Kleine Anfrage der Abg. Löber (SPD) vom 17.09.2015 betreffend Fach Gesellschaftslehre an Gesamtschulen und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche Fächer werden aus welchen Gründen im Fach Gesellschaftslehre zusammengefasst? Der Lernbereich Gesellschaftslehre umfasst die Fächer Politik und Wirtschaft (früher Sozialkunde ), Geschichte und Erdkunde und ist nicht als additive Aneinanderreihung der Inhalte einzelner Fächer zu verstehen, sondern bietet die Möglichkeit, Unterrichtsgegenstände mit Hilfe der verschiedenen fachdidaktischen Ansätze fächerübergreifend zu erarbeiten. Frage 2. Seit welchem Jahr und aus welchem Grund wird das Fach Gesellschaftslehre im Land Hessen unterrichtet? Im Jahr 1972 wurde der erste Entwurf für die Hessischen Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre vorgelegt. Seit diesem Zeitpunkt können die Schulen das Fach Gesellschaftslehre unterrichten (vgl. Antwort zu Frage 1). Frage 3. Warum wird das Fach Gesellschaftslehre nur an (integrierten) Gesamtschulen in dieser Form, nicht aber an Hauptschulen, Gymnasien und Realschulen unterrichtet? Die Verordnung über die Stundentafeln kann für bestimmte Schulformen und Jahrgangsstufen die Möglichkeit vorsehen, dass nach Entscheidung der Gesamtkonferenz der Schule die Unterrichtsfächer Geschichte, Erdkunde sowie Politik und Wirtschaft als Lernbereich Gesellschaftslehre zusammengefasst werden (§ 6 Abs. 2 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG)). An Schulen , die zum Hauptschulabschluss oder zum Mittleren Abschluss führen, können in der Regel für die Jahrgangsstufen 5 bis 7, im Ausnahmefall für die Jahrgangsstufen 8 bis 10, die Unterrichtsfächer Erdkunde, Politik und Wirtschaft und Geschichte als Lernbereich Gesellschaftslehre zusammengefasst werden. Im gymnasialen Bildungsgang können nur die Fächer Physik, Biologie und Chemie in den Jahrgangsstufen 5 bis 7 als Lernbereich Naturwissenschaften zusammengefasst werden (§ 5 Abs. 2 der Verordnung über die Stundentafeln). Gesellschaftslehre wird an der schulformübergreifenden (integrierten) Gesamtschule in der Regel von einer Lehrkraft unterrichtet. Das bedeutet, dass fachfremder Unterricht - bezogen auf die den Lernbereich konstituierenden Fächer Erdkunde, Geschichte und Politik und Wirtschaft - sehr viel häufiger stattfindet als im gegliederten Schulwesen. Daraus resultiert die Notwendigkeit intensiverer Kooperation und engerer Arbeitsbeziehungen als im Unterricht der Einzelfächer des gegliederten Schulwesens. Diese notwendige Form der Kooperation ist in der Regel an integrierten Gesamtschulen etabliert: Die Fachlehrkräfte der beteiligten Fächer konzipieren den Unterricht für das Fach Gesellschaftslehre im Team, bringen dabei ihre jeweiligen fachspezifischen Perspektiven und Kompetenzen ein und fühlen sich als Lehrerteam für den (fächerübergreifenden) GLUnterricht verantwortlich. Die einzelnen Lehrkräfte setzen das erarbeitete Konzept dann in ihrem Unterricht um. Der Lernbereich kann auch von mehreren Lehrkräften in enger Zusammenarbeit didaktisch abgestimmt unterrichtet werden. Hierüber entscheidet die Gesamtkonferenz. Eingegangen am 17. November 2015 · Ausgegeben am 19. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2442 17. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2442 Frage 4. Warum ist für die Unterrichtung des Fachs Gesellschaftslehre nur eine Lehrkraft, nicht aber der Einsatz mehrerer Fachlehrerinnen und Fachlehrer nötig? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Frage 5. Ist der Klassenlehrer automatisch als Lehrer für das Fach Gesellschaftslehre vorgesehen und wenn ja, wird damit in Kauf genommen, dass wichtige Unterrichtszeit für organisatorische Aufgaben verloren geht? Grundsätzlich muss der Klassenlehrer in seiner Klasse neben den unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben auch organisatorische Aufgaben wahrnehmen. Um diese Zusatzarbeit “aufzufangen “, werden oft diejenigen Lehrkräfte als Klassenlehrer eingesetzt, die Fächer mit relativ vielen Stunden unterrichten: Das sind die Hauptfächer sowie der Lernbereich Gesellschaftslehre . Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Automatismus. Frage 6. Wie wird sichergestellt, dass die Schülerinnen und Schüler aller Schulformen über das gleiche Wissen in den Einzelfächern des Fachs Gesellschaftslehre verfügen? Unterrichtseinheiten in Gesellschaftslehre sind in der Regel fachübergreifend angelegt, d.h. in der Regel werden historische, sozialkundliche und/oder geografische Fachanteile miteinander verbunden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Anteil der jeweiligen Fächer angemessen berücksichtigt wird (§ 6 Abs. 3 Satz 2 HSchG). Die Kerncurricula für die jeweiligen Fächer sind verbindliche Grundlagen für den Unterricht im jeweiligen Bildungsgang. Beschließt eine Schule kein Schulcurriculum nach § 4 Abs. 4 des HSchG, gilt an der integrierten Gesamtschule, sofern der Lernbereich Gesellschaftslehre eingerichtet wurde, der Rahmenplan Gesellschaftslehre (§ 5 der Verordnung über die hessischen Kerncurricula). Er sichert dabei, dass alle wesentlichen Inhalte , Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der bildungsgangbezogenen Fachlehrpläne in Gesellschaftslehre erworben werden können. Auf die Ausführungen im Rahmenplan Gesellschaftslehre zum Bezug zu den Bildungsgängen ist besonders hinzuweisen. Ihre Beachtung ermöglicht, dass die in den Abschluss- bzw. Übergangsprofilen der bildungsgangbezogenen Lehrpläne enthaltenen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden können. Frage 7. Ist das Fach Gesellschaftslehre aus Sicht der Landesregierung in seiner heutigen Form noch zeitgemäß und wenn ja, warum? Der Lernbereich Gesellschaftslehre ist insofern zeitgemäß, als hier die Zuordnung von Unterrichtsgegenständen zu singulären Fächern (hier: Geschichte, Politik und Wirtschaft, Erdkunde) ermöglicht wird, was einen fächerübergreifenden, integrativen Zugang zu einem Lerngegenstand zulässt. Ein ebensolcher multiperspektivischer Zugang erscheint besonders geeignet, die Vielschichtigkeit der Lerngegenstände, die einer komplexen Lebenswirklichkeit entstammen, zu veranschaulichen und zu erarbeiten. Diese Vorgehensweise ist jedoch auch in den eigenständigen Fächern Politik und Wirtschaft, Geschichte und Erdkunde möglich. Wiesbaden, 11. November 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz