Kleine Anfrage der Abg. Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel und Warnecke (SPD) vom 15.10.2015 betreffend landwirtschaftliche Klärschlammverwertung in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Die Umweltministerkonferenz mahnt an, dass eine landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen eingeschränkt werden soll, sodass eine Verwertung nur noch von Anlagen der Größenklasse eins und zwei möglich ist. Somit wird der Großteil des im Klärschlamm enthaltenen Phosphats dem natürlichen Kreislauf entzogen , welches aber unabdinglich für jedes Pflanzenwachstum ist. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die Rahmenbedingungen einer landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung werden abfallrechtlich durch die Klärschlammverordnung (AbfKlärV) und düngerechtlich durch die Düngemittelverordnung (DüMV) sowie die Düngeverordnung (DüV) geregelt. Mit dem vorliegenden Referentenentwurf für eine Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung vom 28. August 2015 wird eine Neuausrichtung der Verwertung von Klärschlämmen , Klärschlammgemischen und Klärschlammkomposten eingeleitet und damit der Koalitionsvertrag zwischen den die Bundesregierung tragenden Fraktionen der CDU, CSU und SPD zur 18. Legislaturperiode (Kapitel "Gewässer- und Meeresschutz", Seite 120: "Wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.") umgesetzt. Ziel der Verordnung ist es, mittelfristig zu einem flächendeckenden Einsatz der technischen Phosphorrückgewinnungsverfahren zu kommen. Hierdurch sollen auch die mit der herkömmlichen Klärschlammaufbringung verbundenen Schadstoffeinträge in den Boden weiter verringert werden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, den dadurch entstehenden Mangel an phosphathaltigen Düngemitteln zu ersetzen? Ein Mangel an phosphathaltigen Düngemitteln wird durch den Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung mittelfristig nicht entstehen. Wenn dieser Verwertungsweg für die Düngung nicht mehr möglich sein sollte, bietet sich alternativ die Nutzung mineralischer Phosphordüngemittel an. Diese können in Zukunft den aus den Klärschlämmen und Klärschlammaschen zurückgewonnenen Phosphor enthalten. Frage 2. Welche Mengen an Phosphat gehen durch diese Maßnahme nach Erkenntnis der Landesregierung in Hessen verloren? In den jährlich in Hessen anfallenden Klärschlämmen befindet sich insgesamt eine Menge von 8.000 bis 9.000 t Phosphat. Davon werden - entsprechend der Menge des in Hessen verwerteten Klärschlamms - dem Boden etwa 3.000 t im Jahr zugeführt. Frage 3. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Nutzung der Klärschlammasche als Düngemittel bei? Im Sinne einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft kann grundsätzlich eine Verwertung von Klärschlammaschen erfolgen. Aus Gründen der Minimierung eines Schadstoffeintrags mit anorganischen Schadstoffen sollte jedoch eine Ascheverwertung auf Aschen aus der Monoverbrennung begrenzt werden. Eingegangen am 29. Dezember 2015 · Ausgegeben am 7. Januar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2522 29. 12. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2522 Die Einbeziehung von Aschen aus der Mitverbrennung ist wegen der dann nicht zu verhindernden diffusen Einträge anorganischer Schadstoffe aus ökologischen Gründen abzulehnen. Dennoch sind derzeit bereits Verfahren aus der Literatur bekannt, mit denen auch großtechnisch eine Reihe von Metallen aus diesen Aschen allerdings mit einem erheblichen Energie- und Chemikalienaufwand nachträglich entfernt werden kann. Aussagen über die Praxistauglichkeit liegen nicht vor. Nicht abschließend geklärt ist derzeit die Frage der Pflanzenverfügbarkeit des Phosphats aus Klärschlammaschen. Bereits bei der Abwasserbehandlung wird im Rahmen der Phosphatfällung mit Eisensalzen davon ausgegangen, dass eine Verfügbarkeit des Klärschlammphosphats für die Pflanzen nur dann als gesichert gilt, wenn das Verhältnis von Eisen zu Phosphor nahezu äquimolar (Stoffmengenverhältnis 1:1) ist. Im Falle eines deutlichen Eisenüberschusses wird dagegen Phosphor festgelegt und ist damit nicht mehr pflanzenverfügbar. Bei einer thermischen Verwertung (Verbrennung) des Klärschlamms werden die organischen Bestandteile aus dem Klärschlamm entfernt, sodass die Anteile von Phosphor in organischer und damit relativ gut verfügbarer Bindung ebenfalls entfernt werden. Demzufolge stellt sich die Frage der Phosphat-Verfügbarkeit in Klärschlammaschen nach einer Fällung mit Eisensalzen noch dringlicher, als dies bereits bei nicht weiter behandelten Klärschlämmen der Fall ist. Eine Fällung mit Eisensalzen ist derzeit praxisüblich, weil es sich um das kostengünstigste Verfahren zur Phosphor-Elimination handelt. Wie allerdings Untersuchungen zur Phosphat-Verfügbarkeit mit dem düngemittelrechtlich relevanten ammoncitratlöslichen Extraktionsverfahren zeigen, sind Klärschlammaschen im günstigsten Fall mit einem Rohphosphat vergleichbar und damit nur eingeschränkt pflanzenverfügbar. In der Düngemittelverordnung (DüMV) besteht allerdings die Möglichkeit einer Zuordnung der Klärschlammaschen zu einem zugelassenen Düngemitteltyp, der in seiner Verfügbarkeit Rohaschen entspricht. Klärschlammaschen können derzeit nur verwertet werden, wenn sie einem zugelassenen Düngemitteltyp entsprechen und darüber hinaus bezüglich der Löslichkeit die gesetzlichen Anforderungen der DüMV erfüllen. Frage 4. Inwieweit unterstützt die Landesregierung die Entwicklung von Verfahren zur Herstellung von Düngemitteln aus Klärschlammaschen? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Frage 5. Wie wird nach Kenntnis der Landesregierung Klärschlammasche verwertet? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Frage 6. Inwieweit unterstützt die Landesregierung die Entwicklung von Verfahren zum Abreichern von Phosphat aus Schlämmen von Kläranlagen? In dem Referentenentwurf der Novelle wird keine Präferenz für ein Verfahren der Rückgewinnung vorgegeben. In einem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zur "Ressourcenschonung durch Phosphor-Rückgewinnung" wird die Einsatzfähigkeit der bekannten Phosphorrückgewinnungsverfahren aktuell bewertet. Demnach ist eine großtechnische Umsetzung der Phosphor-Rückgewinnung mit den derzeit verfügbaren Verfahren möglich und sinnvoll . Die im Verordnungsentwurf der Klärschlammverordnung vorgesehene Übergangsfrist von zehn Jahren wird jedoch notwendig sein, um eine Umsetzung der Verfahren in der Praxis zu realisieren. Zur Vorbereitung der Umsetzung der Phosphorrückgewinngung in Hessen hat die Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ziel es u.a. ist, bis zum Sommer 2016 Vorschläge für eine hessische Demonstrationsanlage zur Phosphorrückgewinnung zu erarbeiten. Damit werden den hessischen Kläranlagenbetreibern weitere Informationen für ihre Entscheidung zur Wahl des Verfahrens zur Phosphorrückgewinnung zur Verfügung stehen. Frage 7. Welche Kosten kommen aus Sicht der Landesregierung auf Landwirte in Hessen zu, die auf eine Klärschlammverwertung verzichten müssen? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine belastbaren Zahlen vor. Berechnungen eines nordhessischen Landkreises, in dem ca. 500 Betriebe rund 80 % der regional anfallenden Klärschlämme als Klärschlamm oder Klärschlammkompost auf ihren Flächen verwerten, beziffern den Wert der Nährstoffe mit etwa 4.000 € je Betrieb. Frage 8. Welche Kosten kommen aus Sicht der Landesregierung auf die kommunalen Kläranlagenbetreiber in Hessen zu, die ihren Klärschlamm in die thermische Verwertung entsorgen müssen? Die Kosten der direkten stofflichen Verwertung auf der landwirtschaftlichen Fläche sind nur bedingt mit denen der thermischen Behandlung vergleichbar, da sich beide in einer großen Bandbreite bewegen. Für die 50 % der hessischen Kläranlagen, die ihre Klärschlämme nicht thermisch behandeln, ist mit einem geringen Anstieg der Entsorgungskosten zu rechnen. Dabei ist Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2522 3 zu berücksichtigen, dass nur ein geringer Anteil der Gesamtkosten der Abwasserentsorgung auf die Entsorgung der Klärschlämme entfällt. In einem Bericht des Umweltbundesamtes über die "Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland" vom September 2013 wird angeführt , dass für einen 4-Personen-Haushalt mit einer Kostensteigerung von 3 € auf etwa 6 € pro Jahr zu rechnen ist. Frage 9. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung für eine künftige landwirtschaftliche Klärschlammverwertung in Hessen? Nach den Vorgaben des Referentenentwurfs kann eine landwirtschaftliche Verwertung noch bis zum 31. Dezember 2024 für Klärschlämme stattfinden, die die angepassten qualitativen Vorgaben der Verordnung erfüllen. Nach dem 1. Januar 2025 ist eine landwirtschaftliche Verwertung für Klärschlamme aus Kläranlagen mit einer Ausbaugröße bis max. 10.000 EW (Einwohnerwert ) weiterhin möglich. Hierbei handelt es sich um Kläranlagen der Größenklassen 1 bis 3 nach Anhang 1 der Abwasserverordnung. Für Klärschlämme aus Kläranlagen der Größenklassen 4 und 5 ist eine landwirtschaftliche Verwertung dann nur noch im Ausnahmefall zulässig. Bei Überschreitung des Phosphorschwellenwertes von 20 g Phosphor pro Kilogramm Trockenmasse besteht für Klärschlamme aus Kläranlagen der Größenklasse 4 und 5 die Verpflichtung einer Phosphorrückgewinnung. Bei einer dann noch möglichen landwirtschaftlichen Verwertung muss es das Ziel sein, nur noch die stofflich besten Schlämme zu verwerten. Nach dem Referentenentwurf soll dies durch eine Güte- und Qualitätssicherung sichergestellt werden. Einen großen Einfluss auf die künftige Verwertung werden auch die weiteren Regelungen der Düngeverordnung zur Anwendung des Klärschlammes als Düngemittel sowie der Düngemittelverordnung für die Zulassung und das Inverkehrbringen von Düngemitteln ausüben. Nach den Vorschriften der Düngemittelverordnung dürfen ab dem 1. Januar 2017 synthetische Polymere als Nebenbestandteile von Düngemitteln nur noch Verwendung finden, soweit sich sämtliche Bestandteile und das Endprodukt um mindestens 20 % in zwei Jahren abbauen. Dies hätte zur Folge, dass ein Großteil der anfallenden Klärschlämme nicht mehr landwirtschaftlich verwertet werden könnte. Synthetische Polymere finden als Zusatzstoff zur Wasserbindung in der Klärschlammbehandlung Verwendung. Zurzeit laufen intensive Forschungsarbeiten, alternative Mittel zu finden, die den künftigen düngerechtlichen Anforderungen gerecht werden. Wiesbaden, 17. Dezember 2015 Priska Hinz