Kleine Anfrage des Abg. Yüksel (SPD) vom 17.09.2015 betreffend Fastenpraxis muslimischer Schülerinnen und Schüler während des Ramadans und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Der Fastenmonat Ramadan ist ein wichtiges und identitätsstiftendes Fest für viele hessische Musliminnen und Muslime und fester Bestandteil ihrer religiösen Praxis. In seiner spirituellen Bedeutung ist der Ramadan eine Zeit der Besinnung und des Friedens und soll den Gläubigen grundlegende islamische Werte wie Mitmenschlichkeit , Bescheidenheit und familiären Zusammenhalt näherbringen. Jedoch halten sich nicht nur Erwachsene , sondern zunehmend auch Minderjährige während des Ramadans an das Fastengebot und verzichten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf jegliche Nahrungsaufnahme. Bildungspolitisch notwendig sind darum ein bewusster und pädagogisch sinnvoller Umgang mit der Fastenpraxis schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher sowie eine Dokumentation möglicher Auswirkungen dieser religiösen Praxis auf den Schulunterricht. Vorbemerkung des Kultusministers: Für Muslime ist der Ramadan ein besonderer heiliger Monat und steht positiv für Selbstbeherrschung , Willenskraft, innere Einkehr, Besinnung, Reinigung von Körper und Geist. Wenn Kinder und Jugendliche erste Erfahrungen mit dem Fasten machen, bieten Schulen meist Gesprächsmöglichkeiten an, um allgemein auf die gesundheitlichen Gefahren des Fastens aufmerksam zu machen. Bildungspolitisch bietet diesbezüglich der Hessische Referenzrahmen Schulqualität wesentliche pädagogische, schulorganisatorische und methodisch-didaktische Kriterien für das Schulleben und für die Schulkultur an, indem interkulturelle und interreligiöse Themen beispielsweise anhand einer Informationstafel im Schulgebäude oder auf einer Schul-, Gesamtoder Teilkonferenz über die religiöse Bedeutung und die Praxis des Fastens sowie den Umgang damit im Schulunterricht und in der Schulgemeinde dargestellt werden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Fastenpraxis minderjähriger Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens in Hessen, insbesondere bei unter 14-Jährigen? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Schulform, Schuljahr, Schulamtsbezirk) Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. Bei Fragen der religiösen Praxis des Einzelnen handelt es sich um höchstpersönliche Angelegenheiten, weshalb eventuelle Erhebungen durch das Land einen Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung bedeuten würden. Frage 2. Gab es in den letzten fünf Jahren gesundheitlich relevante oder andere Vorfälle in hessischen Schulen, die auf das Fasten von minderjährigen Schülerinnen und Schülern zurückzuführen waren? Wenn ja, welche? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Schulform, Schuljahr, Schulamtsbezirk ) Der Landesregierung sind keine gesundheitlich relevanten oder andere Vorfälle in hessischen Schulen bekannt, die auf das Fasten von minderjährigen Schülerinnen und Schülern zurückzuführen sind. Lediglich bekannt ist, dass im Sommer 2015 vermehrt Schulen im Schulamtsbezirk Frankfurt nach der Möglichkeit gefragt haben, Schülerinnen und Schüler wegen des Ramadans vom Schwimmunterricht befreien zu können. Eingegangen am 13. November 2015 · Ausgegeben am 17. November 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2453 13. 11. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2453 Frage 3. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen minderjährige Schülerinnen oder Schüler durch ihr soziales Umfeld zum Fasten gedrängt worden sind? Solche Fälle sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 4. Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen des Fastens auf die aktive Teilnahme der Schülerinnen und Schüler am Schulunterricht ein und sieht sie den Lernerfolg durch die Fastenpraxis potenziell beeinträchtigt? Dem Land liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor, sodass eine Einschätzung nicht vorgenommen werden kann. Frage 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zur Schulung von Lehrkräften in Hinblick auf einen pädagogisch sinnvollen Umgang mit dem muslimischen Fastengebot und der Fastenpraxis minderjähriger muslimischer Schülerinnen und Schüler? Durch das Kultusressort werden Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte im Bereich der interkulturellen Kompetenz angeboten. Spezielle Schulungen von Lehrkräften zum muslimischen Fastengebot und der Fastenpraxis finden seitens der Landesregierung nicht statt. Frage 6. In welchen fachlichen und curricularen Zusammenhängen kann der muslimische Fastenmonat Lerngegenstand zur Vertiefung der interkulturellen und interreligiösen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler sein? Nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 Hessisches Schulgesetz (HSchG) ist die interkulturelle und interreligiöse Kompetenz der Schülerinnen und Schüler ein grundlegender Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Dieser umfasst auch die Vermittlung von Kenntnissen über religiöse Gebote und Praktiken der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. In den hessischen Kerncurricula wird in Teil A die Förderung der interkulturellen Kompetenz explizit erwähnt. Teil A gilt für alle Fächer und für alle Schulformen. Die Themen Islam und die fünf Säulen des Islams werden sowohl an den Universitäten als auch in den Studienseminaren und in den Schulen behandelt. Durch die Vorgaben der Kerncurricula wird eine solide Grundlage zur Auseinandersetzung mit anderen Religionen in den Fächern Ethik, Politik und Wirtschaft, Gesellschaftslehre, Geschichte und Religion bereitgestellt. Der Lerngegenstand "Islam - Ramadan" wird in verschiedenen Schulformen alters- und schulformbezogen angemessen unterrichtet. Im Fokus der Unterrichtseinheiten auf der Grundlage der Kerncurricula stehen in den Religionsunterrichten und im Ethikunterricht die Kompetenzbereiche "Wahrnehmen und Deuten", "Analysieren und Reflektieren", "Argumentieren und Urteilen" sowie die Leitperspektiven und die Inhaltsfelder "Andere Religionen", "Religionen und Interreligiöse Befähigung", "religiöse und gesellschaftlich - kulturelle Pluralität" und "Kultur und Religion". Zur interkulturellen und interreligiösen Bildung gehört auch die Behandlung der verschiedenen Religionen (Judentum, Christentum, Islam u.a.). In schuleigenen Curricula müssen die Schulen diese Querschnittsaufgabe mitberücksichtigen. Auch in vielen Profilbeschreibungen der Schulen ist mittlerweile das interkulturelle und interreligiöse Lernen ein bedeutungsvoller Baustein der Schulentwicklung geworden. Konkrete Anknüpfungspunkte für die Vertiefung der interkulturellen und interreligiösen Kompetenz finden sich u.a. in folgenden Kerncurricula: Kerncurriculum Grundschule "Islamische Religion (DITIB Hessen [sunnitisch])" Kerncurriculum Grundschule "Islamische Religion (Ahmadiyya Muslim Jamaat)" Kerncurriculum Grundschule "Katholische Religion" Kerncurriculum Grundschule "Evangelische Religion" Generell werden die Fragen auch in den Kerncurricula des Fachs Politik und Wirtschaft für die Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums behandelt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2453 3 Frage 7. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die praktische Ausschöpfung dieser Möglichkeiten ? Der Landesregierung ist bekannt, dass entsprechend den Vorgaben des § 4 HSchG die Kerncurricula nach Frage 6 als verbindliche Grundlagen für den Unterricht durch die Lehrkräfte angewandt werden. Wiesbaden, 4. November 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz