Kleine Anfrage des Abg. Hahn (FDP) vom 24.03.2014 betreffend Auswirkungen des Herbsterlasses auf die Kommunen in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Der sogenannte "Herbsterlass" des Innenministers vom 3. März 2014 sieht neben automatischen und rückwirkenden Steuererhöhungen auch vor, dass alle Kommunen bis zum Ende des Jahres 2015 alle Jahresabschlüsse bis einschließlich des Jahres 2012 vorgenommen haben sollen, um eine Genehmigung des Haushaltes zu erhalten. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Die Ergänzenden Hinweise zur Anwendung der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte vom 6. Mai 2010 (sog. Herbsterlass) des Innenministeriums vom 3. März 2014 richten sich an die kommunalen Aufsichtsbehörden. Entgegen der Unterstellung des Fragestellers gibt der Erlass weder "automatische" noch "rückwirkende" Steuererhöhungen vor. Nach Ziffer 2 des Erlasses sind Haushaltsgenehmigungen ab dem Haushaltsjahr 2015 zurückzustellen, sofern der aufgestellte Jahresabschluss für das Jahr 2012 nicht vorliegt. Der hier maßgebliche vom Gemeindevorstand aufgestellte Jahresabschluss 2012 hätte nach § 112 Abs. 9 Satz 1 Hessische Gemeindeordnung (HGO) bereits innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Haushaltsjahres 2012, d.h. bis April 2013 vorliegen sollen. Der vom Gemeindevorstand aufgestellte Jahresabschluss dient nach der gleichen Vorschrift dazu, die Gemeindevertretung unverzüglich über die wesentlichen Ergebnisse der Abschlüsse zu unterrichten. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte, die bereits vor dem 3. März 2014 von den Gemeindevertretern und Stadtverordneten beschlossen worden sind, hat der "Herbsterlass" der Landesregierung? Der "Herbsterlass" entfaltet grundsätzlich keine neuen Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte, die vorher nicht bereits bestanden. Mit dem Erlass erfolgt nur eine Konkretisierung der bestehenden Rechtslage und eine Fortsetzung der Anforderungen, die bereits Bestandteil der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte vom 6. Mai 2010 (StAnz. 2010, 1470) waren und die bislang nur unzureichend beachtet und durchgesetzt wurden. Seit August 2013 tagt die Arbeitsgruppe zur Optimierung der kommunalen Finanzaufsicht im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände. Die Anforderungen im Erlass sind in konstruktiver Atmosphäre mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände entwickelt worden. In vielerlei Hinsicht hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport Wünsche und Anträge der kommunalen Spitzenverbände im Erlass berücksichtigt. Frage 2. Wie viele Haushalte von hessischen Kommunen des Jahres 2014 sind durch den Herbsterlass nicht genehmigungsfähig? Eine Statistik, in wie vielen Fällen und aus welchen Gründen die jeweils zuständige Kommunalaufsichtsbehörde eine Haushaltsgenehmigung nicht genehmigen kann, wird nicht erhoben. Es steht daher kein Zahlenmaterial zur Verfügung, das eine Beantwortung der Frage ermöglicht . Eingegangen am 13. Mai 2014 · Ausgegeben am 15. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/241 13. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/241 Frage 3. Wie viele Kommunen werden im Rahmen der Genehmigung von der Kommunalaufsicht ange- wiesen, bis zum 30. Juni 2014 rückwirkend die Steuern zum 1. Januar 2014 zu erhöhen? Der Erlass vom 3. März 2014 sieht aufsichtliche Anweisungen zu Steuererhöhungen, die im Weigerungsfalle im Wege der Ersatzvornahme durchzusetzen wären, grundsätzlich nicht vor (siehe auch Antwort zu Frage 5). In wie vielen Fällen Kommunen mit defizitärer Haushaltsplanung nach der Leitlinie vom 6. Mai 2010 und deren Konkretisierung durch den Erlass vom 3. März 2014 nicht ausreichende Steuerhebesätze festgesetzt haben, ist nicht bekannt. Frage 4. Wie hoch ist der für die Haushaltsaufstellung 2015 relevante Landesdurchschnitt der Hebesätze von Grundsteuer A, Grundsteuer B und Gewerbesteuer? Die Landesdurchschnitte der Realsteuern werden durch das Statistische Landesamt, das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sowie das Hessische Ministerium der Finanzen für die Grundsteuer B frühestens ab August 2014 ermittelt sein. Das liegt daran, dass nach §§ 25 Abs. 3 GrdStG, 16 Abs. 3 GewStG eine Kommune noch bis zum 30. Juni eines Kalenderjahrs mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahrs die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes beschließen kann. Insofern kann der für die Haushaltsaufstellung 2015 jeweils relevante Landesdurchschnitt des Jahres 2014 noch nicht benannt werden. Frage 5. Wie schätzt die Landesregierung die freie Entscheidung der Mandatsträger und die verfassungs- rechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung im Zusammenhang mit dem Zwang zur Steuererhöhung ein, der durch die Versagung der Haushaltsgenehmigung ausgeübt wird? Durch die Vorgaben im Erlass wird weder die Entscheidungsfindung der Mandatsträger beeinträchtigt , noch erfolgt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art. 137 Abs. 1 der Hessischen Verfassung. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung besteht im Rahmen der allgemeinen Gesetze, wobei die Regelungen der Gemeindeordnung die Grenzen des Selbstverwaltungsrechtes bestimmen. Nach § 92 Abs. 4 der HGO soll der Haushalt einer Kommune in jedem Jahr ausgeglichen sein. Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung verleiht daher nicht das Recht, bei der Vorlage unausgeglichener Haushalte von Reaktionen der Staatsaufsicht verschont zu bleiben. Die Vorgaben hinsichtlich der Realsteuerhebesätze erfolgen als Reaktion auf deutlich zu niedrige Hebesätze vieler hessischer Kommunen in der Vergangenheit, die ein Ansteigen der kommunalen Verschuldung mitbegünstigt haben. Nach den Einnahmegrundsätzen der Hessischen Gemeindeordnung (§ 93 HGO) kommt der Erhebung von Steuern Vorrang vor der Kreditaufnahme zu. Bereits mit dem o. g. Konsolidierungserlass war Orientierungspunkt der Landesdurchschnitt der Hebesätze in den Gemeindegrößenklassen, den eine defizitäre Kommune "deutlich" zu übertreffen hatte, um zumutbare Anstrengungen zur Reduzierung des Haushaltsdefizites darzulegen. Da der Hessische Städte- und Gemeindebund sich mit der Bitte an das Innenministerium gewandt hatte, den unbestimmten Rechtsbegriff der "deutlichen" Überschreitung des Landesdurchschnittes zu präzisieren, wurde nunmehr der Aufschlag von 10 % bei der Grundsteuer B im Erlass vom 3. März 2014 festgelegt. Mit diesem Maßstab steigen die Belastungen der Bürger vergleichsweise moderat, da die hessischen Hebesätze bezüglich der Grundsteuer B das niedrigste Niveau aller Bundesländer aufweisen. Hinsichtlich der Gewerbesteuer verpflichtet der Erlass die Kommunalaufsicht ausdrücklich, mögliche Folgewirkungen ihrer Entscheidung in die Abwägung miteinzubeziehen. Die Anhebung der Hebesätze erfolgt grundsätzlich nicht durch das kommunalaufsichtliche Mittel der Ersatzvornahme, sondern die Kommunen entscheiden in eigener Zuständigkeit und Verantwortung , die Hebesätze anzuheben. Der Erlass vom 3. März 2014 stellt insoweit