Kleine Anfrage des Abg. Grüger (SPD) vom 18.09.2015 betreffend Schleichwerbung an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Im Zusammenhang mit der Einschulung ihrer Kinder wurden Eltern im Lahn-Dill-Kreis von Lehrerinnen und Lehrern konkrete Vorgaben hinsichtlich der Marken, etwa für Malkästen, Bunt- und Bleistifte gemacht, die die Kinder für den Unterricht benötigen und zum Schulstart gekauft werden müssen. Vorbemerkung des Kultusministers: Die in der Vorbemerkung des Fragestellers genannten angeblichen Vorgaben konnten durch Nachfrage bei dem zuständigen Staatlichen Schulamt nicht konkretisiert werden. Insofern beschreibt die nachstehende Antwort nur die allgemeinen Grundsätze, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Dürfen hessische Lehrerinnen und Lehrer Vorgaben hinsichtlich der Marken von Lehr- und Schulmaterial (Malkästen, Stifte, Blöcke etc.) machen, die von den Eltern bezahlt werden? An hessischen Schulen besteht ein umfassendes Werbeverbot, daher ist Werbung für politische, religiöse oder weltanschauliche Interessen ebenso wie zu kommerziellen Zwecken grundsätzlich unzulässig. Dieses Werbeverbot beruht auf dem staatlichen Neutralitätsgebot, das wiederum seine Grundlage in dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nach den §§ 2 und 3 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) und der Neutralitätspflicht der Lehrkräfte gemäß § 86 Abs. 3 HSchG findet. Sofern Lehrerinnen und Lehrer Vorgaben hinsichtlich der Marken bestimmten Schulmaterials, insbesondere von Schreibmaterialien, die durch die Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern angeschafft werden, machen, sind diese Vorgaben grundsätzlich nicht als verbindlich anzusehen . Die Angaben beziehen sich in der Regel auf die Beschaffenheit dieser Materialien, die gewissen Anforderungen entsprechen soll, um den Unterricht in der von der Lehrperson vorgegebenen Weise durchführen zu können. Angaben in Bezug auf bestimmte Marken sind dabei lediglich als beispielhafte Empfehlungen zu betrachten, die regelmäßig auf Erfahrungswerten der Lehrerinnen und Lehrer beruhen und den Eltern bei der Anschaffung Anhaltspunkte hinsichtlich der Qualität der Materialien liefern sollen . Dennoch sind die Schülerinnen und Schüler selbstverständlich nicht verpflichtet, ein Produkt der angegebenen Marke zu erwerben. Dies gilt insbesondere dann, wenn andere Produkte ebenso den Anforderungen entsprechen, die eine planmäßige Unterrichtsdurchführung stellt. Durch das bestehende Werbeverbot werden auch Wettbewerbseingriffe seitens der Schule unterbunden. Eine staatliche Einflussnahme in den Wettbewerb wird auf diese Weise verhindert , wenngleich dahingestellt bleiben kann, ob der Ausspruch einer Empfehlung hinsichtlich der Marke eines Schreibwerkzeuges durch eine Lehrkraft überhaupt geeignet ist, eine unlautere Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darzustellen . Soweit Lehrkräfte sich im Rahmen einer Empfehlung bewegen, wird auch kein Kaufzwang auf die Schülerinnen und Schüler ausgeübt. Eingegangen am 9. November 2015 · Ausgegeben am 11. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2451 09. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2451 Frage 2. Wenn ja, wie verträgt sich diese Form der Schleichwerbung mit der gebotenen Neutralität des Staates und seiner Institutionen? Insbesondere das Lehrpersonal ist gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 HSchG dazu verpflichtet, in Schule und Unterricht politische, religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren. Das staatliche Neutralitätsgebot verpflichtet zur Neutralität auch in Bezug auf die Verwendung bestimmter Marken bei von den Eltern anzuschaffenden Lernmaterialien. In Fällen wie dem vorliegenden ist nicht davon auszugehen, dass die Lehrkräfte eine bestimmte Gegenleistung für die Empfehlung eines Produkts erhalten und einen Werbezweck verfolgen. Gegebenenfalls entspricht das empfohlene Produkt als das einzige auf dem Markt befindliche den Anforderungen, die der Lehrkörper an das Material stellt. Andernfalls ist die Angabe einer bestimmten Marke lediglich als Ausspruch einer Empfehlung in Hinblick auf die im Unterricht benötigte Qualität eines Produkts anzusehen. Für die Beurteilung eines Sachverhalts ist regelmäßig die individuelle Fallgestaltung maßgeblich . Sofern jedoch ein konkreter Fall einer unzulässigen Werbemaßnahme den Staatlichen Schulämtern oder dem Hessischen Kultusministerium bekannt wird, wird diese umgehend unterbunden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Wiesbaden, 3. November 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz