übernahme. In der Praxis kommt eine Beteiligung am häufigsten bei einem Unternehmensalter von zwei Jahren vor. - "Betriebswirtschaftliche Beratungen": Die Handwerkskammern in Hessen erleichtern durch betriebswirtschaftliche Beratung den Start in die Selbstständigkeit. Die Erarbeitung eines Gründungskonzeptes und die Entwicklung eines Investitions- und Finanzierungsplanes gehören ebenso dazu wie die Hilfe bei der Markterkundung und die Erstellung einer Umsatz- und Ertragsvorschau. Das Land Hessen fördert diese Beratungsstellen bei den Kammern (siehe hier Antwort zur Frage 20). Zur Entwicklung des Existenzgründungsgeschehens im hessischen Handwerk gibt es keine amtliche Datenbasis, die das Existenzgründungsgeschehen für diesen Wirtschaftsbereich detailliert abbildet. Aus den vorliegenden Quellen ergibt sich aber folgendes Bild: Anzahl Existenzgründungen im Handwerk 2010 bis 2014 in Hessen 2010 2011 2012 2013 2014 Anlage A HwO 1270 1294 1172 1247 1153 Anlage B1 3070 3620 3656 3923 2994 Anlage B2 1185 1453 1471 1499 1165 Gesamt 5525 6367 6299 6469 5312 Quelle: Auswertung der Kammer Wiesbaden für die hessischen Handwerkskammern Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 21 Die folgende regionale Existenzgründungsstatistik im Handwerk basiert auf einer Schätzung der Zugänge von neu gegründeten Unternehmen in der Handwerksrolle und in den entsprechenden Verzeichnissen. Regionale Unterschiede in den Kammerbezirken 2010 bis 2014 in Hessen Kammerbezirk HWK Wiesbaden 2010 2011 2012 2013 2014 Anlage A HwO 383 411 329 338 338 Anlage B1 716 802 624 811 663 Anlage B2 271 318 275 290 214 Gesamt 1370 1531 1228 1439 1215 Kammerbezirk HWK Kassel 2010 2011 2012 2013 2014 Anlage A HwO 260 266 260 279 221 Anlage B1 410 427 428 508 477 Anlage B2 214 205 188 193 147 Gesamt 884 898 876 980 845 Kammerbezirk HWK Frankfurt Rhein Main 2010 2011 2012 2013 2014 Anlage A HwO 627 617 583 630 594 Anlage B1 1944 2391 2604 2404 1854 Anlage B2 700 930 1008 1016 804 Gesamt 3271 3938 4195 4050 3252 Quelle: Auswertung der Kammer Wiesbaden für die hessischen Handwerkskammern Danach zeigt sich, dass sowohl bei den Existenzgründungen in Hessen insgesamt so wie bei den einzelnen Kammerbezirken seit 2010 Schwankungen vorliegen. Frage 22. Welche Rolle spielen das öffentliche Auftragswesen und öffentlich-private Partnerschaften (PPP) im Rahmen der Nachfrage nach Handwerksprodukten und -leistungen? Für welche Handwerksbranchen sind öffentliche Aufträge besonders wichtig? Grundsätzlich sind entsprechend der Mittelstandsklausel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 97 Abs. 3 GWB) mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Die öffentlichen Auftraggeberinnen und Auftraggeber sind dabei verpflichtet, dass die Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) werden und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind. Wie viele Aufträge dadurch an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vergeben wurden, kann mangels Erfassung nicht beziffert werden. Öffentlich-private Partnerschaften (PPP) spielen insbesondere für Handwerksbetriebe im Bereich des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes, des Heizungs-, Sanitär- und Klimagewerbes sowie für Unternehmen des Gebäudereinigungsgewerbes und der IuK-Technologie eine Rolle. Doch weil diese Bereiche bei PPP-Projekten hauptsächlich nicht mit KMUs, sondern mit Generalunternehmen aufgesetzt werden, bleibt für das Handwerk häufig nur die Rolle der Nachunternehmen . Frage 23. Welchen Einfluss hat nach Einschätzung der Landesregierung der in Teilbereichen bereits heute feststellbare Fachkräftemangel auf die Leistungs- und Innovationsfähigkeit des hessischen Handwerks ? Mit welchen Maßnahmen trägt sie zur langfristigen Fachkräftesicherung bei? Leistungs- und Innovationsfähigkeit sind Schlüsselfaktoren für die Zukunftsfähigkeit auch von hessischen Handwerksbetrieben. Wesentliche gesamtgesellschaftliche Zukunftsprojekte sind ohne die Leistungen von Handwerksbetrieben und deren Beschäftigten nicht machbar. Dazu gehören die Energiewende, die Mobilitäts- und Verkehrswende, mehr Energieeffizienz bei Anlagen , Fahrzeugen und Gebäuden sowie der Ausbau der Infrastruktur. Dabei ist die Fachkräftesicherung eine der großen Herausforderungen aufgrund des sich abzeichnenden demografischen 22 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Wandels. Unternehmen, Gewerkschaften und Politik stellen sich zusammen dieser großen Zukunftsaufgabe , der sich auch die Hessische Landesregierung seit Langem proaktiv annimmt. Zur Unterstützung der Wirtschaft bei der Fachkräftegewinnung und -bindung setzt die Landesregierung auf einen Strategiemix aus Bildung, Arbeitsmarktpolitik und Internationalisierung im Schulterschluss mit der Wirtschaft, dem Handwerk und den Arbeitsmarktakteuren. Basis des Handelns ist die unter Beachtung der Empfehlungen der Fachkräftekommission Hessen im Dialog mit den Wirtschafts- und Arbeitsmarktakteuren entwickelte ressortübergreifende Strategie "Gesamtkonzept Fachkräftesicherung Hessen". In dem Gesamtkonzept mit rund 150 Einzelmaßnahmen sind die drei strategischen Handlungsfelder "Aus- und Weiterbildung, potenzialorientierte Arbeitsmarktpolitik, Internationalisierung als Standortfaktor/Zuwanderung und Integration gestalten" beschrieben und mit verschiedenen Einzelmaßnahmen hinterlegt, die zurzeit in Planung bzw. in der Umsetzung sind. Geplant sind unter anderem eine vertiefte Berufsorientierung mit berufsbezogenem Spracherwerb und die Gewinnung zusätzlicher Ausbildungsplätze. Für Flüchtlinge soll es eine spezielle Ausbildungsbegleitung geben; sie erhalten zudem Unterstützung bei der Anerkennung ihrer im Herkunftsland erworbenen Zeugnisse. Zum 01.08.2014 hat in Umsetzung des Koalitionsvertrages zwischen der CDU Hessen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen die Stabsstelle Fachkräftesicherung in Hessen im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration ihre Arbeit aufgenommen. Die Stabsstelle arbeitet daran, den mit dem Gesamtkonzept Fachkräftesicherung Hessen operationalisierten Prozess mit den am Wirtschaftsleben beteiligten Akteuren fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Frage 24. In welchen Regionen ist der Mangel an Fachkräften besonders gravierend und mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung diese Regionen und Handwerkerbetriebe? Dem Frühinformationssystem regio pro zufolge gibt es im Hinblick auf den Mangel an Fachkräften nach Regionen zum einen ein durchgängiges Süd-Nord-Gefälle, zum anderen werden die kreisfreien Städte weniger von einer Fachkräfteproblematik betroffen sein als ländliche Landkreise . Ausgehend von den Regierungsbezirken ist laut Prognose bis 2020 für Darmstadt ein Defizit von gut 60.000 Arbeits- und Fachkräften zu erwarten, für Gießen ein Defizit von 27.500 Arbeits - und Fachkräften und für Kassel ein Defizit von ungefähr 35.600 Arbeits- und Fachkräften . Entgegen diesen absoluten Zahlen werden die Engpässe im Regierungsbezirk Darmstadt voraussichtlich deutlich geringer ausfallen als in den Regierungsbezirken Gießen und Kassel, was insbesondere im demografiebedingten Rückgang des Arbeitskräfteangebotes in den meisten Berufen und Wirtschaftszweigen sowie bei den ausgebildeten Fachkräften Mittel- und Nordhessens begründet liegt. Das Arbeitskräfteangebot im südhessischen Raum wird dagegen laut Prognose wanderungsbedingt steigen. Noch deutlicher als die regionalen Unterschiede auf Ebene der Regierungsbezirke zeigen sich die Differenzen auf kleinerer regionaler Ebene, also zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten innerhalb der Regierungsbezirke. Alle dem Ballungsgebiet Rhein-Main zuzuordnenden Landkreise und kreisfreien Städte werden voraussichtlich niedrigere Defizite aufweisen als eher ländliche Gebiete im äußersten Süden, im nördlichen Mittelhessen und Nordhessen. Diese regionalen Differenzen haben ihre Ursache in der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur der Regionen , der jeweiligen infrastrukturellen Anbindung und dem höheren Lohnniveau im Ballungsraum Rhein-Main. Demzufolge wird das Angebot an Arbeitskräften in den wirtschaftsschwächeren Regionen Hessens abnehmen, während es in den wirtschaftsstarken Regionen tendenziell noch leicht zunehmen wird. Die Defizite in den wirtschaftsschwächeren Regionen werden voraussichtlich durch ein geringeres Angebot an Arbeitskräften hervorgerufen. Die (leichteren) Defizite in den wirtschaftsstarken Regionen können dagegen mit einer laut Prognose ansteigenden Nachfrage begründet werden. Das Land Hessen hat sich schon vor Eintreten des demografischen Wandels auf dessen Auswirkungen vorbereitet und bereits 2013 eine Strategie zur Fachkräftesicherung in Hessen vorgelegt (siehe auch Frage 23). Die dort verankerten Einzelmaßnahmen sollen sowohl die Aus- und Weiterbildung stärken als auch mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren und die Attraktivität des Standortes Hessen für ausländische Fachkräfte vergrößern. Diese Maßnahmen kommen dabei grundsätzlich auch den Handwerksbetrieben zugute. Frage 25. In welchen Berufs- und Ausbildungsgruppen wird sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren besonders zuspitzen und wie kann diesem Mangel entgegengewirkt werden? Im Hinblick auf die Berufsgruppen ist laut dem Frühinformationssystem regio pro bei fast allen mit Defiziten zu rechnen, besonders stark in den medizinischen Gesundheitsberufen, bei den Erzieherinnen und Erziehern, aber auch in Gastronomie- und einigen gewerblichen und Dienstleistungsberufen . Kaufmännische und technische Berufe sind in der Regel weniger stark betroffen . Nach der aktuellen Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit zeigt sich in Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 23 Hessen zudem ein Mangel an Fachkräften in der Steuerberatung sowie an Expertinnen und Experten im Verkauf (Filialleiterinnen/Filialleiter). Laut Prognose wird es in Hessen vor allem im Bereich der Universitäts- und Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen zu erheblichen Problemen kommen. Bis 2020 sollen gut 44.000 Akademikerinnen und Akademiker und 90.000 Fachkräfte mit abgeschlossener (dualer) Berufsausbildung auf dem hessischen Arbeitsmarkt fehlen. Die zehn beliebtesten dualen Ausbildungsberufe nach Neuabschlüssen zum 30.09.2014 verglichen mit den laut regio pro defizitären Wirtschaftszweigen (Gesundheits- und Sozialwesen, Gastronomie, Erziehung und Unterricht) ergibt lediglich Übereinstimmung hinsichtlich der Medizinischen bzw. Zahnmedizinischen Fachangestellten bei den Frauen. Insgesamt ist ein Rückgang der Auszubildenden im Handwerk zu verzeichnen. Bei den Personen ohne Berufsausbildung wird lediglich ein Überschuss von 3 % erwartet, was insgesamt 13.600 Beschäftigten entspricht. Dieser geringe Überschuss ist vor allem durch den voraussichtlichen Rückgang der Nachfrage nach an- und ungelernten Beschäftigten bedingt, während die Nachfrage nach Fachkräften weiter steigen wird. Einem künftigen Mangel an Fachkräften kann letztlich nur dadurch begegnet werden, dass heute alle für den Arbeitsmarkt verfügbaren inländischen Potenziale durch Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration ausgeschöpft und die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland erhöht werden. Das Land leistet hierzu einen wichtigen Beitrag mit dem Gesamtkonzept Fachkräftesicherung Hessen. Aufgrund des Umstandes, dass quantitativ am meisten Fachkräfte mit einer (dualen) beruflichen Ausbildung fehlen werden, Jugendliche bei der Berufswahl sich nur an wenigen Berufen orientieren und immer mehr Jugendliche ein Studium anstreben, bedarf es besonderer Anstrengungen bei der Berufsorientierung und der beruflichen Ausbildung. Damit die Zahl der Jugendlichen wieder steigt, die sich für eine duale Ausbildung entscheiden, haben Land, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunale Spitzenverbände und die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit das Bündnis Ausbildung Hessen abgeschlossen. Die Vereinbarungen zielen darauf, die duale Ausbildung attraktiver zu machen und mehr Jugendlichen den erfolgreichen Abschluss einer dualen Ausbildung zu ermöglichen. Unterstützt wird dieses Vorgehen durch die bis Dezember 2020 laufende Initiative "Abschluss und Anschluss - Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss". Sie soll dazu beitragen, den gesamten Prozess von der Berufsorientierung in der Schule bis zum Ausbildungsabschluss in Gestalt einer fortlaufenden Bildungskette zu optimieren. Ziel ist es, dass junge Menschen den Übergang von der Schule in den Beruf erfolgreich meistern und ihre Berufswahl stärker an den Perspektiven des Arbeitsmarktes ausrichten. Frage 26. Wie viele Handwerksbetriebe in Hessen werden heute von Frauen geführt? Wie hat sich der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Betriebsinhaber seit 2010 entwickelt? Existieren spezielle Förderprogramme für Frauen in diesem Bereich? Eine amtliche Datenbasis über Inhaberinnen und Gründerinnen speziell im Handwerk gibt es weder für den Bund noch speziell für Hessen. Die Beantwortung dieser Frage stellt daher auf den Anteil der inhabergeführten Einzelbetriebe (ca. 76 % des gesamten Handwerksrollenbestandes) ab. Bei Kapitalgesellschaften, also insbesondere GmbHs, wird das Geschlecht der Geschäftsführung nicht systematisch in der Handwerksrolle hinterlegt. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung stellt sich der Anteil bzw. die aktuelle Anzahl an Handwerksbetrieben, die von einer Frau geführt werden, wie folgt dar: 2010 2011 2012 2013 2014 aktuell Hessen 23 % 23 % 24 % 24 % 24 % 24 % rd. 14.000 Quelle: Handwerkskammer Wiesbaden Danach ist der Frauenanteil an inhabergeführten Einzelbetrieben seit 2010 konstant und beträgt annähernd ein Viertel. Bundesweit ist die Beteiligung von Frauen an der Gründungstätigkeit insgesamt sehr gut: 2013 und 2014 machten Frauen 43 % aller Existenzgründungen aus. Im Gegensatz zum Jahr 2013, in dem die hohe Beteiligung von Frauen hauptsächlich durch Nebenerwerbsgründungen zustande kam, sind nun Vollerwerbsgründungen maßgeblich. Hier stieg der Anteil von Frauen sehr deutlich von 33 % auf 41 %. Bei Nebenerwerbsgründungen ging die Beteiligung von Frauen nach 49 % im Vorjahr auf 44 % im Jahr 2014 zurück (Quelle: KfW-Gründungsmonitor 2015). 24 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Der Anteil der Frauen unter den Existenzgründungen von Einzelunternehmen lag im 1. Halbjahr 2015 bei 28,1 % - damit hat er sich gegenüber dem 1. Halbjahr 2014 geringfügig um 0,1 % erhöht. Bei den Nebenerwerbsgründungen von Einzelunternehmen ist der Frauenanteil mit 42,5 % leicht um 0,2 % gesunken (Quelle: Institut für Mittelstandsforschung Bonn). Seit Mai 2013 gibt es die Koordinierungsstelle Frauen & Wirtschaft. Sie ist ein Projekt von "jumpp - Ihr Sprungbrett in die Selbständigkeit - Frauenbetriebe e.V." und wird aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Stadt Frankfurt gefördert. Hiermit hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung ein landesweites Angebot für Gründerinnen, Unternehmerinnen und Frauen in Spitzenpositionen geschaffen, von der auch frauengeführte Handwerksbetriebe profitieren. Ziel der Koordinierungsstelle ist es, die Leistungen und Potenziale hessischer Unternehmerinnen und Gründerinnen verstärkt in den öffentlichen Fokus zu rücken, die Gründungsbereitschaft von Frauen zu stärken und das Unternehmerinnentum zu fördern. Dabei setzt sie auf die Mitwirkung der hessischen Unternehmerinnen- und Unternehmerverbände und die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Frage 27. Welche Effekte hat der Aufbau einer dezentralen Energieversorgung in Hessen für das Handwerk ? Welchen Beitrag leistet das Handwerk bei der Vermeidung von CO2-Emissionen und bei der Reduzierung des Wärmebedarfs? Welche Absatzchancen ergeben sich hierdurch für das Handwerk? Wie hoch beziffert die Landesregierung die durch die Energiewende ausgelösten monetären Effekte ? Ein dezentraleres Energiesystem hat deutliche Effekte auf Handwerksbetriebe. Solar-, Windund Biomasseanlagen werden auch in Hessen zu einer dezentralen Energieversorgung beitragen. Beratung von Endkunden, Bau, Installation und Wartung von Anlagen sind zentrale Aufgaben des Handwerks. Prognosen hinsichtlich monetärer Effekte einer dezentralen Energieversorgung auf Bundeslandebene sind noch schwierig; indirekt lassen sich die Effekte dennoch bewerten. Derzeit sind weniger als 20 % der Heizungsanlagen in Hessen auf dem aktuellen Stand der Technik. Bei etwa 75 % der ca. 1,3 Mio. Wohngebäuden in Hessen besteht energetischer Modernisierungsbedarf . Hieraus ergeben sich sowohl deutliche Beiträge des Handwerks zur CO2- Einsparung als auch gute Absatzmöglichkeiten und Perspektiven für Handwerksbetriebe: Die Prognos AG schätzt (2013), dass die Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden sich im Jahr 2020 bundesweit auf ca. 30 Mrd. € belaufen werden - knapp das Dreifache der heutigen Investitionen. Bezieht man diese Investitionssumme auf den hessischen Wohngebäudebestand, ergibt sich für Hessen ein Investitionsvolumen bei energetischen Sanierungsmaßnahmen im Jahr 2020 von ca. 2,2 Mrd. €. Ergänzend zur Bundesförderung im Energiebereich fördert auch die Hessische Landesregierung auf der Grundlage des Hessischen Energiegesetzes Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz , zum Einsatz von erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung, zur Energieeinsparung im Gebäudebestand sowie zur Begrenzung klimarelevanter Emissionen. Daraus ergeben sich zusätzliche Investitionen, die wiederum auch dem Handwerk zugutekommen. In ihrer Studie "Auswirkungen der Energiewende auf die hessische Wirtschaft - Modul 2: Chancen und Risiken für den Mittelstand in Hessen" (2013) berichtet die HA Hessen Agentur GmbH, dass 27 % der befragten Mittelständlerinnen und Mittelständler durch die Energiewende Chancen für ihr Unternehmen im Hinblick auf Wachstum oder neue Geschäftsfelder sehen und dass davon wiederum 61 % expansive Impulse für ihre bereits bestehende Geschäftstätigkeit im Bereich der effizienten Energienutzung bzw. der Energieeinsparung erwarten und 28 % gute Chancen sehen, sich in diesem Segment neue Geschäftsfelder zu erschließen. Welche Beiträge das Handwerk in Hessen konkret und gegebenenfalls über die bisherigen Maßnahmen hinausgehend zur Vermeidung von CO2-Emissionen und der Reduzierung des Wärmebedarfs leisten kann, wird derzeit auch innerhalb des Prozesses zur Erarbeitung des "Integrierten Klimaschutzplans Hessen 2025" erarbeitet. Dieser Prozess läuft seit Juli 2015 unter dem Dach der Nachhaltigkeitsstrategie im Steuerungskreis "Klimaschutz und Klimawandelanpassung ". Ab Mai 2016 wird die breite Öffentlichkeit über verschiedene Veranstaltungen und eine Online-Kommentierung am Erarbeitungsprozess beteiligt. Am 10.05.2016 findet ein Unternehmensforum statt, das auch die Rolle des Handwerks für Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel in den Blick nehmen wird. Frage 28. Wie hoch bewertet die Landesregierung das CO2-EinsparPotenzial von Handwerksbetrieben? Wie unterstützt die Landesregierung das Handwerk bei der Reduzierung von CO2-Emissionen? Welche Maßnahmen stehen hier im Vordergrund und warum? Im Allgemeinen werden die CO2-Emissionen von Handwerksbetrieben in CO2-Bilanzen unter der Gruppe "Gewerbe, Handel, Dienstleistungen" und "übrige Verbraucher" subsummiert. Da- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 25 her kann eine genaue prozentuale Angabe des Einsparpotenzials für Handwerksbetriebe nur im Rahmen der größeren Gruppe erfolgen. Aus dem "Bericht zu den CO2-Emissionen in Hessen Bilanzjahr 2012" (erstellt vom Hessischen Statistischen Landesamt und dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie und veröffentlicht im April 2015) gehen folgende Informationen hervor: Im Sektor "Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen" wurde im gesamten Zeitraum von 1990 bis 2012 eine Reduzierung um 3,8 Mio. Tonnen CO2 oder 25 % erreicht. "Effektivere Heizungssysteme kombiniert mit der verstärkten Nutzung (CO2-neutraler bzw. emissionsfreier) erneuerbarer Energieträger, wie Holz, Solarthermie oder Erdwärme, sowie die höhere Fernwärmeversorgung haben die Emissionen anhaltend reduziert (S. 9)." Insgesamt erfolgt mehr als die Hälfte (52 %) der CO2-Emissionen aus dem Endenergieverbrauch durch diesen Sektor. Die Frage nach dem CO2-Einsparpotenzial von Handwerksbetrieben lässt sich quantitativ nicht beantworten. CO2-Einsparungen in Unternehmen sind in der Regel eine Folge von Verbesserungen bei der Energieeffizienz. In ihrer Studie "Auswirkungen der Energiewende auf die hessische Wirtschaft - Modul 2: Chancen und Risiken für den Mittelstand in Hessen" (2013) stellt die HA Hessen Agentur GmbH fest, dass die Energieeinsparpotenziale bei hessischen Unternehmen noch längst nicht ausgeschöpft seien: 82 % der befragten Mittelständlerinnen und Mittelständler sähen in ihrem Unternehmen Einsparpotenziale. Größere Unternehmen schätzten ihr Energieeffizienzpotenzial im Allgemeinen höher ein als kleinere Unternehmen. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz oder zum Energiesparen seien bei 46 % der Befragten bereits erfolgt und bei 45 % beabsichtigt . Um die Situation bei der Energieberatung in Hessen zu verbessern, bietet die Hessische Landesregierung seit dem 01.10.2015 über das RKW Hessen eine kostenlose Impulsberatung für kleine und mittelgroße Unternehmen an. Diese Maßnahme ist Teil der Energie-Agenda 2015. Eine weitere Maßnahme der Energie-Agenda ist die Förderung von Energieeffizienz-Netzwerken, in denen die Netzwerkteilnehmerinnen und Netzwerkteilnehmer voneinander lernen und unter Begleitung einer Energieberaterung Energieeffizienzmaßnahmen definieren und umsetzen. Solche Netzwerke können auch für Handwerksbetriebe eine nützliche Austauschplattform sein. IV. Ergebnisse der Handwerksrechtsnovelle 2004 Frage 29. Wie haben sich die Beschäftigungs- und Ausbildungszahlen der Handwerksbetriebe in Hessen seit 2004 entwickelt (bitte nach Branchen aufschlüsseln)? Welche Entwicklungen sind hierbei besonders auffällig? Welchen Einfluss hatte nach Auffassung der Landesregierung die Handwerksrechtsnovelle 2004 auf diese Entwicklung? Die Anzahl der Beschäftigten im hessischen Handwerk seit 2004 ist mit Stabilisierungsphasen leicht zurückgegangen. Grund hierfür dürfte vor allem die allgemein schwierige konjunkturelle Lage der Jahre 2007/2008 gewesen sein. Starke Veränderungen, die besonderen Entwicklungen im Handwerksbereich geschuldet sind, sind hingegen nicht zu verzeichnen. Entwicklung der Beschäftigungszahlen Jahr Anlage A Handwerke Handwerkähnliche Gewerbe Insgesamt 2004 334000 20300 354300 2005 330000 20300 350300 2006 331000 20400 351400 2007 330000 20500 350500 2008 315800 20300 336100 2009 309300 20700 330000 2010 313500 21000 334500 2011 318600 21700 340300 2012 318000 22000 340000 2013 316000 22200 338200 2014 316700 21600 338300 Quelle: Strukturdaten des hessischen Handwerks 2004 - 2014 Statistisch erfasst werden die Beschäftigten des hessischen Handwerks nach Handwerksgruppen. Eine Aufschlüsselung nach Branchen findet nicht statt. 26 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Wie Anlage Nr. 8 im Anhang deutlich macht, sind die Ausbildungszahlen des hessischen Handwerks seit 2004 ebenfalls kontinuierlich rückläufig mit Ausnahme einer leichten Stabilisierung in den Jahren 2007 und 2008. Waren es im Jahr 2004 noch 30.527 Ausbildungsverhältnisse , so betrug die Zahl der hessischen Auszubildenden im Jahr 2014 noch 25.219 - ein Rückgang von insgesamt 17,4 %. Besonders auffällig sind die hohen Einbrüche in der Nahrungsmittelbranche, wo die Veränderungen der Ausbildungsleistung zum Vorjahr seit 2009 meistens bei oder über der 10-%-Marke lagen und die Ausbildungsleistung seit 2004 sich nahezu halbiert hat. Auch bei der Bekleidungsbranche sind ähnlich hohe Rückgänge bei der Ausbildungsleistung seit 2004 zu verzeichnen , wobei die größten Einschnitte in den Jahren von 2004 bis einschließlich 2009 lagen. Beachtenswert ist auch, dass gegen den allgemeinen Trend die sonstigen Berufe in anderen Branchen bis zum Jahr 2008 kontinuierlich Zuwächse im Ausbildungsbereich verzeichnen konnten (vgl. Anlage Nr. 8). Aufgrund des Sachzusammenhangs im Hinblick auf die Auswirkungen der HwO-Novelle 2004 wird die Frage nach dem Einfluss der HwO-Novelle in Frage 35 beantwortet. Frage 30. Wie hat sich die Zahl der Gesellen- und Meisterprüfungen bei den zulassungsfreien und bei den zulassungspflichtigen Handwerken seit 2004 entwickelt (bitte nach Branchen aufschlüsseln)? Wie hat sich aus Sicht der Landesregierung die Handwerksrechtsnovelle 2004 ausgewirkt? Die Zahlen der bestandenen Gesellenprüfungen sind im Vergleich der Jahre 2004 und 2014 sowohl im Bereich der zulassungsfreien als auch der zulassungspflichtigen Handwerke rückläufig. Eine Ausnahme stellen die sonstigen Gewerke dar, die weder dem B1-Bereich noch den zulassungspflichtigen Gewerken zuzuordnen sind (vgl. Anlage Nr. 9). Aufgrund des Sachzusammenhangs im Hinblick auf die Auswirkungen der HwO-Novelle 2004 werden die Auswirkungen der HwO-Novelle aus Sicht der Hessischen Landesregierung in Frage 35 beantwortet. Frage 31. Wie hat sich die Zahl der Existenzgründungen und Insolvenzen im Handwerk seit 2004 entwickelt (bitte nach Branchen bzw. nach zulassungsfreien und zulassungspflichten Handwerk aufschlüsseln )? Hat sich die Bestandsdauer der nach der Handwerksnovelle 2004 gegründeten Betriebe im Vergleich zur vorherigen Situation verändert? Welche Auswirkungen hat nach Ansicht der Landesregierung die Handwerksrechtsnovelle 2004 hierauf gehabt? Im Hinblick auf die Existenzgründungen im Handwerk zeigt sich, dass seit 2004 die Gründungen in den meisterpflichtigen A-Handwerken um rund 38 % zurückgegangen sind. Auch in den B2-Handwerken ist ein kontinuierlicher Rückgang um rund 40 % zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu stiegen die Existenzgründungen in den zulassungsfreien B1-Handwerken um 14 %. Existenzgründungen im Handwerk Jahr A-Handwerke B1-Handwerke B2-Handwerke 2003 32.750 3.894 33.024 2004 40.650 32.791 31.478 2005 39.112 37.149 29.035 2006 35.694 34.962 25.021 2007 33.067 34.402 21.964 2008 32.164 31.831 21.132 2009 30.652 33.197 21.165 2010 30.127 35.437 21.522 2011 28.758 39.205 22.185 2012 25.297 38.097 20.843 2013 25.783 39.235 20.321 2014 25.393 37.994 19.694 Quelle: Dr. Klaus Müller, ifh Göttingen Konkrete Zahlen zur Insolvenz von Handwerksbetrieben werden nicht erfasst. Rückschlüsse hierzu können jedoch aus der Übersicht über die Abgänge aus der Handwerksrolle gezogen werden. Auffällig ist hier, dass die Anzahl der Abgänge bei den zulassungsfreien B1- Handwerken um fast 80 % gestiegen und bei den zulassungspflichtigen A-Handwerken um 16 % gesunken ist. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 27 Abgänge aus der Handwerksrolle Jahr A-Handwerke B1-Handwerke B2-Handwerke 2003 43.322 5.972 28.347 2004 40.277 6.889 27.805 2005 41.036 12.081 26.974 2006 38.837 16.412 25.669 2007 38.588 20.179 25.160 2008 38.992 23.964 25.752 2009 36.649 24.563 23.977 2010 34.965 25.801 22.105 2011 33.731 29.623 22.505 2012 34.969 30.368 22.601 2013 33.704 32.331 22.610 2014 33.939 35.875 22.331 Quelle: Dr. Klaus Müller, ifh Göttingen In Kombination mit der aktuellen Übersicht zur Stabilität der Handwerksbetriebe von 2001 bis 2012 (Überlebensrate 5 Jahre nach der Gründung) zeigt sich, dass die Überlebensrate in den A- Handwerken mit rund 70 % nach wie vor stabil ist, wo hingegen die Überlebensrate der B1- Handwerke von ebenfalls rund 70 % auf 46 % gesunken ist. Übersicht zur Stabilität der Handwerksbetriebe von 2001 bis 2012 (Überlebensrate 5 Jahre nach der Gründung) Jahre A-Handwerke B1-Handwerke B2-Handwerke 2001 bis 2006 69,0 % 69,1 % 42,0 % 2002 bis 2007 69,9 % 69,0 % 43,6 % 2003 bis 2008 71,7 % 66,8 % 47,5 % 2004 bis 2009 71,3 % 56,7 % 50,1 % 2005 bis 2010 70,1 % 49,3 % 48,7 % 2006 bis 2011 69,7 % 45,8 % 45,3 % 2007 bis 2012 70,1 % 45,9 % 47,5 % Quelle: Dr. Klaus Müller, ifh Göttingen Die oben dargestellten Entwicklungen legen den Schluss nahe, dass die Novellierung der Handwerksordnung von 2004 erheblichen Einfluss auf das Gründungsgeschehen und die Überlebensdauer der Betriebe hatte und hat. Insbesondere die Aufhebung der Meisterpflicht in den B1- Handwerken führte zu einem Gründungsboom in diesem Bereich, wobei sich die Überlebensrate der B1-Handwerksbetriebe drastisch verringerte. Im Gegensatz dazu blieb die Überlebensrate der nach wie vor meisterpflichtigen A-Handwerke konstant hoch. Nach Ansicht der Hessischen Landesregierung liegen die Gründe hierfür vor allem in der besseren Qualifikation und besseren Vorbereitung auf die Selbstständigkeit der Inhaberinnen und Inhaber von meisterpflichtigen A-Handwerksbetrieben. Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Frage 35. Frage 32. Wie viele Auszubildende kamen in den letzten elf Jahren auf einhundert Betriebe nach Anlage B1 der Handwerksordnung und wie viele auf 100 Betriebe im zulassungspflichtigen Handwerk? Sowohl bei den Betrieben nach Anlage B1 als auch bei den Betrieben im zulassungspflichtigen Handwerk hat sich die Anzahl der Auszubildenden auf 100 Betriebe in den letzten elf Jahren kontinuierlich verringert. Bei den Betrieben nach Anlage B1 zeigt sich dieser Rückgang drastisch. Von ehemals 20 Auszubildenden auf 100 Betriebe im Jahr 2004 sank die Anzahl der Auszubildenden bis zum Jahr 2014 auf 5 Auszubildende pro 100 Betriebe, ein Rückgang von 75 %. Im zulassungspflichtigen Handwerk kamen im Jahr 2004 noch 64 Auszubildende auf 100 Betriebe , im Jahr 2014 waren es nur noch 55 Auszubildende, ein Rückgang somit um 14 % (vgl. Anlage Nr. 10). 28 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 Nicht berücksichtigt in dieser Aufstellung sind alle Auszubildenden, die sonstige kaufmännische Ausbildungsberufe oder sonstige Ausbildungsberufe erlernen. Solche können nicht eindeutig den Betrieben der Anlage A, B1 oder B2 zugeordnet werden. Frage 33. Wie haben sich im gleichen Zeitraum die absolute Zahl der Auszubildenden, die Zahl der Ausbildungsabbrüche und die Zahl der erfolgreichen Ausbildungsabschlüsse in den B1-Betrieben entwickelt ? Wie gestalten sich die Vergleichszahlen im zulassungspflichtigen Handwerk? Die Zahl der Auszubildenden insgesamt ist seit 2004 bis 2014 kontinuierlich von 30.527 auf 25.219 gesunken (umfasst auch die Ausbildungsberufe des Handwerks, die weder den B1-, noch den zulassungspflichtigen Gewerken zuzurechnen sind). Gleichermaßen sank auch der Gesamtbestand der Ausbildungsverträge sowohl in den zulassungspflichtigen als auch in den zulassungsfreien Handwerken. Mit einem Minus von 33,4 % lag allerdings der Rückgang bei den zulassungsfreien B1-Gewerken nahezu doppelt so hoch wie bei den zulassungspflichtigen Gewerken, bei denen die Ausbildungsverträge von 2004 bis 2014 um 17,2 % zurückgingen (vgl. Anlage Nr. 11). Im Hinblick auf die vorzeitigen Vertragslösungen stellt sich das Bild so dar, dass im Vergleich zum Jahr 2004 die Auflösungsquote in den zulassungspflichtigen Handwerken um 6,1 % angestiegen ist, wobei nach einem zwischenzeitlichen Auf und Ab die Vertragslösungen seit 2012 wieder rückläufig sind (vgl. Anlage Nr. 12). Auch bei den zulassungsfreien Gewerken gab es zwischen den Jahren 2004 bis 2014 bei den vorzeitigen Vertragslösungen Schwankungen nach oben und unten und erreichten 2013 den Höchststand mit 155 vorzeitigen Vertragslösungen. Diese sind nun wieder rückläufig, sodass im Vergleich der Jahre 2004 und 2014 ein Rückgang der vorzeitigen Vertragslösungen von 8 % zu verzeichnen ist. Die Tabelle in Anlage Nr. 13 im Anhang zeigt die Entwicklung der bestandenen Gesellenprüfungen insgesamt von 2004 bis 2014. Danach zeigt sich mit insgesamt 6.386 bestandenen Gesellenprüfungen im Jahr 2014 der niedrigste Stand an bestandenen Gesellenprüfungen seit 2004. Aufgeteilt nach zulassungspflichtigen und B1-Gewerken zeigt sich ebenfalls insgesamt eine Abnahme der bestandenen Gesellenprüfungen von 2004 bis 2014. Die Abnahme bei den zulassungspflichtigen Handwerken liegt dabei mit rund 22 % nur leicht unter der Rückgangsquote der B1-Handwerke mit rund 24 %. Die Rückgänge haben dabei kaum Einfluss auf das Verhältnis zu den bestandenen Gesellenprüfungen insgesamt. Nach wie vor machen die bestandenen Gesellenprüfungen im Bereich der B1-Gewerke rund 5 % aller bestandenen Gesellenprüfungen aus. Der Anteil der bestandenen Gesellenprüfungen bei den zulassungspflichtigen Handwerken verringerte sich von 2004 bis 2014 nur leicht von rund 85 % auf 82 %. Frage 34. Welche Auswirkungen hatte die Aufhebung des "Inhaberprinzips" auf die Zahl und Struktur der Handwerksunternehmen? Bis zur Novellierung der Handwerksordnung 2004 galt der Grundsatz, dass nur Personen mit Meistertitel einen handwerklichen Betrieb als stehendes Gewerbe führen durften. Ausnahme bildeten die juristischen Personengesellschaften, die hierzu einer Betriebsleiterin oder eines Betriebsleiters mit Meistertitel bedurften. Dieses "Inhaberprinzip" gilt seit 2004 nicht mehr. Gemäß § 7 Abs. 1 Handwerksordnung (HwO) können seit der Novellierung 2004 auch alle Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, die ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe ausüben, eine Person mit Ausübungsberechtigung (Meistertitel) als Betriebsleitung einstellen und so in die Handwerksrolle eingetragen werden. Nach der Übersicht in Anlage Nr. 14 im Anhang werden danach mittlerweile 13 % (Stand 2014) der Einzelunternehmen in Hessen nicht mehr von Personen mit Meistertitel geführt, sondern haben eine Betriebsleitung mit Meistertitel eingestellt. Bundesweit sind es über 11 %. Dafür sind die Anteile der Eintragungen der Betriebsleitung bei juristischen Personen bzw. Personengesellschaften im Verhältnis vor der Novelle leicht gesunken. Insgesamt blieb die Anzahl der Eintragungen sowohl in Hessen als auch bundesweit stabil. Frage 35. Wie bewertet die Landesregierung insgesamt vor diesem Hintergrund die Auswirkungen der Handwerksrechtsnovelle 2004? Frage 38. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Landesregierung für die Beibehaltung der Meisterpflicht in den zulassungspflichtigen Handwerken? Frage 35 und Frage 38 werden aufgrund des Sachzusammenhanges zusammen beantwortet. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 29 Mit der Handwerkrechtsnovelle 2004 wurden die umfangreichsten Änderungen seit Bestehen der Handwerksordnung (HwO) vorgenommen. Kern der Gesetzesänderungen war, die Meisterpflicht (Großer Befähigungsnachweis) als Voraussetzung zur selbstständigen Berufsausübung in 53 Gewerken aufzuheben. Die damalige Bundesregierung wollte mit der Reform "den Großen Befähigungsnachweis und die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks stärken, Existenzgründungen erleichtern, Arbeitsplätze sichern sowie Impulse für neue Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geben" (Bundestagsdrucksache 15/1481, S. 1). Die Inländerdiskriminierung sollte abgebaut, strukturelle Hemmnisse beseitigt werden. Seitdem müssen Handwerkerinnen und Handwerker der zulassungsfrei gewordenen B1-Gewerke keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen, um sich selbstständig machen zu dürfen. Wie bereits unter Frage 31 ausgeführt, war es nach der Novelle von 2004 zu einer Zunahme der Gründungen in den neu geschaffenen B1-Handwerken gekommen, diese Betriebe haben aber häufig nicht lange am Markt bestanden. In den weiterhin meisterlichen A-Handwerken blieb dagegen die Überlebensrate der Betriebe bei rund 70 % stabil. Eine Steigerung der Innovationskraft des Handwerks durch die Novelle der HwO von 2004 konnte nicht festgestellt werden. Das ifh Göttingen verwies in seiner diesbezüglichen Studie darauf , dass durch die Novellierung der HwO von 2004 kein positiver Beschäftigungseffekt festzustellen sei. Im Hinblick auf die Ausbildungsleistung des Handwerks wird darüber hinaus deutlich, dass bei einem allgemein zu verzeichnenden Rückgang der Ausbildungszahlen von 2004 bis 2014 dieser bei den B1-Handwerken, die früher mit der obligatorischen Meisterpflicht verbunden waren, doppelt so hoch mit fast 34 % ist als im Handwerk insgesamt. Aus Sicht der Hessischen Landesregierung liegen die Gründe hierfür vor allem in der Struktur der B1- Handwerksunternehmen, die überwiegend als Soloselbstständige geführt werden. Darüber hinaus sieht sie in der Aufhebung der Meisterpflicht in 53 Gewerken durch die HwO-Novelle im Jahr 2004 eine Dequalifizierungsspirale. Diese Annahme wird auch durch die Erkenntnisse der Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen) "Stabilität und Ausbildungsbereitschaft von Existenzgründungen im Handwerk" (ifh-Studie Bd. 94) gestützt. Für die Hessische Landesregierung zeigen sich damit negative Konsequenzen der Handwerksrechtsnovelle aus dem Jahr 2004. Dies betrifft insbesondere die B1-Handwerke, denn die Erfahrungen haben hier gezeigt, dass zwar die Existenzgründungen anstiegen, jedoch die Betriebsgröße und Verweildauer am Markt sowie die Ausbildungsleistung aufgrund rückläufiger Meisterqualifikationen in den betroffenen Gewerken sank. Die Meisterqualifikation hat eine wesentliche Bedeutung für eine nachhaltige Unternehmensgründung, erfolgreiche Unternehmensführung und für die Sicherung des qualifizierten Nachwuchses. Das bestehende Qualifikationssystem in Deutschland sichert die hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen und sorgt für ein hohes Verbraucherschutzniveau. Umso wichtiger ist aus Sicht der Hessischen Landesregierung die Beibehaltung der Meisterpflicht in den zulassungspflichtigen Handwerken, um die Zukunftsfähigkeit und Ausbildungsleistung des Handwerks zu sichern. V. Europäische Rahmenbedingungen Frage 36. Welche Maßnahmen könnten die Durchlässigkeit im deutschen und europäischen Bildungsraum weiter verbessern? Für den deutschen Bildungsraum tragen bundesweit folgende Maßnahmen unter anderem zu einer verbesserten Durchlässigkeit bei: 1. die Entwicklung und Erprobung eines Leistungspunktesystems auf nationaler Ebene zur Erfassung, Anrechnung und Übertragung von Lernergebnissen bzw. Kompetenzen von einem Teilbereich des beruflichen Bildungssystems in einen anderen (DECVET), 2. die Initiative "Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge" (ANKOM) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die Möglichkeiten zeigt, wie im Rahmen der beruflichen Bildung erworbene Kompetenzen verkürzend auf einen affinen Studiengang (überwiegend pauschal) angerechnet werden können, und 3. der Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" zur Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, dessen Ziel der Aufund Ausbau von Studienangeboten - auch duale Studiengänge - für Berufstätige ist. Für den europäischen Bereich sind hier zu nennen: 1. Der Europäische und der Deutsche Qualifikationsrahmen (EQR/DQR), wobei der Europäische Qualifikationsrahmen im Zusammenspiel mit den nationalen Qualifikationsrahmen die Zuordnung von erworbenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen zu ins- 30 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 gesamt acht Referenzniveaus ermöglichen soll. Der Qualifikationsrahmen versteht sich also als Übersetzungshilfe zwischen den nationalen Qualifikationssystemen und trägt damit zur Vergleichbarkeit und Mobilität innerhalb des europäischen Binnenmarktes bei. Nach einer mehr als sechsjährigen Entwicklungsphase wurde der DQR als nationaler Qualifikationsrahmen für Deutschland im Mai 2013 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, vom Bundesministerium für Wirtschaft sowie von der Kultusministerkonferenz und der Wirtschaftsministerkonferenz eingeführt. Der DQR hat grundsätzlich eine orientierende Funktion. Die Zuordnung der Qualifikationen des deutschen Bildungssystems zu den Niveaus des DQR ersetzt nicht das bestehende System der Zugangsberechtigungen . Es ist vorgesehen, die zutreffende EQR-/DQR-Zuordnung nunmehr auch auf Zeugnissen und Europass-Dokumenten auszuweisen. Künftig sollen auch Ergebnisse des nicht-formalen Lernens dem DQR zugeordnet werden. 2. Das sich in Entwicklung befindliche Europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET). Mit dem (freiwilligen) System sollen Qualifikationen über Ländergrenzen hinweg dokumentiert werden und damit leichter akkumuliert und übertragen werden können. Vor allem der Schwerpunkt der ECVET-Initiative, Qualifikationen lernzielorientierter zu beschreiben, hat sich innerhalb der EU durchgesetzt. Auch in Deutschland wird ECVET zu Zwecken transnationaler Mobilität in der Berufsausbildung verwendet . 3. Das Europäische System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) ist bereits seit Längerem an den Hochschulen implementiert. 4. Der Europass als europaweit einheitliches Instrument zur Dokumentation sämtlicher im Laufe des Lebens erworbenen Qualifikationen. Der im Jahr 2004 eingeführte Europass soll die Transparenz von Kompetenzen und Qualifikationen fördern. Hierunter fallen die klassischen Lebenslaufdokumente, wie der Europass-CV, der erworbene Qualifikationen und Kompetenzen systematisch darstellt, sowie der Europass-Sprachenpass, der die Sprachkenntnisse nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeRS) abbildet. Mit dem Europass-Mobilität sollen Lernergebnisse, Inhalte und Dauer eines konkreten Auslandsaufenthaltes dokumentiert werden. Die Europass- Zeugniserläuterungen (Certificate Supplement) erläutern länderspezifische Inhalte und Standards von Ausbildungsberufen. 5. Mit dem European Quality Assurance in Vocational Education and Training (EQAVET). Mit dem EQAVET-Prozess soll die Qualität in der beruflichen Bildung innerhalb eines europäischen Rahmens gesichert und weiterentwickelt werden. Um dieses Ziel zu erreichen , wird eine Verständigung über Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und der Europäischen Kommission entwickelt. 6. Die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie ) regelt die behördliche Anerkennung von Qualifikationen in reglementierten Berufen. Sie ist Wegbereiterin für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse und damit ein wichtiger Beitrag zur transnationalen Mobilität. Die novellierte Richtlinie, die bis zum 18. Januar 2016 in den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war , sieht in sieben "sektoralen" Berufen (u.a. bei den Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern und Architektinnen und Architekten) bereits eine automatische Anerkennung von Berufsqualifikationen vor. Für diese Berufe gibt es in der EU bereits einheitliche Ausbildungsstandards. Darüber hinaus sind nach der Novelle sogenannte gemeinsame Ausbildungsrahmen möglich (Art. 49a). Sie werden in Form eines Durchführungsrechtsaktes für reglementierte Berufe verabschiedet. Ein gemeinsamer EU-weiter Ausbildungsrahmen ersetzt dabei nicht die nationalen Ausbildungsinhalte, es sei denn, ein EU-Mitgliedsstaat trifft eine entsprechende innerstaatliche Regelung. Mit der Richtlinie wird erstmalig ein Europäischer Berufsausweis eingeführt. Er soll helfen, die Mobilität in bestimmten Berufen innerhalb der EU zu stärken. 7. Die seitens der EU-Kommission gestartete Transparenzinitiative zur Überprüfung von Berufszugangsregelungen in der EU beabsichtigt unverhältnismäßige Berufszugangsschranken innerhalb des europäischen Binnenmarktes abzubauen und so Diskriminierungstatbestände im Bereich der Arbeitskräftemobilität einzuschränken (s.a. Frage 39). Hessen beteiligt sich an diesen Prozessen intensiv. Für Hessen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte zu nennen. Die Hessische Landesregierung hat als eine der ersten mit entsprechenden Regelungen im Hessischen Hochschulgesetz und mit der Verordnung über den Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 31 Zugang beruflich Qualifizierter zu den Hochschulen in Hessen die Möglichkeit zu einem Hochschulstudium für beruflich Qualifizierte geschaffen. Hier berechtigen der Nachweis der Meisterprüfung sowie eines vergleichbaren Abschlusses der beruflichen Aufstiegsfortbildung zum Studium aller Fachrichtungen an allen Hochschulen. Darüber hinaus können bislang andere beruflich Qualifizierte, die keine Hochschulzugangsberechtigung für den angestrebten Studiengang besitzen, eine Hochschulzugangsprüfung ablegen. Voraussetzung sind grundsätzlich die Abschlussprüfung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, eine anschließende mindestens dreijährige hauptberufliche Tätigkeit, gegebenenfalls die Erweiterung oder Vertiefung des Wissens durch Weiterbildung und das Bestehen der Hochschulzugangsprüfung. Mit der Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes werden die Voraussetzungen zur Aufnahme eines Hochschulstudiums für die letztgenannte Gruppe beruflich Qualifizierter weiter verbessert. Künftig wird es im Rahmen von Modellversuchen an den Hochschulen möglich sein, beruflich Qualifizierte ohne Berufserfahrung und ohne gesonderte Hochschulzugangsprüfung zuzulassen, wenn diese über bestimmte schulische Voraussetzungen (mittlerer Abschluss mit Mindestabschlussnote) verfügen und ein dem erlernten Beruf verwandtes Studium anstreben. Ziel ist es, die Möglichkeit zu schaffen, berufliche Ziele auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen , wenn die unterschiedlichen Bildungswege eine gleichwertige Architektur aufweisen. Hierfür ist eine stärkere Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung unerlässlich, wie sie sich bereits bei den hybriden Ausbildungsangeboten in Form dualer Studiengänge, die eine duale Ausbildung mit einem Hochschulstudium verbinden, zeigt. Gleichzeitig sollten aber auch andere flexible Verknüpfungen von beruflicher und akademischer Bildung ermöglicht werden. Wichtig wären aus Sicht der Hessischen Landesregierung hierfür standardisierte Anrechnungsverfahren . Die Hessische Landesregierung fördert darüber hinaus Projekte, die zur Erhöhung berufsbezogener Auslandsaufenthalte von hessischen Auszubildenden und jungen Fachkräften, vorrangig in EU-Mitgliedstaaten, beitragen sollen. Hierzu gehört die Förderung: - einer hessenweit tätigen Beratungs- und Informationsstelle und - einer zentralen Beantragung von Fördermitteln für berufliche Auslandsaufenthalte von Auszubildenden (LEONARDO Pool-Projekt für Hessen). Hier wird speziell für den Handwerksbereich die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main in Kooperation mit der Handwerkskammer Kassel gefördert, deren Mobilitätsberaterinnen und Mobilitätsberater interessierte hessische Auszubildende, junge Fachkräfte und Betriebe umfassend über alle Themen rund um berufsbezogene Auslandaufenthalte informieren, beraten und gegebenenfalls unterstützen. Die Hessische Landesregierung begrüßt die gesamte Entwicklung hinsichtlich der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Bildungsraumes, setzt sich für die Verankerung der entsprechenden Instrumente in Hessen ein und treibt ihre Umsetzung voran. Frage 37. Welche Rolle spielt die Mobilisierung europäischer Fachkräfte im "Gesamtkonzept Fachkräftesicherung Hessen"? Welche Maßnahmen ergreift hier die Landesregierung? Die Hessische Landesregierung setzt in ihrem Gesamtkonzept bei der Fachkräftegewinnung und -bindung auf einen Strategiemix aus Bildung, Arbeitsmarktpolitik und Internationalisierung (siehe auch Antwort auf Frage 23). Dabei bedarf es grundsätzlich zur Sicherung der Arbeitskräftebasis Hessens der Hebung und Nutzung aller Potenziale, sowohl der inländischen als auch derer internationaler Fach- und Arbeitskräfte. Die gezielte Ansprache von Fachkräften im Ausland stellt eine wichtige Initiative der Wirtschaft zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Hessens dar. Fachkräfte aus dem europäischen Ausland sind in Hessen willkommen und werden benötigt, um dem Fachkräftebedarf der Zukunft zu begegnen. Zuwanderung und Integration sind dabei eng miteinander verbunden. Für die hessische Gesellschaft ist Zuwanderung, wenn Integration gelingt, eine große Chance zur Deckung des Fachkräftebedarfs. Insoweit spielt die Mobilisierung europäischer Fach- bzw. Arbeitskräfte auch im Gesamtkonzept Fachkräftesicherung eine wichtige Rolle im Kontext der Gesamtmaßnahmen. So werden in Hessen internationale - auch europäische - Fachkräfte mit Hilfsangeboten wie dem Onlineportal www.work-in-hessen.de und dem WELCOMECENTER Hessen unterstützt. Im WELCOMECENTER Hessen, einem Gemeinschaftsprojekt des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, der Bundesagentur für Arbeit und der Handwerkskammer Frankfurt- Rhein-Main, finden in Hessen neu ankommende internationale Fachkräfte und an internationalen Fachkräften interessierte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine zentrale Anlauf-, Service- 32 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 und Beratungsstelle mit mehrsprachigem Angebot zum Arbeiten und Leben in Hessen. Das WELCOMECENTER Hessen ist ein weiterer, wichtiger Baustein im Instrumentenkasten der hessischen Fachkräftesicherung und ein gutes Beispiel erfolgreicher, gelebter Kooperation von Land, Wirtschaft und Arbeitsverwaltung. Es verbessert die Willkommenskultur, trägt der Internationalität Hessens als wichtigem Standortfaktor Rechnung, unterstützt durch die Schaffung einer Willkommensstruktur die Optimierung des Einreiseprozesses und wirbt als Botschafter für eine gelebte Willkommenskultur in Hessen. Das WELCOMECENTER Hessen fungiert auf vielfältige Weise als Brücke zwischen Wirtschaft, Land und internationalen Fachkräften, auch aus dem europäischen Ausland, und unterstützt damit die Mobilität europäischer Fachkräfte. Ein weiterer Baustein zur Fachkräftesicherung ist die Kooperationsvereinbarung Hessens mit der Region Madrid. Die Förderung der Mobilität von Fachkräften zwischen der spanischen Region Madrid und dem Land Hessen im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung ist ein weiteres Beispiel für das gemeinsame Engagement der Wirtschaft und der Arbeitsmarktakteure. Die Kooperationsvereinbarung Hessens mit der Autonomen Gemeinschaft Madrid wurde im Jahr 2012 unterzeichnet. Ziel ist es hierbei, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes zu intensivieren und die Mobilität der Fachkräfte zur beiderseitigen Steigerung der Wohlfahrt zu fördern, in dem der hessische Arbeitsmarkt jungen Menschen der Autonomen Gemeinschaft Madrid berufliche Perspektiven eröffnet. Der Abbau der strukturellen Jugendarbeitslosigkeit und die Deckung des künftig steigenden Bedarfs an Fachkräften in Hessen, die Stärkung der Mobilität, die Steigerung der wechselseitigen Bekanntheit, die Förderung und Weiterentwicklung der dualen Ausbildung in der Autonomen Gemeinschaft und die Förderung der Zusammenarbeit der Hochschulen über die Grenzen hinweg sind die wichtigsten Ziele. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung haben beispielsweise über 25 Betriebe aus dem Handwerkskammerbezirk Frankfurt-Rhein-Main einem oder gleich mehreren spanischen Jugendlichen Ausbildungsplätze in den Berufen Elektroniker/in für Energie- und Gebäudetechnik, Dachdecker/in und Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik angeboten. 41 junge Spanier und zwei junge Spanierinnen folgten diesem Angebot und haben 2013 eine Ausbildung in Deutschland zugesagt. Frage 39. Wie bewertet sie in diesem Kontext die Mitteilung der EU-Kommission vom 2. Oktober 2013 über die Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs (COM(2013) 676 final)? Welchen Stand hat das Verfahren nach ihrer Kenntnis? Mit der Mitteilung zur Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs hat die EU-Kommission (KOM) einen Arbeitsplan zur Evaluation der in den EU-Mitgliedstaaten bestehenden Berufszugangsregelungen vorgelegt (sog. Transparenzinitiative). Bereits in ihrer Mitteilung über die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Juni 2012 stellte die KOM heraus, dass es aus ihrer Sicht sehr wichtig sei, einen geeigneten rechtlichen Rahmen für die Dienstleistungen der Freien Berufe zu gewährleisten, um die Beschäftigung in der EU zu fördern und das Wirtschaftswachstum anzuregen und so den Folgen der Finanzkrise zu begegnen. Dieser Aspekt wurde in der Folge auch bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen berücksichtigt, die bis zum 18.01.2016 in den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen war, und eine Strategie zur Überprüfung und Modernisierung der Vorschriften über Berufsqualifikationen , die den Zugang zu Berufen oder Berufsbezeichnungen regeln, festgeschrieben. Um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gleiche Zielrichtung verfolgen, hat die KOM in ihrer Mitteilung vom 02.10.2013 (COM(2013) 676 final) einen Rahmen zur Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs vorgegeben, der es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen sollte, bis April 2015 die ersten entsprechenden nationalen Aktionspläne vorzulegen , denen fundierte Einzelfallanalysen der Beschränkungen des Berufszugangs und etwaiger alternativer Regulierungsmechanismen zugrunde liegen sollen. Der Rahmen orientiert sich dabei an den in Artikel 59 der überarbeiteten Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen festgelegten drei Kriterien, wonach zu prüfen ist, ob eine Berufszugangsregelung diskriminierungsfrei , durch einen übergeordneten, im Allgemeininteresse liegenden Grund gerechtfertigt und für das Erreichen der mit ihr angestrebten Ziele erforderlich und verhältnismäßig ist. Gleichzeitig teilte die KOM mit, mit einer Bilanz der bisherigen Fortschritte und der noch vorhandenen Defizite des oben beschriebenen Prozesses im Rahmen ihrer im November 2014 und November 2015 vorzulegenden jährlichen Berichte über den Stand der Integration des Binnenmarktes beginnen zu wollen. Die KOM hat den in der Mitteilung vorgestellten Arbeitsplan zur Evaluierung in drei Phasen eingeteilt: - Bestandsaufnahme der reglementierten Berufe in jedem EU-Mitgliedstaat in eine zentrale Datenbank und Veröffentlichung einer Europakarte der reglementierten Berufe. - Überprüfung, Evaluierung und nationale Aktionspläne für die erste Gruppe von Wirtschaftszweigen . - Überprüfung, Evaluierung und nationale Aktionspläne für die zweite Gruppe von Wirtschaftszweigen . Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3267 33 Phase 1 wurde im November 2013 begonnen und am 08.05.2014 mit der Veröffentlichung der Europakarte abgeschlossen. Die gegenseitige Evaluierung der EU-Mitgliedstaaten der Phasen 2 und 3 wurden insgesamt im September 2015 beendet. Die nationalen Aktionspläne sollen für alle Berufsgruppen bis Anfang 2016 vorliegen, der für Deutschland durch die Fachressorts auf Bundesebene vorbereitet wird. Geplant ist, dass die KOM im Frühjahr 2016 auf Grundlage der Aktionspläne der Mitgliedstaaten gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen, soweit noch nicht nach Abschluss der Phase 2 im Februar 2015 geschehen, vorschlagen wird, zu denen unter anderem die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren bei Aufrechterhaltung diskriminierender oder unverhältnismäßiger nationaler Anforderungen an den Berufszugang gehören können wie im Falle der verbindlichen Mindestpreise für Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Steuerberaterinnen und Steuerberater. Hier hat die KOM am 18.06.2015 ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da sie der Auffassung ist, dass durch die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) unverhältnismäßige und nicht gerechtfertigte Hindernisse bei freiberuflichen Dienstleistungen bestünden, die mit der Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere Art. 15, nicht vereinbar seien, und fordert, die verbindlichen Mindestpreise aufzuheben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus deutscher Sicht die Freien Berufe und das meisterpflichtige Handwerk im Zentrum der Transparenzinitiative stehen. Mit Beschluss vom 29.11.2013 (BR Drucksache 717/13 - Beschluss) nahm der Bundesrat kritisch zur Mitteilung der KOM vom 02.10.2013 Stellung. Hauptkritikpunkte waren das unausgewogene Verhältnis in der Darstellung der Vor- und Nachteile etwaiger Deregulierungen, bei der den Positiveffekten deutlich mehr Raum gegeben wurde, ein im Hinblick auf die Komplexität der Materie unrealistischer Zeitplan und methodische Mängel bei den Erwägungen der KOM zum Zusammenhang von Liberalisierung bei den Berufszugangsregelungen und Wachstumsbeschleunigung . Die Hessische Landesregierung teilt die im Beschluss festgehaltenen Bedenken des Bundesrates umfänglich. Eine Deregulierung führt entgegen der Einschätzung der KOM nicht automatisch zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Dies belegt auch die von der KOM in Auftrag gegebene Studie des Centre for Strategy & Evaluation Services, die zu dem Schluss kommt, dass Zulassungsstrukturen sogar eher eine tendenziell positive ökonomische Wirkung aufweisen. Die Studien des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen e.V. zu den Auswirkungen der Handwerksnovelle 2004 (siehe auch Antwort auf Frage 35), bei der ein signifikanter Abbau von Berufszugangsschranken im Handwerk erfolgte, kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass Deregulierungen beim Berufszugang nicht zwangsläufig ökonomisch von Vorteil sind. Die Hessische Landesregierung spricht sich daher nach wie vor für die uneingeschränkte Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises in Form der Meisterqualifikation für die zulassungspflichtigen Handwerke aus. Es gilt, die hohen Qualitätsstandards im Handwerk und auch bei den Freien Berufen als wichtige Säulen des Mittelstandes zu bewahren. Die bestehenden Zulassungspflichten stellen aus Sicht der Landesregierung entgegen der Einschätzung der KOM kein unangemessenes Hindernis für die Mobilität von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten im Binnenmarkt dar, da durch die modernisierte Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ein entsprechender Marktzugang gewährt wird. Abschließend ist die wichtige Rolle des Systems der Selbstverwaltung und der Kammern zu nennen , die mit den übernommenen Aufgaben wie beispielsweise im Prüfungswesen und bei der Berufsaufsicht die staatliche Bürokratie und die Steuerzahler entlasten. Ihre Abschaffung hätte nach Ansicht der Landesregierung erhebliche finanzielle und organisatorische Folgen für den Staat. Wiesbaden, 29. März 2016 Tarek Al-Wazir Die komplette Drucksache inklusive Anlage kann im Landtagsinformationssystem abgerufen werden (www.Hessischer-Landtag.de). 