Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 25.08.2015 betreffend stufenfreie Bahnhöfe in Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Nach einem Ranking des Bündnisses Allianz pro Schiene zur Stufenfreiheit als Teil der Barrierefreiheit an Bahnhöfen, das am 5. August 2015 veröffentlicht wurde, belegt Hessen im Jahr 2015 bundesweit den vorletzten Platz mit nur 62 % Stufenfreiheit an Bahnhöfen. In einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 10. August 2015 zu dem Ergebnis des Rankings wird der Sprecher von Verkehrsminister Al-Wazir mit den Worten zitiert, dass die Landesregierung einen "wesentlichen Schwerpunkt auf die Herstellung von Barrierefreiheit " legt. Dazu stünden nach Worten des Sprechers 48,2 Mio. € im aktuellen Haushalt bereit, 10 Mio. mehr als im Vorjahr. "Bei zahlreichen Stationen ist daher die Herstellung der Barrierefreiheit bereits angegangen oder befindet sich in einem konkreten Planungsstadium", wird der Sprecher von Minister Al-Wazir zitiert. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Es handelt sich bei der Formulierung in dem genannten Zeitungsartikel offensichtlich um ein Missverständnis der Frankfurter Rundschau. Denn die aus der Frankfurter Rundschau zitierte Summe von ca. 48,2 Mio. € stellt die für das Jahr 2015 vorgesehenen Verpflichtungen des Landes für ÖPNV-Vorhaben der DB AG und der Kommunen insgesamt dar. Die Koalitionsvereinbarung der die Landesregierung tragenden Parteien regelt, dass die für den Verkehr vorgesehenen sogenannten Entflechtungsmittel des Landes (GVFG-Kompensationsmittel nach dem Entflechtungsgesetz - bis 2019 jährlich ca. 96,5 Mio. €) zu je 50 % für die Förderung im kommunalen Straßenbau und im ÖPNV eingesetzt werden. Dadurch konnte der Mittelansatz im ÖPNV um ca. 10 Mio. € erhöht werden. Die Umverteilung ermöglicht die schnellere Verbesserung der ÖPNV-Infrastruktur in Hessen, u.a. den stufenfreien Ausbau von Bahnhöfen. Die Herstellung der Barrierefreiheit ist eine entscheidende Fördervoraussetzung für alle unmittelbar durch Fahrgäste genutzten ÖPNVAnlagen . Die Mittel werden dabei nicht ausschließlich für die Herstellung der Barrierefreiheit aufgewandt, sondern auch für darüber hinausgehende Attraktivitätssteigerungen, z.B. die Schieneninfrastruktur , eingesetzt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung, dass Hessen bei der Stufenfreiheit an Bahnhöfen bundesweit nur den vorletzten Platz belegt hat, und was sind aus ihrer Sicht die Gründe dafür? Für ein attraktives Angebot auf der Schiene wird ein barrierefreier Zugang in Bahnhöfen immer wichtiger. Hier haben wir in Hessen unbestritten Nachholbedarf. Den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen zu koordinieren und zu planen, ist dabei primär Aufgabe des jeweiligen Betreibers der Bahnstationen; in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ist dies die DB Station & Service AG. Die Bahnstationen der DB Station & Service AG sind Teil der bundeseigenen Schieneninfrastruktur. Ihr Ausbau ist gemäß Grundgesetz Art. 87e Abs. 4 eine Aufgabe des Bundes und seiner Eisenbahnen. Da die DB Station & Service AG die dringend notwendigen Maßnahmen aus Eigenmitteln nicht bereitstellt, stellt das Land für entsprechende Maßnahmen umfassende Fördermittel zur Verfügung, wenn die Maßnahmen mit den Aufgabenträgerorganisationen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), den Verkehrsverbünden , hinsichtlich der Umbauerfordernisse und Prioritäten abgestimmt sind. Die DB AG erhält vom Bund über die sog. Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) Mittel für den Ausbau der Schieneninfrastruktur, ein Teil dieser Mittel wird auch für die VerEingegangen am 9. Oktober 2015 · Ausgegeben am 15. Oktober 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2355 09. 10. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2355 besserung der Infrastruktur von Personenbahnhöfen eingesetzt. Da nach den Kriterien der LuFV der Bau von Rampen für den stufenfreien Zugang oder die Einrichtung von Fahrstühlen zu den Personenbahnhöfen nicht grundsätzlich über die LuFV finanzierbar sind und die DB AG nur im begrenzten Umfang Eigenmittel einsetzt, ist die Mitfinanzierung durch die Kommunen und Gebietskörperschaften notwendig. Trotz des umfassenden Förderangebotes des Landes, das in der Regel bis zu 85 % der zuwendungsfähigen Kosten finanziert, kommt es daher in Einzelfällen vor, dass Maßnahmen wegen der Mitfinanzierungsnotwendigkeit der Kommunen und Gebietskörperschaften nicht umgesetzt werden oder sich bei komplexen Finanzierungsfragen verzögern. Frage 2. Wie und bis wann will die Landesregierung dieses Ergebnis verbessern? Um die Zusammenarbeit der Akteure und die Einbindung der Kommunen zu verbessern, haben das Land Hessen, die Verkehrsverbünde als Aufgabenträger für den SPNV und die DB Station & Service AG als Betreiberin der Personenbahnhöfe 2011 die "Rahmenvereinbarung über die Modernisierung und Qualitätsverbesserung von Personenbahnhöfen" (RV Bahnhofsmodernisierung ) abgeschlossen. Für die Laufzeit der RV Bahnhofsmodernisierung von 2011 bis 2019 ist es gelungen, 129 Mio. € der LuFV-Mittel in Hessen zu binden. Ziel ist es, durch fahrgastfreundliche und barrierefreie Stationen die Attraktivität des SPNV zu erhöhen. Die Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen an den Personenbahnhöfen der DB Station & Service AG umfassen z.B. deren möglichst durchgehende barrierefreie Gestaltung, einschließlich der notwendigen Anpassung der Bahnsteighöhen, die Verbesserung der Aufenthaltsqualität durch Erneuerung der Bahnsteigausstattung, die Modernisierung von Zugangsanlagen, die Verbesserung der Kundeninformation (insbesondere an kleineren Stationen) und Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung der Betriebsqualität. Das Land Hessen unterstützt die Bahnhofsmodernisierung in der Rolle als Fördermittelgeber. Maßnahmen der Bahnhofsmodernisierung , die die Fördervoraussetzungen erfüllen, erhalten grundsätzlich eine Landesförderung. Mit der RV Bahnhofsmodernisierung wurde ein Weg gefunden, die Bahnhofsinfrastruktur in Hessen stetig und nachhaltig zu verbessern. Um darüber hinausgehend eine Beschleunigung des barrierefreien Ausbaus der Bahnhöfe zu erreichen , müsste der Bund seine grundgesetzliche Finanzierungsverantwortung offensiv wahrnehmen und die DB Station & Service AG finanziell ausreichend ausstatten. Frage 3. In welchem Einzelplan, Abschnitt, Förderprodukt sind im Haushalt 2015 die genannten 48,2 Mio. € für die Herstellung von Barrierefreiheit an Bahnhöfen zu finden und wie hoch war der Betrag an dieser Haushaltsstelle im Haushalt 2014? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Der Betrag ist Bestandteil eines Sammelpostens (Gesamteinnahmen /-ausgaben Kapitel 1752) und im Haushalt nicht einzeln aufgeschlüsselt. Im Haushalt 2015 findet sich der Sammelposten in Höhe von 120.473.000 € in Einzelplan 17, Kapitel 1752, Förderprodukt 45 (Epl. 17, S. 315 und 316). Der Sammelposten umfasst neben den ca. 96,5 Mio. € sogenannter GVFG-Kompensationsmittel nach dem Entflechtungsgesetz auch Mittel des GVFG-Bundesprogramms, die dem Land für kommunale Bundesprogrammmaßnahmen (z.B. Stadtbahn Europaviertel in Frankfurt) zur Bewilligung bereitgestellt werden. Im Einzelplan 17, Kapitel 1752, Förderprodukt 45 des Haushaltsplans 2014 (Epl. 17, S. 345 und 346) bezifferte sich der Sammelposten auf 118.473.000 €. Frage 4. Für welche Bahnhöfe in Hessen wurden welche Beträge dieser 48,2 Mio. € im Jahr 2015 für den barrierefreien Ausbau bisher verausgabt? Die Beträge fließen je nach Baufortschritt ab, wobei auch eine Auszahlung in Folgejahren in Betracht kommt. Mittelabrufe erfolgen tendenziell verstärkt gegen Ende eines Haushaltsjahres, daher ist eine belastbare Aussage zum Mittelabfluss 2015 erst zum Ende des Jahres möglich. Frage 5. Bei konkret welchen der genannten zahlreichen Stationen wurde die Herstellung der Barrierefreiheit bereits angegangen oder befindet sich in einem konkreten Planungsstadium? Nach Mitteilung der DB Station & Service AG wurden die Modernisierung und barrierefreie Erschließung der Stationen Ehringshausen (Kreuzung Wetzlar), Grebenstein, Hofheim (Ried), Hünfeld, Riedstadt-Wolfskehlen, Wetzlar, Gießen, Groß-Gerau-Dornheim, Walldorf (Hessen) im Jahr 2014 und der Stationen Bebra, Marburg, Wächtersbach und Häuserhof im Jahr 2015 abgeschlossen. Die Station Babenhausen soll im Oktober 2015 fertiggestellt werden. Die Station Frankfurt-Höchst befindet sich seit 2014 im Bau und soll 2016 fertiggestellt werden. Der Baubeginn der Station Mainz-Gustavsburg ist im Jahr 2015 erfolgt. Die Stationen Biblis, Bickenbach, Darmstadt-Eberstadt, Hungen, Weckesheim, Wabern, Eichenberg, Frankfurt-Süd, Kelsterbach, Lorsch, Raunheim, Riedrode und Riedstadt-Goddelau Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2355 3 sind planerisch so weit vorbereitet, dass, sofern keine Verzögerung im Baugenehmigungsverfahren entsteht, Baubeginn in 2016 und 2017 vorgesehen ist. Im Zusammenhang mit der Reaktivierung der Eisenbahnstrecke Frankenberg-Korbach wurden die Stationen der Kurhessenbahn neu- bzw. ausgebaut. Zusätzlich sind der Aus-und Umbau der Stationen im Zusammenhang der Nahverkehrsstrecke Rhein-Neckar (S-Bahn Rhein-Neckar, 2. Baustufe) in Hessen 2017/2018 vorgesehen. Die S-Bahn-Stationen Frankfurt-Hauptbahnhof, Frankfurt-Hauptwache, Frankfurt-Lokalbahnhof, Frankfurt-Mühlberg, Frankfurt (Main) Flughafen Regio-Bahnhof werden gesamthaft aufgewertet und erhalten in nächster Zukunft taktile Leitsysteme. Die Aufwertung sowie die Ausstattung mit taktilen Leitsystemen in der S-Bahn-Station Konstablerwache ist bereits erfolgt. Zudem hat die Landesregierung dem Bund 25 kleinere Bahnstationen für einen barrierefreien Ausbau vorgeschlagen. Die Kosten der Vorhaben summieren sich auf 17,4 Mio. €. Damit reagierte die Landesregierung auf ein Angebot des Bundes, der bundesweit insgesamt 50 Mio. € bereitstellt, um Stationen mit weniger als 1.000 Fahrgästen am Tag möglichst hindernisfrei zu gestalten - etwa durch stufenfreie Zugänge zu den Bahnsteigen, Leitsysteme oder akustische Informationsanlagen . Der Bundesanteil beträgt 50 %, den Rest müssen Land und Kommunen kofinanzieren . Bevorzugt werden Haltepunkte im Einzugsgebiet von Seniorenheimen oder Behinderteneinrichtungen . Die Liste ist mit der Landesbehindertenbeauftragten abgestimmt und umfasst Maßnahmen aus allen Landesteilen (s. Anlage). Für das Programm können alle Länder Vorschläge einreichen. Die Landesregierung hofft, dass der Bund möglichst viele dieser Projekte aus Hessen in sein Programm aufnimmt. Wiesbaden, 2. Oktober 2015 Tarek Al-Wazir Anlage Zukunftinvestitionsprogramm 2016 bis 2018, Hessen Bf‐Nr. Bahnhof Maßnahme vsl. Baubeginn  Kostenschätzung  230 Auringen‐Medenbach Neubau Außenbahnsteig mit Rampe 2018 800.000                         Bad Arolsen Neubau Bstg 2 von < 38 cm auf 55 cm, taktiles Leitsystem 2017                       350.000    2420 Baunatal‐Guntershausen Barrierefreie Erschließung mit 1 Rampe und 1 Aufzug 2017 (Rampe)                    1.350.000    489 Bensheim‐Auerbach barrierefreie Erschließung Westseite mit Rampe 2016 450.000                      619 Biebesheim Erhöhung der Bahnsteige 2017                        400.000    Biedenkopf Erhöhung Haus‐ und Zwischenbahnsteig von 38 auf 55 cm,  taktiles Leistsystem 2017 od. 2018 650.000                         784 Borken (Hess) Neubau 2 Aufzüge  2018                     1.000.000    901 Bruchköbel Neubau 2 Aufzüge  2018                     1.000.000    1002 Bürstadt höhengleicher Bahnübergang für Reisende 2017 400.000                      1129 Darmstadt Süd Neubau 1 Aufzug  2018                        600.000    2970 Fuldatal‐Ihringshausen taktiles Leitsystem auf Bahnsteig 2017                        100.000    2097 Gernsheim Bahnsteigerhöhung 2017                       400.000    1627 Gießen Erdkauter Weg Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000                           2316 Groß‐Rohrheim barrierefreie Erschließung Ostseite Neubau 1 Aufzug 201 500.000                      2448 Hadamar Neubau 1 Außenbahnsteig 2018 500.000                         3371 Korbach 2 Aufzüge Bstg Gl. 1/2 und Bstg Gl. 3 2017                       850.000    Korbach‐Süd Erhöhung Bstg von < 38 cm auf 55 cm, taktiles Leitsystem 2017                       300.000    3616 Lehnheim Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000                           4078 Messel Neubau von 2 Bahnsteigen 2018 1.800.000                     4738 Oestrich-Winkel Neubau 2 Rampen und Erhöhung Hausbahnsteig 2017 2.000.000                  4806 Ostheim (b Butzbach) Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000                           6035 Stockstadt (Rhein) Bahnsteigerhöhung 2017 800.000                         6647 Weiterstadt Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017                     1.400.000    6747 Wiesbaden‐Erbenheim Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017 850.000                         6855 Wölfersheim‐Södel Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017 750.000