Kleine Anfrage des Abg. Rentsch (FDP) vom 15.10.2015 betreffend raumlufttechnische Anforderungen für ambulante Operationen in Arztpraxen nach DIN 1946-4 und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche raumlufttechnischen Anforderungen bestehen für ambulante Operationen in Arztpraxen in Hessen? Die Notwendigkeit zum Einbau von raumlufttechnischen Anlagen (RLTA) in Operationssälen ist nach bisheriger Sichtweise von der Art der Operation (Operation/Eingriff) abhängig. Allerdings ist die Evidenz zur Reduktion der Infektionsrate bei Operationen in Bezug auf die verwendete Technik (LAF/Filter) umstritten. Unabhängig davon kann eine RLT Anlage aber aus Arbeitsschutzgründen erforderlich sein. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 der Gefahrstoffverordnung durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 der Gefahrstoffverordnung ergriffen worden sind. Das ist grundsätzlich vor Aufnahme der Tätigkeit notwendig, unabhängig davon ob es sich um eine ambulante oder stationär durchgeführte OP handelt. In der TRGS 525 Nr. 3.2 ist genau aufgeführt, was bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zu beachten ist. Stellt der Arbeitgeber fest, dass Beschäftigte Gefahrstoffen ausgesetzt sind, dann gilt als erstes das Gebot der Expositionsminimierung. Ist eine Expositionsminimierung aufgrund der Art der Tätigkeit nicht möglich (z.B. bei Tätigkeiten mit Geräten, bei denen chirurgische Rauchgase entstehen können), so sollen diese Tätigkeiten nach TRGS 525 nur in Eingriffsräumen (z.B. Operationsräumen) mit modernen raumlufttechnischen Anlagen eingesetzt werden. Damit kann bei elektrochirurgischen oder Lasereingriffen eine relevante, länger andauernde Belastung der gesamten Raumluft durch chirurgische Rauchgase verhindert werden, so dass das übrige OP- Personal nicht belastet wird. Dennoch kann es in Abhängigkeit der Intensität der Nutzung Rauch entwickelnder Verfahren erforderlich sein, die lokalen Rauchbelastungen direkt am OP- Feld durch Lokalabsaugungen zusätzlich zu verringern. Zum Beispiel sind RLTA in einem fensterlosen OP zur Aufrechterhaltung adäquater Bedingungen , insbesondere zur Elimination des sogenannten surgical smoke unentbehrlich. Wenn allerdings eine RLT Anlage notwendig ist bzw. eingesetzt wird, gilt die DIN 1946 Teil 4. Frage 2. Auf welcher Grundlage hat sich die hessische Landesregierung dafür entschieden, die DIN 1946- 4 in ihrem Erlass vom 9. April 2010 unverändert beizubehalten? Eine Anhörung von Experten im HMSI hat ergeben, dass die LAF (Laminar air flow) Technik durch die nachweisbar effektivere Verringerung der Keimzahl im OP-Feld die Infektionsentstehung positiv beeinflussen kann. Spätere Datenauswertungen (retrospektive Daten aus dem Krankenhausinformationssystem KISS) zeigten jedoch keinen signifikanten Vorteil der LAF Technik in Bezug auf die tatsächlichen Infektionsraten, so dass die Unterscheidung zwischen Eingegangen am 10. Dezember 2015 · Ausgegeben am 14. Dezember 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2526 10. 12. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2526 den Raumluftklassen 1 A und 1 B aus infektiologischen Gründen nicht mehr aufrecht gehalten wird. Der Erlass vom 9. April 2010 "DIN 1946 und Position der KRINKO" wurde daher mit Erlass vom 8.10.2015 aufgehoben. Frage 3. Welche Studie beweist, dass die geforderte raumlufttechnische Anlage der Infektionsprophylaxe dient und daher bei den in Arztpraxen ambulant durchgeführten Operationen eingesetzt werden sollte? Für Hüftendoprothesen-Operationen gibt es Studien, die den infektionsreduzierenden Einfluss von LAF Anlagen zeigen. In anderen neueren Studien (retrospektive Daten aus KISS) zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Infektionsprävention bei den unterschiedlichen Raumluftklassen 1 A (LAF) oder 1 B (Filter). Durch leistungsfähige TAV (turbulenzarme Verdrängungsströmung) kann das OP-Feld nahezu erreger- und partikelfrei gehalten werden . Ob sich daraus ein relevanter Vorteil auf die Entstehung von Infektionen ergibt, ist nicht beweisbar (vgl. oben). Aus infektiologischer Sicht gibt es daher keine ausreichende Evidenz für die Empfehlung von bestimmten RLT Anlagen bei ambulanten Operationen. Frage 4. In welchen weiteren Bundesländern wird die DIN 1946-4 ebenfalls in diesem Bereich angewendet und mit welcher Begründung? Hierzu liegt der Landesregierung keine aktuelle Umfrage vor. Frage 5. Wie hoch sind die Investitions- und Unterhaltungskosten der geforderten raumlufttechnischen Anlage für operative Arztpraxen? Die Forderung nach einer RLTA hängt u.a. vom Eingriffsspektrum, den Vor-Ort-Bedingungen und den notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen ab. Demzufolge muss nach wie vor eine individuelle hygienische Risikoeinschätzung als Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine RLTA und ggf. ihre konkrete Ausführung erfolgen. Davon abhängig sind die Kosten. Ansprechpartner für eine individuelle hygienische Risikoeinschätzung sind der die Einrichtung beratende Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und das örtliche Gesundheitsamt. Frage 6. Wie beurteilt die hessische Landesregierung unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes Hygienezuschläge für operative Arztpraxen analog derer im Krankenhausbereich? Eine finanzielle Förderung für die Verbesserung der Hygienequalität, analog der im Krankenhausbereich , gibt es für operativ tätige Vertragsarztpraxen nicht. Falls an Einrichtungen für das ambulante Operieren die gleichen Anforderungen gestellt werden , wie an die Krankenhäuser, könnte eine Gleichbehandlung unter Berücksichtigung des vom Krankenhausbereich abweichenden Vergütungssystems in der vertragsärztlichen, ambulanten Versorgung diskutiert werden. Frage 7. Hat die Landesregierung die Absicht, die Notwendigkeit der Anwendung der DIN 1946-4 erneut zu überprüfen? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen. Stefan Grüttner