Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 18.09.2015 betreffend Sozialpraktikum an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragestellerin: Praktika sind Bestandteil der beruflichen Orientierung, die das Erleben von beruflicher Realität ermöglichen. Sogenannte Sozialpraktika ermöglichen in diesem Zusammenhang neben der beruflichen Orientierung und dem Hineinschnuppern in den Berufsalltag die Entwicklung sozialer Kompetenzen und persönlicher Reife der Schülerinnen und Schüler. Im Vordergrund der Sozialpraktika stehen der soziale Gedanke, das Erlernen von Verantwortung, der Umgang mit Menschen und die Auseinandersetzung mit sozialen Fragen unserer Gesellschaft . Sozialpraktika können darüber hinaus die Attraktivität und die Begeisterung für soziale Berufe begünstigen . Schulen haben großes Interesse Sozialpraktika anzubieten. In der Antwort auf die Frage 9 der Drucksache 19/2089 geht die Landesregierung auf das derzeit nicht verpflichtende Sozialpraktikum ein und teilt mit, dass Sozialpraktika in besonderem Maße von Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft organisiert werden. Vorbemerkung des Kultusministers: Sozialpraktika werden im Sinne der Anfrage als Betriebspraktika für Schülerinnen und Schüler in sozialen Einrichtungen (wie Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und -heimen, Erziehungseinrichtungen und sonstigen sozialen Einrichtungen) verstanden. Im Bereich der beruflichen Schulen gibt es, je nach fachlicher Ausrichtung, einschlägige Praktika in sozialen Einrichtungen . Betriebspraktika stellen grundsätzlich schulische Veranstaltungen dar, die landesrechtlichen Bestimmungen unterliegen. Sie vermitteln in einem zeitlich begrenzten Umfang Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden aller Schulformen exemplarisch Einsichten in das Arbeits- und Berufsleben sowie fachliche und überfachliche Kompetenzen. Betriebspraktika gelten als regelmäßige Unterrichtsveranstaltungen, mit deren Leitung und Durchführung in der Regel Lehrkräfte beauftragt sind. Darüber hinaus stehen bei den Staatlichen Schulämtern für die allgemeinbildenden Schulen Ansprechpersonen für die Berufs- und Studienorientierung zur Verfügung. Diese Lehrkräfte unterstützen die allgemeinbildenden Schulen in ihrem Zuständigkeitsbereich bei der regionalen Vernetzung mit entsprechenden Kooperationspartnern . Der Erlass zur Ausgestaltung der Berufs- und Studienorientierung in Schulen (BSO-Erlass) vom 08.06.2015 (ABl. S. 217) regelt die Maßnahmen im Rahmen der Berufs- und Studienorientierung . Die Gesamtheit der verschiedenen Aktivitäten soll die Schülerinnen und Schüler zielgruppengerecht zu einer fundierten Berufs- oder Studienwahl befähigen, welche auch eine Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Rollenbildern einschließt. Soziale Kompetenzen sind gemäß BSO-Erlass überfachliche Kompetenzen, welche eine wichtige Voraussetzung zur Erlangung der Ausbildungsreife darstellen, und werden daher im Unterricht aller Schulformen und in allen Jahrgangsstufen gefördert. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Formen und Konzepte von Sozialpraktika gibt es in Hessen? Ein landesweites, nur für den sozialen Bereich geltendes Konzept oder eine entsprechende Vorgabe zu Praktika für Schülerinnen und Schüler im sozialen Bereich gibt es nicht. Die Schülerinnen und Schüler der allgemeinbildenden Schulen absolvieren jeweils zwei Praktika während ihrer Schullaufbahn. Eingegangen am 3. November 2015 · Ausgegeben am 5. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2450 03. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2450 Einzelne Schulen haben ein (freiwilliges) zusätzliches Praktikum im sozialen Bereich in ihr schulinternes Curriculum zur Berufs- und Studienorientierung integriert. Die detaillierte Ausgestaltung der Konzepte und ihrer Curricula zur Berufs- und Studienorientierung realisieren die Schulen im Rahmen des BSO-Erlasses eigenverantwortlich. Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Aspekte wird der Weg in ein Praktikum im sozialen Bereich durch folgende Maßnahmen der Schule ermöglicht bzw. unterstützt: In der Jahrgangsstufe 7 werden Kompetenzfeststellungsverfahren gemäß § 11 des BSOErlasses durchgeführt, um eine individuelle Förderung und die Erstellung eines individuellen Kompetenzprofils, auch in Absprache mit den Eltern, zu ermöglichen. Die Praktika für die Schülerinnen und Schüler finden an den allgemeinbildenden Schulen in der Regel in den Jahrgangsstufen 8 und 9 statt. Die in der Regel 14- oder 15-jährigen Jugendlichen gehen gerne in Kindergärten. Praktika in Krankenhäusern oder Altenheimen sind hingegen angesichts der psychischen Reife und Belastbarkeit der Jugendlichen Grenzen gesetzt . Weiterhin finden im Vorfeld der Praktika Betriebserkundungen in unterschiedlichen Berufsfeldern statt. Damit einher geht u.a. die unterrichtliche Behandlung von Rollenbildern, um der Bildung von klassischen "Männer- und Frauenberufen" entgegenzuwirken, z.B. durch den Boys' Day (verstärkte Gewinnung von Jungen für soziale Berufe). Die Agentur für Arbeit unterstützt Schulen durch ergänzende Angebote außerhalb der Unterrichtszeit , die dann den sozialen Bereich betreffen, wenn dies individuell passend ist. Somit können Einzelpraktika oder Betriebserkundungen für einzelne Schülerinnen und Schüler (hier: in einer sozialen Einrichtung) ermöglicht werden. Weiterhin existieren berufliche Schulformen, in denen Sozialpraktika zwar nicht vorgeschrieben , aber grundsätzlich möglich sind und ggf. auch gefördert werden. So zielen die Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung darauf ab, Jugendlichen ohne Ausbildungsverhältnis den Übergang in die Berufsausbildung, in weiterführende Bildungsgänge oder in Arbeitsverhältnisse zu erleichtern. Nach § 12 Abs. 5 der Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfungen in den Bildungsgängen zur Berufsvorbereitung (BerVorbAPrV HE) vom 10.08.2006 (ABl. S 744), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.03.2013 (ABl. S. 222), soll in der Regel ein betriebliches Praktikum im Umfang von mindestens 160 Stunden absolviert werden. Es ist Bestandteil der fachpraktischen Ausbildung innerhalb des berufsbildenden Lernbereichs . Bestandteil der Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung ist zudem der Erwerb von Qualifizierungsbausteinen bzw. von Basisqualifikationen. Diese können auch im Bereich Sozialwesen erworben werden und bereiten auf einen möglichen Übergang z.B. in Pflege- bzw. Gesundheitsberufe vor. Darüber hinaus existieren berufliche Schulformen, die Praktika im Bereich Sozialwesen als notwendigen Bestandteil der Ausbildung voraussetzen. Hierzu gehören z.B. die zweijährige Berufsfachschule , die höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz, die Fachschule für Sozialwesen sowie die Fachoberschule (vergleiche hierzu auch die Antwort zu der Kleinen Anfrage, Drucksache 19/2089). Die zweijährige Berufsfachschule führt zum Erwerb eines dem mittleren Abschluss gleichwertigen Abschlusses. Nach § 6 Abs. 7 der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung an zweijährigen Berufsfachschulen (BerFSchul2APrO HE 2011) vom 02.12.2011 (ABl. S. 885), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.03.2013 (ABl. S. 222), ist im Rahmen des berufsbildenden Unterrichts ein Betriebspraktikum durchzuführen, das in der Regel 160 Stunden umfasst . Dieses Praktikum wird in der Fachrichtung Gesundheit und Sozialwesen der zweijährigen Berufsfachschule (insbesondere im Schwerpunkt "Medizinisch-Technisch/Krankenpflegerisch" bzw. im Schwerpunkt "Sozialpflegerisch/Sozialpädagogisch") im Regelfall in sozialen Einrichtungen durchgeführt. Die zweijährige höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz führt zu einem schulischen Berufsabschluss . Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung an den zweijährigen höheren Berufsfachschulen für Sozialassistenz (SozAssBFSchulAPrV HE) vom 19.10.2006 (ABl. S. 1002), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.03.2013 (ABl. S. 222), umfasst die Ausbildung neben der fachtheoretischen und fachpraktischen Grundbildung für Sozialberufe auch eine berufspraktische Ausbildung in der jeweiligen Fachrichtung. In dieser Ausbildungsform arbeiten die Schulen eng mit den Praxisstellen zusammen. Der berufsbildende Lernbereich beinhaltet nach § 6 Abs. 2 und 5 SozAssBFSchulAPrV HE angeleitete Berufspraktika in sozialpädagogischen oder sozialpflegerischen Einrichtungen. Diese Praktika werden im ersten Ausbildungsjahr in beiden Fachrichtungen in geeigneten sozialpflege- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2450 3 rischen und sozialpädagogischen Einrichtungen mit 280 Stunden nach der Stundentafel und den Richtlinien für berufspraktische Ausbildung geleistet. Das zweite Ausbildungsjahr beinhaltet eine berufspraktische Ausbildung nach § 7 Abs. 1 SozAssBFSchulAPrV HE. Diese wird mit 840 Zeitstunden (21 Stunden an 3 Tagen pro Woche) in sozialpädagogischen und sozialpflegerischen Einrichtungen durchgeführt, die dem Berufsfeld einer Sozialassistentin oder eines Sozialassistenten entsprechen und die in konzeptioneller, personeller und sachlicher Hinsicht als Lernort geeignet sind. Die berufspraktische Ausbildung kann unterrichtsbegleitend oder in Blockform durchgeführt werden. Die Schülerinnen und Schüler werden sowohl von Lehrkräften der Schule als auch von einer Fachkraft der Ausbildungsstelle betreut. Alle Praktika sind in dieser Ausbildungsform verpflichtend. Die Fachschule für Sozialwesen vermittelt die Befähigung, in sozialpädagogischen Bereichen als Erzieherin oder als Erzieher, in sozialpflegerischen Bereichen als Heilerziehungspflegerin oder als Heilerziehungspfleger, sowie in heilpädagogischen Tätigkeitsfeldern selbstständig und verantwortlich tätig zu sein. Nach § 6 Abs. 4 der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfungen an den Fachschulen für Sozialwesen (SozWAPrV HE) vom 23.07.2013 (ABl. S. 554) sind in der dreijährigen Ausbildung in der Fachrichtung Sozialpädagogik und in der Heilerziehungspflege während der ersten beiden Ausbildungsabschnitte fachpraktische Ausbildungen als Begleitpraktikum oder als Blockpraktikum von mindestens 460 Stunden nach der Stundentafel in mindestens zwei Einrichtungen der entsprechenden Fachrichtung abzuleisten. Der Nachweis der fachpraktischen Ausbildung ist Voraussetzung für die Zulassung zum nächsten Ausbildungsabschnitt. Im letzten Jahr findet ein Berufspraktikum nach § 7 SozWAPrV HE von zwölf Monaten mit schulischer Begleitung statt. Dieses setzt eine erfolgreich abgelegte theoretische Abschlussprüfung nach § 9 Abs. 3 SozWAPrV HE voraus. Das Berufspraktikum kann mit weniger als der wöchentlichen Regelarbeitszeit, jedoch mindestens halbtags, abgeleistet werden. Hierbei verlängert sich der Praktikumszeitraum nach § 7 Abs. 2 SozWAPrV HE entsprechend. Die SozWAPrV HE bestimmt, dass das Berufspraktikum von Studierenden mit einem Berufsabschluss als "Staatlich geprüfte Sozialassistentin" oder "Staatlich geprüfter Sozialassistent" mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik oder bei vorliegender einschlägig anerkannter Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer nach § 2 Abs. 4 SozWAPrV HE oder aber von Studierenden der Teilzeitform, die während ihrer Ausbildungszeit bereits mindestens zwei Jahre eine einschlägige berufliche Tätigkeit ausüben, individuell nach § 7 Abs. 3 SozWAPrV HE auf bis zu 6 Monate verkürzt werden kann. Die Fachrichtung Heilpädagogik umfasst nach § 41 Abs. 1 SozWAPrV HE und der Stundentafel in Anlage 11 eine fachpraktische Ausbildung in Begleit- und Blockform von 420 Stunden. Die Fachoberschule führt zur Fachhochschulreife. Im ersten Jahr der zweijährigen Organisationsform A findet nach § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfung an Fachoberschulen (FOSchulAPrO HE) vom 02.05.2001 (ABl. S. 299), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.03.2013 (ABl. S. 222), in der Regel an drei Tagen in der Woche ein einschlägiges gelenktes Praktikum statt. Dieses kann auch in Blockform durchgeführt werden, wobei es mindestens 800 Zeitstunden umfassen muss. Gegenstand und Durchführung des Praktikums werden von der Fachoberschule im Einvernehmen mit der Praxiseinrichtung festgelegt. Das Praktikum wird in den Fachrichtungen Sozialwesen und Gesundheit in der Regel in sozialen Einrichtungen durchgeführt. Frage 2. Gibt es Schulen, die Kooperationsverträge mit Sozialverbänden oder Einrichtungen geschlossen haben? Hierzu liegen dem Hessischen Kultusministerium keine statistisch erhobenen Daten vor. Schulen können jedoch auf eigenverantwortlicher Basis Kooperationen mit Sozialverbänden oder sozialen Einrichtungen eingehen. Diese bedürfen nicht zwingend einer schriftlichen Vereinbarung, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass klare gemeinsame Absprachen getroffen werden. So haben speziell für den sozialen Bereich einzelne Schulen im Rahmen der Kooperation in ihrem regionalen Netzwerk zur Berufs- und Studienorientierung entsprechende Strukturen ausgebildet . Diese sind in bi- bzw. multilateralen Kooperationsverträgen festgeschrieben oder durch das Schulcurriculum schriftlich festgehalten, zum Teil aber auch nur als praktisch gelebte Kooperation ohne schriftliche Fixierung vorhanden. Hier differieren die Angebote bzw. Strukturen der Schulen je nach Schwerpunktsetzung, Region, individuellen Profilen und Bedarfen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2450 Frage 3. Sind Kooperationsverträge mit Firmen, Wirtschaftsunternehmen und Institutionen durch einen Erlass geregelt? Wenn ja, warum und wie gestalten sich diese? Die Berufs- und Studienorientierung gehört gemäß den §§ 2 und 3 HSchG zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und zu den Grundsätzen für deren Verwirklichung. Da dies nur mit entsprechenden Kooperationsstrukturen in regionalen Netzwerken zur Berufs- und Studienorientierung zu verwirklichen ist, regelt der BSO-Erlass die Frage der Kooperationen für alle allgemeinbildenden Schulen: "Allgemeinbildende Schulen sollen je nach den von ihnen angebotenen Abschlüssen mindestens eine Kooperation mit einem Unternehmen, einem Betrieb oder einer Hochschule eingehen. Ziele hierbei sind: Unterstützung der Schulen bei der praxisnahen Ausgestaltung der Berufs-und Studienorientierung , Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien oder Elterninformationen, Einsatz von Ausbildungsleiterinnen und Ausbildungsleitern, Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen, Auszubildenden und Studierenden als Expertinnen und Experten, Angebote zur Praxiserfahrung für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte, Durchführung von professionellen Bewerbungstrainings." Frage 4. Haben Schulen die Möglichkeit, individuelle Kooperationsverträge abzuschließen? a) Welche Erfahrungen gibt es auf diesem Gebiet? b) Wer ist jeweils der Initiator für solche Kooperationsverträge? Zu a: Insbesondere Schulen, die über ein breites Netzwerk zur Berufs- und Studienorientierung verfügen, haben in der Regel mehrere feste Kooperationspartner, oft aus mehreren Bereichen (z.B. Industrie, Handel, soziale Institutionen etc.). Diese arbeiten mit den Schulen im Rahmen der jeweiligen Kooperationsvereinbarungen zusammen, beteiligen sich an Unterrichtsprojekten zur Berufs- und Studienorientierung und bieten Plätze für Realbegegnungen (Betriebspraktikum und Betriebserkundung). Zu b: Die Initiativen können von beiden Seiten ausgehen. Daten hierzu liegen nicht vor. Frage 5. Wie bewertet die Landesregierung die Idee und die Umsetzung von Sozialpraktika und dem Erlernen von sozialen Softskills? a) Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Sozialpraktika möglicherweise bei der Wahl eines sozialen Berufes helfen und dem Fachkräfteengpass im sozialen Bereich (Alten- und Krankenpflege etc.) helfen könnten? b) Inwiefern will sich die Landesregierung engagieren, damit Schülerinnen und Schüler a) zukünftig häufiger soziale Berufe anstreben und b) diese bereits in der Schullaufbahn kennenlernen können? c) Hat die Landesregierung Kenntnis davon, dass Schulen die Umsetzung von Sozialpraktika anstreben und unterstützt sie diese Schulen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie? Die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen, zu denen auch die soziale gehört, wird gemäß BSO-Erlass von der Landesregierung als wichtige Voraussetzung für das Bildungs- und Erziehungsziel der Ausbildungsreife im Sinne von § 2 HSchG gesehen. Ein Praktikum in einem bestimmten Berufsfeld ist sinnvoll, wenn sich im individuellen Prozess der Berufsorientierung einer Schülerin oder eines Schülers entsprechende Interessen, Neigungen und Kompetenzen abzeichnen , die durch ein einschlägiges Praktikum vertieft und überprüft werden sollen. Dies gilt auch für Praktika in sozialen Einrichtungen. Daher haben Schulen einen eigenen Gestaltungsspielraum bezüglich ihrer Schwerpunktsetzungen, die sich in ihren schuleigenen Curricula widerspiegeln . Weiterhin