Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 03.09.2015 betreffend Beschulung von Flüchtlingskindern in Hessen und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte wie folgt: Frage 1. Wie viele Kinder von Flüchtlingen und Asylsuchenden werden derzeit in Hessen beschult? Im vergangenen Schuljahr 2014/15 wurden Ressourcen für 10.668 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in Intensivmaßnahmen bereitgestellt. Dabei ist zu beachten, dass Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger Flüchtlinge, Zuwanderer und Spätaussiedler umfassen, die ohne oder mit sehr geringen Deutschkenntnissen aus dem Ausland kommend in das hessisches Schulsystem zu integrieren sind. Im Hinblick auf die Deutschförderung wird zwischen diesen Zielgruppen nicht unterschieden. Von daher liegen auch keine getrennten statischen Zahlen vor. Für das laufende Schuljahr 2015/16 liegen noch keine belastbaren Zahlen vor. Frage 2. Wie wird die Erfüllung des Schulrechts bzw. der Schulpflicht für Kinder von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Hessen sichergestellt, a) in den Erstaufnahmeeinrichtungen, b) nach Zuweisung in eine kommunale Wohnunterkunft? Die Regelungen zur Schulpflicht sind in den §§ 56 bis 64 des Hessischen Schulgesetzes in der Fassung vom 14. Juni 2005 (GVBl. I, S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2015 (GVBl. S. 118), enthalten. Die Schulpflicht und das Recht auf Schulbesuch in Bezug auf Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache sind ergänzend durch § 46 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses (VOGSV) vom 19. August 2011 (ABl. S. 546), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. April 2014 (ABl. S. 234), geregelt. Nach dieser Regelung haben alle Kinder, die dieser Gruppe zugehören, die in Hessen ihren tatsächlichen Aufenthalt haben, aber nicht schulpflichtig sind, das Recht auf Besuch der Schule. Asylbewerberkinder, die im Rahmen ihres Anerkennungsverfahrens bereits einer Gebietskörperschaft zugewiesen sind, sind im Rahmen der §§ 56 Abs. 1, 58 bis 61 des Hessischen Schulgesetzes zum Schulbesuch verpflichtet. Frage 3. Wie hoch war die Zahl der Intensivklassen in den vergangenen drei Schuljahren und wie wird sich die Zahl im kommenden Schuljahr aus Sicht der Landesregierung entwickeln? Die Anzahl der eingerichteten Intensivklassen ist in den vergangenen drei Schuljahren stark angestiegen : Im Schuljahr 2012/13 gab es 143 Intensivklassen, im Schuljahr 2013/14 waren es 172 Intensivklassen und zum Beginn des Schuljahres 2014/15 waren 296 Intensivklassen eingerichtet. Für das Schuljahr 2015/16 wurden bis zu den Sommerferien auf Basis der Prognosen der Staatlichen Schulämter ca. 399 Intensivklassen erwartet. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht die jüngste Entwicklung bei den Flüchtlingszahlen. Belastbare Prognosen können derzeit noch keine geliefert werden. Darüber hinaus wurden für das Schuljahr 2015/16 (Stand vom 12. Oktober 2015) 145 Intensivklassen an beruflichen Schwerpunkt- und Kooperationsschulen eingerichtet. Eingegangen am 29. Oktober 2015 · Ausgegeben am 2. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2373 29. 10. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2373 Frage 4. Welche Klassenhöchstgrenzen sind für Intensivklassen vorgesehen? Nach den Bestimmungen des § 50 Abs. 3 der derzeit gültigen Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses sind Intensivklassen eigene Lerngruppen mit in der Regel nicht weniger als 12 und nicht mehr als 16 Schülerinnen und Schülern. Sie werden eingerichtet, wenn dies personell , sächlich und organisatorisch möglich ist. Sie können auch jahrgangs- und schulübergreifend eingerichtet werden. Dies gilt grundsätzlich auch für die Intensivklassen an den beruflichen Schulen. Eine Zuweisung erfolgt ab 10 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Frage 5. Wurden diese Höchstgrenzen im Schuljahr 2014/15 und werden sie im Schuljahr 2015/16 absehbar überall in Hessen eingehalten? Im vergangenen Schuljahr 2014/15 wurden die Klassenhöchstgrenzen teilweise überschritten. Durch eine Nachsteuerung in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen in den Staatlichen Schulämtern noch zum 1. Juni 2015 konnten die Klassenhöchstgrenzen aber wieder durch Einrichtung weiterer Intensivklassen an den betroffenen Standorten abgesenkt werden. Es ist auch für das laufende Schuljahr 2015/16 das angestrebte Ziel, die Klassenhöchstgrenzen nicht zu überschreiten. Es lassen sich allerdings noch keine sicheren Prognosen erstellen, ob dies erfolgen kann. In den Intensivklassen an beruflichen Schulen eröffnet die Flexibilisierungsmöglichkeit zudem eine begrenzte Aufnahme von 18-21-Jährigen, indem mit einer höheren Gruppenobergrenze (bis 20 Seiteneinsteiger) geplant wird. Frage 6. Wie hat sich die Lehrerzuweisung nach Wochenstunden für die Intensivklassen in den vergangenen drei Schuljahren bis hin zum Schuljahr 2015/16 verändert? (bitte aufschlüsseln nach Schulform und in das Verhältnis zur Pflichtstundenzahl der jeweiligen Jahrgangsstufe/Schulform setzen ) Ist die Sprachförderung in einer Intensivklasse erforderlich, so wird die Entscheidung über die Aufnahme in eine Schulform oder einen Bildungsgang der Mittelstufe bis zum Abschluss der Fördermaßnahme ausgesetzt. Intensivklassen und Intensivkurse können grundsätzlich auch jahrgangs- und schulübergreifend eingerichtet werden. Erst nach Ende der Intensivmaßnahmen findet die Zuweisung in eine Schulform bzw. in eine Regelklassenstufe statt. Insofern ist eine Aufschlüsselung nach Schulformen und Jahrgangsstufen nicht geboten. Bis zum Schuljahr 2014/15 erfolgte die Lehrerzuweisung nach Wochenstunden für die Intensivklassen dezentral durch die jeweils zuständigen Dezernenten in den 15 Staatlichen Schulämtern. Die nachfolgende Auflistung zeigt die landesweiten Durchschnittszahlen an: Schuljahr 2012/13: 21,09 Wst. (Grundschule), 25,76 Wst. (Sek. I), Schuljahr 2013/14: 20,93 Wst. (Grundschule), 26,62 Wst. (Sek. I), Schuljahr 2014/15: 20 Wst. (Grundschule), 25 Wst. (Sek. I), Schuljahr 2015/16: 18 Wst. (Grundschule), 22 Wst. (Sek. I), Schuljahr 2015/16: 28 Wst. (berufliche Schulen im Rahmen von InteA). Im Sinne der Umsetzung eines gesamtschulischen Sprachförderkonzeptes ist eine wichtige Zielsetzung , dass Sprachförderung einerseits über einen systematischen Spracherwerb innerhalb der Intensivklasse stattfindet, andererseits aber auch eine möglichst frühe Teilintegration der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in den Regelunterricht in geeigneten Fächern, wie z.B. in Sport, Kunst, Fremdsprache oder Mathematik, angestrebt wird. Diese Entscheidungen sind je nach Sprachstand und Begabungen der Schülerinnen und Schüler individuell und flexibel zu treffen. Die Teilnahme der Intensivklassenschülerinnen und -schüler am Regelunterricht ist somit als Möglichkeit zur Integration - sowohl in sprachlicher als auch in sozialer Hinsicht - vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegeben und gewünscht. Um den neuen Herausforderungen hessenweit erfolgreich begegnen zu können, wurde in gemeinsamer und enger Absprache mit den in den Staatlichen Schulämtern für den Bereich der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten die Stundenzuweisung in den Intensivklassen in den Grundschulen auf 18 Stunden sowie in den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen auf 22 Stunden für das Schuljahr 2015/16 festgelegt. Frage 7. Welche Möglichkeiten der Finanzierung durch Bundesmittel bestehen für die Beschulung von Kindern und Jugendlichen von Asylsuchenden und Flüchtlingen? Der Hessischen Landesregierung liegen keine Zahlen zu den Bundesmitteln für die Beschulung von Kindern und Jugendlichen von Asylsuchenden bzw. Flüchtlingen vor. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2373 3 Frage 8. Wie steht die Landesregierung zur Abschaffung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern in Fragen der schulischen Bildung? Mit dem Begriff "Kooperationsverbot" werden die im Grundgesetz, insbesondere in den Art. 30, 91 b sowie 104 a und 104 b enthaltenen Regelungen zur Zuständigkeit von Bund und Ländern für die verschiedenen staatlichen Aufgaben und deren Finanzierung geäußert. Aus Art. 30 GG ergibt sich die Zuständigkeit der Länder für die Gestaltung der Schule. Nach Art. 91 b können Bund und Länder "auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen " zusammenwirken; in anderen Bereichen der Schulpolitik ist dies nicht vorgesehen und also nicht möglich. Die Art. 104 a und 104 b regeln, dass Bund und Länder gesondert die Ausgaben für die Bereiche tragen, für die sie zuständig sind, und dass der Bund nur dort den Ländern Finanzhilfen gewähren darf, wo er Gesetzgebungsbefugnisse hat. Da der Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse für die Schule hat, darf er auch keine Finanzhilfen gewähren. Diese Regelungen schaffen eindeutige Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ebenen im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde im Rahmen der Föderalismusreform I geschaffen , auf die sich die Große Koalition im Bund verständigt hatte. Eine Änderung wäre nur auf dem Weg einer Verfassungsänderung mit den entsprechenden Mehrheiten möglich. Eine solche Änderung wird von der Landesregierung nicht erwogen und nicht unterstützt. Wiesbaden, 20. Oktober 2015 In Vertretung: Dr. Manuel Lösel