Kleine Anfrage der Abg. Gremmels, Eckert und Grüger (SPD) vom 21.08.2015 betreffend juristisches Vorgehen des RP Gießen gegen HR wegen Woolrec-Berichterstattung und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Die "Frankfurter Rundschau" berichtet in ihrer Ausgabe vom 20. August darüber, dass das Regierungspräsidium Gießen über eine Bonner Anwaltskanzlei den Hessischen Rundfunk aufgefordert hat, eine Unterlassungserklärung zu zwei Berichten des Senders über den sogenannten Woolrec-Skandal abzugeben und mit weiteren juristischen Schritten gedroht haben soll, falls der Sender dies nicht tue. Gemeinsame Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport und der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die Pressestelle des Regierungspräsidiums Gießen hat den Hessischen Rundfunk in der Vergangenheit mehrmals schriftlich darauf hingewiesen, dass in den Berichterstattungen des HR aus den Jahren 2013 und 2014 versäumt wurde, eine auf der Homepage des Regierungspräsidiums Gießen öffentlich zugängliche Gutachtenlage zu den Ergebnissen der umfangreichen Beprobung von Boden, Obst und Gemüse in Tiefenbach in die Berichterstattung aufzunehmen. Bei den betreffenden Gutachten handelt es sich beispielsweise um Gutachten des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie mit mehr als 750 Einzelanalysen oder des Institutes Fresenius. Beprobt wurden damals Obst und Gemüse sowie der Boden in und um das Woolrec-Gelände. Danach wurden in keinem Fall Prüf-, Vorsorge- oder Maßnahmenwerte erreicht oder überschritten . Diese Ergebnisse wurden in der Berichterstattung des HR weder erwähnt noch fanden sie Eingang in die Berichterstattung. Entsprechend geäußerte Bitten und Anregungen der Pressestelle des Regierungspräsidiums Gießen, in diesem Sinne ausgewogen und vollständig zu berichten, wurden nicht aufgegriffen. In der Folge beauftragte das Regierungspräsidium Gießen die Rechtsanwaltskanzlei Redeker, Sellner, Dahs in eigener Zuständigkeit. Nach Versendung eines außergerichtlichen Schriftsatzes der Rechtsanwaltskanzlei an die juristische Direktion des HR, in dem der HR aufgefordert wurde, Äußerungen zu unterlassen, die die geschilderte Gutachtenlage weiterhin unberücksichtigt lassen, fand am 17. Juli 2015 ein Gespräch in den Räumlichkeiten des HR statt. Es handelte sich, wie das Regierungspräsidium berichtete, um ein gutes und konstruktives Gespräch zu den beanstandeten Punkten, die im Wesentlichen ausgeräumt werden konnten. Ein gerichtliches Verfahren war und ist nicht anhängig. Diese Vorbemerkung vorangestellt, wird die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Justizministerin , der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Minister für Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: Frage 1. Wie lautet der Auftrag, den das Regierungspräsidium der Anwaltskanzlei in Sachen HRBerichterstattung zu Woolrec erteilt hat? Der Auftrag an die Anwaltskanzlei lautete "Beratung und Vertretung des Regierungspräsidiums Gießen im Zusammenhang mit Medienanfragen zum Komplex 'Woolrec'". Frage 2. Auf wessen Initiative wurde die Anwaltskanzlei beauftragt? Der Auftrag wurde durch das Regierungspräsidium Gießen in eigener Zuständigkeit erteilt. Eingegangen am 9. November 2015 · Ausgegeben am 11. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2351 09. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2351 Frage 3. Welche Kosten sind durch die Beauftragung der Anwaltskanzlei entstanden? Die entstandenen Rechtsanwaltskosten fußen auf einer Honorarvereinbarung, so dass ihre Preisgabe das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Rechtsanwaltskanzlei verletzen würde. Die Höhe der Kosten bewegt sich im Rahmen der auf solche Rechtsfragen spezialisierten Kanzleien. Frage 4. Mit wem in der Landesregierung hat das RP Gießen das Vorgehen gegen den HR abgestimmt? Das RP Gießen wurde in eigener Zuständigkeit tätig. Eine Abstimmung des Vorgehens mit der Landesregierung hat nicht stattgefunden. Frage 5. Wann hat die Landesregierung von der Beauftragung der Bonner Anwaltskanzlei erfahren? Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat im Februar 2015 knapp 4 Wochen nach der Beauftragung der Anwaltskanzlei durch das RP Gießen von dem Vorgang erfahren. Frage 6. Hält die Landesregierung das Vorgehen des Regierungspräsidiums für angemessen? Die sich aufgrund fachlicher Fragestellungen ergebenden politischen und öffentlichen Debatten sollten vorrangig mittels einer transparenten Informationspolitik gegenüber Medien, Bevölkerung und Politik ausgetragen werden. Nach der Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport vom 21. Oktober 2009 (StAnz. S. 2650), geändert am 22. Dezember 2011 (StAnz. 2012 S. 138) vertreten die dort genannten Dienststellen in Verfahren vor den Zivilgerichten, den Arbeitsgerichten, den Sozialgerichten und den Finanzgerichten das Land Hessen im Rahmen des jeweiligen Geschäftsbereichs. Grundsätzlich kann das Regierungspräsidium Gießen daher selbst und in eigener Verantwortung über das Erfordernis einer juristischen Vorgehensweise entscheiden. Durch die gewählte Vorgehensweise konnten die klärungsbedürftigen Punkte nach Auskunft des Regierungspräsidiums ausgeräumt werden. Frage 7. Wie ist der aktuelle Sachstand im Streit zwischen dem Regierungspräsidium und dem HR? Die durch das Regierungspräsidium Gießen beanstandeten Punkte konnten im Wesentlichen ausgeräumt werden. Für ein gerichtliches Verfahren besteht keine Veranlassung. Frage 8. Wie oft ist die hessische Landesregierung bzw. eine nachgeordnete Landesbehörde in den letzten 10 Jahren mit Hilfe von Unterlassungserklärungen gegen Journalisten vorgegangen? (Bitte Vorgänge einzeln aufführen) Der hessischen Landesregierung sind keine Vorgänge bekannt. Wiesbaden, 29. Oktober 2015 Peter Beuth