1 Anlagen 1 - 14 Anlage 1 Quelle: Konjunkturbericht des Hessischen Handwerks Januar 2016 2 Anlage 2 Quelle: Das hessische Handwerk in Zahlen 2015, Ergebnisse der amtlichen oder organisationseigenen Handwerksstatistik – Tabellenteil, Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern 3 Anlage 3 Anlage A zum Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Verzeichnis der Gewerbe, die als zulassungspflichtige Handwerke betrieben werden können (§ 1 Abs. 2) Nr. 1 Maurer und Betonbauer 2 Ofen- und Luftheizungsbauer 3 Zimmerer 4 Dachdecker 5 Straßenbauer 6 Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer 7 Brunnenbauer 8 Steinmetzen und Steinbildhauer 9 Stukkateure 10 Maler und Lackierer 11 Gerüstbauer 12 Schornsteinfeger 13 Metallbauer 14 Chirurgiemechaniker 15 Karosserie- und Fahrzeugbauer 16 Feinwerkmechaniker 17 Zweiradmechaniker 18 Kälteanlagenbauer 19 Informationstechniker 20 Kraftfahrzeugtechniker 21 Landmaschinenmechaniker 22 Büchsenmacher Nr. 23 Klempner 24 Installateur und Heizungsbauer 25 Elektrotechniker 26 Elektromaschinenbauer 27 Tischler 28 Boots- und Schiffbauer 29 Seiler 30 Bäcker 31 Konditoren 32 Fleischer 33 Augenoptiker 34 Hörgeräteakustiker 35 Orthopädietechniker 36 Orthopädieschuhmacher 37 Zahntechniker 38 Friseure 39 Glaser 40 Glasbläser und Glasapparatebauer 41 Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik 4 Anlage B zum Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Verzeichnis der Gewerbe, die als zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Gewerbe betrieben werden können (§ 18 Abs. 2) Abschnitt 1: Zulassungsfreie Handwerke Nr. 1 Fliesen-, Platten- und Mosaikleger 2 Betonstein- und Terrazzohersteller 3 Estrichleger 4 Behälter- und Apparatebauer 5 Uhrmacher 6 Graveure 7 Metallbildner 8 Galvaniseure 9 Metall- und Glockengießer 10 Schneidwerkzeugmechaniker 11 Gold- und Silberschmiede 12 Parkettleger 13 Rollladen- und Sonnenschutztechniker 14 Modellbauer 15 Drechsler (Elfenbeinschnitzer) und Holzspielzeugmacher 16 Holzbildhauer 17 Böttcher 18 Korb- und Flechtwerkgestalter 19 Maßschneider Nr. 20 Textilgestalter (Sticker, Weber, Klöppler, Posamentierer, Stricker) 21 Modisten 22 (weggefallen) 23 Segelmacher 24 Kürschner 25 Schuhmacher 26 Sattler und Feintäschner 27 Raumausstatter 28 Müller 29 Brauer und Mälzer 30 Weinküfer 31 Textilreiniger 32 Wachszieher 33 Gebäudereiniger 34 Glasveredler 35 Feinoptiker 36 Glas- und Porzellanmaler 37 Edelsteinschleifer und -graveure 38 Fotografen 39 Buchbinder 40 Drucker Nr. 41 Siebdrucker 42 Flexografen 43 Keramiker 44 Orgel- und Harmoniumbauer 45 Klavier- und Cembalobauer 46 Handzuginstrumentenmacher 47 Geigenbauer 48 Bogenmacher 49 Metallblasinstrumentenmacher 50 Holzblasinstrumentenmacher 51 Zupfinstrumentenmacher 52 Vergolder 53 Schilder- und Lichtreklamehersteller 5 Abschnitt 2: Handwerksähnliche Gewerbe Nr. 1 Eisenflechter 2 Bautentrocknungsgewerbe 3 Bodenleger 4 Asphaltierer (ohne Straßenbau) 5 Fuger (im Hochbau) 6 Holz- und Bautenschutzgewerbe (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden) 7 Rammgewerbe (Einrammen von Pfählen im Wasserbau) 8 Betonbohrer und -schneider 9 Theater- und Ausstattungsmaler 10 Herstellung von Drahtgestellen für Dekorationszwecke in Sonderanfertigung 11 Metallschleifer und Metallpolierer 12 Metallsägen-Schärfer 13 Tankschutzbetriebe (Korrosionsschutz von Öltanks für Feuerungsanlagen ohne chemische Verfahren) 14 Fahrzeugverwerter 15 Rohr- und Kanalreiniger 16 Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten) 17 Holzschuhmacher 18 Holzblockmacher Nr. 19 Daubenhauer 20 Holz-Leitermacher (Sonderanfertigung ) 21 Muldenhauer 22 Holzreifenmacher 23 Holzschindelmacher 24 Einbau von genormten Baufertigteilen (z. B. Fenster, Türen, Zargen, Regale) 25 Bürsten- und Pinselmacher 26 Bügelanstalten für Herren- Oberbekleidung 27 Dekorationsnäher (ohne Schaufensterdekoration ) 28 Fleckteppichhersteller 29 (weggefallen) 30 Theaterkostümnäher 31 Plisseebrenner 32 (weggefallen) 33 Stoffmaler 34 (weggefallen) 35 Textil-Handdrucker 36 Kunststopfer 37 Änderungsschneider 38 Handschuhmacher Nr. 39 Ausführung einfacher Schuhreparaturen 40 Gerber 41 Innerei-Fleischer (Kuttler) 42 Speiseeishersteller (mit Vertrieb von Speiseeis mit üblichem Zubehör) 43 Fleischzerleger, Ausbeiner 44 Appreteure, Dekateure 45 Schnellreiniger 46 Teppichreiniger 47 Getränkeleitungsreiniger 48 Kosmetiker 49 Maskenbildner 50 Bestattungsgewerbe 51 Lampenschirmhersteller (Sonderanfertigung ) 52 Klavierstimmer 53 Theaterplastiker 54 Requisiteure 55 Schirmmacher 56 Steindrucker 57 Schlagzeugmacher 6 Anlage 4 Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Handwerksgruppen Quelle: Auswertung der Lehrlingsstatistik 2014, Hessischer Handwerkstag 7 Anlage 5 Quelle: Auswertung der Lehrlingsstatistik 2014, Hessischer Handwerkstag 8 Anlage 6 Zahl der Neuverträge in den zehn am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen des Handwerks im Jahr 2014 Frauen Männer Quellen: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur, Erhebung zum 31.12.2014 49 61 65 74 76 77 130 141 299 684 0 200 400 600 800 1.000 1.200 Bäcker/in Tischler/in Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk SP Fleischerei Konditor/in Maler/in und Lackierer/in FR Gestaltung und Instandhaltung Zahntechniker/in Augenoptiker/in Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk SP Bäckerei Friseur/in 9 Anlage 7 Schulische Vorbildung der Auszubildenden mit neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen: Quelle: Auswertung der Lehrlingsstatistik 2014, Hessischer Handwerkstag HS=Hauptschulabschluss, RS=Realschulabschluss, Abi=Abitur, FOS=Fachoberschulabschluss; BGJ=Berufsgrundbildungsjahr, BVJ= Berufsvorbereitungsjahr, BFS=Berufsfachschule *statistisch ist seit 2008 der höchste Schulabschluss zu erfassen: Zugangsvoraussetzung für das BGJ ist der HS-Abschluss. Daher wird der Abschluss eines BGJ nicht mehr statistisch ausgewiesen. Seit 2007 wird bei einem erfolgreichen BVJ der HS-Abschluss vergeben. Absolventen eines BVJ ohne Abschluss werden seitdem der Spalte o. HS zugeordnet. Im Rahmen eines erfolgreichen Besuchs einer BFS kann der RS-Abschluss nachgeholt werden. Absolventen einer BFS ohne den erreichten mittleren Abschluss werden der Spalte HS zugeordnet. 10 Anlage 8 Auszubildende nach Handwerksgruppen Quelle: Strukturdaten des hessischen Handwerks 2004-2014, Hessischer Handwerkstag 11 Anlage 9 Bestandene Gesellenprüfungen nach Handwerksgruppen Handwerksgruppe 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Bau und Ausbau 1.255 1.144 1.277 1.288 1.067 1.326 1.315 1.178 1.143 1.209 1.071 davon B1 Handwerke 51 44 38 51 48 47 35 32 32 50 29 Elektro und Metall 3.341 3.065 2.829 2.851 2.785 2.808 2.912 3.089 2.899 2.578 2.683 davon B1 Handwerke 18 17 17 14 20 19 17 28 19 21 16 Holz 582 540 524 485 482 533 510 467 447 470 396 davon B1 Handwerke 39 29 37 34 22 23 31 32 31 21 19 Bekleidung 148 142 213 225 174 161 121 139 114 116 146 davon B1 Handwerke 148 142 213 224 174 160 121 139 114 115 146 Nahrungsmittel 463 369 457 445 413 480 424 417 396 308 310 davon B1 Handwerke 2 0 4 3 1 0 3 1 0 1 3 Gesundheit 1.182 1.175 1.108 1.100 1.071 1.092 1.080 1.060 945 866 800 davon B1 Handwerke 41 58 42 70 54 45 42 51 37 25 24 Glas, Papier usw. 116 88 140 126 74 102 90 96 62 93 93 davon B1 Handwerke 104 67 96 91 57 80 75 76 44 73 69 Sonstige 754 823 846 958 884 950 965 932 925 827 887 insgesamt 7.841 7.346 7.394 7.478 6.950 7.452 7.417 7.378 6.931 6.467 6.386 davon B1 Handwerke 403 357 447 487 376 374 324 359 277 306 306 davon zulassungspfl . Handwerke 6.684 6.166 6.101 6.033 5.690 6.128 6.128 6.087 5.729 5.334 5.193 Quelle: Auswertung des Hessischen Handwerkstages 12 Anlage 10 *Auszubildende A handwerkliche Ausbildungsberufe Anlage A und Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk (kfm. Ausbildungsberuf), der jedoch eindeutig dem zulassungspflichtigen Handwerk zugeordnet werden kann *Auszubildende B handwerkliche Ausbildungsberufe Anlage B1 Quelle: Auswertung des Hessischen Handwerkstages 13 Anlage 11 Quelle: Auswertung des Hessischen Handwerkstages 14 Anlage 12 Quelle: Auswertung des Hessischen Handwerkstages 15 Anlage 13 Bestandene Gesellenprüfungen in Hessen insgesamt 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 bestandene Gesellenprüfungen 7.841 7.346 7.394 7.478 6.950 7.452 7.417 7.378 6.931 6.467 6.386 B1 Handwerke 403 357 447 487 376 374 324 359 277 306 306 Zulassungspfl. Handwerke 6.684 6.166 6.101 6.033 5.690 6.128 6.128 6.087 5.729 5.334 5.193 Quelle: Auswertung des Hessischen Handwerkstages (kaufmännische Abschlussprüfungen im Handwerk sind hier nicht aufgeführt) 16 Anlage 14 Quelle: ZDH; der jetzige § 7.1 der Handwerksordnung (HwO) beinhaltet § 7.4 und 7.6 der alten HwO *) Handwerksrechtsnovelle 1998 und Handwerksrechtsnovelle 2004.