Kleine Anfrage der Abg. Löber (SPD) vom 16.09.2015 betreffend Durchlässigkeit der Lahn für Wanderfische und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: In Bad Laasphe in Nordrhein-Westfalen wurden zwischen 2001 und 2004 vom Fischereiverein Wittgenstein in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Lahn (Runkel) Lachse in die Lahn eingesetzt. Obwohl sich die Tiere vor Ort zunächst hervorragend entwickelten, ist die Wiederansiedlung dennoch nicht gelungen. Der Stadtname Laasphe geht auf die frühmittelalterliche Bezeichnung "Lassaffa", die mit Lachswasser oder Lachsgewässer übersetzt werden kann, zurück. Es ist demnach der Schluss zulässig, dass die Lahn in vergangenen Zeiten Heimat großer Lachspopulationen gewesen sein muss - und das ist der Fluss in der Jetztzeit nicht mehr. Problematisch sind unüberwindbare Hindernisse, Wasserkraftwerke oder Wehranlagen, die sich den wandernden Tieren in der Lahn flussaufwärts schon kurz nach der Rheinmündung in den Weg stellen. Im Zuge des Ansiedlungsprojektes in Bad Laasphe waren vom Fischerverein alle Hindernisse im Fluss auf nordrhein-westfälischer Seite zurückgebaut worden. Obwohl schon in den 1990er-Jahren gegenüber der Interessengemeinschaft Lahn der Rückbau von Hindernissen durch die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen in ihren Abschnitten angekündigt worden war, ist die Durchlässigkeit bis zum heutigen Tage nicht vollständig hergestellt worden. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Auf ihrem Lauf von der Quelle bis zur Mündung durchfließt die Lahn die Länder Nordrhein- Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Ausführungen im Folgenden beziehen sich, soweit es sich um die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) betriebenen Anlagen handelt, auf die Bundeswasserstraße Lahn, ansonsten auf die gesamte hessische Lahn. Die Lahn ist von ihrer Mündung in den Rhein (km 137,3) bis zum Badenburger Wehr bei Gießen (km 11,075) Bundeswasserstraße. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Behörden innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Europäischen Union sind für die Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Lahn (also Finanzierung, Organisation und Umsetzung der Maßnahmen) zuständig? Für die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Lahn ist nach § 34 Abs. 1 und 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) derjenige verantwortlich, der die jeweilige Stauanlage errichtet, wesentlich verändert und/oder betreibt. Soweit die Lahn Bundeswasserstraße ist, führt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) gemäß § 34 Abs. 3 WHG bei Stauanlagen, die von ihr errichtet oder betrieben werden , die nach § 34 Abs. 1 und 2 WHG zum Erreichen der Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG erforderlichen Maßnahmen im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Bundeswasserstraßengesetz hoheitlich durch. Frage 2. Welche Maßnahmen wurden bisher in welchem Jahr von wem im hessischen Abschnitt der Lahn zur Wiederherstellung der Durchlässigkeit des Flusses getroffen? Zur Schaffung der gewässerökologischen Durchgängigkeit der Lahn sind zwischen der Landesgrenze NRW (Biedenkopf-Wallau) und der Bundeswasserstraße (Gießen) die in Anlage 1 aufgeführten Maßnahmen umgesetzt. Zur Schaffung der gewässerökologischen Durchgängigkeit der Lahn sind im Abschnitt der hessischen Bundeswasserstraße (von Gießen bis zur Landesgrenze RP) die in Anlage 2 aufgeführten Maßnahmen umgesetzt. Eingegangen am 21. Dezember 2015 · Ausgegeben am 23. Dezember 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2525 21. 12. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2525 Die WSV hat hierzu Folgendes mitgeteilt: "Mit der gesetzlichen Zuweisung der Aufgabe an die WSV im Jahre 2010 erfolgte durch diese eine Bestandsaufnahme der Wanderhindernisse, die mit dem Regierungspräsidium (RP) Gießen abgestimmt wurde. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens wurde in diesem Jahr mit dem Land Hessen eine Verwaltungsvereinbarung für den Bau einer Rauhen Rampe am Wehr Altenberg durch das Land Hessen zu Lasten der WSV abgeschlossen. Im Rahmen des Integrierten LIFE-Lahn-Projektes werden der WSV 3,5 Haushaltsstellen für Personal zur Herstellung der Durchgängigkeit zur Verfügung gestellt. Dieses Personal soll sich u.a. mit der Durchgängigkeit in Fürfurt sowie einem Leerschleusungskonzept für Fische beschäftigen ." Frage 3. Welche Maßnahmen sollen in welchem Jahr von wem im hessischen Abschnitt der Lahn noch getroffen werden, damit etwa Aale und Lachse ungehindert wandern können? Zur Schaffung der gewässerökologischen Durchgängigkeit sind die in Anlage 3 aufgeführten Maßnahmen geplant. Die WSV hat hierzu Folgendes mitgeteilt: "Seitens der WSV soll bis zum Jahr 2020 die Rauhe Rampe in Altenberg fertiggestellt sein. Termine zu weiteren Maßnahmen der WSV können derzeit nicht abgegeben werden." Frage 4. Wie bewerten Sie den Fortschritt des Rückbaus von Wanderhindernissen im Flusslauf der Lahn insgesamt? Die Rückbaumöglichkeiten von Wanderhindernissen in der Lahn sind im Einzelfall zu prüfen. Dabei sind u.a. in Abhängigkeit der Bauwerke die morphologischen, gewässer- und auenökologischen Auswirkungen einer Schleifung (Beseitigung des Bauwerkes) abzuschätzen und zu bewerten . Nach fachtechnischer Einschätzung ist diese Option an der Lahn nur im Einzelfall eine zielführende Variante und erfordert häufig ergänzende wasserbauliche Maßnahmen und umfänglichen Grunderwerb, um nachteilige strukturelle Folgen wie z.B. einer Tiefenerosion entgegenzuwirken . Der komplette Rückbau von Wanderhindernissen beschränkt sich ohnehin auf Bauwerke , die keinem Nutzungszweck dienen. Bei bestehenden, wasserrechtlich zulässigen Benutzungen (u.a. Wasserkraft) entfällt i.d.R. diese Variante. Lediglich bei Rechtsverzicht oder Widerruf wäre diese Option zu prüfen. Insofern ist an der überwiegenden Zahl der Wanderhindernissen an der Lahn der Bau von funktionsfähigen Fischaufstiegsanlagen zielführend anzustreben. Frage 5. Auf welche Weise nutzen Sie ihren politischen Einfluss auf die für den Rückbau in nicht hessischen Abschnitten der Lahn zuständigen Stellen, deren potenzielle Versäumnisse negative Einflüsse auf die Biodiversität in dem für das Land Hessen bedeutenden Lebensraum Lahn habe können? Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts sind die Anforderungen zur Herstellung der Durchgängigkeit (§ 34 WHG) sowie die damit in Verbindung stehenden Vorschriften zur Mindestwasserführung (§ 33 WHG) und Wasserkraftnutzung (§ 35 WHG) neu gefasst . Hiervon sind in allen Bundesländern viele Tausend Wanderhindernisse betroffen. Die zuständigen Behörden und Maßnahmenträger sind bestrebt, diese anspruchsvollen Anforderungen in angemessenen Zeiträumen zu erfüllen. Insoweit ist derzeit eine "politische Einflussnahme" nicht erforderlich. Frage 6. Welche Gründe werden für das bisherige Nichterreichen der Durchlässigkeit der gesamten Lahn angeführt? Gründe für das bisherige Nichterreichen der Durchgängigkeit der Lahn sind insbesondere komplexe fachliche Anforderungen an Fischaufstiegsanlagen, aufwendige rechtliche Recherchen zu bestehenden Zulassungen (z.B. alte Rechte) und sehr aufwendige Genehmigungsverfahren (Ausgleich konkurrierender Interessen). Bei Verzicht oder Widerruf von Rechten übersteigen die Folgekosten oft die finanzielle Leistungsfähigkeit der Rechteinhaber. So hat die bisherige Strategie, einvernehmliche und kooperative Lösungen mit den Maßnahmenträgern/Rechtsinhabern zu erzielen (Prinzip der Freiwilligkeit ) in Verbindung mit ungenügenden bzw. fehlenden finanziellen Anreizen, insbesondere zur Schaffung der Durchgängigkeit bei Wasserkraftnutzung nur eine begrenzte Wirkung erzielt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die finanzielle Förderung für Strom aus Wasserkraftanlagen nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien- Gesetz 2014 - EEG 2014) nicht mehr an ökologische Verbesserungen gebunden ist. Bei der EEG-Förderung handelt es sich um ein bilaterales Verfahren zwischen dem Betreiber der Wasserkraftanlage und Betreiber des Stromnetzes, in das eingespeist wird. Die Wasserbehörde ist an diesem Verfahren nicht beteilig. Eine Aussage bezüglich der Wirkung des EEG 2014 auf die "Durchgängigkeit der Lahn" ist insofern nicht möglich. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2525 3 Im Rahmen der personellen Ressourcen erfolgt durch das Regierungspräsidium Gießen eine Kontaktaufnahme mit rechtlicher und fachlicher Beratung der Anlageneigentümer und Rechtsinhaber . Dabei ist es sachgerecht, den Anlageninhabern einen gewissen Zeitraum für ihre Entscheidung einzuräumen. Von dem Angebot einer Beratung wird vermehrt Gebrauch gemacht. Unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der durchzuführenden Maßnahmen sind angemessene Fristen z.B. entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie zu setzen und auch die Voraussetzungen zu prüfen, unter denen nach Maßgabe der §§ 29 bis 31 WHG von den Vorgaben des § 27 WHG abweichende Fristen und Ziele zulässig sind. Die WSV hat hierzu Folgendes mitgeteilt: "Die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Lahn, für deren Umsetzung die WSV verantwortlich ist, sind in einem bundesweiten Priorisierungskonzept gelistet. Ein wichtiger Schritt wurde seitens der WSV 2014, mit der Auftragserteilung zur Aufstellung eines physikalischen Modells an die Bundesanstalt für Wasserbau, für die Lösungsfindung der technischen Herstellung der Durchgängigkeit an der Staustufe Lahnstein, getan. Sobald die Modellergebnisse im 2. Halbjahr 2016 vorliegen, wird man unverzüglich mit der Umsetzung der Maßnahme beginnen, wie die Position 8 bei der in Anlage 4 aufgeführten, auf die Bundeswasserstraße Lahn konzentrierten bundesweiten Prioritätenliste ausweist." Frage 7. Bis zu welchem Jahr könnte die Durchlässigkeit der Lahn von der Quelle bis zur Mündung verwirklicht sein? An der Herstellung der Durchgängigkeit wird kontinuierlich gearbeitet. Ziel ist es, die diesbezüglich erforderlichen Maßnahmen möglichst frühzeitig, spätestens bis 22. Dezember 2027 (§ 29 WHG), zu realisieren. In dem Integrierten LIFE-Lahn Projekt wird die Durchgängigkeit für Langdistanzwanderfische ein Arbeitsschwerpunkt darstellen (siehe auch