klar: "Die Kommune sollte zunächst darauf verwiesen werden, die Haushaltslage durch Reduzierung der Aufwandsseite zu verbessern. Grundsätzlich entscheidet die Kommune in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über die Anhebung der Steuerhebesätze und die Inanspruchnahme von sonstigen Ertragsmöglichkeiten. Schöpft eine Kommune ihre Ertragsmöglichkeiten allerdings nicht in einem vertretbaren Umfang aus, ist die Haushaltsgenehmigung zu versagen." Frage 6. Wie viele Kommunen sind im Augenblick mit ihren Jahresabschlüssen mehr als zwei Jahre im Rückstand? Die aktuellen Zahlen werden zurzeit in einer Abfrage bei den Regierungspräsidien sowie bei den Rechnungsprüfungsämtern von den kommunalen Spitzenverbänden erhoben und stehen ca. Ende Mai zur Verfügung. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/241 3 Frage 7. Wie viele Jahresabschlüsse sind nach Auffassung der Landesregierung in einem Jahr für eine Kommune aufstellbar? Frage 8. Wie glaubt die Landesregierung soll es allen Kommunen möglich sein, bis zum Ende dieses Jah- res die Abschlüsse der Vorjahre bis 2012 zu erledigen? Frage 9. Welche Unterstützung leistet die Landesregierung den Kommunen für die Erfüllung dieser Auf- gabe? Die Fragen 7 bis 9 werden zusammen wie folgt beantwortet: Zunächst ist auf das Sonderförderprogramm des Innenministeriums vom Juni 2013 zur Unterstützung von 211 Gemeinden unter 7.500 Einwohnern im Rahmen der Aufstellung von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen zu verweisen. Jede Gemeinde hat bis 2015 die Möglichkeit , bis zu 44.000 € Zuweisungen für die Vorlage von Bilanzen und Jahresabschlüssen zu erhalten . Für das Förderprogramm werden über 8,8 Mio. € bereitgestellt. Die Arbeitsgruppe zur Optimierung der kommunalen Finanzaufsicht beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport hat gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden seit 2013 eine Unterarbeitsgruppe "Jahresabschlüsse" eingerichtet, die sich der Problematik angenommen hat, den erheblichen Rückstand bei Eröffnungsbilanzen sowie Jahresabschlüssen aufzulösen . Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe sind neben den kommunalen Spitzenverbänden der Hessische Rechnungshof sowie Vertreter von Rechnungsprüfungsämtern. Die Beratungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Frage 10. Welche Gründe gibt es nach Ansicht der Landesregierung dafür, dass noch so viele Kommunen bei der Erstellung der Jahresabschlüsse zeitlich hinterher hängen? Insgesamt kommen mehrere vielschichtige Gründe für die Rückstände in Betracht. Auch in den anderen Bundesländern, die das doppische Rechnungswesen als maßgebliches System für die Kommunen eingeführt haben, sind vergleichbare Rückstände festzustellen. Wesentlich dürfte die nicht ausreichende Priorisierung des aufwendigen Umstellungsprozesses innerhalb der Kommune sein und der Umstand, dass dies bis zur Erlassregelung vom 03. März 2014 ohne aufsichtliche Konsequenzen blieb. Dafür spricht, dass Rückstände bezüglich aufgestellter Jahresabschlüsse nicht nur in den kleineren verwaltungsschwächeren 211 von 426 Kommunen unter 7.500 Einwohnern anzutreffen sind. Es gibt Gemeinden unter 7.500 Einwohnern , die sogar vor dem April 2014 den Jahresabschluss für 2013 bereits aufgestellt haben. Andererseits gibt es vereinzelt wesentlich größere Kommunen, die immer noch keine Eröffnungsbilanz aufgestellt haben, obwohl sie dies bereits spätestens zum 1. Januar 2009 nach der Hessischen Gemeindeordnung hätten umsetzen müssen. Wiesbaden, 28. April 2014 Peter Beuth