Kleine Anfrage des Abg. Dr. Wilken (DIE LINKE) vom 10.09.2015 betreffend Verfahrenseinstellung der Limburger Staatsanwaltschaft im Fall Tebartz-van Elst und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung des Fragestellers: Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gegen den früheren Limburger Bischof FranzPeter Tebartz-van Elst und die ehemaligen Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats wurde durch die Staatsanwaltschaft Limburg im Juli 2014 eingestellt. Die Einstellungsverfügung wird allgemein als grob rechtsfehlerhaft eingeschätzt (vgl. R., Rechtswissenschaft 2015, 1 ff.; Interview Prof. Dr. Sch. im "WDR" vom 26. Juli 2015 sowie "Kölner Stadtanzeiger" vom 26. Juli 2015; Stellungnahme von Dr. R. im "ZDF heute Journal " vom 23.07.2015; Bericht "Himmel und Erde" in der "Spiegel" 30/2015 mit bestätigenden Stellungnahmen seitens Prof. Dr. S. und des früheren Verfassungsrichters Di F. Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Entscheidung wie folgt: Im Fall Tebartz-van Elst handele es sich um eine rein innerkirchliche Angelegenheit, weil zwar durch die Mittelverwendung beim Bau des Limburger Bischofssitzes gegen innerkirchliche Normen verstoßen worden sei, diese aber keine rechtliche "Außenwirkung " hätten. Einer strafrechtlichen Verfolgung stehe daher "ein verfassungsrechtlich begründetes Befassungsverbot " entgegen. Zur Unterstützung ihrer Position ziehen die Limburger Ermittler diverse Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts heran. Allerdings findet sich darin keine Aussage zu einem vermeintlichen "verfassungsrechtlichen Befassungsverbot". Indes hat entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine strafrechtliche Verfolgung eines Angehörigen der katholischen Kirche, der Kirchenvermögen veruntreut, zwingend nach der Vorschrift § 266 des Strafgesetzbuchs (Untreue) zu erfolgen: "Die Vorschrift des Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 Absatz 3 WRV garantiert das Recht der Kirchen auf Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit . Die Verfolgung dabei begangener Straftaten wird davon nicht berührt." (BGH NJW 1983, S. 1807, 1809; vgl. auch BeckRS 2011, 16244). Das Untreueverbot gilt als Teil des weltlichen Rechts für jede Bürgerin und jeden Bürger, also auch für diejenigen , die zugleich kirchliche Würdenträger sind. Der Umstand, dass die an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebundene Staatsanwaltschaft mit einer unhaltbaren Einzelrechtsmeinung die Einleitung eines rechtsstaatlichen Verfahrens wegen einer Untreue in Millionenhöhe zu verhindern versucht, begründet die hohe politische Brisanz des Vorgangs. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Die hessischen Staatsanwaltschaften führen ihre Verfahren selbstständig und eigenverantwortlich . Sie beurteilen Sachverhalte entsprechend dem in § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung verankerten Legalitätsprinzip allein nach Recht und Gesetz. Dabei werden in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutierte Rechtsfragen - im vorliegenden Fall hinsichtlich der Reichweite des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen - von den Staatsanwaltschaften berücksichtigt und eigenständig bewertet. Die Fach- und Rechtsaufsicht wird von der Generalstaatsanwaltschaft wahrgenommen. Einzelfallbezogene Weisungen des Hessischen Ministeriums der Justiz in konkreten Ermittlungsverfahren erfolgen nicht. Die Staatsanwaltschaft Limburg hat die Einleitung von Ermittlungen in dem in den Vorbemerkungen des Fragestellers erwähnten Fall nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage abgelehnt. Diese Prüfung erstreckte sich insbesondere auf die Frage, ob der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB angewendet werden kann oder ob es sich um eine innerkirchliche Angelegenheit handelt und damit ein Befassungsverbot besteht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Limburg im Rahmen ihrer Fach- und Dienstaufsicht überprüft. Die Generalstaatsanwaltschaft ist nach eingehender Prüfung der Rechtsfragen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Staatsanwaltschaft Limburg die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu Recht abgelehnt hat. Eingegangen am 14. Oktober 2015 · Ausgegeben am 19. Oktober 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2392 14. 10. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2392 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung den öffentlichen Widerspruch gegen die Verfahrenseinstellung der Limburger Staatsanwaltschaft im Fall Tebartz-van Elst, wonach es sich bei dem Untreueverhalten einer Bürgerin oder eines Bürgers in jedem Fall um eine Straftat handelt, die nach weltlichem Recht geahndet werden muss? Die hessischen Staatsanwaltschaften führen ihre Verfahren selbstständig und eigenverantwortlich . Sie beurteilen Sachverhalte entsprechend dem in § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung verankerten Legalitätsprinzip allein nach Recht und Gesetz. Ergänzend wird auf die Ausführungen in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz Bezug genommen. Frage 2. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass die Limburger Ermittler es unterlassen, das Verfahren neu aufzunehmen, obwohl das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach rechtlichen Gesichtspunkten einer Strafverfolgung nicht entgegensteht (R., Rechtswissenschaft 2015, S. 1 ff.; vgl. auch BGH NJW 1983, S. 1807, 1809)? Wie in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz bereits ausgeführt, wird die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen im rechtswissenschaftlichen Diskurs unterschiedlich beurteilt (vgl. z. B. Waldhoff, Kirche & Recht 2014, S. 171 ff.). Die in der Frage zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1983, S. 1807 ff.) verhält sich nicht zu der hier in Rede stehenden Rechtsfrage. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz Bezug genommen. Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Einlassung des Leitenden Oberstaatsanwalts S., dass im Fall Tebartz-van Elst keine Kirchensteuermittel im Spiel gewesen seien, sondern lediglich Vermögen des Bischöflichen Stuhls und deshalb keine Strafverfolgung erfolgen könne, obwohl das kirchliche Vermögen unabhängig davon, ob es aus Kirchensteuern herrührt, ebenso von dem weltlichen Strafrecht geschützt wird wie jedes andere Vermögen? Es wird auf die Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz und die ergänzenden Ausführungen in der Antwort zu Frage 2. Bezug genommen. Frage 4. Wie bewertet es die Landesregierung, das die Staatsanwaltschaft Limburg einen dem Verfahren gegen den früheren Limburger Bischof identischen Fall vor fünf Jahren abweichend beurteilt und einen kirchlichen Rentamtsleiter wegen Untreue angeklagt hat, dessen Verurteilung auch vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde (BeckRS 2011, 16244)? Dem in der Frage zitierten Verfahren liegt kein unter rechtlichen Gesichtspunkten vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, da jenes Verfahren nicht gegen einen kirchlichen Würdenträger geführt wurde. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz ergänzend Bezug genommen. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Einlassung des Oberstaatsanwalts H., dass im Fall Tebartzvan Elst keine Strafverfolgung erfolgen dürfe, weil der frühere Limburger Bischof sich nicht selbst bereichert habe, obwohl es sich dabei nicht um ein Tatbestandsmerkmal der Untreue gemäß § 266 des Strafgesetzbuchs handelt und obwohl ein verfassungsrechtliches Befassungsverbot nicht entgegensteht? Die Staatsanwaltschaft ist im Rahmen der von ihr vorzunehmenden rechtlichen Würdigung des Sachverhalts nicht davon ausgegangen, dass der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB eine Bereicherung des Täters oder eine entsprechende Bereicherungsabsicht voraussetzt. Die Frage, ob sich der kirchliche Würdenträger selbst bereichert hat, kann für Frage eines eventuellen Befassungsverbots aufgrund eines rein innerkirchlichen Bezugs der Vermögensverschiebungen relevant sein. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz ergänzend Bezug genommen. Frage 6. Wie beurteilt die Landesregierung die irreführende Zitierweise der Limburger Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung gegen den früheren Limburger Bischof Tebartz-van Elst, in der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts herangezogen werden, die keinerlei Aussage zu einem "verfassungsrechtlichen Befassungsverbot" wegen innerkirchlicher Angelegenheit enthalten ? Frage 7. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass die Limburger Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung teilweise wortgleich die Ausführungen und irreführenden Angaben zu Fundstellen des Verfassungsgerichts eines Rechtsgutachtens übernommen hat, das das Bistum Limburg im Fall Tebartz-van Elst bei einer Rechtanwaltskanzlei in Auftrag gegeben hat? Die Fragen 6. und 7. werden wegen ihres Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Wie bereits in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz ausgeführt, hat die Staatsanwaltschaft ihre Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2392 3 Entscheidung eigenständig nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage getroffen. Eine Überprüfung der Entscheidung durch die Generalstaatsanwaltschaft hat keine Rechtsfehler ergeben . Frage 8. Welche Rechtsauffassung hat die Landesregierung zum Vorwurf der Rechtsbeugung und Strafvereitelung durch Unterlassen im Amt gegen den zuständigen Staatsanwalt der Limburger Staatsanwaltschaft und den Generalstaatsanwalt des Landes Hessen, die spätestens im Anschluss an die mediale Verbreitung der einstimmigen rechtswissenschaftlichen Kritik an der Einstellungsverfügung Kenntnis von deren Rechtsfehlerhaftigkeit hatten? Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass es die Limburger Staatsanwaltschaft unterlassen hat, im Verfahren gegen den früheren Limburger Bischof und die übrigen Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats Strafanklage zu erheben, obwohl dies höchstrichterlicher Rechtsprechung zuwider läuft und Staatsanwaltschaften an diese gebunden sind? Die Fragen 8. und 9. werden aufgrund ihres Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Fragen gehen von der unzutreffenden Prämisse aus, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Limburg rechtsfehlerhaft war. Auf die Ausführungen in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz wird verwiesen. Strafrechtliche Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden erscheinen vor diesem Hintergrund fernliegend. Frage 10. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass in künftigen Fällen keine Strafverfolgung erfolgen darf, wenn kirchliche Angestellte und/oder kirchliche Würdenträger das Vermögen der Kirche veruntreuen, ohne sich dabei selbst zu bereichern? Die Staatsanwaltschaften sind aufgrund des Legalitätsprinzips im Falle von Strafanzeigen oder anderweitig gewonnenen Erkenntnissen über entsprechende Verdachtsmomente verpflichtet, jeden derartigen Sachverhalt zu überprüfen. Die Strafbarkeit hängt dabei von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Abstrakte Aussagen über den Ausgang eventueller künftiger Verfahren der Staatsanwaltschaften in ähnlich gelagerten Fällen sind der Landesregierung daher nicht möglich . Wiesbaden, 9. Oktober 2015 Eva Kühne-Hörmann