Beitrag der WSV zur Beantwortung der Frage 2). Frage 8. In welchen Bächen und Flüssen in Hessen ist die Situation mit der der Lahn ähnlich oder vergleichbar ? Im Hinblick auf die Fischpassierbarkeit von Querbauwerken ist die Situation in nahezu allen Fließgewässern vergleichbar. Aufgrund der Klassifizierung als Bundeswasserstraße unterscheidet sich die Lahn jedoch im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse zu den meisten anderen hessischen Gewässern deutlich. Wiesbaden, 16. Dezember 2015 Priska Hinz Anlagen Anlage 1 Wehr WKA Vorhabenträger Art der FAA Jahr der Fertigstellung Bohne-Wehr, Wallau Bohne Bohne Borstenfischpass 2014 Hüttermühlenwehr Biedenkopf Unterhaltungsverband Obere Lahn Absenkung des Absturzes und Einkerbung 2015 Wehr der Wilhelmshütte und Neumühle Wolfgruben Wilhelmshütte Steinhoff Borstenfischpass 2009 Wehr der Schmelzmühle, Friedensdorf Schmelzmühle Henkel Vertical-slot mit quergestellten Becken an der WKA 2010 Wehr Dammhammer, Elmshausen Dammhammer Steinhoff Borstenfischpass 2011 Absturz 22926, Elmshausen Steinhoff Umgestaltet in langgezogene Sohlgleite 2012 Afföllerwehr Marburg Lotz Stadt Marburg Riegelbeckenpass mit Borstenelementen im Kanupass 2002/2010 Anlage 2 Wehr WKA Vorhabenträger Art der FAA Jahr der Fertigstellung Oberes Wehr Gießen Klinkelsche Mühle Stadt Gießen Raugerinne-Becken-Pass an der WKA 2006 Unteres Wehr Gießen Stadt Gießen Raugerinne-Becken-Pass 2010 Sohlschwelle Heuchelheim Stadt Gießen Raue Rampe 2006 Wehr Dorlar Ahmendsmühle Revikon GmbH Borstenfischpass an der WKA 2014 Oberes Wehr Wetzlar Stadt Wetzlar Borstenfischpass mit Kanurutsche 2011 Unteres Wehr Wetzlar ENWAG H. G. & Sebastian Klemann GbR Raugerinne-Becken-Pass an der WKA mit Neubau der WKA in 2004 Wehr Löhnberg WKA Löhnberger Mühle Meierfrankenfeld Schlitzpass am Wehr mit Neubau der WKA in 2003 Unteres Wehr Weilburg Kirchhofsmühle Fa. F. W. Engelmann Elektrizitätswerke GmbH & Co. KG Schlitzpass an der WKA 2014 Wehr Kirschhofen Kirschhofen Fa. Rudolph & Co. Wasserkraftwerke oHG Borstenfischpass an der WKA 2011 Oberes Wehr Limburg Energieversorgung Limburg GmbH Raugerinne-Becken- Pass/Umgehunsgerinne (nur eingeschränkt funktionsfähig, Optimierung/Neubau erforderlich) am Wehr mit Neubau der WKA in 1995 Unteres Wehr Limburg Energieversorgung Limburg GmbH Raugerinne-Becken-Pass (nur eingeschränkt funktionsfähig, Optimierung/Neubau erforderlich) am Wehr mit Neubau der WKA in 1995 Anlage 3 Wehr WKA Vorhabenträger Art der FAA Geplante Umsetzung/ Fertigstellung Sportplatzwehr Friedensdorf Unterhaltungsverband Obere Lahn Rampe in Riegelbauweise 2016 Kernbacher Wehr, Kernbach Unterhaltungsverband Obere Lahn Teilbreite Riegelrampe 2016 Wehrdaer Wehr, Wehrda Stadtwerke Marburg Stadtwerke Marburg/Stadt Marburg Verticol-slot vorauss. 2018 Grüner Wehr Marburg Ölmühle Stadt Marburg Aufgelöste Rampe und Fisch-Kanu-Pass (Borstenfischpass) vorauss. 2017 Steinmühlenwehr, Cappel Steinmühle Wasserkraftwerk Steinmühle GmbH & Co Verticol-slot vorauss. 2017 Buderuswehr Lollar Neubau einer WKA im Zulassungsverfahren Steinhoff Fisch-Kanu-Pass (Borstenfischpass) noch nicht terminiert Oberes Wehr Wetzlar Hausertor Mühle Wieler Schlitzpass an der WKA vorauss. 2017 Wehr Oberbiel Oberbiel Horst May Wasserkraft GmbH & Co. KG Schlitzpass an der WKA bis Ende 2015 Oberes Wehr Limburg WKA Obermühle Bär Borstenfischpass an der WKA genehmigt in 2012, Umsetzung noch nicht terminiert Anlage 4