gibt es eine Vielfalt an Grundausrichtungen im Bereich der allgemeinbildenden Schulen, die auch vom Träger oder der Schulhistorie abhängen können. Praktika im Rahmen der Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung ermöglichen Jugendlichen eine ergebnisoffene Orientierung. Hierbei kann ein Praktikum (im Bereich Sozialwesen) sowohl einen Berufswunsch verstärken als auch zum definitiven Ausschluss eines Berufsfeldes/Berufes und ggf. zur Stärkung eines anderen Berufswunsches führen. Beide Varianten stellen legitime Entscheidungen der Jugendlichen auch im Sinne der Berufswahlfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz dar. Ziel von Praktika ist es somit, Jugendliche im Erwerb von Handlungssicherheit bei der Berufswahl zu unterstützen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2450 5 Zu a: Betriebspraktika für Schülerinnen und Schüler können bei der Wahl eines Berufs insbesondere dann helfen, wenn sie im Sinne der Antworten auf Frage 1 und Frage 5 durchgeführt werden. Dies gilt auch für den sozialen Bereich und ebenso für andere Bereiche, in denen Fachkräfte fehlen. Im Bereich der beruflichen Schulen stellt der Besuch der zweijährigen höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz, der Fachschule für Sozialwesen sowie der Fachoberschule (Sozialwesen) bereits eine aktive Entscheidung der Schülerinnen bzw. Schüler bzw. der Studierenden für das Berufsfeld Sozialwesen dar. Diese Schülerinnen bzw. Schüler bzw. Studierenden benötigen in der Regel keine Orientierung mehr, sondern befinden sich in der aktiven Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit vorrangig im Bereich Sozialwesen. Absolventinnen bzw. Absolventen der Fachschule für Sozialwesen nehmen im Regelfall direkt nach Abschluss der fachschulischen Ausbildung eine entsprechende berufliche Tätigkeit auf, alternativ ist der Zugang zu den Hochschulen als "beruflich Qualifizierte" oder über den additiven Erwerb einer Fachhochschulreife möglich. Absolventinnen bzw. Absolventen der Fachoberschule (Sozialwesen) besuchen im Anschluss an die FOS häufig Hochschulen. Eine an der Fachoberschule, an der höheren Berufsfachschule oder an der Fachschule erworbene Fachhochschulreife berechtigt zu einem Studium an einer Fachhochschule oder in einem gestuften Studiengang an einer Universität in Hessen (mit Ausnahme der Goethe-Universität Frankfurt am Main). Hierbei besteht für die Absolventinnen bzw. Absolventen mit Fachhochschulreife auch die Möglichkeit, primär qualifizierende Studiengänge im (sozial-)pflegerischen bzw. sozialpädagogischen Bereich zu besuchen. Das berufliche Schulwesen bietet somit von der Möglichkeit einer ersten beruflichen Orientierung im Bereich Sozialwesen in den Bildungsgängen zur Berufsvorbereitung (auf der Niveaustufe 2 des DQR/EQR) bis hin zum Erwerb beruflicher Qualifikationen bzw. von Abschlüssen an der Fachschule für Sozialwesen (auf der Niveaustufe 6 des DQR/EQR) ein umfassendes Spektrum an Qualifizierungsmöglichkeiten für sehr unterschiedliche Zielgruppen an. Hierbei liefert es dem Berufsfeld "Sozialwesen" in erheblichem Umfang Fachkräfte zu, ist also am Abbau des Fachkräfteengpasses im Sozialwesen aktiv beteiligt. Zu b: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Zu c: Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Dazu ist bekannt, dass einige Schulen , in der Regel auf freiwilliger Basis, verstärkt Praktika für Schülerinnen und Schüler anbieten . Mit dem "Gütesiegel für Berufs- und Studienorientierung Hessen" existiert ein Instrument, welches besondere Leistungen und Angebote in diesem Bereich würdigt und mit Ideen gebender Funktion positiv herausstellt. Die Regelung des BSO-Erlasses bezüglich der Möglichkeit von (freiwilligen) Einzel- und Zusatzpraktika schafft die notwendigen Rahmenbedingungen, damit die Schulen ihren Freiraum zur Gestaltung entsprechend nutzen können. Frage 6. Plant die Landesregierung Sozialpraktika an hessischen Schulen einzuführen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie bzw. welche Möglichkeiten gibt es, Sozialpraktika verpflichtend oder auf freiwilliger Basis an Schulen einzuführen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Wiesbaden, 28. Oktober 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz