Kleine Anfrage der Abg. Degen und Hofmeyer (SPD) vom 25.08.2015 betreffend Nulljahrgang bei Rückkehr zu G9 und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: Wenn Schulen zu G9 zurückkehren, können sich insbesondere im ländlichen Raum für Schülerinnen und Schüler der letzten G8-Jahrgänge Probleme ergeben, die mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit durch entsprechende Regelungen vermieden werden müssen. Insbesondere der sogenannte "Nulljahrgang " erfordert Handlungsbedarf, beispielsweise bei notwenigen Klassenwiederholungen, wenn kein Jahrgang unterhalb der aktuellen Klasse vorhanden ist. Vorbemerkung des Kultusministers: Der sog. "Nulljahrgang" bezeichnet einen in der gymnasialen Oberstufe fehlenden Jahrgang, der daraus resultiert, dass bei einem Wechsel von G8 zu G9 (mit allen Schülerinnen und Schülern der in den Wechsel einbezogenen Jahrgänge) die Schülerinnen und Schüler des ersten G9- Jahrgangs zeitlich verzögert, d.h. erst zwei Jahre nach den Schülerinnen und Schülern des letzten G8-Jahrgangs, in die gymnasiale Oberstufe eintreten sowie ihre Abiturprüfung ablegen. Da eine Reihe von Schulen als Verbundschulen regelmäßig Schülerinnen und Schüler anderer Schulen in die gymnasiale Oberstufe aufnehmen, kann dies in Abhängigkeit von der Größe dieser Schülergruppe dazu führen, dass an der betroffenen Schule zwar ein im Vergleich zur sonstigen Jahrgangsbreite kleinerer, jedoch kein sog. "Nulljahrgang" entsteht. Der gleiche Effekt entsteht, sofern in den Wechsel zu G9 laufende Jahrgänge einbezogen und in dem ersten dieser Jahrgänge einzelne G8- und G9-Klassen gebildet werden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie wird sichergestellt, dass Schülerinnen und Schüler des letzten G8-Jahrgangs von zu G9 zurückkehrenden Schulen, welche die Voraussetzungen für den Übergang in die folgenden Jahrgangsstufen nicht erfüllen, die Wiederholung der zuletzt besuchten Jahrgangsstufe zu Bedingungen ermöglicht wird, die denen vorhergehender Abschlussjahrgänge adäquat sind? Alle Gymnasien mit gymnasialer Mittelstufe und alle kooperativen Gesamtschulen haben einen Leitfaden für die Erstellung der Konzeption der Gesamtkonferenz erhalten (vgl. Anlage, einschließlich Hinweisen für den Wechsel mit laufenden Jahrgängen). In diesem Leitfaden sind neben weiteren Aspekten auch die Planungen für den sog. "Nulljahrgang" als ein verbindlich zu berücksichtigender Aspekt ausgewiesen. Die Konzeption ist gemäß § 24 Abs. 3 HSchG der Entscheidung der Schulkonferenz über die fünf- oder sechsjährige Organisation der Mittelstufe zugrunde zu legen und der Beschluss der Schulkonferenz bedarf der Zustimmung des Schulelternbeirats und der Schülervertretung (vgl. § 110 Abs. 2 u. § 122 Abs. 5 HSchG). Des Weiteren wird die Konzeption der Gesamtkonferenz von dem jeweiligen Staatlichen Schulamt als begleitende Unterlage bei der Genehmigung des Beschlusses der Schulkonferenz über den Wechsel der zeitlichen Organisation der gymnasialen Mittelstufe herangezogen. Somit werden u.a. die erforderlichen Maßnahmen zum adäquaten Umgang mit Wiederholungen von Schülerinnen und Schülern des letzten G8-Jahrgangs in der gymnasialen Oberstufe von der jeweiligen Schule bereits vor der Umsetzung eines Wechsels zu G9 berücksichtigt, sodass die unterschiedlichen schul- und regionalspezifischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten umfassend im Sinne der Schülerinnen und Schüler genutzt werden können. Die geplanten Maßnahmen werden mit Eltern- sowie Schülervertreterinnen und -vertretern erörtert. Ein Wechsel zu G9 kann nur umgesetzt werden, wenn die schulischen Gremien, einschließlich der Elternund Schülervertretungen, diesen Maßnahmen zustimmen. Abschließend werden die Planungen im Kontext der Genehmigung des Beschlusses der Schulkonferenz über den Wechsel zu G9 im Staatlichen Schulamt einer Prüfung unterzogen. Eingegangen am 14. Oktober 2015 · Ausgegeben am 16. Oktober 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2361 14. 10. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2361 Frage 2. Welche Regelungen greifen, wenn alle für die zu Frage 1 genannten Schülerinnen und Schüler erreichbaren Schulen einer Flächenregion ausschließlich G9 anbieten bzw. dort ebenfalls eine "Nulljahrgang" besteht? Die Tatsache, dass eine andere, für die Schülerinnen und Schüler erreichbare Schule G9 anbietet , erlangt in dem gegebenen Kontext keine Relevanz, da die gymnasiale Oberstufe für alle Schülerinnen und Schüler einheitlich ausgestaltet ist, unabhängig davon, ob sie eine fünf- oder sechsjährige gymnasiale Mittelstufe durchlaufen haben. Anders als es bei einem landesweit "von oben" verordneten, zeitgleichen Wechsel aller Schulen zu G9 unvermeidbar gewesen wäre, ist es durch die Eröffnung der Wahlmöglichkeit für die einzelne Schule gelungen, dass in keinem Schulamts- oder Schulträgerbezirk zeitgleich an allen betroffenen Schulen ein sog. "Nulljahrgang" entsteht. Es ist festzustellen, dass in den einzelnen Regionen entweder die Schulen nicht zeitgleich und/oder beginnend mit der gleichen Jahrgangsstufe zu G9 gewechselt sind und/oder Schulformen vorgehalten werden, an denen kein Wechsel der zeitlichen Organisation stattfindet (eigenständige Oberstufengymnasien, integrierte Gesamtschulen mit Oberstufe). Frage 3. Sollte es vorgesehen sein, dass die zu Frage 2 genannten Schülerinnen und Schüler ihre Schulausbildung an der für sie nächstgelegenen Schule mit entsprechendem Bildungsangebot fortsetzen: a) Wie wird sichergestellt, dass Abiturientinnen und Abiturienten an der neuen Schule die gleichen Leistungskurse belegen können, die sie eingangs der Qualifikationsphase 1 gewählt hatten ? b) Welche Entfernungen (Distanz und Fahrzeit) hält die Landesregierung bei einem notwendigen Schulwechsel für den täglichen Schulweg für zumutbar? c) Wer trägt die anfallenden erhöhten Beförderungskosten? Ob ein Schulwechsel als mögliche Maßnahme in dem gegebenen Kontext vorgesehen wird, entscheidet gemäß dem zu Frage 1 dargestellten Verfahren die jeweilige Schule mit Zustimmung des Schulelternbeirats und der Schülervertretung sowie mit Genehmigung des Staatlichen Schulamts. Zu a: Die Möglichkeiten, dies sicherzustellen, sind schulspezifisch und regional unterschiedlich. Durch das zu Frage 1 dargestellte Verfahren ist gewährleistet, dass ein Schulwechsel in dem gegebenen Kontext nur als mögliche Maßnahme vorgesehen wird, sofern die Gesamt- und Schulkonferenz sowie der Schulelternbeirat und die Schülervertretung diese (z.B. auch mit Blick auf das Kursangebot der aufnehmenden Schule) als adäquat einschätzen und der Beschluss der Schulkonferenz durch das Staatliche Schulamt genehmigt wurde. Zu b: Aufgrund der unterschiedlichen Strukturen der regionalen Schullandschaften bestehen grundsätzlich unterschiedliche Bedingungen in Bezug auf die Entfernungen, die von den einzelnen Schülerinnen und Schülern zurückgelegt werden. Eine Einschätzung, ob diese und welche von Eltern sowie Schülerinnen und Schülern als zumutbar empfunden werden, obliegt nicht der Landesregierung und erlangt in dem gegebenen Kontext auch keine Relevanz, weil durch das zu Frage 1 dargestellte Verfahren gewährleistet ist, dass ein Schulwechsel nur als mögliche Maßnahme vorgesehen wird, sofern die Gesamt- und Schulkonferenz sowie der Schulelternbeirat und die Schülervertretung diese (z.B. auch in Bezug auf zurückzulegende Distanzen und sich ergebende Fahrzeiten) als adäquat einschätzen und der Beschluss der Schulkonferenz durch das Staatliche Schulamt genehmigt wurde. Zu c: In der gymnasialen Oberstufe werden die Beförderungskosten grundsätzlich, d.h. auch unabhängig von dem gegebenen Kontext, nicht übernommen. Grundlegend für die Schülerbeförderung ist § 161 Abs. 1 des HSchG. Die Vorschrift bestimmt unter anderem, dass die Schulträger für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler, die in ihrem Gebiet wohnen und allgemeinbildende Schulen der Grundstufe und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) besuchen, aufkommen müssen. § 161 Abs. 1 und 4 HSchG stellt dabei lediglich auf die Mittelstufe bzw. den Abschluss der Mittelstufe ab, was nicht zu verwechseln ist mit dem Abschluss des Bildungsgangs (d.h. dem mittleren Abschluss im mittleren Bildungsgang oder dem Abitur im gymnasialen Bildungsgang). Frage 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass sich auch Schulen mit Profilklassen (z.B. Musik- oder Sportklassen) am Schulversuch eines Parallelangebots von G8 und G9 beteiligen können und dabei die Profilierung sowohl für G8 als auch für G9 beibehalten werden kann? Bei dieser Fragestellung besteht in keiner Weise ein Zusammenhang zu der Entstehung der sog. "Nulljahrgänge". Dessen ungeachtet ist in der Sache festzustellen, dass die Möglichkeit zur Bildung von Profilklassen nicht von einer bestimmten zeitlichen Organisation der gymnasialen Mittelstufe abhängt und folglich auch an Schulen mit Parallelangebot G8/G9 möglich ist, vorausgesetzt, die Schule entscheidet sich auf der Grundlage ihrer personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzun- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2361 3 gen für die Eröffnung dieses Angebots und dieses wird von einer ausreichenden Zahl von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen, sodass eine Bildung von insgesamt mindestens zwei Profilklassen (eine als G8- und eine als G9-Zug) möglich wird. Frage 5. Mit welchen weiteren Herausforderungen ist an Schulen, die von G8 zu G9 zurückkehren, in den nächsten Jahren zu rechnen? Alle im Kontext eines Wechsels zu G9 relevanten Aspekte sind Bestandteil der Konzeption der Gesamtkonferenz (vgl. Anlage), die Grundlage der Entscheidung der Schulkonferenz ist. Darüber hinausgehende Herausforderungen für die betroffene Schule gibt es aus Sicht der Landesregierung nicht. Wiesbaden, 2. Oktober 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlage Leitfaden für die Konzeption der Gesamtkonferenz bei einem Wechsel von einer 5- zu einer 6-jährig organisierten Mittelstufe Bereiche  Aspekte  Aussage verbind‐ lich  fakul‐ tativ  I  Curriculare und pädagogische Grundlage für den Wechsel der zeitlichen Organi‐sation der Mittelstufe  X    II  Unterrichtsorganisation in der G9‐Mittelstufe   schulspezifische Ausgestaltung der Kontingentstundentafel (u.a. Festlegung des Beginns der zweiten Fremdsprache) X    Fremdsprachenfolge X  Wahlunterrichtskonzept X  Hausaufgabenkonzept   X Lernmittelkonzept   X Fahrtenkonzept und ggf. weitere schulinterne, organisatorische Regelungen   X III  Begleitung der auslaufenden G8‐Jahrgänge      Welche schulspezifischen Maßnahmen wurden zur Umsetzung von G8 bisher ergriffen? X    Welche Änderungen bzw. weitere Maßnahmen sind für die Begleitung der auslaufenden G8-Jahrgänge geplant? X    IV  Planungen für den sog. „Null‐Jahrgang“  (Fehlender Jahrgang in der GO, der daraus resultiert, dass die SuS des ersten G9‐ Jahrgangs zwei Jahre nach dem letzten G8‐Jahrgang in die GO eintreten.)      Umgang mit Wiederholungen von SuS des letzten G8-Jahrgangs in der GO X  ggf. Umgang mit aufzunehmenden SuS aus anderen Systemen (z.B. Verbundschulen ) in die GO X    V  Einfluss des Wechsels auf das Ganztagsangebot   Kurzdarstellung des bisherigen Ganztagsangebots   X Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich aus schulischer Sicht bzw. welche Änderungen sind geplant?   X  VI  Einfluss des Wechsels auf Schulentwicklungsprozesse   Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich aus schulischer Sicht bzw. wel‐ che   Änderungen sind geplant in Bezug auf      die schulischen Profilschwerpunkte (z.B. MINT-, Bili-, Musik-, Sport-Klassen)? X    das Schulprogramm?   X bestehende Zielvereinbarungen mit dem Staatlichen Schulamt?   X   Als verbindlich werden alle Aspekte eingestuft,  die eine Schule auf  jeden Fall vor Umsetzung entschieden haben muss, um eine adäquate pädagogi‐ sche und unterrichtsorganisatorische Grundlage für den Wechsel im Sinne aller Beteiligter zu gewähr‐ leisten,  über die Eltern und ggf. auch Schülerinnen und Schüler aus  schulfachlicher Sicht  informiert werden  müssen. Dies gilt für Eltern und Schülerschaft der Schule, aber auch für diejenigen, die vor der Einwahl  und Aufnahme stehen.   Als fakultativ werden alle Aspekte ausgewiesen,  für die die Planungen und Entscheidungen zwar nicht zwingend vor dem Wechsel abgeschlossen sein  müssen, die eine Schule aus  schulfachlicher Sicht  jedoch bereits  in den Vorplanungen grundsätzlich  bedenken sollte.      petri Schreibmaschinentext Anlage petri Schreibmaschinentext Leitfaden für die Konzeption der Gesamtkonferenz   für einen Wechsel von einer 5‐ zu einer 6‐jährig organisierten Mittelstufe  mit einem/mehreren kompletten laufenden Jahrgang/ Jahrgängen   (d.h. ohne die Bildung einzelner G8‐ und G9‐Klassen)    Ergänzend zu der Konzeption [s.o.] müssen Aussagen zu folgenden Aspekten verbindlich  getroffen werden:  Bereiche  ergänzend  Aspekte  zu I  Curriculare und pädagogische Grundlage für den Wechsel eines/mehrerer laufenden Jahrgangs/ Jahrgängen  zu II  Unterrichtsorganisation in den Jahrgängen der G9‐Mittelstufe  schulspezifische Ausgestaltung der Kontingentstundentafel  Fremdsprachenfolge und Fremdsprachenangebot  Wahlunterrichtskonzept  zu IV  Planungen für den sog. „Null‐Jahrgang“   (Fehlender Jahrgang in der GO, der daraus resultiert, dass die SuS des ersten G9‐Jahrgangs zwei Jahre nach dem letzten G8‐ Jahrgang in die GO eintreten.)  Umgang mit Wiederholungen von SuS des letzten G8‐Jahrgangs in der GO  ggf. Umgang mit aufzunehmenden SuS aus anderen Systemen (z.B. Verbundschulen) in die GO  zu VI  Einfluss des Wechsels auf Schulentwicklungsprozesse  Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich aus schulischer Sicht bzw. welche Änderungen sind geplant in Bezug  auf die schulischen Profilschwerpunkte (z.B. Französisch‐, Latein, Spanisch‐, Bili‐, MINT‐, Musik‐, Sport‐Klassen)?      Leitfaden für die Konzeption der Gesamtkonferenz   für einen Wechsel von einer 5‐ zu einer 6‐jährig organisierten Mittelstufe  mit einem/mehreren laufenden Jahrgang/ Jahrgängen  mit der Bildung einzelner G8‐/G9‐Klassen    Ergänzend zu der Konzeption gemäß Anlage 1 müssen Aussagen zu folgenden Aspekten ver‐ bindlich getroffen werden:  Bereiche  ergänzend  Aspekte  zu I  Curriculare und pädagogische Grundlage für den Wechsel des betroffenen laufenden Jahrgangs  zu II  Unterrichtsorganisation in den Jahrgängen der G9‐Mittelstufe  schulspezifische Ausgestaltung der Kontingentstundentafel  Fremdsprachenfolge und Fremdsprachenangebot  Wahlunterrichtskonzept  Klassenzusammensetzungen  Umgang mit Nichtversetzungen in der SEK I  zu IV  Eintritt der einzelnen G8‐ oder G9‐Klasse in die GO  Vorplanungen für die Ausgestaltung des Kursangebots in der Einführungs‐ und in der Qualifikationsphase (insbeson‐ dere wenn nur 1 Zug je Organisationsform gebildet wird)  Umgang mit SuS des letzten nicht betroffenen G8‐Jahrgangs, die in der GO wiederholen  zu VI  Einfluss des Wechsels auf Schulentwicklungsprozesse  Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich aus schulischer Sicht bzw. welche Änderungen sind geplant in Bezug  auf die schulischen Profilschwerpunkte (z.B. Französisch‐, Latein, Spanisch‐, Bili‐, MINT‐, Musik‐, Sport‐Klassen)?