Kleine Anfrage des Abg. Marius Weiß (SPD) vom 20.08.2015 betreffend Anspruch und Wirklichkeit der Lärmpausen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Im Interesse der Menschen im Rhein-Main-Gebiet und der Akzeptanz der ökonomischen Entwicklung des Flughafens ist es geboten, Maßnahmen zur Begrenzung der Fluglärmbelastung zu ergreifen. Dazu gehören insbesondere Entlastungen in den Stunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr. Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Am 23. April 2015 startete hierzu der Probebetrieb. Damit hat die Hessische Landesregierung ein wichtiges Etappenziel für mehr Lärmschutz erreicht. Das Lärmpausenmodell hat sich auf Anhieb als verlässlich und praktikabel erwiesen. Am Ende des einjährigen Probebetriebs werden die Lärmauswirkungen umfassend bewertet werden. Tagesaktuell stehen schon jetzt für alle Interessierten verschiedene Möglichkeiten offen, sich über die Anwendung des Lärmpausenkonzepts insgesamt oder über einzelne Besonderheiten wie z.B. erfolgte Swingover zu informieren. So werden Informationen zur Anwendung des Lärmpausenkonzepts in den Nachtrandstunden sowie Gründe im Fall einer ausnahmsweisen Aussetzung am nächsten Tag auf der Internetseite des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie , Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) (https://wirtschaft.hessen.de/verkehr/ luftverkehr/verspaetete-starts-und-landungen) veröffentlicht. Darüber hinaus werden auf der Internetseite des Umwelt- und Nachbarschaftshauses (UNH) tagesaktuell die Flugspuren und weitere Details der tatsächlich von 22:00 bis 23:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr erfolgten Anund Abflüge bereitgestellt (http://webanwendung.umwelthaus.org/laermpausen). Die Mitglieder des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses des Hessischen Landtags sowie die Fluglärmkommission erhalten zudem monatlich eine Auswertung von der Fraport AG zur Umsetzung des Probebetriebs der Lärmpausen. Darin wird sowohl dargestellt, an welchen Tagen das Betriebskonzept der Lärmpause angewendet wurde sowie die Verteilung der An- und Abflüge auf die Bahnen als auch in einer Einzeltagesübersicht jede einzelne Besonderheit (z.B. Swingover). Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wer entscheidet, ob eine Lärmpause eingehalten wurde oder nicht? Grundsätzlich erfolgt bei Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) von 22:00 bis 6:00 Uhr der Flugbetrieb nach dem Lärmpausenkonzept. Es kann aber bei Vorliegen bestimmter Situationen eine Aussetzung des alternativen Betriebskonzepts erfolgen. Laut dem Bündnispapier zu den Lärmpausen erfolgt der Flugbetrieb nach dem Lärmpausenkonzept immer dann, wenn z.B. "(1) flugsicherungsbedingte Erfordernisse zur Ausübung des gesetzlichen Auftrages der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS), (2) infrastrukturelle Erfordernisse, wie z.B. Bahnschließungen aufgrund von geplanten oder ad hoc notwendigen Baumaßnahmen oder Wartungsarbeiten oder (3) schlechte Wetterbedingungen" einer Anwendung nicht im Wege stehen. Anderenfalls können DFS, Fraport AG oder Flughafennutzer die Aussetzung des Lärmpausenkonzepts bei der Luftaufsicht beantragen. Eine gesonderte behördliche Entscheidung über die Anwendung des Betriebskonzepts erfolgt nicht, sondern, sobald ein solcher Aussetzungsantrag einer der genannten Parteien vorliegt, werden alle Beteiligten informiert und für die betroffene Randstunde wird das herkömmliche Betriebskonzept angewendet. Eingegangen am 5. November 2015 · Ausgegeben am 9. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2349 05. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2349 Frage 2. Im Bündnispapier zu den Lärmpausen steht unter "Definition Lärmpausen": "Lärmpausen sollen zukünftig durch wechselnde Nutzungen der Start- und Landebahnen in den beiden Nachtrandstunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr für die jeweils davon profitierenden Gebiete im Umfeld des Flughafens entstehen." Warum gilt die Lärmpause nach Ansicht von Minister AlWazir auch bei einem Swingover als eingehalten, wenn sie durch wechselnde Nutzung von Bahnen und nicht von Anflugrouten definiert wird? Wenn die Lärmpause bei einem Swingover von 25L auf 25C als eingehalten gilt, weil dabei in Summe weniger Anwohner von Lärm betroffen sind, warum gilt die Lärmpause dann auch bei einem Swingover von 25C auf 25L als eingehalten? Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung, die im Zuge der Beratung des Lärmpausenkonzepts im Forum Flughafen und Region (FFR) und der Fluglärmkommission (FLK) getroffen wurde, dass auch im Fall eines Probebetriebs des Lärmpausenkonzepts das "Schwingen" von der Süd- (25L) auf die Centerbahn (25C) hinter Offenbach über unbewohntem Gebiet möglich bleiben soll. Die Frage der Kompatibilität des Lärmpausenkonzepts mit anderen Maßnahmen wurde im FFR geprüft und in der Sitzung der FLK am 10. Dezember 2014 dargestellt und erörtert . Sie wurde für Swingover bejaht. Bereits im Jahr 2013 hatte die FLK sich positiv zu einem Probebetrieb von Swingovern von der Süd- auf die Centerbahn bei Betriebsrichtung 25 (BR 25) verhalten, wenn sie hinter Offenbach über unbewohntem Gebiet erfolgen und hat nach erfolgreichem Probebetrieb am 22. Juli 2015 einer Überführung in den Regelbetrieb zugestimmt . Solche Swingover bei BR 25 bedeuten eine weitere Entlastung für Neu-Isenburg, ohne dass damit die mit dem Lärmpausenkonzept an sich beabsichtigten Wirkungen konterkariert würden. Unabhängig von den Lärmpausen ist ein Swingover von der Center- auf die Südbahn kein Swingover, der aus Lärmschutzgründen vorteilhaft ist. Insofern hat das HMWEVL im Juli 2015 bereits entsprechend bei der DFS auf den im Zuge des Monitorings des Lärmpausenkonzepts aufgefallenen Einzelfall hingewiesen und auf die Notwendigkeit, dass Swingover von den Lotsen so gehandhabt werden sollten, dass sie ausschließlich von der Süd- auf die Centerbahn erfolgen . Frage 3. Im Bündnispapier zu den Lärmpausen steht unter "Definition Lärmpausen": "Lärmpausen sollen zukünftig durch wechselnde Nutzungen der Start- und Landebahnen in den beiden Nachtrandstunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr für die jeweils davon profitierenden Gebiete im Umfeld des Flughafens entstehen." Warum betrifft die Umsetzung der Lärmpausen nach Ansicht von Minister Al-Wazir nur die Landungen und nicht die Starts, obwohl im Bündnispapier und in allen Unterlagen im Vorfeld zur Entscheidung der Lärmpausen immer von wechselseitigen Sperrungen von Lande- und Startbahn die Rede war? Dem Konzept der "Siebenstündigen Lärmpausen" liegt die Überlegung zugrunde, dass, in Erweiterung zum bisher auf frühmorgendliche Abflüge angewandten "DROps Early Morning" (Dedicated Runway Operations), auch für von Landungen Betroffene Lärmpausen geschaffen werden sollen. Außerdem sollte bei der Gestaltung des Lärmpausenkonzepts für An- und Abflüge auch die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr einbezogen werden. Dies wurde mit der seit April 2015 durchgeführten Maßnahme bewirkt. Bei der Konzeption der Modelle für die Realisierung von Lärmpausen wurden – ausgehend von den Varianten der Bahnnutzung bei Anflügen – jeweils auch alternierende Nutzungen der Bahnen für Abflüge berücksichtigt. Dies ergibt sich auch aus betrieblichen Gründen, denn es soll keine Bahn standardmäßig zeitgleich zum Landen und Starten vorgesehen werden. Wenn also morgens bei Anwendung des Lärmpausenkonzepts von 5:00 bis 6:00 Uhr die Anflüge statt auf die Südbahn auf die Centerbahn erfolgen, ergibt sich hieraus, dass Abflüge vom Parallelbahnsystem in diesem Zeitraum von der Südbahn erfolgen. Zusätzlich erfolgen im Probebetrieb des Modells 4 bei BR 25 von 5:00 bis 6:00 Uhr bei Anwendung des Lärmpausenkonzepts keine Abflüge von der Startbahn West. Im Rahmen der Überprüfung der Flugspuren zum Monitoring des Probebetriebs hat das HMWEVL festgestellt, dass es morgens in wenigen Einzelfällen bei Anwendung des Lärmpausenkonzepts zu Unterschieden bei Daten über die Bahnbelegung bei Abflügen kam, die von der DFS an die Fraport AG übermittelt wurden. Der Sachverhalt konnte mittlerweile geklärt werden . Die Abflüge fanden tatsächlich - wie im Lärmpausenmodell vorgesehen - von der Südbahn statt. Die temporär ausgesetzte Maßnahme DROps für Betriebsrichtung 07 (Ost) wurde von der DFS am 15. Oktober 2015 reaktiviert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2349 3 Frage 4. Im Bündnispapier zu den Lärmpausen steht unter "Definition Lärmpausen": "Lärmpausen sollen zukünftig durch wechselnde Nutzungen der Start- und Landebahnen in den beiden Nachtrandstunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr für die jeweils davon profitierenden Gebiete im Umfeld des Flughafens entstehen." Bis zu wie viel Minuten Verspätung bei den Landungen morgens auf 25L und abends auf 25R gelten die Lärmpausen noch als eingehalten? Die DFS ist bestrebt, durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen zu gewährleisten, dass die Lärmpausen im Zeitraum von 5:00 bis 06:00 Uhr und von 22:00 bis 23:00 Uhr ohne zeitliche Verschiebungen stattfinden. Aus betrieblichen Gründen (z.B. die Staffelung von Flugzeugen, damit bestimmte Mindestabstände nicht unterschritten werden) kann es gleichwohl in Einzelfällen zu geringfügigen zeitlichen Abweichungen kommen, wenn z.B. eine Anflugbewegung seitens der DFS bereits für eine bestimmte Bahn Freigabe erhielt, weil zunächst davon ausgegangen wurde, dass die Landung außerhalb der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr erfolgt, faktisch aber innerhalb des Zeitraums erfolgte. Ein Abbruch des Anflugs und erneuter Anflug auf der anderen Bahn wäre in solchen Fällen auch unter Lärmgesichtspunkten kontraproduktiv. Wie man den monatlichen Umsetzungsberichten entnehmen kann, ist im bisherigen Probebetrieb bisher eine sehr geringe Anzahl solcher Abweichungen zu verzeichnen. In der Regel handelte es sich um Abweichungen von einer Minute, einmal vier Minuten, einmal drei Minuten. Eine feste Grenze gibt es nicht, sondern alle Einzelfälle werden inkl. der tatsächlichen Uhrzeit aufgelistet. Frage 5. Im Bündnispapier zu den Lärmpausen heißt es: "Eine Rückführung des Lärmpausenmodells soll initiiert werden, wenn es innerhalb einer Flugplanperiode an weniger als 50 % der Tage zur Anwendung gekommen ist." Wieso gilt die Umsetzungsquote der Lärmpausen und damit auch die 50-Prozent-Regelung aus dem Bündnispapier nach Lesart der Landesregierung entgegen dem Text des Bündnispapiers bisher nur für die Tage, an denen BR 25 ist und nicht für die Summe aller Tage (BR 07 und BR 25)? Grund der in der Frage zitierten Verabredung war, dass es zu dem Zeitpunkt nicht abschließend abschätzbar war, wie sich das Lärmpausenkonzept insbesondere bei BR 25 im Probebetrieb bewähren würde. Man wollte im Vorfeld einen gemeinsamen Maßstab definieren. Da das im Probebetrieb befindliche Lärmpausenmodell nur bei BR 25 angewendet wird und zudem die Frage der Stabilität der Anwendbarkeit von Modell 4 im Vergleich zu anderen Modellen ohnehin nur bei BR 25 aufgeworfen war, kommt, was die Umsetzung dieser Verabredung angeht, nur eine Auswertung der Anwendungsquote für diese Betriebsrichtung in Betracht. Frage 6. Welche Bahnverteilung für die Landungen bei BR 25 wurde für die errechneten 40.000 Entlasteten bei Modell 4 zugrunde gelegt und wie ist die Bahnverteilung bei Landungen bei BR 25 im Probebetrieb der Lärmpausen bisher in der Praxis? Welche Auswirkungen hat es auf die Summe der rechnerisch Entlasteten, wenn im Gegensatz zur Berechnung mit Umsetzung der Lärmpausen sich das quantitative Verhältnis der Landungen von der 25R hin zu 25C verlagert hat? Im Jahr 2014 erfolgten von 22:00 bis 06:00 Uhr bei BR 25 im Durchschnitt ca. 33 % aller Anflüge auf die Landebahn 25R. Im Zeitraum seit Einführung des Probebetriebs einschließlich September 2015 lag bei Anwendung des Lärmpausenkonzepts der Nutzungsanteil der Landebahn 25R von 5:00 bis 6:00 Uhr bei ca. 28,5 %. In den Abendrandstunden - von 22:00 bis 23:00 Uhr - lag der Nutzungsanteil der Landebahn 25R bei 0,4 %. Der einjährige Probebetrieb des Lärmpausenkonzepts wird durch ein entsprechendes Lärmmonitoring des FFR begleitet. Das Konzept umfasst u.a. die Auswertung von Messwerten vor und nach Beginn des Probebetriebs. Aussagen über die Lärmauswirkungen des Probebetriebs können erst nach Vorliegen und Auswertung dieser Ergebnisse erfolgen. Frage 7. Warum wird in der bisherigen Bewertung der Umsetzung der Lärmpausen die morgendliche und die abendliche Randstunde getrennt betrachtet, während im Vorfeld immer davon die Rede war, dass sich Be- und Entlastungen morgens und abends ausgleichen würden (Beispiel Neu-Isenburg)? Müsste nicht daher eine Lärmpause für eine Nacht erst als eingehalten gelten, wenn sie in der abendlichen und morgendlichen Randstunde umgesetzt wird? Die getrennte Darstellung erfolgt vor allem aus Transparenzgründen, die sowohl den Betroffenen eine Übersicht ermöglicht, als auch denjenigen, die die Monitoringergebnisse zur Bewertung des Probebetriebs unter betrieblichen oder lärmbezogenen Aspekten auswerten werden. Wiesbaden, 14. Oktober 2015 Tarek Al-Wazir